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Wie die Eisländer dem Brautschiff begegneten

Vieles wäre nun zu erzählen. Von Ger, dem Knechte, der eines Mittags unbeschattet in der Sonne schlief und toll ward, daß keiner außer Half ihn zu bewältigen vermochte. Als er aber starb, sagte Aukko: »Die Feindin Südsonne hat ihn getötet!«

Von Hliots Kampf mit der Midgardschlange wäre zu sagen, die aufstieg, als er badete und in ihrem gewaltigen Rachen seine linke Hand erschnappt hielt. Hliot aber hieb sich selbst den Unterarm mit dem Schwert vom Leibe und rettete sich so aufs Schiff, einarmig nun, zum Hinkefuß, den Half ihm geschlagen hatte.

Von Sighvat, der nach einem goldgrünen, blinkenden Bande griff, das im Grase lag. Da lebte das Band und wand sich um ihn und biß ihn in den Schenkel. Half machte Jökulsnaut glühend und brannte die Wunde aus, daß das Fleisch an Sighvats Leib zischend verkohlte. Sighvat aber sah Half ins Gesicht und zuckte mit keiner Wimper. Von steinernen Häusern wäre zu sagen, wie weiße Würfel im Grün, und der Brand schlägt aus ihrem flachen Dach. Von Hunger und Überfülle, von Durst und Rausch, von Männern, die sich wehren, und Frauen, die sich ergeben.

Aber alles dies sind Strophen, die nur in einer einzigen Nacht auf Glums Skaldenmund blühten. Sie sind vergangen in der Männer Gedächtnis. Dies jedoch ist, was den Halfsmannen widerfuhr, als sie das Brautschiff trafen.

Eines Abends hatten sie ihre Schiffe in einer kleinen, verborgenen Bucht vor Anker gelegt. Zum Guten geriet es ihnen, daß Half stets mit Umsicht Ankerplätze wählte.

Beim ersten Dämmern gingen sie an Land, um Wasser einzunehmen, Sighvat Sugandi hatte die schärfsten Augen. Er erspähte zuerst ein fremdes Fahrzeug. Je länger die Eisländer dies Schiff betrachteten, das nur ein wenig südlich von ihrer Bucht wie eine Katze auf Lauer lag, desto mehr priesen sie ihr gutes Glück, das sie nicht zu der Männer Schlafgenossen hatte werden lassen. Es waren etliche unter jenen, wie Weiber gekleidet, in Rot und Gelb, glitzernd von Gold, und sie hatten farbige Tücher in dickem Wulst um ihre braunen Stirnen gewunden. Andre wieder waren nackt und von Kopf zu Füßen schwarz wie Hel, die Göttin der Toten.

Glum dachte an seinen Vater Geirmund, den man Heljarskin – Helhaut – genannt hatte, weil er ein wenig dunkler von Angesicht war als die eisweißen Nordmannen.

An diesen Männern aber war nichts hell als die großen Zähne.

Die Schwarzen waren alle klein, vom Größenmaß etwa eines Lappen. Höheren Wuchs hatten die Braungesichtigen, doch ragte über alle der Anführer hinaus, ein finsterer, gebieterischer Mann. Er trug eine goldene Brünne, die im Morgenlicht flammte. Half ward heiß vor Begehren, sowie er sie sah. Auf des Mannes goldenem Helm hob ein Tier seine Pranken; Federn fremder Vögel stiegen aus dem grünen Laken, das um die Stirn gewunden war, und in den Ohren schaukelten schwere goldene Ringe.

Während Half staunend auf dies fremde Schauspiel sah, kam vom Süden ein zweites Schiff heran, das war groß und stolz. Ein Wimpel mit goldenem Zeichen klatschte am Mast, und am Hintersteven erhob sich ein Schattengezelt von kostbaren Stoffen. Die Jungfrauen, die davor kniend die Harfen schlugen, waren wie Waninnen licht und schön. Andere aber, die einen Reigen drehten, waren schöner noch, zart und leicht.

Es waren genug der Männer an Bord, aber sie hatten Helme und Schilde abgetan, sie tranken und sahen den Wunschmädchen zu wie die Einherier droben in Sysrimner, Freyas Himmelshalle.

