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Vierzehntes Kapitel

Unglaublich und dennoch geschehen! Maier verwechselt das sanfte Arom von Zimtborke mit dem mephitischen Gestank eines brasilianischen Surilhos, nötigt den unglückseligen Sigismund in sein Zimmer und donnert ihn an. Was hierauf geschieht und wie sich dieser außerstande erklärt, die Perlchen zu freien, weil er zu jung sei; worauf für Maier eine unergründliche Finsternis einsetzt, ein Chaos, wie nicht mehr zu finden. Mit dumpfen Trommelschlägen und dem Gesang der Landsknechte: »Strampede mi ...« wird dieses Kapitel beschlossen.

»Piepmösch, was tust du, was stinkst du!? Was hast du hier an meinem Zimmer zu laustern?!«

Es gibt nur einen Duft und nur eine Entzückung, und es gibt nur einen Gestank und nur eine Verstörung.

Was darüber hinaus will, geht ins Närrische hinein, kann der Mensch nicht vertragen, macht ihn geistesabwesend und zwingt ihn, gleich einem betrunkenen Mohikaner, der die von ihm eroberten Skalpe der weißen Männer umzetert, wirbelsinnig zu werden.

Alles ist schon dagewesen, nur das nicht, daß der preziöseste Wohlgeruch unter gewissen Umständen den Veitstanz des höchsten Abscheus hervorbringt.

Die Zibetkatze ( Viverra civetta) – wer kennt nicht die Zibetkatze? Alle kennen sie, denn die Absonderung ihrer Drüsen ist lieblich zu riechen. Das Moschustier ( Moschus moschiferus) – auch dieses frequentieren die meisten, birgt es doch in seinen Taschen die trübe Salbe, die, zubereitet, mit den Narden des Orients wetteifert. Schon Marko Polo wußte davon und erfreute sich ihres süßen Aroms. Die Zimtborke oder Kaneel ( Cinnamomum ceylanicum) – nur wenige gibt es, die diese Röllchen nicht kauten, sich nicht genug daran tun konnten, den milden, würzigen Duft zu genießen, denn ein Hauch geht von ihnen aus wie von Damaszenerrosen und den Hügeln der Myrrhen ... aber den Surilho, das Stinktier der Brasilianer ( Mephitis suffocans) – wer hat ihn gesehen? Nur wenige. Jeder hütet sich ängstlich mit ihm in Berührung zu treten, verkörpert er doch die Pest der Odeure, die Kloake aller mißliebigen Essenzen, und ein kundiger Forscher vermeldet von ihm: Alle seine Bewegungen sind langsam. Er kann weder springen noch klettern, sondern nur gehen und hüpfen. Wenn die Hunde ihn stellen, legt er den Schwanz wie ein sitzendes Eichhörnchen über den Rücken, kehrt das Hinterteil den andringenden Rüden entgegen – und dann ... Ja, dann! Was ist da weiter zu sagen? Keine Küche einer Lokusta, kein Laboratorium eines Scheidekünstlers, keine Senkgrube, kein Aasplatz, keine Popotte in Belgien, kurz, kein Gestank auf beiden Hemisphären der Erde nimmt es mit dem an Heftigkeit auf, was der sonst so zierliche Vierfüßler aus seiner Salbenspritze verpulvert ... Pest! Pest! Pest! ... und nun kommt da einer – man denke! – der die Tollkühnheit hat, das süßselige Bukett von Zimtborken für den mephitischen Dunst dieses Stänkers, dieses ausgetragenen Brasilianers zu halten! und war doch Zimtborke, reinste und ausgesuchteste Zimtborke aus den Würzgärten Ceylons, von der Malabarküste, den keuschen Antillen ... und nun sollte es mit einmal das widrige Sekret aus dem Schlauch einer Dachs-Viverre sein, dieser Verbreiterin der gemeinsten und faulsten Gerüche!

War denn Maier rein des Satans geworden?

Hatte er wirklich den hinterhältigen Mut, den ambrosischen Hauch des feinsten Edelgewächses mit den Ausdünstungen eines haarigen Schleichers auf ein und dieselbe Stufe zu setzen?!

