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15

Heute war Sonntag.

Bartje Rennings, der Kapitän und Kohlenhändler, saß in seinem mit Rheinsand bestreuten Zimmer hinter dem Ofen, rauchte seine Gaudaer Pfeife und streckte die Beine.

Neben ihm, auf einer niedrigen Anrichte, lag sein Lieblingsbuch aufgeschlagen: Tristram Shandy's Leben und Meinungen von Lorenz Sterne.

Von Zeit zu Zeit griff er danach, pickte aus dem vierten Teil etliche Kapitel heraus und las die muntersten Stellen mit dem Behagen eines schnurrenden Katers.

Hierauf pausierte er wieder.

Er legte das Buch ab.

Donnerknispel! wie sich die ganze Umwelt urgemütlich anließ.

Es war schon, um sich auf den Kopf zu stellen und mit den Holzschuhen eine piekfeine Polka Mazurka zu klappern. Draußen das Prusten und Stampfen der Vorübereilenden, das Frieren und Rumpeln im Hafen, das nadelscharfe Kratzen der Kälte gegen die Scheiben, und hier, zwischen den bunten Tapeten, aus denen die ganze chinesische Welt mit ihren bizarren Drachen, Pagoden, klingenden Tempelchen, Zöpfen, Schlitzaugen, Unmöglichkeiten und blühenden Kirschbäumen lachte: Herrgott, welches Dorado, welche Genüglichkeit! Der blankgewichste Kanonenofen, mit den Messingschlängelchen als Kopfbordüren, bot alles auf, die Bitterkeit des Winters in einen delikaten Genuß zu verwandeln. Er bullerte, knackte die härtesten Steinkohlen wie Haselnüsse, prätzelte mit sichtlichem Frohmut glühe Partikelchen in den Aschenkasten hinein, wobei er eine Wärme ausströmte, die die abgelegensten Winkel mit molligem Genießen umkleidete und die Eisblumen abtaute, die sich in den Ecken der Fensterrahmen zu entfalten begannen.

Von seinem verschwiegenen Plätzchen aus konnte der Baas das Leben und Treiben auf der Straße, im Hafen und auf dem weißumkrusteten Rheinstrom verfolgen. Er sah gerötete Nasen, die über wollene Tücher in die bissige Luft hineinstachen, vermummte Weibchen mit dampfendem Atem, Kirchengänger, die das Hochamt hinter sich hatten, abgetakelte Schiffe zwischen Schollen und Eisklumpen und drüben, jenseits des Wassers: Grietherorth, eingebettet in Musselingardinen und mit Reif überpudert.

Bartje Rennings sielte sich in Wonne und Seligkeit.

Er streckte intensiver die Beine, strammte sich zwischen den Lehnen, daß es ordentlich seine Art hatte, und sah den Wölkchen nach, die er aus seiner Pfeife hervorholte: Porto Rico Half Kanaster von Hermann Oldenkott en Zoonen te Amsterdam.

Der Baas feierte.

Er hatte schon viele Tage gefeiert.

Erst die beiden Weihnachtstage hindurch, dann Silvester, dann den Tag der heiligen drei Könige, an dem er mit Doortje, seinem Schwiegervater, Jan-Ohme und sonstigen guten Bekannten und Freunden das Bohnenfest beging und dabei so viel des Guten an schweren Getränken vorsetzte, daß der alte Kistemaker alle Contenance verlor und drei Tage hintereinander das Lied sang:

»Schödde niet so met de Vott,
Gej mot bäter draije,
Anders geht de Box kapott
En Moder mot se näije,«

und Jan-Ohme sich für so omnipotent wie Gott-Vater erklärte, Doortje und Jüllecke Nakatenus in Parallele stellte, ihnen in Kraft seiner Omnipotenz die Palme der Heiligen zusprach, dann aber nur mit knapper Not und unter unzähligen Mühseligkeiten und Fährnissen den Baumannshof zu erreichen vermochte. Ja, es war äußerst anregend und pläsierlich gewesen.

Daran dachte der Baas, während der Kanonenofen immer lustiger knallte, und er dachte an seine bessere Hälfte, die das Hochamt aufgesucht hatte, an sein appetitliches, rundliches und leckeres Doortje ...

Jeden Augenblick konnte sie eintreten.

Um bis dahin die Zeit unterzubringen, griff er abermals nach Tristram Shandy's Leben und Meinungen und memorierte mit halblauter Stimme: »Ich möchte wohl, sagte meine Mutter, durch das Schlüsselloch gucken – aus Neugierde bloß ... was mir Gelegenheit bietet, wieder auf Onkel Tobias und Madam Wadman zu kommen. Sie sollen selber die Stelle sehen, sagte mein Onkel. Madam Wadman errötete – blickte nach der Tür – erblaßte – errötete nochmals ein wenig – erhielt ihre natürliche Farbe wieder – und errötete zum dritten Male ... Mein Onkel Tobias setzte sich zu ihr aufs Sofa. Kikelkakel! sagte die Dame ...«

Draußen ließen sich Schritte vernehmen.

