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Fünftes Kapitel

. Irgendeiner ist zu Boer Slim ins Haus gegangen. Der Pachter Kobe Snipzel ist es, der in den Kreis der Lampe tritt. Das volle Licht läßt die ganze Pracht, seiner blauen Bluse, unter der die dunklen Rockschöße hervorgucken, aufleuchten und schimmert auf dem buntseidenen Halstuch, das er umgeknotet hat. Wie er so dasteht mit seiner neuen Tuchmütze auf dem Kopf, sieht er wie ein ganz stattlicher Mann aus.

Er sieht heute immer mit einem besonders zärtlichen Blick nach Roose hinüber. Und schließlich sagt er:

»Die Fröste haben angesetzt, Jungfer Roose, bald werden jetzt die Weihnachten kommen. Es ist eine gute Sache, zu Weihnachten ein fettes Schwein zu essen.«

Santje schiebt lachend die Lippe vor und sagt:

»Besser ist es noch, Pachter, das Weihnachtsschwein das ganze Jahr hindurch zu essen.«

In Kobes Augen kommt ein eigentümliches Licht, und er ist dicht daran irgend etwas zu sagen, aber er weiß nicht wo er ansetzen soll. Endlich zwinkert er mit den Augen, neigt den Kopf etwas vor, wiegt sich in den Hüften und sagt:

»Santje hat recht. Das ist gewiß besser, und besser ist es auch, jeden Tag ein schönes Kleid anzuhaben und Hemden aus feinem Leinen und goldene Broschen und Bänder, anstatt sie nur einmal im Jahr anzuziehen, wenn man zur Kirmes geht.«

Santje ließ den Besen dem Pachter Snipzel gerade auf den Fuß fallen, dann sagte sie abermals lachend:

»Der Pachter hat recht. Für die armen Leute ist das aber nichts. Und arm sein ist mitunter besser als Reichtum, der einem das Herz abdrückt.«

»Was werdet Ihr grad viel davon wissen, wo Ihr doch nichts anderes seid als eine, die Truthennen zu hüten hat. Ihr wißt davon nichts ab, was das ist, Kleider und feines Geschmeide zu tragen, einen Hof zu haben, reich zu sein alle Tage und sich putzen zu können, mit was einer nur will. Die Hoffnung hat die Türe hinter sich zugeschmissen, als Ihr zur Welt gekommen seid.« Der Pachter blickte sie mit einem dumpfen Groll an; Santje aber, die schlau und frech dazu war, lachte ihn immerzu freundlich an, als merkte sie gar nicht, daß Snipzel nicht gerade sehr fröhlich gesinnt schien.

»Das ist gewiß, daß ich öfters den Mond am frühen Morgen gesehen habe, als den König auf einem Goldstück; aber als Santje auf die Welt gekommen ist, da ist die Freude vom lieben Gott mit ihr gekommen, und lieber bleib ich die lustige Magd und hüte meinem Bauer Truthühner, als daß ich eine reiche traurige Pachterin wär' auf einem schönen Hof, die nicht weiß, wo sie sich hintun soll, weil sie nicht mehr die alte Santje ist.«

Die erregte Stimme von Jan Slim mischte sich plötzlich hinein:

»Ist schon gut, genug davon!«

Es wurde wieder still in der Stube.

»Jan, gehen wir ins Wirtshaus, ein Glas miteinander trinken,« schlug Kobe vor.

Sie zündeten ihre Pfeifen an und verließen das Haus.

Da war es mit der Ruhe von Roose vorbei:

»Mutter,« rief sie laut, »ein Unglück kommt über mich! So kann ich hier schon einen großen Monat lang sitzen und mich totquälen. Jetzt wird es für mich keinen frohen Tag mehr geben.«

Sie brach in ein Schluchzen aus.

»Meine Tochter,« ließ sich da Ursulas Stimme hören, »was kommen muß, wird kommen.«

Santje ließ ihren Eimer und ihren Besen stehen, kam auf Roose zu und legte ihr die große, rote Hand um die Taille.

