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Dreizehntes Kapitel

. Der reiche Pachter Snipzel erwachte eines Morgens, es mochten ein paar Tage nach der Kirmes sein, mit kühlem Kopf. Und noch im Anziehen begriffen, sagte er sich:

»Kobe, wenn du Verlangen hast nach einem Pferd, kaufst du es nicht wegen seinem Fell, sondern du verlangst, daß man es dir vor den Wagen spannt, oder gesattelt vorführt, und wenn es sich dann als ein gutes Pferd erweist, das zu dem Zweck taugt, für den du es brauchst, kaufst du es erst, nachdem du dich mit dem Händler geeinigt hast. Alles was recht ist, Kobe, aber deine Frau, die hast du dir leichter genommen, wie du das mit einem Pferd gemacht hättest.«

Er ging hinunter, warf einen Blick in den Pferdestall, in den Kuhstall und danach ging er in die Küche hinein, um zu frühstücken.

»Sie wird jetzt hier die Pachterin sein,« überlegte er, »die Butterbrote und den Kaffee wird sie zurechtmachen, und wenn ich draußen sein werde, wird sie da sein, um nach dem Rechten im Haus zu sehen. Und jeder wird dann sagen: glücklicher Kobe! Seine Frau ist die schönste Pachterin im ganzen Umkreis.«

Laut aber sagte er:

»Jungens, welches Ochsengespann paßt am besten für den Pflug?«

Und es gab ihm einer der Knechte zur Antwort:

»Ein Paar, das nicht zu jung und nicht zu alt ist, das im gleichen Schritt geht und dasselbe Alter hat.«

»Nein,« antwortete Kobe, »wenn ein junger und ein alter Ochse zusammen gehen, denn der alte hält zurück, wenn der junge zu stramm im Kummet geht.«

»Schön, aber die Arbeit kommt dabei nicht weiter.«

Er zündete seine Pfeife an und machte einen Gang um die Wiese, die hinter seinem Hause lag.

»Der Bursche hat recht gehabt. Ein Paar im gleichen Alter schafft die Arbeit besser.«

»Hüh! Ha!« schrie ein verzweifelter Kärrner auf der Landstraße.

»He! Freund, was ist da los?« fragte ihn Kobe.

»Nichts, als daß die alte Stute am Boden liegt und das Aas von Jungpferd hat den Vordergurt zerrissen.«

Jetzt sah es Kobe selber, daß wirklich der Vordergurt zerrissen war und daß das alte Pferd auf die Hinterbeine gestürzt war, während das junge Pferd sich abmühte, das liegende Tier mit sich zu ziehen.

»Da scheint irgendwas faul zu sein,« sagte Kobe zum Krämer.

»Ha! Pachter,« gab der Mann zur Antwort, »grad so geht das, wenn man eine alte Frau und einen jungen Burschen ins gleiche Joch spannt.«

»Oder eine junge Dirn und einen alten Knaben.«

»Das hab' ich grad sagen wollen!« gab der andere zu.

Als das alte Pferd wieder auf die Beine gekommen war, wandte sich Kobe wieder seinem Hof zu und dachte bei sich:

»Wenn einer ein gutes Geschäft macht, dann ist es sicher der alte Geizhals von Slim. Ich nehm ihm seine Tochter, aber er nimmt mir meine Taler.«

Seine Gedanken waren wie die Frösche in einer Pfütze, die einmal obenauf sind und die Mäuler aufsperren, einmal wieder untertauchen in den Schlamm.

Schließlich aber sagte er sich:

»Was ist, ist einmal. Ich werde in die Stadt gehen, um die ersten Einkäufe zu machen.«

Er ging ins Haus hinein.

