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Jetzt erst durften wir in Ruhe aufatmen und hatten endlich ein Heim. Wir holten die bei Struwe zurückgelassenen Sachen sowie unsere Kühe und richteten unsere Wirtschaft ein. Gegen Weihnachten kam die uns engbefreundete Familie G. nebst den Brüdern der Frau G., Wilhelm und Otto W. mit ihren Familien aus Deutschland an. Sie hatten Deutschland im Jahre 1848 verlassen müssen, weil sie zu den sogenannten Roten zählten. G. brachte reichliche Geldmittel, mußte aber auch für die beiden anderen Familien sorgen. Er kaufte die Farm wo wir wohnten, und bis Neujahr blieben wir alle zusammen darauf.
Wir pachteten in der Nähe eine Farm, die wir zu Neujahr bezogen.
Das heiße Klima von Texas wollte uns anfänglich gar nicht behagen. Am heiligen Abend hatten wir Hitze, Blüten und Blumen statt Schnee. Was für ein Weihnachtsabend wird das sein? dachte ich. Einen Weihnachtsstollen hatte ich im Backtopf gebacken, wie man das Maisbrot bäckt. Trautmann begab sich auf den Fischfang und nahm seine Flinte mit, um mir einen fetten Truthahn, an denen es nicht fehlte, zum Braten zu schießen. Es ward abend und mein Gustav kehrte nicht heim. Ich fing an unruhig zu werden. Da kommt das Pferd ohne Reiter und den Sattel nach unten gekehrt zurück. Nun erfaßte mich tödliche Angst, bis nach einer bangen Stunde des Wartens mein Mann selbst nachkam, todmüde, doch unversehrt. Das Roß hatte ihn abgeworfen und war nach Hause gelaufen. Zum Festschmause gab es weder Fisch noch Braten. Vorsichtigerweise hatte ich geräuchertes Schweinefleisch, sweet-potatoes, Kaffee und Maisbrot zurecht gemacht. Daraus bestand unsere Weihnachtsmahlzeit, die erste in Texas. Die deutsche Sitte der Einbescherung fiel natürlich weg. So kam Silvesterabend, zu dem ich wieder etwas gebacken hatte, während Trautmann Whiski besorgte, der hier in keinem Hause fehlen durfte.
Kaum waren wir zur Ruhe gegangen, da wurden wir durch Musik und den Ruf: »Hallo, Mr. Trautmann!« geweckt. Es war gegen Mitternacht. Wir sprangen aus dem Bett und kleideten uns schnell an, wobei mir Gustav, dessen geheimnisvolles, pfiffiglächelndes Gesicht mir schon am Tage aufgefallen war, mitteilte, daß es in Texas unter den deutschen Farmern Brauch sei, am Silvesterabend mit Musik von einer Farm zur andern zu ziehen, wobei eine jede den Gästen bieten müsse, was sie zu bieten vermag; dabei würde gegessen, getrunken, getanzt und darauf der Umzug weiter fortgesetzt.
Mir war bei dieser Mitteilung nicht behaglich, aber es half nichts – man mußte sich den Verhältnissen fügen und Gastfreundschaft üben. Die Umzügler waren zumeist deutsche, amerikanisierte Bauern. G. und mein Gustav spielten Flöte, und wir Frauen tanzten mit den Männern. Alles war so originell, daß wir uns schließlich dabei amüsierten. Trautmann mußte dann auch mit weiterziehen und kam erst am Morgen nach Hause. Den anderen Neuangekommenen wurde der Scherz noch erlassen.
Den 2. Januar 1849 zogen wir auf unsere neue Farm, die ein gutgebautes Haus und fruchtbares Ackerland hatte.
In Texas ist es üblich, zwei Häuser unter ein Dach zu bringen. Der mittlere, zwischen dem Doppelhause liegende Raum wird gedielt, bleibt vorn und rückwärts offen und wird als eigentlicher Wohnraum benutzt, weil er stets kühl und luftig ist. Da wird auch gegessen, wenn man nicht ein besonderes Haus als Eßzimmer eingerichtet hat.
Kaum waren wir auf der Farm angekommen, da brauste plötzlich der erste Nordwind daher und meine mitgebrachten Betten taten uns gute Dienste.
Dieser kalte Wind hält aber nur sechs bis acht, höchstens neun Tage an. Dann ist das Wetter wieder schön und warm. Gewöhnlich zeigt sich der erste Nordsturm im November, mitunter erst im Dezember; diesmal traf er ausnahmsweise erst im Januar ein. In dieser Zeit werden Rinder und Schweine geschlachtet. Junge Ochsen hatte mein Mann schon von seinen Kühen aufgezogen; Schweine wurden gekauft.
