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Drittes Kapitel

. Eines Morgens stieg der Bauer wohlgelaunt, pfeifend und singend aus dem Bett, dann ging er hinaus, griff nach dem Pumpenschwengel und ließ das kalte Wasser in Stürzen über seine breiten Schultern und seinen Nacken rieseln. Draußen herrschte starre Kälte und der Nordwind blies eisig. Kobe aber fühlte nichts davon, denn er wusch sich im schneidenden Frostwind ebenso unbefangen, wie er es unter brennender Junisonne getan hätte.

»Das mit dem Wasser, das hat sein Gutes,« prustete er und ließ sich Wasser ins Ohr rinnen. »Wenn jeder das Tag für Tag abends und morgens täte, dann hätten wir nicht um die fünfzig herum so viele alte Leute.«

Dann trocknete er sich mit einem großen Laken aus grober Leinwand, und ging in die Küche hinüber, wo schon ein großes Feuer brannte.

Ein kräftiger Duft von frischem Kaffee füllte die Stube; rings um den Tisch saßen die Mägde und Knechte beim Frühstück.

»Ohm, hat man die Nacht gut verbracht?« rief ihm ein derber Bursche mit blauen Augen und einem gutmütigen Gesicht zu. Er war gerade dabei, eine mächtige Brotschnitte in seine Kaffeetasse zu stippen.

»Jawohl, mein Junge, ich schlafe des Nachts wie einer, der zwanzig ist,« gab ihm der Bauer zurück, nachdem er einen schnellen Blick über die Leute, die um den Tisch herum saßen, gleiten ließ.

Dabei dachte er aber für sich:

»Von diesen da wiegt mich so leicht keiner auf.«

Und dann fügte er mit etwas bewegter Stimme hinzu:

»Und dennoch sagt man, meine Jungen, daß dem Kobe Snipzel der fünfzigste Lenz auf den Fersen ist.«

Darauf ließ sich ein hagerer, dürrer Knecht, den jeden Winter das Fieber schüttelte, laut vernehmen:

»Der Bauer wird uns noch alle unter die Erde bringen, das ist so wahr, wie ich es gesagt habe.«

Im selben Augenblick ging die Tür auf und jemand trat ein.

»Guten Tag, allesamt! Da haben wir es jetzt bald mit dem Winter. Der Frost beißt zu, wie ein Hund.«

Er schob sich an den Ofen heran, hob seinen Kittel hinten hoch und ließ sich da die Beine wärmen.

»Ist das nicht eine Schande,« lachte Snipzel behäbig auf, »rotes Blut hat so einer im Leib, und will sich über Kälte beklagen. Das soll er wissen, der Kerl, der in meiner Haut steckt, weiß nichts ab von Kälte oder Hitze.«

Er stürzte drei große Tassen Kaffee herunter, stopfte nacheinander sechs mächtige Schnitten Brot hinein und stand auf.

»Was gibt es Neues, Herr Kaufmann?« fragte er und zündete sich indessen die Pfeife an.

»Es ist nur, Pachter, deswegen, daß ich hier gerade mit einem Kalb vorbeigekommen bin, und da hab' ich mir gedacht, warum sollst du die Färse nicht dem Bauer hier zeigen, weil ich sie doch verkaufen will.«

Die Färse hatte er an der Tür festgebunden, sie war ein gut gewachsenes Stück.

»Die ist was wert,« meinte der Händler.

»Kaufmann, höh!« kam es plötzlich Kobe wie Übermut an, »ich bezahle was sie kostet, wenn mir einer nachsagen kann, daß ich die Färse nicht ärmlings in die Luft steck'.«

»Das gilt!« schrie der Händler und schlug zur Bekräftigung mit dem Knüttel auf den Boden.

Kobe krempte die Hosen bis zum Knie auf, bückte sich, packte mit den Fäusten die vier Beine des Kalbes und riß es mit einem ungestümen Ruck in die Luft.

Der Händler stand und lachte sauer, denn das Geschäft hatte er schon gemeint in der Tasche zu haben. Der Pachter trug das Kalb gemächlich zweimal rund um den Hof, ohne die geringste Müdigkeit zu zeigen.

»He!« rief er ihn dann an, »so eine gute Wage hat er wohl noch nicht gekannt, so ein paar Mannsarme, die können noch allerhand Ware abwiegen.«

Plötzlich merkten sie, daß hinter ihnen jemand gelacht hatte. Es war eine Frau, die eben gekommen war. Sie war weder schön noch häßlich, aber ihre Brust war breit ausladend und ihr Gesicht von der Sonne gebräunt. Über ihr glatt gescheiteltes glänzendes Haar trug sie ein buntblumiges rotes Tuch geknotet.

»Laßt es Euch gesagt sein, Nachbar, leichter noch wird es irgendwem sein, mit nur einem Arm ein Kalb hochzuheben, als daß es ihm möglich ist, mit beiden eine Frau im Arm zurückzuhalten.«

»Oho! seid Ihr hier, Katharina Wild. Guten Tag denn. Und warum soll es denn schwerer sein mit der Frau als mit dem Kalb, wenn Sie gefälligst sagen will?«

»Sagt Euch das nicht selber etwas da drinnen, Pachter,« sagte die ›Juffrouw‹ und sah ihn an. »Denn wißt Ihr, es wird bald so weit sein, daß Ihr nun fünfzig Jahre allein auf der Erde herumlauft, und immer wartet der Hof auf die Bäuerin.«

Da ging etwas in Snipzel vor, und ein Gefühl der Scham kam ihm von irgendwo, daß er hier wie ein Geizhals auf seiner Väter Erbe gesessen und mit niemandem geteilt habe, daß er ein einsamer Junggeselle geblieben war ohne Weib und Kind.