»Ja,« sagte er sich. »Der Vater hat mir genug Hab und Gut hinterlassen, aber meine Arbeit hat alles gemehrt. Und wenn das alles ist, wie es sein soll, dann ist das darum, weil ich der Herr hier bin im Haus und niemand mir was zu sagen hat. Alte Möbel sind wie gute Kameraden. Sie rühren sich nicht vom Fleck, man weiß immer, wo man sie findet.«

Und ganz trübsinnig fügte er noch hinzu:

»Das Bett wird man doch wohl mehr auf die rechte Seite rücken müssen, wenn sie es so will.«

Er versuchte einen Überschlag zu machen, aber er mußte mit dem Rechnen dreimal wieder anfangen, weil er sich verrechnet hatte.

»Der Haushalt, das ist nicht meine Sache,« redete er weiter vor sich hin. »Das Ausgabebuch wird sie dann auch führen. Ich hab' genug zu tun, wenn ich die Einkünfte verrechne.«

Dann rasierte er sich.

»Sie hat mich aber noch nicht ein einziges Mal hier auf die Backe geküßt.«

Er betrachtete sein Gesicht in dem kleinen Spiegel und sann.

»Ich werd' mich mit einem Mädchen verheiraten, das mich nicht ein einziges Mal geküßt hat.«

Er zog seinen blauen Kittel über und bestieg sein Pferd.

»Ich werde Ohrringe für Roose kaufen und die bring' ich ihr dann.«

Er lenkte sein Pferd querfeldein.

Unerwartet aber kam ihm ein Gedanke, und er brachte sein Pferd auf dem Fleck zum Stehen.

»Wenn man eine Färse oder einen jungen Bullen einhandeln will, fragt man seinen Nachbar nicht, ob es ein guter Handel ist, denn er nimmt sie sich dann für sich selber, aber der Schullehrer ist ein erfahrener Mann und er kann mir einen guten Rat geben.«

Er kehrte vom eingeschlagenen Weg wieder um und klopfte an die Tür eines kleinen weißen Häuschens, vor dem ein Stück Wiese war.

»Hallo! Schullehrer!«

Aber der Schullehrer war nicht da, er war gerade dabei, im Hohlweg hinter den Nußbäumen Gras für seine Kaninchen zu schneiden.

Kobe drang bis zu den Nußbäumen vor.

»He! Schullehrer, was würdet Ihr von einem Mann in meinem Alter sagen, der sich ein Mädchen von zwanzig Jahren zur Frau nähme?«

»Narr!« antwortete ihm der alte Mann.

Er hob zwei Steine vom Boden auf, einen kleinen und einen großen, und legte sie, den einen auf seinen Daumen und den anderen auf seinen Zeigefinger, dann sagte er:

»Das Gegenteil von diesem hier wird es sein: der kleinste wird am meisten wiegen im Hauswesen.«

»Es ist gut!« sagte der Pachter im Weggehen. »Man wird mir nichts weismachen. Ich bin mein eigener Herr und kann es halten wie ich will.«

Unterwegs überkam ihn aber ein Gefühl, das wie Vorsicht war, und er überlegte sich, daß er ja auch ein andermal in die Stadt gehen könne. Es eilte ja nicht, Zeit genug hätte er noch.

Er wandte sich nach Hause. In den Lüften kreisten Krähen mit lautem Geschrei, und ein feiner Schnee hatte begonnen vom rostgrauen Himmel herabzurieseln.

»Im Kopf ist mir etwas nicht richtig,« kam es Kobe mit einem Male an. »Es geht auf den Winter und ich hab' auf meinen Wiesen noch keinen Dünger gelegt.«

Er schwieg eine Weile vor sich hin, schlug sich dann aber mit der Hand vor die Stirn.

»Das ist mein Unglück!« schrie er plötzlich auf. »Ich habe den Teufel im Leibe.«

»Hüh! Marie!«

Er trieb das Pferd zur Eile an. Marie setzte sich in vollen Trab. Sie waren auf der Chaussee. Weitab hinter den kahlen Bäumen stieg über den Häusern schwarzer Rauch auf. Der Pachter betrachtete jetzt mit großer Aufmerksamkeit eine schön weiß getünchte Hauswand mit grünen Fensterläden. Das Haus lag zur linken Hand an der Landstraße.

