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Zwölftes Kapitel

. Ein helles Feuer brannte auf dem Küchenherd des Wirtshauses, in welches sie eintraten. Die Wirtsstube und die Küche waren voll Bauern, die sich ereiferten, schrien und dabei ihre schwarzen Rücken hin und her bewegten wie Frösche nach dem Regen.

Eine untersetzte, dicke Magd mit roten Armen hantierte am Herd mit weißen und schwarzen Würsten; sie platzten eine nach der anderen an der Bratglut, und zischend quoll ihr Saft hervor. Ein dichter Dunst hatte sich wie Nebelschwaden unter die niedrige Decke gelagert.

Eine Menge Gläser stand auf den Tischen herum, und jeden Augenblick schlug einer mit der Faust auf die Tischplatte und schrie:

»Heda! Trinken!«

Alsogleich handhabte die Wirtin mit kräftigem Griff die Bierpumpe, und das Kreischen des Pumpenschwengels mischte sich in das Geklirr der gegeneinander gestoßenen Gläser, in das Geschrei der Bauern, das Aufschwappen des Speichels auf den Fußboden und das Gebrodel der Butter auf der Pfanne.

Ein Bauer schnarchte in seiner Ecke, irgendeiner redete laut vor sich hin und lachte dazu, und manch einer mußte sich Mühe geben, um aufrecht auf seinen Beinen stehen zu bleiben. Mitten im Rauch und Qualm aber tanzte eine rotbläuliche Flamme und beleckte gierig die Ränder der Pfanne.

»Pfoten und Ohren!« bestellte Kobe Snipzel gleich beim Eintritt.

Die waren aber schon aufgegessen.

»Mir recht! Wenn Ihr keine Pfoten und Ohren habt, dann nur her damit, was vom Schwein noch übrig ist.«

Die Bauern fingen an zu lachen, und einer von ihnen sagte:

»Bestellen ist weiter nichts, aber man muß auch aufessen können, was man bestellt!«

»Magere Gesellschaft,« sagte Kobe wegwerfend, »von Euch wieg' ich noch fünfe auf.«

Und er bestellte bei der Wirtin fünf ganze Weißwürste und fünf Blutwürste für sich allein.

»Pachter,« sagte ihm da ganz ruhig der Tischler Lukas, ein dürrer kleiner Mann, »ich will zwölf essen, wenn sie mir einer zahlt.«

»Schön,« gab Kobe zu und lachte breit, »ich bin es, der zahlt!«

Meffrouw Scheut warf einen Arm voll Brennholz auf die rote Glut, und Mie, die Magd, brachte aus dem Keller einen vollen Teller Butter.

Dann fingen die Würste an auf der Pfanne zu tanzen, und nach einer Weile setzte die Wirtin zwei große dampfende Schüsseln auf den Tisch.

»He! Trinken!« schrie Kobe, während Lukas das Zeichen des Kreuzes schlug und mit der Gabel in die Wurst stach, um sie alsogleich hinunterzuschlingen.

Er aß wie ein Mann, der einen leeren Magen hat, ohne auch nur die Augen zu erheben, oder sich zu unterbrechen. Snipzel hingegen aß würdevoll, sprach dazwischen, lachte und trank wie einer, der seiner Sache sicher ist. Und als die Schüsseln anfingen sich zu leeren, brachte auch schon Mie andere her, auf denen dampfende Würste lagen, und in den Brühenäpfen gerann eine fette braune Tunke, die mit Zwiebeln abgerührt war.

Nach Ablauf einer halben Stunde blies Lukas die Backen auf und begann langsamer zu schlucken. Er hatte zwölf Würste gegessen.

»Was wird jetzt Lukas essen?« forderte Kobe auf.