»Ha!« lachte Rennings, überließ Tristram Shandy, Onkel Tobias und Madam Wadman ihrem Schicksal, stieß einen majestätischen Kringel in die Luft und durchbohrte ihn mit seiner Tonpfeife wie mit einem Rapier: »Kikelkakel! immer man' rein in die Koje!«

»Halt!« wehrte sie ab, drückte die Tür hinter sich zu und streckte die Hände: »Sitzen bleiben. Nicht aufstehen. Warte bloß ab. Ich muß mich erst auspacken,« streifte fingerfertig ihr warmes Jäckchen herunter, dito ihr Häubchen, hing beides über das nächste Pflockholz und segelte frisch und knappig ihrem Bartje entgegen.

Der empfing sie mit gebreiteten Armen, zog sie zu sich aufs Knie und drückte das rotwangige, roggenstrohhaarige, lachende und übermütige Frauchen so fest an seine derbe Kapitänsweste, daß es quiekste wie ein rosiges Ferkelchen.

»Na, Doortje, alles blank auf Back und Kampanje?«

»Alles, du Rheinbär,« kicherte sie durch seine Küsse hindurch.

» All right! und bist in der Kirche gewesen?«

»Natürlich, du Heidenmensch.«

»Und wacker gebetet?«

»Auch dieses.«

»Blexem und Donnder! für wen denn?«

»Für dich und mich ... und dann noch ...«

»Und dann noch? Heraus mit die Sprache.«

»Ach Bartje, ich kann es nicht sagen.«

»Warum nicht?«

»Ich bin zu scharnierlich.«

»Doortje, ich bin Kaptän vons Schiff und Kaptän hier zu Hause und kann als solcher befehlen und tun, was ich will. Zum Exempel: Kopp ab oder 'ne ähnliche Schose. Also ...«

Seine vergißmeinnichtblauen Blindmolläugelchen glänzten vor Lustigkeit.

»Also heraus mit die Wissenschaft!«

»Ach Bartje!«

»Hals mußt du geben, oder du wirst kielwärts genommen.«

»O Gott nicht, o Gott nicht!« und das delikate Weibchen legte ihm seine festen Arme rund um den Stiernacken, brachte ihm zwei rote Herzkirschen dicht ans Ohr und flüsterte ihm Worte zu, die bei ihm ein Gesicht hervorriefen, als hätte ihm der Engel Gabriel eine Botschaft verkündet.

»Potz Fischchen!«

Wäre der Baas ein Zeitgenosse Elias des Thisbiters gewesen, des großen Mannes, der da kämpfte in Worten und Werken gegen Ahab, Isebel und den abscheulichen Baalsdiest, genau wie dieser wäre er vor eitel Gottseligkeit unter Donner und Blitz und in einem feurigen Wagen gen Himmel gefahren.

Das brachte er nun leider nicht fertig, denn er lebte in einer nüchternen Zeit, die so recht keine Wunder mehr aufbringen konnte und so stumpfsinnig war wie ein Rambouilletbock im Pferch oder ein Kalb am Leitseil des Metzgers – kurz, er mußte auf Donner und Blitz, auf die Himmelfahrt in einem feurigen Wagen verzichten. Dafür betätigte er sich in anderer Weise, denn kaum, daß er sich die ganze Tiefe des ihm Zugeflüsterten klar gemacht hatte, kaum daß die Fata Morgana, die ihn umnebelte, sich nicht als eitel Spiegelung, sondern als ein prachtvolles Stück echter und ungekünstelter Wirklichkeit herausmusterte, lärmte er los: »Tops auf und alle Segel im Wind! das ist ja, um mit dem miserabelsten Rheinkahn als Bootsmannsmaat nach Ostindien zu steuern!« packte der dreikäsehohe, aber riemige und stramme Kapitän sein Doortje beim Kanthaken, wuchtete es hoch, legte es sich quer über die Arme, schaukelte es wie 'ne ›Kermespopp‹ in 'ner prächtigen Wiege, marschierte mit ihm vom Kanonenofen zum Fenster, vom Fenster zum Kanonenofen und sang dazu mit seiner angekratzten und verrosteten Stimme:

»Alle Jahre wieder –
Klipperklapper, horch! –
Schneeweiß das Gefieder,
Kommt der liebe Storch.
Euwer, Euwer, pillepot –
Breng ons Moder en Kindje!«

Doortje strampelte mit Armen und Beinen und wollte sich schütteln vor Lachen.

»Christus, was los denn!«

Der alte Kistemaker schob sein vermickertes Gesicht durch den Türspalt, schurfelte ins Zimmer herein, schlug die Hände zusammen und ließ sich in einen Korbsessel fallen.

Aber der Beglückte scherte sich den Kuckuck um das Spinnwebkerlchen, das, wie aus allen Wolken gepurzelt, nicht wußte, ob es sich als Männchen oder als veritables Weibchen ansprechen sollte.