Ja, er hatte den Mut, er hatte in der Tat diesen Mut, und mit diesem Mut in der Brust forderte er seinen Nevö auf, ins Zimmer zu treten und ihm Rechenschaft über sein unqualifizierbares Verhalten abzulegen.

Die Piepmösch folgte mit höchst gemischten Gefühlen.

Eigene Leiden machen unduldsam gegen die Mitmenschen, verhärten die Nieren, suchen eine schmerzliche Genugtuung darin, eine gehörige Portion der aufgespeicherten Qual auf andere Schultern zu laden.

So auch Maier.

»Steh' Rede un Antwort,« rief er dem nur spärlich bekleideten Sigismund zu. »Da setz' dich. Nimm Platz. Was riechst du? Warum kaust du das Zeugs? Warum müffelst du damit herum in unserer Behausung? Un erst bei schlafender Nachtzeit? Ich hab's dir verboten. Ich hab's dir schon immer verboten. Was soll das? Willst du die ganze Niederlassung verpesten, ihr nehmen die Nobilität einer gediegenen Wohnung? Gib Antwort. Was hast du zu sagen darauf?«

Sigismund hatte gar nichts zu sagen, nicht so viel, wie man in der Lage ist, auf einen Daumennagel zu schreiben.

Er winkte trostlos ab.

»Also du hast mir keine Offenbarung zu machen?«

»Nein,« sagte Mendel und kroch völlig zusammen. Hätte er seinerzeit das heilige Wasser der Taufe empfangen, zweifellos wäre er bei seinen Nöten und Ängsten in den Schatten eines christlichen Altares geflüchtet.

»Auch gut!« hohnlachte der Vize-Chef. Die Goldplomben blitzten. Mit den Händen auf dem Rücken durchmaß er das Zimmer. Der niedrige Lichtstumpf warf seinen Schatten gegen die Wände, ließ ihn gigantisch aufsteigen, um ihn gleich darauf zu einem zwerghaften Zerrbild zu modeln.

»Un dann überhaupt ...«

Er blieb vor Sigismund stehen.

»Was hast du an meiner Türe zu schnüffeln? Bist du angestellt bei's Amt? Gehörst du zu's Forschungsbüro? Bist du 'n Spitzel oder 'n Geheimdetektiv? Was soll das? Willst du deine Onkels beschmutzen, ihnen was anhaken, sie übergeben an die Assisen in Kleve? Ich frage dich hiermit« – und der Erregte schob seine Linke zwischen Weste und Vorhemdchen und suchte seinen biederen Neffen niederzufunken – »ja, ich frage dich hiermit: Handelst du aus eigenem Antrieb oder hast du Gesinnungsgenossen? Mache dich stramm. Bekenne! Es ist zwar ein bitteres Tränklein, aber es hilft auch. Gehörst du 'ner Sekte an, die geschworen hat, das ganze Haus zu verderben? Kurz, was hast du auf Strümpfen un nur mit's pure Hemd bekleidet den Spionör vor meinem Zimmer zu spielen? Antworte oder ...«

Die rechte Hand hob er drohend zur Decke.

»Gott!« lispelte Sigismund, »bin ich doch nur gekommen auf's kapitale Schreien hier unten, weil ich mir dachte: den Onkels ist übel geworden. Ich hatte Befürchtung for sie; ich wollte laufen zum Dokter un dann zum Aptheker. Vielleicht konnte ich helfen.«

»So?! un sonst aus keinem anderen Grunde?«

»Wahrhaftig in Gott nicht!«

Das klang natürlich, ließ sich hören und gab der ganzen Sachlage eine andere Fassung.

Maier räusperte sich. Er dachte einen Augenblick nach und tat wieder, was er noch vor wenigen Augenblicken getan hatte: er ließ seine Goldplomben blitzen. Mit den Händen auf dem Rücken durchmaß er das Zimmer. Und genau so wie früher: der niedrige Lichtstumpf warf seinen Schatten gegen die Wände, ließ ihn gigantisch aufsteigen, um ihn gleich wieder zu einem zwerghaften Zerrbild zu modeln.

»So, also dieses!«

Er pfählte sich aufs neue vor Sigismund hin.