Da sah Half das lauernde Raubschiff plötzlich aus seinem Versteck hervorschießen. Die Helmänner heulten wie Werwölfe und schwangen halbrunde Schwerter. Wie schwarze Katzen kletterten sie auf das Harfenschiff, wo Spiel und süßer Gesang erstarben und Gewühl und Verwirrung sich erhoben.

Half blickte um sich, da funkelten ihn seiner Mannen Augen gierig an, und er nickte. Sie sprangen in Sätzen den Hügel hinab und zogen, zurückgelegt, an »Skidbladnirs« Ankerseil, daß der Stein mit einem Ruck emporschoß.

Sie ruderten aus der Bucht hervor, Waffengeklirr im Ohr und der Jungfrauen hohe Schreie.

Die Männer auf dem Harfenschiff waren erprobte Kämpfer, das sahen die Eisländer daran, daß unter den Überfallenen auch nicht einer helmlos den Räubern begegnete. Sie widerstanden, die Schilde vor und über sich geworfen, wie eine erzerne Mauer dem Anprall der Feinde.

Half schien es eine Lust, den Schild-Ummauerten zu Hilfe zu kommen, die sich so tapfer der Übermacht wehrten, und die Eisländer lechzten danach, zu sehen, ob der Helmänner Blut so schwarz sei wie ihre Haut. Sie glaubten nicht daran, daß man mit solch runden Schwertern Wunden zuzufügen vermöge, ehe sie es am eignen Leibe erfuhren.

Half schlug sich durch bis zu dem Räuber, dessen Rüstung ihn verlockte wie einer Liebsten Botschaft. Zum erstenmal, seit er Nordland verlassen hatte, fand er einen Gegner, der zu kämpfen wußte. Half schlug dem Anführer nach dem Haupt mit einem Hieb, der zu Eisland jedes Mannes Hirn gespalten hätte. Doch dieses Helmes Funkelerz war zu hart, selbst für Jökulsnauts Schärfe.

Jedesmal aber, wenn Half dreinhieb, bangte er um die wunderbare Brünne. Endlich machte seine Heldenkraft ein Ende mit dem Mann. Er schmetterte ihn nieder und stieß ihm das Schwert in die Kehle.

Da erhoben die Räuber wildes Wehklagen. Wie Pfiffe, hoch und schrill, gellten die Jammerschreie. Im Nu starrte Halfs Schild von Wurfspießen, und wilder Kampf entbrannte um den Leichnam, auf den er seinen Fuß setzte.

Endlich faßte Half Ingrimm, da er sich der Helmänner nicht zu erwehren vermochte. Er raffte den Leichnam auf und warf ihn hinter sich gegen das Schattengezelt, daß ihm die Brünne nicht verloren gehe. Wieder erklang der Schwarzen Wehegeschrei. Es war aber nun deutlicher als je zu sehen, daß braune und schwarze Männer andern Bluts und andern Sinnes waren. Denn während die Braungesichtigen wie Helden fochten und lieber starben als sich ergaben, knieten die Schwarzen feige nieder und flehten in fremder Zunge um ihr Leben. Da lachten die Harfenschiffshelden, denen die Eisländer Hilfe gebracht hatten. Sie zerrten die Schwarzen hinab zu den Ruderknechten, die in drei getürmten Reihen saßen. Dort wurden die Helmänner an die Bank geschmiedet, mit jedem Ruderschlag ihr hündisches Leben zu beseufzen, das sie erbettelt hatten. Als der Kampf nun entschieden war, stieg Half über den Haufen von Erschlagenen hinweg, bis er den Leichnam fand, nach dessen Brünne es ihn gelüstete.

Der Tote lag mit den Füßen hoch auf Leichen, mit dem Kopf tief in des Zeltes Vorhänge verwühlt, und Half drehte ihn herum, die Panzerriemen zu lösen.

Nie noch hatte er solches geschaut. Wie eine härtere, eine goldene Haut legte die Brünne sich dünn und schmiegsam um den Leib.

Innen sah man hohl die Formen, die herausgetrieben worden waren. Half legte den Deutfinger hinein und lachte wie ein Knabe.

Er schnallte die Brünne um, die leicht wie Flaum war, und nahm dem Toten den Helm, dessen Güte Jökulsnaut erprobt hatte.