»Blexem!« und wieder ging die Schaukelreise vom Kanonenofen zum Fenster, vom Fenster zum Kanonenofen.

Doortje hörte das Uhrwerk in der Brust ihres Geliebten hämmern und pochen.

O, wie das schön war! Wie ihr das bis in die Zehenspitzen hineinkribbelte!

Und dann dieser Singsang:

»Mit dem roten Schnabel
Stickt er tapfer drein.
Sticht wie mit 'nem Säbel
Muttern in das Bein.
Euwer, Euwer pillepot –
Breng ons Moder en Kindje!«

Der Alte glaubte seinen Schwiegersohn übersinnig geworden, aus 'nem Affenkasten entwichen. Diese geheimnisvollen Worte, diese gotteslästerlichen Andeutungen. Das war ja schauderös, entsetzlich, gegen alle Zucht und Scham und alle Gebote der Kirche. Er gab Öl von sich, Oliven- und Rübsenöl, duftete in seinen Ängsten und Nöten aus seinem schnupftabakfarbigen Überrock nach allen Gemengseln seines wohlbestandenen Ladens: nach Latwergen, Stiefelwichse, Zimtborken und Gewürznägelchen. Er wollte diesen gefährlichen Gottestropf zur Rede stellen, ihn vor das Forum seines eigenen Gewissens zitieren, ihm einheizen, ihm dartun, daß vorzeitige Kindbetterei dem Satan die Bolzen fiedere und gegen die heiligen zehn Gebote verstieße, allein der Baas, der so lieblich nach Teer und Taukränzen apothekerte, ließ ihn gewähren, pilgerte wiederum vom Kanonenofen zum Fenster, vom Fenster zum Kanonenofen und sang mit borstiger Stimme den Schlußvers:

»Tut dann weiter fliegen
Hoch im Sommerwind;
Doch wir beide wiegen
Froh ein kleines Kind.
Euwer, Euwer, pillepot –
Breng ons Moder en Kindje!«

Der Alte fuhr pielgerade aufrecht und entsetzt in die Höhe.

»Was?!« winselte er vor sich hin und betrachtete dabei das aus Rand und Band geratene Pärchen, »jetzt schon ... so früh schon ... in diesem Momang schon ...? und ihr seid kaum drei Monate in den Stand der heiligen Ehe getreten. Christus, mein Heiland! was wird die Welt dazu sagen, was der Herr Pastor, was die Brüderschaft zu den sieben Schmerzen Mariä?!«

»Nichts,« lachte Doortje.

Kistemaker tat einen allbefreienden Seufzer.

»Also ihr habt nicht ... ich meine: ihr habt nicht, bevor das Kirchenbuch klappte ...?«

»Nee,« schmunzelte Rennings und stellte seine Herzallerliebste wieder auf ihr festes und munteres Gangwerk, »keine blasse Idee von 'ner Ahnung. So schnell segelt Rennings sein Bootje denn doch nicht. Fix – allerdings! aber meine oberste Parol hat immer gelautet: Rennings, toujours akkurates Benehmen. Nobel wie der preußische Kuckuck.«

»Gott sei gelobt und gepriesen im hohen Himmel da droben! wenn es denn so ist ...?«

»Genau so,« bestätigte der Baas, »so und nicht anders. Propere Schiffe und ehrliche Kaptäns segeln erst los, wenn sie sagen können: All right! und kein konträriger Wind geht. Erst dann wird geglast. Keine Minute nicht früher. Aberst wenn's Sommer wird, wenn der Euwer auf einem Bein steht und seine Jungen betrachtet – was Doortje, dann können wir singen:

Euwer, Euwer, pillepot – breng ons Moder en Kindje?!«

»Ach Bartje!«

»Fertig. Bleibt so. Nichts dran zu ändern, und der erste Bengel, der anrückt« – und der Baas schnippste hell mit Daumen und Mittelfinger – »Klaas-Welm muß er heißen, denn er soll Zimmermann und Schiffsbauer werden, meinem Freunde zu Ehren.«

»Ach du!«

»Fertig. Bleibt so. Nichts dran zu ändern, und der zweite Bengel, der übers Jahr sich das Honnör genehmigt« – und er schnippste zum andern – »wir wollen ihn Ewert benennen, dito desgleichen meinem Freunde zu Ehren. Und Ewert soll ihn als Forstmann belernen, auf daß er sich mit der grünen Farbe benimmt und sich als Hegemeister herausmustert, wie aus der Pistole geschossen, denn ich habe von jeher 'nen barbarischen Respekt für Wald und Feld und die Häschens besessen. Besonders für die letztere Sorte, wenn sie sich in der Pfanne befindet.«

Bartje, du bist woll ...!«

»Fertig. Bleibt so. Nichts dran zu ändern, und der dritte Bengel, der sich Gottes schöne Welt aus der Wiege betrachtet ...«

»Hör' auf!« flehte Doortje und bog sich vor Freude, »du willst mir wohl 'nen ganzen Karnickelstall anofferieren?«

»Das wäre mein Gusto!«

»Oh!« machte der Alle.

