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Die Schlacht am Odhinsstrand

Da war es den Männern, als sei der schwebenden Helgeister Begegnung minder fürchterlich, als dies Treffen mit Männern, die auf ihren Helmen das Kreuz und den Tod in ihren Händen führten.

Wie am Tage von Ragnarökr war dies, wo von Nord und Süd, von Ost und West und helaufwärts her die Feinde gegen die Götter heranziehen.

Der Eiriksmannen waren unzählige, und sie sangen: »Dich, Christus, loben wir!«, während sie mordeten.

Die Eislandsmannen aber kämpften lautlos und unerbittlich, wie der kämpft, der nur noch an seines Schwertes Ehre und an der Skalden Nachruhm denkt. Stunde um Stunde währte der Kampf, und endlich ward es so hell, daß die Männer des Feindes Züge unterscheiden konnten, den sie an der Gurgel gefaßt hielten, und den Blutbrunnen aus der Brust sprudeln sahen, in die sie ihr Schwert stießen.

Solange der Kampf währte, hatte Half nichts ersehnt als dies: Eirik im Gewühl zu begegnen. Aber der König hütete sich wohl, dahin sich zu begeben, wo seiner Mannen Todesröcheln am lautesten scholl, dahin, wo der Kampf am wildesten tobte, dahin, wo Half das Weib wider ihn rang.

Es waren der Eiriksmannen so viele, daß es schien, als stünden die schon Erschlagenen nochmals zum Leben auf, um von neuem Half zu bekriegen. Der sah um sich und sah, wie gute Wahl die Idisen unter seiner Schar gehalten hatten. Denn tot lag Svart und Guthorm und Uxi, der Ire, und der Helden mehr, deren Namen nicht genannt werden. Da scharte er seine eigenen Recken um sich, die wenigen, die noch lebten. Er befahl den andern, sich auf »Meerschwan« zu retten, während er ihnen den Rücken decke, denn nun läge all ihr Heil auf dem Schiff.

Eirik aber hetzte seine Mannen wider Half, der, treuer als Heimdali die Bifrostbrücke, nun die Schiffsbrücke schützte, auf die die Eisländer sich in guter Ordnung und fechtend zurückzogen. –

Und Eirik schrie: wer ihm Half lebendig brächte, den mache er zum Jarl von Rogaland, sei es ein freier Mann, und zum Freien, wenn er ein Knecht wäre.

Da entstand ein Wettlauf derer, die die Jarlschaft sich verdienen wollten, und wie Wettersturz flogen die Speere. Sie starrten rings um Halfs runden Schild wie die Strahlen einer goldenen Sonne, daß er ihn lassen mußte.

Da löste Hliot Einarmbein den Riemen, mit dem sein Schild am Armstumpf festgebunden war. Den Schild bot er Half mit der rechten Hand, sogleich aber schwankte er und fiel, denn ein Speer hatte ihm die Kehle durchbohrt.

Der Schwerter Sang war so laut in der Luft, daß Half des Freundes Sterbewort nicht hörte.

Und er hörte auch nicht den Todesschrei aus dem verzerrten Munde dessen, den er erschlug, wie jener ihm Hliot erschlagen hatte, so wild waren der erzerne Lärm der Schlacht und der Gesang jener Männer, die der Blutrausch überkommen hatte.

Glum hob Hliot empor und trug die Leiche seines Sohnes im Arm, die schwerste Last, die ein Mann zu tragen vermag. Die Flut stieg, und Glum watete durchs Wasser hin, das ihm bis zum Gürtel reichte. Wie Klippen ragten Tote aus den Wellen empor, und die Speere sausten über seinem weißen Haupt, da er die Leiche auf das männererfüllte Schiff rettete, das der Halfsmannen einzige Heimat war. Half hielt die Bedränger ab, bis Glum als der Letzte »Meerschwan« erreicht hatte. Es stand ein Blinken in der Luft über Halfs Haupt, und das war der rastlose Schwung seines Schwertes, das mit jedem Schlag die Todespforte für einen neuen Ankömmling auftat.

Und da die Hände sich schon nach ihm reckten, ihn zu fangen, da schüttelte er sie von sich ab, rannte an und schwang sich mit einem weiten Satz auf die Brücke hin, hell auflachend, weil er ihnen entkommen war.

Sighvat befahl, die Ruder zu regen, aber mit Stöhnen und Krachen verharrte das übervolle Schiff. Half sah um sich und gewahrte das rote Rinnsal, das auf den Schiffsplanken stand, er sah Speer um Speer sein Ziel finden, sah, wie Mann nach Mann zu Boden sank. Vergebens keuchten die Vielen auf den Bänken und legten sich ins Ruder, daß die Ruderpinnen zersprangen. Es stand das Schiff, auf das Hel ihre dunkle Hand gelegt hatte. Da rief König Eirik nach Aslaug, und Aslaug Bogenspanner trat vor, der beste Schütze von Norwegr, der nur sechsmal in einer Schlacht schoß und niemals fehlte.

Er schoß zum erstenmal, da stürzte Odd der Schöne über Bord, als er gerade den Speer gegen Eirik erhob, der ins Wasser ging.

Er schoß zum zweitenmal, da schrie Thorgeyr Stirnbrand seinen letzten Schrei, der den Ankerstein auf Eiriks Haupt schleudern wollte, als er just schwimmend im Wasser emporkam.

Er schoß zum dritten und vierten Mal, da starben Gurmun und Bleisach, die Irenchristen, die die Schiffsbrücke herabwerfen wollten, auf die Eirik sich emporhob.

Er schoß zum fünften Mal, da öffneten sich Glums Lippen zum Todesschrei, auf die die Götter des Liedes Honig gelegt hatten.