Die fremden Federn riß er mit dem grünen Tuch zugleich herab, nahm die Schwanenfittiche vom eignen Helm und steckte sie an den neuen. Sie hafteten gut, und er setzte sich die erzerne Zier aufs Haupt. Da fühlte er einen Blick, der an ihm hing, so daß er sich wandte.

Zwischen des Schattengezeltes Vorhängen stand ein Weib, ein Mädchen, das sah ihn an, aus großen dunklen Augen. Einen Stirnreif trug es im schwarzgetürmten Haar und war blaß, wie jene sind, denen Manneskuß noch nicht die Wangen gerötet hat. Als Halfs Blick dem seinen begegnete, trat es, als fliehe es, in das Zelt zurück, und die Vorhänge fielen zusammen.

Es kamen aber des Harfenschiffes Helden auf die Eisländer zu und lachten und ergriffen freundlich ihre Hände, mit fremden Worten, die Dank auszudrücken schienen. Knechte liefen von allen Seiten herbei, warfen die Toten über Bord und ordneten Bänke und Tische wie vorher.

Hliot sputete sich und nahm den Toten eilig ab, was sie von Gold mit sich trugen, ehe sie ins Meer wanderten. Er hatte nur eine Hand und kam schlecht damit weiter und knurrte wie ein Kettenhund jeden der fremden Knechte an, der ihm ins Gehege kam.

Er wußte nicht, warum die Kämpen, die zum Schiffe gehörten, seiner lachten und stopfte Ringe und Ketten mürrisch in seinen Busen, so daß das Hemd vorne weit abstand.

Als die Toten über Bord fielen, kamen große gefräßige Fische herbei, die kreisten um das Schiff die ganze Nacht, und die Mädchen warfen Rosen nach ihnen, die sie schnappten.

Als es dunkelte, flammten Leuchten auf. Die Tische wurden mit Decken bespreitet und mit Kissen die Bänke. Rosen kränzten Becher und Lager und die Stirn der fremden Helden, die vor einer Stunde noch hinter ihren Schildern gekniet hatten, todbringend und kalt.

Aus dem Zelte kam ein Mann hervor, der war wie einer der Alben zu schauen, höckrig und gering und mit schütterem Bart. Der verneigte sich vor Half und begann mit piepsender Stimme zu reden. Da lachten die Eisländer, denn, was er sprach, waren gute Worte, schöne Worte, die man verstehen konnte. Es bot ihnen das Zwerglein in Lauten der Heimat Dank, daß sie seine Herrin errettet hätten und Muhmad Ali getötet, den großen Räuber, den Schrecken der Meere! Es sei seine Herrin eine Prinzessin, Placidia mit Namen, und des Königs von Gräzia jüngste Tochter. Als er aber dies gesagt hatte, schrie Sighvat so hell auf, daß alle sich nach ihm wandten. Und es erfuhren die Eisländer ferner, daß die Königsmaid nach Engelland ziehe, um zu Lundres Edmund angelobt zu werden, König Adelstans einzigem Sohn.

Die Königsmaid trat aus dem Zelt hervor. Wie eine Schaumwelle kam sie heran, in ihrem Silberkleide. Zu ihrer Rechten ging ein Mädchen, das trug Krug und Becher, zu ihrer Linken ein andres, das trug eine goldene Schale, darin Früchte glühten.

Sie trat zu Half und kredenzte ihm den Becher schwarzen Weins, an dem sie genippt hatte.

Half aber dachte seines Gelübdes und schüttelte das Haupt. Eine Falte zeigte sich zwischen ihren dunklen Augen mit den schmalen hohen Brauen. Dann nahm sie zögernd ein rotes, pralles Rund aus dem goldenen Fruchtkorb. Sie biß hinein, und es war eine Frucht, saftig und voll Samen.

Als sie sie bot, erfaßte Half sie rasch und willig und so fest, daß die angebissene Frucht in seiner Faust platzte und ihm Samen und roter Saft klebrig am Handgelenk entlang in die goldenen Armreifen rannen.

Die Königsmaid sah ihn an und sprach leise einige Worte. Sie sprach langsam und mit einer schönen, tiefen Stimme. Aber Half verstand sie nicht. Da wandte sie sich und trat zum Hochsitz, der ihr bereitet war.