»Woso?« fragte der Baas.

Kistemaker schüttelte vergnüglich den Kopf und wiegte sich in seinen selfkantenen Schuhen von einem Fuß auf den andern.

»Rennings, es ist ja alles schön und lieblich zu hören. Besonders als Großvater – für mich äußerst bekömmlich. Auch das mit der Patenschaft. Die erste, die geht ja. Darunter kann ich meine Unterschrift setzen: Franz Theodor Kistemaker, Kirchenrendant und Spezereiwarenhändler, angesessen hierorts, Rheinstraße 7, denn Klaas-Welm befindet sich noch in strammer Aktivität, ist uns gewissermaßen auf die Seele geschrieben, weil er sich seine Zimmermannschaft und Baukunst in unmittelbarer Nähe genehmigt, aber mit Ewert ist die Sache auf stunds nicht zu halten.«

»Warum nicht zu halten?«

»Weil er sich nicht mehr auf seiner alten Stelle befindet.«

»Wo nicht befindet?«

»Im Klever Reichswald nicht mehr.«

»Mensch, wenn ich mich in der Haut von Joel Mordje wohlfühlen täte, ich würde dir sagen: Du bist reineweg meschugge geworden.«

»Rennings, das mag alles seine ausklamüsierte Richtigkeit haben, aber ich kann mir nicht helfen: es ist so.«

»Blexem!«

Der Baas stellte die Stirnfalte hoch.

Unwillig schliff er mit dem Mittelfinger zwischen Kragen und Bartfräse durch.

»Nee, Kinnings, keinen Spermang hier. Das bringt mich total durcheinander. Worte sind gut, aber Kastemännchen sind besser. Beweise. Wo steht das geschrieben?«

»Schwarz auf weiß, im ›Klever Volksfreund‹ geschrieben.«

»Möglich, aber ich tu' mir noch immer in der Haut von Joel Mordje befinden.«

»Auch dann noch, wenn ich dir hiermit erkläre ...?« und Kistemaker zog ein Blatt aus der Tasche, faltete es umständlich auseinander und las dann: »Allen von der grünen Farbe zur Kenntnis. Auf seinen eigenen Wunsch und unter Vorgabe wichtiger Gründe wurde unser Freund und Kollege, der Hegereiter Ewert Schwaters, unter Beförderung zum Oberhegemeister, nach Hochporten in der Eifel versetzt. Wir verlieren in ihm einen gütigen Vorgesetzten, einen gewissenhaften und treuen Berater. Seine Geschäftsführung war vorbildlich. Wir lassen ihn ungern. Aber auch fern der Heimat: ein kräftiges Weidmannsheil und Horrido dem Scheidenden – und auf fröhliche Rückkehr! Die Förster und Gestellhüter der Bezirke Kleve, Geldern und Kempen.«

Das Blatt sank herunter.

»Was sagst du nu?« fragte der Alte.

»Verfluchtig! das ist um Küster zu werden.«

Der Baas sah steif in den Aschenkasten hinein, der noch immer mit seinem munteren Feuerwerk spielte, aber nicht mehr so heiter und pläsierlich wie früher.

Der Kapitän war unversehens aus seiner feinsten und prächtigsten Laune geworfen.

Doortje drängte sich an ihn: »Bartje, sei munter. Ich bitte dich, Bartje!«

Das war ja alles recht freundlich. Er spürte auch ihre rundliche Brust, den wohligen Atom, das große Geheimnis, das sie unter ihrem reinen und kindlichen Herzen behütete, das Weib in ihr in seiner ganzen Fülle und Hingebung – allein das knappige, genügliche und herzhafte Winteramüsement war aus dem Zimmer gewuschert.

Da lief es.

Er sah benaut durch eine Welt voller Sorgen.

»Nee, Kinnings,« fiel es ihm schwer von den Lippen, »Hochporten, Weidmannsheil, Oberhegemeister und so, das mag ja für 'nen königlich preußischen Beamten etwas Kavaliermäßiges und Nobles bedeuten, ist für meine Person aber bloß verkahmtes Bier und 'ne schwächliche Tröstung. Nee, Kinnings, da muß was passiert sein.«

Er schwieg.

Seine Blicke gingen nach draußen, unlustig und grüblerisch. Und unlustig und grüblerisch reisten sie die schmale Wallgasse hinauf, bogen dann ab und verfolgten die Straße, die ins Binnenland führte. Bald darauf sahen sie die Katen in der Niederung liegen.

Von den dreien ruhte die äußerste verwaist und mit geblendeten Fenstern im weiten Schneefeld.

Kein Hund bellte, keine Stimme bot einen freundlichen Willkomm, kein Krüsel stand über dem Rauchfang.