»Aber kurios bleibt es doch. Äußerst bedenklich. Es sind fitale Momente dazwischen. Erst konnte die Perlchen nicht schlafen un stand auf der Treppe. Just auf der Treppe. Was hatte sie auf der Treppe zu stehen? un du – du hattest Forcht for deine traurigen Onkels. Aber wo befandest du dich? Nu, du hast dich vor meiner Türe befunden. In Demut natürlich. Ohne zu laustern. Unsinn! Gehorcht wirst du haben.«

»Gott, wie soll ich horchen, wo ich grad bin gekommen!«

»Mir völlig egal. Was hast du gehört?«

»Wie soll ich können hören, wenn ich nicht mal horchen gekonnt hab'?«

»Sigismund ...!«

Er sprach es mit dem Tonfall eines Trappisten, der einem Novizen zuruft: »Bruder, es gilt heute zu sterben.«

Die Piepmösch stierte ihn an.

»Nicht das geringste.«

Das klang wiederum offen und ehrlich.

Maier zog sein Doppelkinn ein. Noch einmal hielt er die große Heerschau über die einzelnen Fragen, die er bereits in Gegenwart seines Bruders hatte vorbeidefilieren lassen. Er rekapitulierte:

Ist die Ehre des Hauses Spier in jeder Hinsicht zu wahren?

Ja.

Kann bei dieser Aktion die Darbringung eines Opfers vermieden werden?

Nein.

Also ein Opfer ist nötig ... und muß es ein persönliches sein?

Ja.

Ist dieses persönliche Opfer unter den Sitten und Gebräuchen unseres Volkes, bei Ringwechsel und brennender Kerze, darzubringen?

Ja.

Ist Rosalie Perlchen noch einmal zu hören?

Nein.

Ist der alte Herr bei seinen Jahren mitverpflichtet und haftbar zu machen?

Ja.

Falls dieser jedoch in seiner Renitenz verharren sollte, wäre dann unser Nevö, Herr Sigismund Mendel, vielleicht wert und würdig, an seine Stelle zu treten?

Ja – aber nur im alleräußersten Notfall.

Maier hob und senkte die Brust, als wäre ihm ein fünfundzwanzigpfündiger Wackerstein von der gepunkteten Samtweste gefallen.

Kein Zweifel: alleräußerster Notfall lag vor. Über das Für und Wider ließ sich nicht mehr verhandeln. Sein Bruder streikte, war wie ein angekratztes, bösartiges Karnickel von der Szene gehoppelt, gesonnen und fähig, die Firma zu unterminieren, um Hab und Gut, Kredit und Reputierlichkeit in ihren Sturz zu verwickeln.

Ultima ratio! Die Trommeln waren zu rühren. Ein längeres Zögern konnte verhängnisvoll werden, wäre Verrat an der eigenen Sache gewesen. Der verlorene Haufen mit der Blutfahne mußte heran, mußte eingesetzt werden, hatte im Gleichschritt zu singen:

»Wir zogen in das Feld,
Wir zogen in das Feld,
Da hatten wir beim Zapfenstreich
Im Seckel vieles Geld –
Strampede mi
A la mi presente al vostra signori ...
«

Also vorwärts! denn in seinem Neffen glaubte er den Träger der Blutfahne gefunden zu haben. Ja, er war berufen, ihn hatte er auserwählt. Nur er allein war imstande, das Panier des Hauses gegen den Umsturz zu tragen. Drum, Sigismund, vorwärts! In die Verlängerung gesprungen! Sei kein Has'! Er, Maier, selber verbürgte sich für einen glücklichen Ausgang.

Langsam und mit Vorsichtsmaßregeln gab er seine Befehle.

Jetzt war er so weit.

Das erste Trommelzeichen erfolgte.

Alles Bittere und Verstörte war in diesem Augenblick von seinem Antlitz gewichen. Er sah einen Strohhalm schwimmen. Er griff danach und suchte mit diesem Strohhalm Land zu erobern.