»Gut!« gab er zu, »aber es ist mir noch nicht zu spät. Ich kann es noch versuchen. Nur Ihr müßt dann auch Hochzeit halten, Katharina Wild, damit die meine mit der euren zusammenfällt.«

Sie lachte schneidend auf und sagte:

»Ihr könntet lieber schweigen, wir sind zu alt für solche Späße, und auf die Kirmes passen wir, finde ich, nicht mehr hin.«

Der Pachter wurde böse, und weil ihm gerade der Händler unter die Augen kam, der sich noch immer überlegte, wie er Kobe das Kalb doch noch anbringen könnte, herrschte er ihn an:

»Ich hab' genug davon, Ihr könnt gehen, Kaufmann. Glaubt Ihr vielleicht, man fängt Bauer Kobe mit einem geblähten Kalb. Ich bin nicht gewohnt, die Katze für einen Hund zu kaufen.«

Er schob Katharina in die Küche hinein, klinkte hinter sich die Tür fest ein und sagte dann:

»Katharina, Ihr seid eine Frau, die sich sehen lassen kann. Ist es denn recht, wenn man sagen muß, Katharina Wild will nicht heiraten?«

Sie ließ sich ganz verstört auf einen Stuhl fallen, öffnete den Mund ein paarmal, daß ihre weißen Zähne aufblitzten, und sagte dann:

»Wer ist denn das, der Katharina Wild jetzt haben will, wo sie mehr Geld wie Jugend hat?«

»Ich wüßt schon einen, mit dem Ihr nicht schlecht ginget,« sagte der Bauer etwas unsicher und besah sich dann eingehend die glühende Asche in der Herdschublade.

Katharinas Herz schlug schwer unter dem dunklen Kleid, und aus ihren gebräunten Backen war alle Farbe gewichen.

»Nein, nein, ich will schon nichts hören,« wehrte sie ab.

»Ein tüchtiger Bursch.«

»Es ist gut. Ihr seid mir ein Spaßmacher, Kobe.«

»Und das Doppelte wird Euch dann Euer Land sicher einbringen.«

»Na, schön. Dann sollt Ihr auch seinen Namen nennen,« sagte die Frau und stampfte mit dem Fuß auf.

Er schwieg, sah sie lachend an und zwinkerte mit den Augen, dann schüttelte er den Kopf.

Plötzlich erhob sich Katharina sehr erregt und rief laut:

»Ihr vielleicht, Kobe?«

Er stand reglos da und in seinen Augen begann ein großes Staunen zu spielen. Er war ganz sprachlos.

Als sie sah, daß sie sich geirrt hatte, stieg langsam eine schwere Röte in ihr Gesicht, dann begann sie eigentümlich tief zu lachen und konnte gar nicht wieder aufhören.

Der Pachter dachte nicht anders, als daß Katharina ihn jetzt zum besten halten wollte, fuhr auf und klopfte mit dem Knöchel hart auf die Tischplatte.

»Nein, Katharina, ich bin es nicht. Wir wollen nicht mehr darüber reden.«

Er zündete sich die Pfeife an, schleuderte wütend das Streichholz in die Asche, durchmaß ein paarmal die Küche, die Fäuste in den Taschen, und fragte dann etwas besänftigt:

»Sagt mir jetzt aber, Katharina, was Ihr wollt.«

Sie sah ihn hochmütig an und sagte:

»Nichts von Belang, Sie Holzklotz, nichts. Ich bin gekommen, um Euch wegen der Kartoffelpreise zu fragen, ich will welche abgeben. Hört Ihr? Aber ich komme jetzt nicht mehr, Ihr seid mir ein zu zügelloser Mensch.«

Sie hatte sich erhoben. Snipzel klopfte sie auf die Schulter.

»Katharina, hört einmal zu. Ihr müßt mir das nicht anrechnen. Ich bin ja wohl einer, der sich nicht recht im Zaum halten kann, das geb' ich schon zu, aber die Leute, die ich gerne habe, die hab' ich wirklich gern. Die Kartoffeln gehen jetzt auf acht Franken. Das ist mein Preis.«

»Danke, Kobe. Das ist alles, was ich wissen wollte. Ich will auf der Chaussee den Postwagen abwarten, denn ich muß in die Stadt.«

Darauf ging sie. Als sie aber unter der Türe stand, wandte sie sich um.

»Soll ich nicht irgendwo für Euch etwas ausrichten, Pachter?«

Snipzel schüttelte den Kopf.

»Keine Nachricht für Eure Herzensfreundin?« begann sie wieder. Es ist Brauch in Brabant, seine Auserkorene so zu nennen.

Kobe klatschte in die Hände und lachte breit und zufrieden. Und er war es auch wirklich, denn im Grunde freute er sich mächtig, daß eine Frau wie Katharina auf diese Weise über diejenige sprach, die ihm jetzt am Herzen lag. Er zog es aber schlauerweise vor, ein bescheidenes Gesicht zu zeigen:

»In unserem Alter, Katharina, da hat man keine Liebste mehr.«

»Ihr braucht mir nichts vorzumachen, Kobe. Ich weiß, daß Ihr mit der Roose von Slim versprochen seid. Pah! ein alter Hahn seid Ihr.« Sie stampfte heftig auf. »Könnt ihr denn nicht sehen, wie die Euch zum besten halten?«

Und kaum, daß sie es gesagt hatte, schlug sie die Tür hinter sich zu.

Kobe machte die Tür nicht wieder auf, aber er ließ die Faust auf den Tisch sausen, zuckte die Schultern und schrie:

»Ihr seid verrückt, Katharina Wild!«


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