Von Ewert, der doch sonst an allen Sonn- und Feiertagen sein Heim aufzusuchen pflegte, war nichts mehr zu sehen.

Nur ein paar Krähenvögel ließen ihre traurigen Stimmen vernehmen.

Die Brüder, obgleich sie sich im Bilde befanden, schüttelten die Köpfe und sahen bedrückt in den Morgen.

Ja, sie hatten schon ihr Herzeleid und ihre trüben Rückschlüsse.

Auch Jüllecke Nakatenus.

Seit dem Tage, wo Ewert Abschied genommen, hatte sie gefragt und gefragt, sich zerquält und zermartert, ohne Trost und Zuspruch zu finden.

So noch heute.

Niemand hatte ihr Antwort gegeben.

Ihre feinsten Aussichten, die lieblichsten Zukunftsblüten waren mit Mehltau behaftet.

O dieser Kleinmut, dieses Hangen und Bangen, dieses Sichvorwärtstasten durch eine Trift ohne Anfang und Ende!

Wo das hinführen mochte!

Sie zerbrach sich den Kopf, ohne die Lösung zu finden.

Da warf sie einen bitteren Groll auf den Knollenkamp, dessen schneeverwehte Einsamkeit fern drüben in dem lauteren Wintermorgen glitzerte, legte sich ein Tuch um die Schultern, nahm Gebetbuch und Rosenkranz und trat ihren Kirchgang an.

Sie ging nach Wissel.

Die kirchenstille Ruhe, das rührsame Singen der Orgel, das sanfte Geflüster auf der Epistelseite taten ihr wohl, gaben ihr eine gewisse Besänftigung, obgleich sie ihr so fern lag wie das kalte Leuchten eines dahingeschiedenen Tages.

»Ach, Ewert,« stöhnte sie auf, »dieser heimliche Abgang! ... vom Reichswald ... von der fünfhundertjährigen Eiche, wo doch der preußische Adler drin wohnte und dir zuplinkte mit gütigem Wohlwollen! In Hochporten sollen sich ja noch unbewußte Menschen und richtiggehende Wölfe befinden. O Ewert, wie konntest du nur? Wie konntest du mir nur diese Predullig bereiten? Indessen jedoch: wir alle sind sündige Menschen. Keiner weiß was, hat nicht die powerste Ahnung. Auch ich nicht. Aber mir ist so, als hätte die vom Knollenkamp dich auf ihr Kerbholz genommen, hätte dich bloß mit Worten einbalsamiert, um nächtlicherweise auf 'nen andern zu warten. Es geht ja 'ne alte Geschichte, die so 'ne ähnliche Sache verkündet. O Gott, o Gott! aber Herr, wie du willst, denn wir stehen alle unter deiner Gnade, unter deinem Willen und Wollen und haben bloß noch zu bitten: Herr, sei unserer armen Seele barmherzig und führe uns durch dieses Tal der Tränen in deine himmlische Wohnung.«

Bald darauf hieß es in der ganzen Umgebung: »Ewert hat seine Hegereiterei im königlichen Reichswald aufgesagt, um in der öden und kalten Eifel sein Heil zu versuchen.«

Die Osterkat hielt die Augen geschlossen.

Von den heiligen drei Königen waren nur zwei daheim geblieben.

 

»Himmelhunde, gebt Obacht! Glaubt ihr, meine Gäule waren aus Kienholz verfertigt, hätten kein Gefühl unterm Leder? Besser 'nem Mannskerl eins übergehauen, als so 'nem unvernünftigen Vieh an der Kandare gerissen. Ich hab's euch ja allzeit gepredigt: Immer dusemang und fortepiano, sonst geht die beste Nuance und die feinste Belernung koppheister. Man sollte euch kreuzweise ans Scheunentor nageln, daß euch die Luderkrähen verzehren. Viechskerle alle miteinander!«

So Jan-Ohme.

Er hatte einen Fuhrknecht gemaßregelt, der bei der Einfahrt ein Doppelgespann in nicht gimpflicher Weise behandelte.

Darüber war er gekommen.

Schlecht Wetter bei ihm, böses, niederträchtiges Wetter.

Kein Wunder. Seit dem plötzlichen Verschwinden Ewerts aus der hiesigen Gegend, seit die Leute die Köpfe zusammensteckten, Gereimtes und Ungereimtes munkelten, war bei ihm und auf dem Baumannshof das Barometer gefallen. An allen Ecken und Kanten murrte und grummelte es. Hier schlug es ein und da schlug es ein. Auf Kornböden und Speichern knarzte seine Stimme mit der Gewalt einer schweren Holzfuhre über den Knüppeldamm zwischen Kaldenhoven und Wissel. Knechte und Mägde zitterten vor ihm. Über jede Verfehlung, auch die geringste, stolperte er. Er windete scharf, mit der gewitzten Nase eines ausgetragenen Hühnerhundes. Nichts entging ihm. Was ihm sonst vollständig egal war, das war ihm jetzt nicht mehr egal. Die verliebten Pärchen schwefelte er aus ihren Kammern wie Ratten und Mäuse aus ihren verschwiegenen Nestern. Er musterte Ställe und Geschirrkammern mit der Findigkeit eines königlich preußischen Steuerbeamten, und wehe dem, bei welchem er irgendein Manko entdeckte.