»Ich will morgen zur Vesperandacht gehen und für Euch beten, junge Herrin, vielleicht geht er dann, wie er gekommen ist.«

»Santje, liebe Santje!« rief Roose mitten aus ihrem Weinen, »ich fühle es, das hilft mir nun nichts mehr, denn der Vater liebt das Geld mehr als Roose, seine Tochter. Er wird mich dem Pachter versprechen.«

Ein Ausdruck von Bitternis kam in Ursulas strenges Gesicht:

»Der Bauer hat das Geld zu seinem Gott gemacht, das ist wahr!« sagte sie.

Santje überlegte etwas, plötzlich aber steckte sie die Zungenspitze heraus und begann zu grinsen, und indem sie siegesbewußt ihre Fäuste in die Hüften stemmte, sagte sie:

»Die Zwiebeln hab' ich rausgetragen, Mutter, da braucht Ihr nicht mehr Tränen zu vergießen. Roose tut auch gut, sich ihre Augen mit der Schürze abzuwischen. Die setzen sich erst mal in der Schenke fest und trinken so lange sie Lust haben, aber abgemacht ist darum noch nichts.«

»Ach, Santje! du meinst es gut, aber was soll ich denn da nicht weinen? Die sind doch hingegangen, um über mich zu reden. Denen bin ich doch nur eine Ware, sie müssen sich nur noch über den Preis einig werden.«

Das Gesicht der Bäuerin nahm wieder einen harten und verschlossenen Ausdruck an, und die Gewohnheit, alles gehorsam hinzunehmen, ließ ihren Mund und ihre Augen schweigen. Nach einer Weile sagte sie aber:

»Was Roose, unsere Tochter, sagt, ist so: der Vater ist der Herr im Hause und niemand kann ihm da dreinreden, wenn er ja! gesagt hat.«

»Sie wird nein! sagen, glaubt es mir,« sagte die Magd mit einer Bestimmtheit, die man von ihr gar nicht erwartet hätte. »Ihr mögt es mir glauben, Mutter, da ist noch nie was Gutes dabei herausgekommen, wenn Jugend sich mit grauen Haaren abgegeben hat, und sollten sie nur von Silberstaub grau sein. Und so Gott will, wird Roose nie und nimmer die Pachterin Snipzel!«

Ursula nickte mehrmals wehmütig mit dem Kopf und meinte traurig:

»Santje, Ihr seid ja hier nur die Magd, und wenn ich hier schon nicht viel zu sagen habe, was wird man da erst auf Euer Reden hören.«

»Ihr müßt das nicht sagen, Mutter, denn das ist so,« warf Santje ein, »wenn das Kalb wüßte, daß man es zum Schlachter führt, wo ein scharfes Messer auf dem Tisch bereit liegt, um ihm die Gurgel durchzuschneiden, dann würde es sich gegen Mensch und Hund wehren, meint Ihr es nicht?«

An der Tür, die nach dem Hof führte, klopfte es, erst ganz zaghaft, dann etwas lauter, und als Santje hinging und den Schlüssel umdrehte, stand hinter der Tür ein großer blonder Bursche und mühte sich, durchs Schlüsselloch hineinzusehen.

»Santje!«

Das gute Mädchen öffnet die dicken Lippen, so daß das rosige Zahnfleisch sichtbar wird und die zwei Reihen weißer Zähne aufblitzen wie schneeige Lämmer, die im rosigen Bruch werden gehen. Sie lacht über den großen Burschen, der eine so merkwürdige Stellung angenommen hat, er richtet sich ganz beschämt auf, und man hört ihn Rooses Namen nennen.

Roose aber, die Tochter des geizigen Boer Slim, wußte schon gar nicht mehr, was sie mit ihrem Herzen tun sollte, und wie die Perlen einer Halskette tropften ihr große glitzernde Tränen aufs Mieder.


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