»Gut,« sagte er bittersüß, »nehmen wir an, es ist ein positiver Kasus gewesen. Nehmen mir an, du hast strümpfig un im Hemde gelaustert, bloß um for deine übelen Onkels zum Herrn Dokter un zum Aptheker zu laufen. Recht wirst du haben, denn sie beide steckten ja in tiefster Verfassung, gewissermaßen in 'nem Zustand, wo sie sich sagen mußten: Sollen wir uns erklären fallit oder sollen wir uns erklären nicht for fallit?«

»Aber Ohm Maier!«

»Selbstverständlich nur moralistisch gesprochen, nur um ein Bildnis von unserm inneren Zustand zu geben,« und nun erzählte er des längeren und breiteren, daß er und Elias sich in einer sehr unangenehmen Lage befänden, daß sie Verdruß gehabt hätten und seit dem Eintreffen der Kranenburgerin nicht alles so verlaufen wäre, wie es in ihrer Absicht gelegen. Kleine Differenzen seien die Folgen gewesen, hätten sie gequält und gepeinigt, hätten den Frieden und das Wohlbehagen des Hauses mehr oder weniger gefährdet, bis es in dieser Nacht zu einem mißlichen Rencontre gekommen. Möglicherweise könne man der dummen Affäre noch eine bessere Note verleihen, um liebenswerteren Erscheinungen wieder Luft und Freiheit zu geben. So hoffe er zuversichtlich. Vor allen Dingen hege er großes Vertrauen zu seinem Neffen Sigismund Mendel, der gewiß alles aufbieten werde, das etwas außer Kurs geratene Schifflein von neuem unter Segel und Kompaß zu bringen. »Ja,« fuhr er fort, »ich hoffe auf dich, wie unsere Väter das gelobte Land erhofften, als Moses sie hat geführt von Wüste zu Wüste. Nur in straffer Pflichterfüllung ist Wohlsein, denn geschrieben steht: Mein Sohn, gehorche der Zucht deines Lehrers un beachte das Gebot deines Onkels. Solches ist ein Schmuck deinem Haupte un eine Kette an deinem Halse. Nu, Sigismund, wie denkst du darüber?«

»Warum nicht?« sagte die Piepmösch mit dem unbefangenen und schuldlosen Gesicht eines Firmelkindes. »Es wird alles schon werden.«

»Denke ich auch!« und Maier schien eine kleine Nuance zuversichtlicher und gefaßter geworden.

Der erste Schritt war gemacht, und was er schon zweimal exekutiert hatte, das tat er jetzt nochmals: er räusperte sich, ließ seine Goldplomben blitzen und mit den Händen auf dem Rücken durchmaß er das Zimmer. Der niedrige Lichtstumpf stellte ganz wie früher seinen Schatten gegen die Wände, ließ ihn gigantisch erscheinen, um ihn gleich darauf wieder zu einem zwerghaften Zerrbild zu modeln.

Dann plötzlich: »Tromm, tromm, tromm!«

Maier wirbelte stärker.

Er stand wie Trumpf-Aß vor der Piepmösch.

»Sigismund, ich hab's mir schon lange bedacht, ich un der Eli ... wie wär's, wenn du heiraten würdest? Es ließe sich hören, wenn du sagen könntest: Ich habe mein Bett geschmückt mit bunten Teppichen aus Ägypten un mein Lager mit Myrrhen besprenkelt.«

»Warum nicht?! Ist es doch 'ne bekömmliche Sache.«

»Meine ich auch, denn wir würden haben damit 'ne hübsche Frau im Hause Numero sieben.«

Sigismund streckte die Beine und besah seine Strümpfe.

»Könnten wir haben,« versetzte er mit eingekniffenen Augen. »Aber wie sollte ich's machen?«

»Wieso nicht? Warum sollst du nicht können begründen 'ne feine Familie, um zu bekommen ganz kleine Kinder, kröllig un schön wie die Engels un munter wie die Eichelkätzchens in die Waldhölzer des Herrn Baron Steengracht zu Moyland?«

»Allerdings, es wäre schon etwas.«

»Denke ich auch. Ach, un wie lieblich, wenn sie kämen besuchen ihre Onkels Elias un Maier! Wenn sie sich setzten auf ihre Knie, um zu spielen Opapa-Reiter! Oh! un wir würden sie fahren mit's Schimmelpferdchen nach Kranenburg hin, um ihnen zu zeigen, wo ihre Mutter gewesen ist ein appetitliches Mädchen. Wäre das ein Glück für unsere sich neigenden Tage!«

Er grunzelte ordentlich im Vorgefühl der prächtigen Familienszene und des unbeschreiblich-hohen Genusses: »Sieh mal, da ist nu die Rosalie Perlchen.«

Sigismund nickte.