Den Knollenkamp vermied er. Auch die benachbarten Gutshöfe. Keine drei Pferde hätten ihn in die Griether Ressource oder ins ›Blaue Pferdchen‹ gezogen. Stur und steif marschierte er über die hartgefrorenen Acker, nicht mehr der Verhältnisse halber, sondern bloß der näheren Umstände wegen. Nichts gefiel ihm, nichts behagte ihm mehr, weder sein obligates Pfeischen, noch seine Bouteille mit Rotspon. Es war ihm alles überständig und totaliter wurschtig geworden.

Jan-Ohme, sonst der fidelste Kostgänger seines Allerbarmers und Schöpfers, fing nur noch Pferdebremsen und Grillen. Er verstand die Welt nicht mehr, Anna nicht mehr und sich selber nicht mehr ... und als er eines Tages die Schwaterskat aufsuchte, um dort etwas über den seltsamen Gang der Dinge in Erfahrung zu bringen, schwiegen Klaas-Welm und Arnt wie graue Lemuren, als wäre ihnen geboten worden: »Sterbt oder wahret die Zunge.«

Da stakelte er verärgert nach Hause.

Die beiden jedoch ...

In schweren Gedanken gingen sie ihrem Tagewerk nach, geschäftsmäßig, der Pflicht gehorchend, ohne Lust und Liebe im Herzen, der eine zwischen seinen Spanten und Aufklotzungen, der andre bei seinen Deichen und Schleusenanlagen, dieser in der Bylerward bis nach Rees hin zu, jener auf der Emmericher Werft, verschlossen in sich, wortkarg und mundtot wie die stummen und rätselhaften Bewohner der Tiefe. –

Und die Tage kamen und gingen, die Wochen und Monde.

Eine gütige Hand streichelte die Schneespreiten von Ackern und Wiesen, munterte die Wässerchen auf, zupfte an den Rinnsalen die ersten Gräser aus dem lockeren Boden und zirkelte warme Schleierwölkchen in das ewige Himmelreich. Im laulichen Wind ließen die Erlenbestände ihre bräunlichen Tröddelchen baumeln, verstäubten die Kätzchen ihren goldigen Weihrauch, daß es daherwallte wie unter jungen Maien am Tag Fronleichnam. In langen gelben Streifen arbeiteten sich die Sumpfdotterblumen an die Deiche heran, bestickten die Sohlen mit lichtem Safran, krochen die breitausgelegten Flanken entlang, tasteten sich mit ihren Masern und Fühlerchen höher und höher, vereinzelt, zu mehreren, in hellen Geschwadern, bis sie die Krone erreichten. Hier sahen sie, daß der Rhein zwischen seinen Ufern Wirbel und Kreise zog, ein böses Gesicht machte und durch die eingetretene Schneeschmelze immer mächtiger anwuchs. Erst entsetzten sie sich, dann aber, als ein warmes Lüftchen heraufzog, bewunderten sie Gottes Unermüdlichkeit, seine Allmacht und Güte im engeren und weiteren. Ach, diese Mirakel! Gleichsam im Rahmen eines Zauberkastens erschienen ihnen die bunten Muster und Farben der neugeborenen Erde. Wohin sie auch blickten: von allen Pappeln rieselten grüngoldige Fransen. Die Fernen nahmen an Helligkeit zu. Ein warmes Sonnenlicht bettete sich über Wachsen und Werden, über Blühen und Gedeihen. Des freuten sie sich, die lieben Dotterblümchen, legten ihre Köpfchen auf die Seite und horchten, ob die Osterglocken noch nicht zu klingen begönnen.

Und die Karwoche kam und der totenstille Karfreitag. O Haupt, voll Blut und Wunden ...! Die Kirchen schwiegen. Um die Türme geisterte nur noch ein verlorenes Klagen. Die Glocken waren nach Rom gepilgert. Man erwartete sie jedoch baldigst zurück, und die Wunder der Osternacht huben schon an, ihre geheimnisvollen Netze zu spinnen.

Auf den höchsten Punkten der Kampf- und Binnendeiche, in der Gegend von Huisberden, bei Grieth und Wissel und weiter nach Hönnepel und Rees zu, standen mächtige Scheiter gerichtet, die um die zehnte Abendstunde aufflammen sollten, Gott zu Ehren und den Menschen zur Botschaft: »O, was entsetzt ihr euch? Ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten. Über ein Kleines jedoch ... der Herr, der da ist unser Erlöser und Schöpfer, wird, von Marter- und Todesbanden frei, aus seinem Grabe erstehen. Halleluja! Lobet und preiset ihn, denn er wird unter uns sein.«

Am Karsamstag-Morgen brachen fünf Gespanne die Acker in unmittelbarer Nähe des Knollenkampes.