Nun hieß es, wie der Amerikaner sagt, » help your self (hilf dir selbst)!« Auch wir schlachteten unsere Tiere selbst; denn Fleischer gibt es hier nicht. Zum Glück hatte ich in der alten Heimat dem Fleischer beim Schlachten der Schweine aufmerksam zugeschaut; mithin war ich mit den notwendigen Verrichtungen bekannt. Es wurde Wurst gemacht, und wir brachten alles miteinander fertig. Allerdings quälten wir uns nicht wenig dabei und sprachen oft zueinander: »Wenn die in der Heimat uns beobachten könnten!«
Diese Verrichtungen waren jedoch keineswegs die schwersten. Das Waschen der Wäsche, das Scheuern, das Melken der Kühe, von denen zehn Stück dem Besitzer der Farm und acht Stück uns gehörten, strengte mich viel mehr an. Von den Kühen des Farmers waren wir nur Nutznießer.
In Amerika ist die Viehzucht von der in Deutschland betriebenen total verschieden. So existieren z. B. in Texas Ställe gar nicht. Die Kühe suchen sich in der großen Prärie das ganze Jahr hindurch ihr Futter selbst. Tausende von Pferden und Rindern werden auf der ungeheuren Grasebene, und jedes Stück Vieh trägt die Brandmarke des Besitzers. Während die Kühe den Tag über grasen, bleiben die Kälber in einem großen, umzäunten Raume, fence genannt. Gegen Abend kehren die Kühe zur Farm zurück, und man läßt jede einzelne Kuh zu ihrem Kalbe in die fence, bindet das Kalb an einen Pfahl und melkt die Kuh. Nur ein Teil der Milch wird für das Junge im Euter gelassen. Die Nacht über verbleiben die Kühe in der fence, und die Kälber werden hinaus auf die Weide getrieben. Früh morgens holt man die Kälber herein, wenn sie nicht von selbst kommen. Oft sind sie derart entfernt und zerstreut, daß das Zusammentreiben zu Pferde geschehen muß. Dann wiederholt sich das Verfahren beim Melken wie am Abend. Das Melken so vieler Küche machte mich anfangs ganz kraftlos auf die Hände. Diese Erfahrung macht jeder, der solch anstrengende Arbeit nicht gewöhnt ist. Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran, und mein guter Gustav half mir treulich.
Auf unserer Farm wohnten wir mitten unter Amerikanern, die mein Mann schon seit längerer Zeit kannte. Als sich unter ihnen die Nachricht verbreitet hat, daß die Familie Trautmanns angekommen sei und wir uns auf der Hilscher'schen Farm eingerichtet hatten, kam eines Tages eine Gesellschaft von sechs amerikanischen Farmersfrauen hoch zu Roß bei uns an.
»Hallo! ist Mißtreß Trautmann zu Haus'?«
Ich trat sogleich an den Zaun und stellte mich als die Genannte vor. Darauf sagten sie, sie seien gekommen, um ihre nächste Nachbarin zu besuchen. Jede dieser Reiterinnen wohnte 3 bis 6 Meilen von uns entfernt.
Mit den Landessitten bereits etwas bekannt, nötigte ich sie, von ihren Pferden abzusteigen und ins Haus zu kommen, wo ich sie hocherfreut begrüßte.
Nun beschenkten mich alle. Eine brachte ein paar Schweinchen, die andere Truthühner, eine dritte Haushühner usw. zum Beginn meiner landwirtschaftlichen Tätigkeit, wie es in Texas Sitte ist. Ich aber mußte jetzt für den Mittagstisch sorgen, um meine Gäste zu bewirten; entschuldigte mich daher bei ihnen und verschwand aus ihrem Kreise. Zu meinem Erstaunen folgten mir jedoch alle, um mir bei der Zubereitung des Mahles zu helfen. Einige Hühner meines Hofes wurden gefangen, geschlachtet, gerupft, geputzt und gebraten. Der Tisch wurde gedeckt und alle erleichterten mir die Bewirtung, sogar meine kleine Anna erwies sich als nützlich hierbei. Großes Vergnügen machte es meinen Gästen, daß ich mir mit der Unterhaltung Rat wußte. Ich gebrauchte nämlich hierbei ein Wörterbuch, und es machte sich passabel.
Als Gustav zum Mittagsmahle heimkam, war er nicht wenig erstaunt, das Haus von Gästen belebt und mich mit ihnen bekannt anzutreffen.
»Wir wollten gern Ihre Frau sehen und rechnen auf gute Nachbarschaft,« sagten sie zu ihm.
Wir speisten gar nicht schlecht. Die Hühner waren nach amerikanischer Art zubereitet. Ich hatte sie nämlich geteilt und in Butter mit Salz, Pfeffer, Schalotten in einer Pfanne gedämpft. Außer den Hühnern kamen auf die Tafel: sweet-potatoes, frisches Biskuit, Weizen-Milchbrot, das in Amerika täglich frisch zur Mahlzeit gehört, Maisbrot, Speck-Eier, Mosch (Maisgries mit Sirup von Zuckerrohr) und Kaffee. Nach dem Diner halfen mir die Gäste die Gefäße reinigen, das Zimmer fegen, und dann legten wir uns alle in die Gallerie, den mittleren Teil des Hauses, zur Siesta (Mittagsschlaf).