»Das würde mein sein können, wenn ich es nur wollte.«

Er lachte ganz laut auf bei dem Gedanken, daß die, welche hinter diesen schönen weißen Wänden wohnte, in ihn verliebt sei.

Einen Augenblick darauf setzte Kobe schon seinen Fuß auf den Boden vor dem Haus. Er band Marie mit dem Zügel an einen Ring in der Mauer und stieß die Tür auf. Er ließ seine eisenbeschlagenen Stiefel auf der mit blauen Fliesen gepflasterten Diele poltern, wie einer, der sicher ist, gut aufgenommen zu werden.

Katharina Wild kam in einer Tuchjacke, den Kopf in ein Tuch eingehüllt, über den Hof geschritten. Sie trug einen Sack Kartoffeln.

»Ich kam gerade vorüber,« sagte er.

»Ihr seid immer willkommen,« antwortete ihm die Juffrouw, »kommt herein und wärmt Euch in der Küche.«

»Das ist nicht nötig, Katharina, gebt mir lieber den Sack. Ich bring' ihn dahin, wo er hin soll.«

»Nein, nein,« wehrte die Bäuerin ab. »Ich habe derbe Schultern. Ein Sack stört mich nicht.«

Und Kobe sah anerkennend die Leichtigkeit, mit der sie vornübergebeugt unter der Last davonging.

»Das ist eine Frau, wie man wenige findet,« dachte er sich.

Er trat in die Küche ein.

Der Bauch des Herdofens glühte rot und ein starker Dampf strömte summend an den Rändern des Kessels hervor, in dem die Specksuppe kochte. Hier in der Küche war ein jedes Teil auf seinem Platz, die Stühle standen an der Wand und das Geschirr im Schrank. Gelber Streusand bildete hier und da Schwaden auf den blauen Fliesen, die wie Scheiben leuchteten.

Kobe fühlte ein Wohlbehagen im Herzen, als er im Spiegel das ganze saubere Bild dieser schön geordneten Küche sich widerspiegeln sah. Ein doppelläufiges Gewehr hing über dem Rauchfang. Er nahm die Flinte, öffnete das Fenster, und als er auf einem Misthaufen im benachbarten Feld eine Krähe sah, legte er an und schoß.

»Gefehlt!« sagte ihm Katharina Wild mit einem spöttischen Lachen. Sie war soeben auf ihren Socken in die Küche getreten.

Sie griff nach der Flinte, und indem sie einen Strohhutfetzen aufs Korn nahm, der im Wind auf einer Stange heftig hin und her schaukelte, drückte sie den Hahn ab.

»Fein gezielt!« gab Snipzel zu, die Hände ineinander schlagend.

Und so war es auch wirklich, die Ladung hatte den Hut um etwa zwanzig Schritt fortgeschleudert.

Kobe schloß das Fenster und wandte sich zur Bäuerin um, die mit einem Holzlöffel die fette Specksuppe im Kessel umrührte, dann faßte er sie um die Taille.

»Ach! Katharina, wir hätten wohl gut die Karre zu zweien gezogen.«

Sie machte sich mit einer heftigen Bewegung frei, wie ein Füllen, dem man den Halfter überwerfen will.

»Was sind das für Geschichten!« sagte sie.

Der Pachter stopfte seine Pfeife und drückte den Tabak im Pfeifenkopf mit dem Daumen an.

»Zum Lachen ist das,« sagte er.

»Da gibt es schon einen, der jetzt das Recht hat lauter zu lachen, als Ihr,« sagte Katharina unwillig.

»Sehr gut!« gab er zur Antwort. »Und wer ist das?«

»Jan Slim!«

Indem sie ihm das sagte, richtete sich Katharina Wild auf und sah ihn mit einem strengen Blick an.

»Jan Slim macht ein gutes Geschäft dabei,« fügte sie noch hinzu. »Es kommt ihm schon mit Recht zu, sich die Hände zu reiben und behaglich zu lachen. Ein Schlaumeier ist das! Er hat Euch seine Katze im Sack verkauft.«

Kobe stand auf, griff nach einem Stuhl und schleuderte ihn mit ganzer Gewalt zu Boden, so daß er in Stücke zerbrach.