Anna Donsbrügge stand in ihrem ganzen Magdtum, hochgeschürzt, in derben Schnürschuhen und einen Dorn in der Rechten, auf der Wegscheide, von wo aus ihr die weite Gegend gleichsam in die Hände hineinwuchs. Im leichten Filz, den Lodenmantel umgeworfen, sah sie zu, wie die Knechte hantierten, die Gäule sich in die Stränge legten und die blanken Pflugmesser den üppigen braunen Leib der Mutter Erde aufschlitzten. Da hinein mußte die Sonne, das goldene Korn, da hinein hatte ein warmer Regen zu träufen, war das Empfangen und Gebären zu leiten, auf daß das Wort sich erfülle und zu Fleisch werde: »Wachset und mehret euch wie Dünensand, wie die Tropfen im Eimer,« und der Duft nach warmer Scholle und frischen Roggenbroten war bei ihr und blähte ihre Nasenflügel in wachsender Sehnsucht. Sie dachte dabei an die geborgene Saat, wie sie schwoll und sich spaltete, die Krume durchbrach, in Gottes Licht und Odem hineinwuchs, Spelze und Grannen aufsteckte und in warmen Sommernächten mit tausend und abertausend Lippen sich wechselseitig küßte, mit tausend und abertausend Stempeln und Pollen sich wechselseitig berührte. Sie erschauerte in diesen Begriffen und Vorstellungen. Säen und Wachsen, Befruchten und Auferstehen: O du beglückte Erde, O du beneidenswerte Spenderin! und die Knechte schielten auf sie, atmeten schwer und ließen ihre Muskeln spielen, wenn sie dicht an dem stolzen Weibe vorbeipflügten, sich in ihre Arme hineinwünschend, in die schneeweißen, abwehrenden Arme, die berufen schienen, Manneswesen und Mannesbegehren in Himmel und Trunkenheit oder in Hölle und Elend zu tragen.

Nein – diese Knechte!

Ihre Lichter zeigten das Weiße, blenkerten wie die von erregten Stieren.

Himmel Herrgott, dieses herrliche Weibsbild!

Nur einer war unter ihnen, der hatte kein Auge für sie, ein Schwerfälliger, ein Sinnierer und Träumer, hängenden Kopfes und ungeschickten Fußes. Dessen Gespann ging ungleich in den Strängen, dessen Furchen liefen überzwerch nebeneinander, ohne Ordnung und Ebenmaß.

»Christofer,« rief sie ihn an, »was soll das? Mich jammert die Arbeit. Das ist kein Rajolen. Ihr schlaft und döst bei hellichtem Tage.«

Stumpfsinnig hob er den konfusen Schädel.

»Aber Madam ...!«

»Kein Wort mehr. Ihr pfuscht wie 'n Bönhas.«

Lodenmantel und Stock warf sie von sich und trat hinter die Pflugschar.

»Her mit der Leine und Obacht gegeben!«

Sie packte zu, legte die andere Hand an den Pflugsterz, streckte den Körper und stieß das blanke Messer tief in die Scholle.

»Hia da hup!«

Die wieder aufgemunterten Gäule zogen an mit klingenden Kummten.

Anna Donsbrügge ...!

Donnerwetter, wie sie dahinschritt, mit sehnigen Knöcheln und stahlharten Augen, ein Bild, um verewigt zu werden.

Die Knechte hielten mit Pflügen inne, schoben die Mützen zurück und stierten ihr nach.

Keine sündige Gier mehr.

Für sie wuchs das zehnte Gebot aus dem Boden, aus Schaffen und Werken.

Sie dachten nicht mehr an die begehrenswerte Schönheit des Weibes, sondern nur noch an die Arbeit des Weibes.

Das war die vom Knollenkamp, wie sie leibte und lebte, wie sie fühlte und dachte.

Die eherne Hand regierte wie aus Bronze gegossen.

Das Werkzeug gewann Blut und Leben, Atem und Geist unter ihrer herrischen Führung.

So totsicher hatte noch keine Maschine gearbeitet.

Pflug und Weib waren ein großes Ganzes geworden. Durch ihn: Weib und Erde berührten sich, fühlten sich eins, hatten nur das eine Empfinden: zu lieben, wenn auch unter bittren Leiden ... zu empfangen ... zu gebären ... zu ernten ... zwanzig- und dreißigfaltig.

Das gab ihr Ruhe und heldenhafte Verklarung.

Sie dachte dabei an den heutigen Abend.

Erdgeruch umwölkte sie, der Dampf der Pferde umprustete sie, hüllte sie ein.

Rhythmischen Ganges durchmaß sie die Strecken, warf sie die Schar herum, um eine neue Furche zu ziehen.

Lieben, wenn auch unter bitteren Leiden ... empfangen ... gebären ...