Es sagte Grim dem Gezwerg, daß er sein Weib auf dem Schiffe gelassen hätte. Da gebot die Königsmaid sogleich, sie herbeizubringen. Und Aukko kam und sah fremd und traurig auf die Lachenden, die da tafelten. Es war der Bär mit ihr gekommen und ward viel geneckt und brummte verdrießlich. Aukko mußte ihn seine Künste zeigen lassen. Der Bär ging auf den Hinterbeinen, lag nach ihrem Willen reglos wie tot und brachte ihren versteckten Schuh herbei. Ja, er fiel auf ihr Gebot Männer an, um sogleich von ihnen abzulassen, sowie Aukko ihren Pfiff ausstieß.

Die Königsmaid hatte gnädige Freude an solchem Spiel und legte Björn ihre eigene Kette um den Hals.

Als aber sie und Aukko beieinanderstanden, da staunten die Eisländer, daß beide die gleiche bräunlichblasse Haut hatten und das gleiche schwarze Strähnenhaar, und sie begriffen nicht, wie in Süd und Nord die Frauen einander ähnlich beschaffen sein mochten.

Die Königsmaid winkte, da kam eine der Mägde herbei und trug einen Vogel, der wie aus roten und grünen Lappen gemacht war. Er hatte einen großen Schnabel und kreischte mit wunderlicher Menschenstimme fremde Worte. Die Männer aus Gräzia lachten, und die Königsmaid ließ ihn süße Speise von ihrem roten Munde nehmen.

Die Jungfrauen kamen wieder, boten Wein und tanzten zum Klange der Harfen. Sie waren keine Waninnen, sie waren von Fleisch und Blut, aber das dünkte die Halfmannen fast noch besser.

Dreimal hob die Königsmaid den Becher gegen Half, und jedesmal mußte der Zwerg ihm bedeuten, ihr zu danken. Dann fuhr Half aus seinem Sinnen auf und trank ihr Heil in goldhellem Wein, da er den schwarzen verschworen hatte. Die Halfsmannen aßen stumm und gewaltig und wünschten nichts, als daß die Königsmaid zur Ruhe gehe, ohne die Mädchen mit sich zu nehmen.

Nur Sighvat war verwandelt und hatte keinen Blick für die Schlanken. Er sah unverwandt zur Königsmaid hinüber. Aber sie hob die weißen Lider nur, wenn sie ihrem Retter Half zutrank.

Endlich stand sie von ihrem Sitze auf und zugleich alle Männer. Sie kam langsam auf Half zu, und der fremde Vogel saß, flügelschlagend, auf ihrer Schulter. Sie war ungroß und mußte zu Half emporsehen. Half aber hatte nie solch heldengleiches Ansehn gezeigt wie in diesem neuen Waffenschmuck. Das falbe Haar fiel lang und reich vor, über die breiten Schulterplatten der goldenen Brünne. Der Helm von Gold und Erz funkelte über seinem hellen Antlitz.

Sie sah ihn lange an und endlich stieß sie leise und schnell die Worte hervor, die er schon einmal gehört und nicht verstanden hatte. Nun aber las er sie von ihren Augen mehr als von ihren Lippen. »Ich grüße dich, mein süßer Freund!« sagte sie, und das waren die Worte, die der Zwerg sie gelehrt hatte für den Tag, da sie Edmund von Engelland begegnen würde.

Der Vogel schlug mit den Fittichen und krächzte etwas, was die Männer von Gräzia lächeln machte. Sie aber ging schmal und schlank dahin, und Half blickte ihr staunend nach, bis das Zelt sich hinter ihr schloß.

Als die Königsmaid gegangen war, begann frischer Umtrunk. Die Halfsmannen prüften der neuen Freunde Waffen und staunten über deren Güte, doch war kein Schwert dabei, das Half für Jökulsnaut hätte tauschen mögen.

Die Mädchen schlangen ihren unterbrochenen Reigen, und die Männer haschten willige Beute. Eine Lachende hing sich an Sighvats Hals, doch er stieß sie unwillig fort. Da gab es Gelächter unter den Halfsmannen.