Da vergaß Half einen Augenblick alles ringsumher. Er beugte sich über den, den er geliebt hatte und der ihm nun den Weg des Schattens voranging. Da legte Aslaug den letzten Pfeil auf die Senne. Er fuhr Half tief in die rechte Seite, dort, wo das Riemenwerk beide Panzerhälften verbindet.

Des Schusses Wucht war so stark, daß Half ins Knie brach. Es entstand Geheul unter den Eiriksmannen, die ihrem König in die Flut gefolgt waren. Die Lust, dieses Helden Obsieger zu sein, war so groß, daß alle nur des Kampfes gedachten und nicht der verlorenen Jarlschaft.

Der König aber hatte sich auf die Brücke emporgezogen und rannte sie nun hinan, triefend naß und heiser von den Rufen der Schlacht, daß seine Stimme umschlug, da er keuchte: »Speere weg! Ich muß ihn lebendig haben!«

Da schrie einer, und das war Sighvat, der mit gespreizten Beinen über Half stand, ihn mit seinem Langschilde deckend: »Dawider sind zweie noch, Herr König! Ich und mein Schwert!«

Im gleichen Augenblick war es Spes gelungen, der Schiffsbrücke letzten Haken zu lösen. Sie fiel mit großem Lärm ins Meer mit all den Kreuzmannen, die Eirik nachgestürmt waren, daß im blutigen Wogenschaum Balken, Planken, Beine und Arme durcheinanderwirbelten.

Keiner aber kann sagen, daß Eirik da kleinen Mut bewiesen hätte. Denn er stand allein unter den Feinden, die Streitaxt in der Rechten, und rief:

»Noch einmal, ihr Männer, frage ich euch, ob einer unter euch sei, der bereut und die Taufe zu nehmen gewillt ist? Und ist dem so, dann schwöre ich laut, daß ich diesen Mann halten will wie meinen eigenen Bruder!« Da hob Half sich über Sighvats Schild empor und lachte bitter: »Wahr gesprochen ist dies, Eirik Blutaxt, daß du ihn halten würdest wie deinen Bruder Björn Farmand, den du zu Säeheim erschlagen hast!« Sighvat bedeutete ihn aber heftig zu schweigen und sprach fromm: »Ich, Herr König, bin der einzige Heide hier, den es nach der Taufe gelüstet. Wollt ihr mir schwören, von Eisland zu lassen und Halfs Leben zu schonen, so gelob ich gern, daß ich Roßfleisch verabscheuen will mein ganzes Leben!«

Sprach Eirik finster: »Treibst du dein Spiel mit mir, Judaschrist?« Und er hob die Axt und hieb Sighvat unversehens vor die Stirne.

Da erlosch das listige Lachen in des Knaben Gesicht, es verzerrte sich. Taumelnd warf er die Arme empor und lallte bange: »Mein Herr Jesus, führ mich ein in dein Reich!« Er fiel rasselnd über die andern Toten.

Half sah den sterben, der um seinetwillen verleugnet hatte, was einem Manne wert ist im Leben: Heimat und Himmel. Er raffte sich auf und riß sich den langen Pfeil aus dem Fleisch, daß das Blut wie ein Springquell hervorschoß.

Den Helm hatte er im Sturz verloren, und das lange Haar hing, ihm in die Augen, daß er furchtbar schien, wie Tyr am Tage des Weltenendes.

Er fing Eiriks Hand im Axtschwung ab und preßte sie so sehr, daß der König das Beil fallen lassen mußte. – Half umschlang Eirik mit furchtbarer Gewalt, hielt ihn hoch in die Luft und zeigte ihn so den Kreuzmannen, die in Haufen an den Schiffswänden emporklommen, ihren Herrn zu retten. Schrie Half: »Sehet her! Jetzt endet Eirik Landräuber! Jetzt stirbt Eirik Brudermörder! Grüßet Håkon Quärnebider, Norges neuen König!«

Und er schmetterte Eirik zu Boden, daß er dalag, platt wie eine tote Ratte. –

Es war aber eine Lähmung über die Eiriksmannen gekommen wie Runenzauber. Die die Speere erhoben hatten, warfen nicht. Denen, die den Bogen spannten, erschlafften Hand und Senne.

Aber auch die Männer, die auf dem Totenschiff noch atmeten, regten sich nicht. Sie hatten Langruder, Ruderbänke, Wassertonnen und Deckplanken auf die Heranschwimmenden geschleudert. Sie sahen den Tod um sich her in tausendfacher Gestalt und wußten, daß der ärgste gespart sei dem, der am längsten lebe.

Jetzt aber kam große Freudigkeit über sie, da sie sahen, wie Half das Schwert hob, ein Ende zu machen. –

Mit Sausen fuhr Jökulsnaut herab auf Eiriks Haupt. Da aber das Schwertblatt auf den Kreuzhelm traf, da schrie das Erz auf mit schrillem Laut, und die Klinge brach glatt in zwei gleiche Stücke.

Es war aber, als breche zugleich mit dem Schwert der Bann, der über den Feinden gelegen hatte, und sie warfen sich mit Heulen über Half.

Er griff in den Gürtel. Aber es war Eyvind, an den er Gyridhs Messer gegeben hatte. Einen Blick nur warf er nach oben, und keiner weiß, ob er nicht in dieser Stunde den Schutz ersehnt hat, den sein Stolz einst verwirkte. Aber kein Schwert ward in den Wolken über ihm gezückt, keine Kraft der seinen zugelegt, und Half, der Götterbekriegende, begann waffenlos, seinen letzten Kampf zu kämpfen.

 


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