»Sie hat 'nen vornehmen Stammbaum. Sie kann damit aufwarten, ist ihr Vater doch gewesen Schächter in Kranenburg.«

»Ich weiß es.«

»Sie hat Qualitäten, un schön ist sie auch.«

»Ich weiß es.«

Der übereifrige Mann überbot sich in seinen Anpreisungen.

»Un hat sie nicht Rasse, um sagen zu können: Herr, du hast mich würdig befunden, meine Tage zu segnen, auf daß ich meine Nachkommenschaft mehre wie der Sand des Meeres un die Ähren des Feldes?«

»Auch dieses.«

»Also was sitzt du noch da? Was kuckst du noch da? Was wartest du noch? Warum redest du nicht: Heiraten will ich?«

Sigismund machte Augen wie Teetassen.

»Wen?« fragte er tonlos.

Jetzt war's Zeit, aber die höchste.

Das dritte und letzte Trommelzeichen erfolgte:

»Wir kamen vor Siebentod,
Wir kamen vor Siebentod,
Da war dahingegangen
All Leid und alle Not –
Strampede mi
A la mi presente al vostra signori ...
«

»Ha!« hielt ihm Maier entgegen, »wen anders denn als die Rosalie Perlchen.«

»Gott der Gerechte, wie sollte ich's machen?! Bin ich doch ein Strohhalm im Winde! Bin ich doch bloß ein schwacher Kommis, ein Stümper, ein Garnichts! Bin ich doch arm wie 'ne Synagogenmaus in der Gebetlade un habe kaum Geld mir zu kaufen was Extraordinäres for ein kleines Vergnügen. Wie sollte ich's machen?!«

»Du kannst es. Werde ich sprechen mit Eli. Werde ich ihn persuadieren, dir den höheren Salär zu bemessen. Zweimal so viel. Das Extraordinäre sollst du empfangen for gratis. Un dann noch: werde ich dich mitnehmen auf die Handelsgeschäfte nach Hönnepel un Hochend, nach Niedermörmter un Appeldorn, um zu lernen die Kleesaat un die Qualitäten von Weizen un Gerste. Sollst du auch haben 'nen neuen Kontorstuhl. Dito 'nen Wullsack, damit zu fahren des Winters im Schäschen. Nu – un sollst du empfangen Prokura, um sagen zu können: Ich bin was un kann's aufnehmen mit die vornehmen Kaufmänners. Also, was sitzt du noch da? Was kuckst du noch da? Worauf wartest du noch? Warum redest du nicht: Heiraten will ich?«

»Gott, habe ich ausstehen kleine Verpflichtungen un ganz winzige Schulden ...«

»Werden bezahlt.«

»Un dann noch ...«

»Was gibt's denn noch weiter?«

Sigismund wuchtete sich schwer in die Höhe. Diese Gelegenheit benutzte er, sein Soll und Haben zu überschlagen und das Für und Gegen der augenblicklichen und zukünftigen Lage in Erwägung zu ziehen ... und gelangte zu der Einsicht: die Frucht muß noch hängen. Sie bedarf noch der Reife. Morgen ist auch noch ein Tag. Wir können noch warten ... Da fiel es schon über ihn her: »Sigismund, wie steht nu die Sache? Soll ich Rosalie Perlchen berufen? Willst du ihr in jetziger Stunde ...«

Der Bedrängte schielte zum Eingang.

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ohm Maier. ich bin noch zu jung.«

»Was bist du ...?«

»Zu jung!« schrie die Piepmösch, und damit war sie aus dem Zimmer gesegelt.

Der Vize-Chef – Maier, der gewaltige Maier, drehte sich um seine eigene Achse, schlug sich die Hände vors Gesicht und taumelte im Geiste durch Nacht und Finsternis.

Er hörte nur noch abziehende Trommeln. Dumpf und traurig klangen sie von einer verlorenen Walstatt herüber:

»Wir kämpften in Friaul,
Wir kämpften in Friaul,
Da ließen uns in Tod und Not
Sankt Peter und Sankt Paul –
Strampede mi
A la mi presente al vostra signori ...
«

Dann hörte er nichts mehr.


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