Um 3 Uhr begab ich mich eilends in die Küche, den Kaffee zu bereiten und Kuchen dazu zu backen, was den Landdamen etwas neues war, da in der Zeit zwischen den Hauptmahlzeiten in Texas und Mexiko nichts genossen wird. Die Vesper, dieser deutsche Brauch, war ihnen aber angenehm.
Da mein Mann aus Artigkeit gegen die Frauen zu Hause blieb, griff er nach seiner Flöte und trug ihnen einige Stücke darauf vor. Sie alle lieben sehr die Musik. Sogar deutsche Tänze mußte ich ihnen vortanzen und sie mit ihnen probieren. Dann wünschten sie alle meine Sachen zu besichtigen, putzten sich damit wie fröhliche Kinder, was ihnen unendliches Vergnügen bereitete und amüsierten sich herrlich die ganze Zeit bis zum Abendbrot. Dieses war dem Mittagsmahle ähnlich. Kaffee samt frisch gebackenem Maisbrot darf bei keiner Mahlzeit fehlen. Zuletzt bereitete ich noch eine Eynok, ein sehr beliebtes Getränk aus Eiern, Whisky, Zucker und Muskatnuß.
Gegen 9 Uhr ritten alle sehr befriedigt und vergnügt nach Hause, wo noch jede ihre Kühe zu besorgen hatte.
Hierauf bekam ich allerseits Einladungen der Frauen zu ihren » quilten«. Es sind dies Steppdecken, bei deren Anfertigung die ganze Nachbarschaft hilft und womit ein großes Fest verbunden ist. Mädchen und Frauen nähen fleißig an dem Quilt, das in einem Rahmen gespannt mit allerlei hineingenähten Figuren geziert wird. Natürlich wird bei der Arbeit gemütlich geplaudert und mancher mehr oder weniger geistreiche Scherz zu Tage gefördert. Das Mittagsmahl wird im Freien gehalten und besteht gewöhnlich aus Spanferkeln, gebratenem Puter und anderen Hühnern, Roastbeef (eine Art Rostbraten), gebackenem Fisch, sweet-potatoes (einer Art Kartoffel, deren Geschmack unvergleichbar köstlicher ist als der unserer gewöhnlichen Erdäpfel), aus Biskuit, Maisbrot, mash, Schalotten, Salat und pie, einem warmen, gefüllten Kuchen, der bei keinem Diner fehlen soll. Nach dem Mahle wird Siesta gehalten und dann weiter gearbeitet bis zum Abend.
Die Männer und jungen Gentlemans der Nachbarschaft finden sich nach dem Mittagsmahle auch zusammen, helfen Nadeln einfädeln usw., wodurch die Aufmerksamkeit der jungen Mädchen allerdings geteilt wird. Im ganzen aber wird tüchtig weiter gearbeitet, da es gilt, zu beweisen, daß man fleißig und geschickt ist.
Mit Beginn der Dunkelheit, etwa gegen 5 Uhr, wird die Arbeit eingestellt. Was am Quilt noch zu tun übrig ist, das vollendet die Hausfrau allein.
Das Abendessen bringt ziemlich die nämlichen Speisen wie das Mittagsmahl, nur darf zum Schluß das beliebte Eynok nicht fehlen. Nach dem Abendbrot wird ein großer Kessel mit Melassensaft (Sirup aus Zuckerrohr) im Freien übers Feuer gehangen und so lange gekocht, bis der Saft so dick wird, daß er sich ziehen läßt. Dann werden Teller dünn mit Butter bestrichen. Von der nun ganz dicken Melasse wird eine Portion auf jeden Teller getan, mit den Händen bearbeitet und zu den verschiedensten Figuren geformt, zum größten Vergnügen der jungen Leute.
Ein Neger spielt schließlich auf einer Fidel zum Tanze, und erst um Mitternacht reitet die Gesellschaft höchst vergnügt nach Hause, wo jeder noch sein liebes Vieh zu besorgen hat.
Das sind die Freuden des Farmerdaseins in Texas, zum Ruhme muß man es den Amerikanern nachsagen, diese geselligen Vergnügungen verlaufen stets friedlich, harmlos und höchst anständig.
Drei Jahre verbrachten wir unter harter Arbeit, dann und wann von solchen Unterhaltungen gewürzt, in Texas. Unterdessen wuchs unser Kind kräftig heran und leistete mir schon manche Dienste. Wenn ich mit meinem Manne auf dem Felde war und Baumwolle einsammelte oder eine andere Arbeit verrichtete, so besorgte Anna das Mittagbrot und läutete zum Zeichen, daß es fertig war.