»Ich würde gern noch eine Wurst essen, ehe ich an die Koteletten geh'.«

Die Bauern drängten sich dichter um ihren Tisch herum und schrien durcheinander:

»Schön! schön! Lukas!«

Lukas aß die Wurst ohne große Beschwerden, aber es machte ihm scheinbar viel Mühe die erste Kotelette hinunterzuwürgen, und als er sich an die zweite heranmachte, rötete sich sein Gesicht sehr stark und die Augen traten ihm aus dem Kopf. Dennoch aß er noch die erste Hälfte, mußte aber nach jedem Bissen einen Schluck tun, und als er zur zweiten Hälfte kam, sagte er nur:

»Das ist für den Hund. Ich bin satt.«

»Die Koteletten her!« schrie Pachter Snipzel, der eben mit seinen Würsten fertig geworden war.

Und weil er fand, daß er gut bei Appetit war, aß er sechs.

Dann schlug er sich auf den Bauch und sagte:

»Das schmeckt!«

Und nachdem er sich vorsichtig den Bauch befühlt hatte, meinte er: »Ich kann wohl noch wieder anfangen.«

Und er aß noch zwei hinzu.

Da schrien die Bauern:

»Kobe Snipzel, hurra!« und ein jeder wollte mit ihm anstoßen.

Unter dem großen Rauchfang saßen inzwischen Lamm und seine Liebste und besprachen sich.

»Lamm,« sagte Roose zu dem großen Burschen, »ich wollte, ich wär' unter der Erde. Jetzt ist es mit dem Frohsein aus für mich.«

»Was soll ich denn machen, Roose, wenn Ihr zu hoffen aufhört?«

»Ach!« gab sie ihm leise zur Antwort. »Die Zeit ist doch jetzt nicht mehr, wo man verzweifeln oder Mut fassen soll. Wir täten besser dran, uns überhaupt nicht mehr zu sehen.«

Der Arme sah erst Santje und dann Roose an, seine Augen traten ihm fast aus dem Kopf.

»Roose,« bat er, »Ihr dürft mich doch nicht zum besten haben. Barmherziger Gott, was ist denn vorgefallen?«

»Nichts,« erwiderte Santje.

Roose schien nachzusinnen.

»Santje hat wohl recht,« sagte sie mit einem Entschluß, »es ist nichts geschehen, nur mein Herz ist zerrissen!«

Im gleichen Augenblick beugte sie sich ihm entgegen:

»Lamm, Lamm, Ihr müßt mir sagen, daß Ihr mich immer lieben werdet.«

Lamm verzog sein ganzes Gesicht und sagte:

»Ich würde schon lieber mit meinen eigenen Fingern die Wiese umscharren!«

Der Onkel Kobe sah immerzu auf ihn, und selbst diesen kam etwas an, so daß er herankam und fragte:

»Was ist denn mit Lamm, daß er vom Umscharren der Wiese mit den Nägeln spricht?«

»Das tu ich so, weil Roose mich gefragt hat, ob ich sie zur Frau will.«

Ohm Kobe leerte nacheinander drei große Gläser Bier.

»Wenn sie mich nicht will, so soll sie es sagen,« sprach er und ging auf seinen Platz.

Das Bier fing ihm an zu Kopf zu steigen und breitete etwas wie eine Wolke vor seine Augen. Er wurde gerührt und sagte:

»Sie hätte bei mir schon ein weiches Nest gefunden, dann hätte ich auch Kinder von ihr gehabt und hätte neu ausgeschlagen wie ein alter Baum, der wieder angrünt.«

Die Dielenuhr schlug zehn.

»Santje! Mutter ist allein im Haus,« drängte Roose, »Lamm wird uns heimbringen.«

Auf der Landstraße nahm Lamm seine Roose in die Arme, und es brach wie ein Strom aus ihm hervor:

»Ha! Wie sind wir unglücklich! Aber ich werde es ihm sagen! Ich werde reden! Er soll jetzt die Wahrheit wissen!«

»Lamm!« schluchzte Roose, »Lamm, man hat uns doch unser ganzes Geld gestohlen. Wir sind verloren. Euer Onkel kann uns doch nur noch vor dem Elend retten. Und ich hab' ihn darum zum Mann angenommen.«


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