Ha! dieser Gedanke! Er umnebelte sie, bedeckte sie mit einem Mantel von köstlichem Weihrauch.

Schon dreimal hatte sie den Acker in der Längsrichtung durchbrochen, sonder Tadel und Fehl, mit der Gemessenheit eines gottbegnadeten Schöpfers.

Schnurgerade, wie mit dem Lineal gezogen, legten sich die speckigen Schollen nebeneinander.

Furche bei Furche.

Nicht um Haaresbreite wichen sie ab.

Beim vierten Male an Ort und Stelle gekommen, gab sie die Leine zurück.

In ihrem Gesicht zuckte es auf.

Sie tätschelte die Gäule und sagte: »So wird's gemacht. Christofer. Nicht anders. Träumt nicht und döst nicht. Es ist vom Übel und kann nicht vor des Herrn Auge bestehen. Wer zupackt, bekommt auch schieren Weizen zu essen. Sonst Roggen. Verstanden?«

Ja, Christofer hatte verstanden.

Er nickte.

»Merci, Madam. Es soll also geschehen.«

»Hia da hup!« und erhobenen Hauptes, strafft« Ganges, nicht träumerisch mehr, durchmaß er die Strecke.

Lächelnd verfolgte sie ihn.

Dann nahm sie Stock und Mantel und schritt dem Knollenkamp zu.

Die Knechte sahen ihr nach mit verzückten Gesichtern.

»Gottverdammich, so'n Weibsbild, so'n extraordinäres und hohes!«

Mit verdoppelter Kraft begannen sie wieder die Frühlingserde zu brechen.

Von den Streichbrettern schmatzte die fette, braune Krume herunter.

Um die Vesperstunde rief Anna Donsbrügge ihr Gesinde zusammen: Vorarbeiter, Knechte und Mägde.

Der Giebel des Herrenhauses stand im roten Abendlicht. Im stehenden Wasser jenseits des Schafstalles quarrten die Frösche. Große Blasen stiegen aus der Tiefe herauf und zerplatzten mit leisem Röcheln an der Oberfläche. Eine Merle flötete den letzten Gruß von ihrem Schlafbaum herunter.

Bald darauf dehnte sich nur noch ein schwefelgelber Faden im tiefen Westen, der langsam zersträhnte.

Die Dämmerung hing bereits zwischen den Zweigen, als die Gutsherrin unter ihre Leute trat.

Sie war seltsam erregt und von wächserner Bleiche.

»Jedem das Seine,« sagte sie mit kurzem Atem. »Heute habt ihr mehr geleistet als an sonstigen Tagen. Ihr merkt es: zwischen Bast und Borke steigt der Frühlingssaft. Auch euer Blut ist rege geworden. Dem Hof kommt's zugute. Ich bin zufrieden mit euch und will es entgelten. Freibier für jeden und ein Extradeputat an Schinken und Käse. Und ferner: heute – die Osternacht ist Freinacht für alle. Wer will, kann die Feuer bedienen und braucht nicht die Kammer zu hüten. Ich weiche nicht ab von der alten Gewohnheit. Sie greift bis 1635 zurück, wo die Stammreihe mit Everhard Donsbrügge anfängt. Als erster warf er den Brand in den Holzstoß. So vermeldet die Chronik. Grades, Hendrik und Jean Baptist taten dasselbe und verfügten in ähnlichem Sinne. Ebenso hat es mein Vater gehalten ... und ich will keine Ausnahme machen. Wer schafft, mag belohnt werden. Also wer will, mag es sagen.«

Da war ein freudiges Raunen unter den Leuten, denn alle wollten ihre Freinacht genießen und das Auferstehungsfest beginnen bei flackernden Scheitern.

Halleluja!

Still und zufrieden gingen sie auseinander.

Nur Strückerjans schüttelte den Kopf.

Was sie nur haben mochte?

Es war alles so komisch, wenn es auch vom Hergebrachten nicht abwich.

Alljährlich war Freinacht gewesen – gewißlich, daran war gar nicht zu rütteln, aber das infame Gefühl ...

Er sagte weder ja noch nein, sondern suchte den Stall auf und kraute seinen Schafen die Köpfe.

»Bei euch ist's schon kommoder und besser als anderswo, denn was so'n junges Weibsbild einem vorrechnet, ist nicht für jedermanns Konto verfertigt. Ich als Schafer gehör' in den Schafstall wie die Munstranz in die Kirche. Für andere Dinge hab' ich die richtige Empfängnis verloren. Ja, wenn ich noch jung wäre und noch meine munteren Knochen besäße! Aber so? Feuer und junges Volk passen zusammen. Indessen bei mir: nicht dran zu denken, Madam, nicht um 'ne Grafschaft.«

Er räusperte sich.

Mit steifen Fingern schabte er das eingetrocknete Kinn und sah mit verblaßten und doch leuchtenden Augen über den eingedunkelten Hof fort.


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