»Da! Das will ich mit einem jeden tun, der sich über mich lustig zu machen gedenkt. So eine starrsinnige Frau!« sagte er.

Die Bäuerin sammelte ruhig die Stücke ihres Stuhles auf und antwortete:

»Tut lieber Jan Slim in Stücke schlagen, denn er hat Euch übel mitgespielt.«

Sie suchte ihm in die Augen zu sehen, dann verschränkte sie die Arme und geriet ganz unerwartet in Zorn.

»Ach! Kobe!« rief sie. »Das ist weiter nichts Großes, Stühle zu zerschlagen und Umstände zu machen. Ihr seid ein Mann, aber Angst hab' ich keine vor Euch. Nein, ich fürcht' Euch nicht mehr, als ich diese Spatzen fürchte, die da auf der Wiese sind. Faßt mich nur einmal an; wir werden sehen. Ich lach' über Euch, wie Jan Slim, wie Roose, wie die ganzen Leute aus dem Dorf. Ihr seid ein ehrgeiziger, schlechter Mann, voll Eitelkeit und Hochmut, und Verstand habt Ihr in Eurem Kopf keinen. Das ist das Ganze, das Ihr seid, ich sag' es Euch. Und sagen will ich Euch noch, daß man Fratzen hinter Euch schneidet, wenn Ihr den Rücken gedreht habt. Und man hat wohl Recht dazu, denn das einzige Gute, das noch an Euch ist, das ist Euer Geld. Nun gut! Sie wird sich von dem Geld Hüte und Kleider machen lassen, wird für das Geld auf die Kirmessen gehen, lachen und tanzen wird sie und sich von den Burschen den Hof machen lassen, und die Jungen werden Euch ›Herr Kuckuck‹ nachrufen, bis daß Ihr auf einem Strohsack verenden werdet, wenn die Zeit da ist. Oh! und dann werden sie alle zufrieden sein, und ein junger Ehemann wird zu Hause Euren noch warmen Platz einnehmen. Slim wird dann ›mein Hof‹ sagen, wenn er sich an Eurem Feuer wärmt, wird mit Euren Pferden fahren, Eure Kühe verkaufen. Eure Felder düngen, und wenn er sich am Abend in sein Bett legt, wird er lachen und sagen: das war ein großartiges Geschäft, das ich mir da zurechtgemacht habe! Ihr werdet dann auf dem Friedhof liegen. Ach, Pachter! Ich lach' über Euch, daß Ihr es wißt!«

Der Pachter war ganz und gar die Beute einer sinnlosen Wut geworden, aber er machte fortwährend Anstrengungen, sie nicht hervorbrechen zu lassen. Er zuckte die Schultern, pfiff durch die Zähne und lachte, während seine Brust wie der Blasebalg in einer Schmiede ging.

Als Katharina Wild mit ihrer Rede zu Ende gekommen war, stülpte er sich die Mütze auf, schob sie weit in den Nacken zurück und ging auf die Tür zu.

Als er aber so weit gekommen war, öffnete er den Mund, um ihr etwas zu entgegnen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt, so daß ihm die Stimme versagte. Er fühlte eine plötzliche Schwäche in seinem ganzen Körper.

Und als ihm nun die Stimme zurückgekehrt war, sagte er nur traurig:

»Ich habe es nicht verdient, so hart behandelt zu werden, Katharina.«

Die rauhe Bäuerin hob ihre Augen zu ihm auf, aber schon hatte Kobe Snipzel die Tür hinter sich zugezogen, und sie hörte nur noch den Hufschlag seines Pferdes, während er sich noch in den Sattel schwang.

»Kobe!« schrie sie und hastete zur Tür hinaus.

Sie öffnete sie ganz weit: er war fort.

Sie eilte darauf bis auf die Mitte der Straße.

Als er den Kopf umwandte, sah er sie stehen. Sie bewegte ihre Arme im Schnee, der in großen Flocken niederschwebte.


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