Grim sah, wie Aukko abgewandt saß, und er sprach heimlich: »Fürchte nichts. Es ist nicht wie damals! Ich werde keine andre ansehen heute nacht.« Aber Aukko antwortete nicht.

Nach Mitternacht ward es still auf dem stolzen Schiff. Die Fackeln waren verlöscht, und die Schläfer schnarchten. Die Männer aus Gräzia gingen hinab, um zu ruhen. Die Eisländer aber blieben gern an Deck, dessen Dunkel voll Geräusch war und voll Gelächter. Nur Aukko schlief nicht und lachte auch nicht. Ein schmaler Lichtstreif kam aus dem Gezelt, auf den schlich Aukko zu. Sie hörte drinnen gedämpft durch Teppiche die leisen Schritte einer, die, wie sie, nicht schlief. Da sah Aukko einen Mann sich dem Zelte nähern. Er ging auf den Zehenspitzen und hielt sein Schwert, daß es nicht klirre. Der Lichtschein schien auf seine Brünne, und Aukko meinte, sie wie Gold blinken zu sehen.

Der Mann schlüpfte ins Zelt. Er mußte beim Eintritt sogleich die schwebende Lichtschale herabgerissen haben, denn drinnen ward es völlig dunkel. Aukko hörte einen erstickten Schrei. Küsse wurden geküßt. Sie fielen dem Manne zu wie überreife Frucht.

Der fremde Vogel krächzte drinnen, aus dem Schlaf gestört, von neuem seine Worte. Eine flüsternde Stimme sprach sie nach, die heiße Stimme, die einem Fremden den Gruß fortgegeben hatte, der dem Gatten bestimmt war: »Carpe diem, mein süßer Freund, Carpe diem!«

Da brach jählings mit wildem Gebrüll Aukkos Bär ins Gezelt und polterte drin wie hundert üble Gespenster. Aukko erkannte wohl den Mann, als er aus dem Zelte stürmte, von dem Bären ingrimmig gehetzt und verfolgt vom Geschrei und Gezeter erschreckter Mädchen. Ihr Herz ward leicht. Sie lockte: »Björn!« und rief den Bären mit dem vertrauten Pfiff. Sogleich trottete er willig nach solcher Mühe zu ihr zurück und leckte ihre Hand wie ein Hündlein. Im Zelt rief eine herrische Gebieterin Befehl um Befehl. Es flammte Licht auf, und der Zwerg kam, barsch von Aukko zu fordern, daß sie die wilde Bestie an Ketten lege, die seine Herrin im Schlaf gestört habe.

Es herrschte Verwirrung unter den Männern, denn sie wähnten bei solchem Gelärm, es brächen neue Feinde über sie herein. Als endlich wieder Stille über dem Brautschiff lag, kam einer heran, und Aukko erkannte sogleich Glum am behutsamen Schritt.

Stumm setzte der Skalde sich neben sie, Aukko sang, während sie des Bären dicken Kopf kraute, ein Liebeslied, heimlich und fröhlich zwitschernd wie Schwalben im Nest. Sagte Glum langsam und ließ den Blick nicht von den fremden Sternen: »Viele Dinge gibt es auf Erden, die süß sind mit äußerster Süße oder bitter mit äußerster Bitternis. Zwei Dinge aber gibt es, die sind süßer und bitterer zugleich als alle andern.«

Fragte Aukko: »Vater, was sind diese Dinge?« »Das eine ist,« sprach der Skalde, »sein eigenes Liebeslied von fremdem Mund zu hören, das die dahingegangene Jugend überlebt hat; denn was du singst, ward für Thorodd gesungen in unserer Brautnacht.«

Fragte Aukko: »Und was ist das zweite, Vater?« Sprach Glum noch leiser: »Das zweite ist, zu wissen, daß auch kein anderer dies erringen wird, wonach wir unerfüllt schmachten, solange wir leben.«

Und als er das gesagt hatte, lehnte Aukko ihre Wange an seine breite Schulter und weinte bitterlich.

Am Morgen nahmen die Helden von Gräzia Abschied von ihren Kampfgenossen, und der Zwerg verkündete, daß Muhmad Alis Raubschiff der Eisländer Beute sein solle. Da lachten die Eisländer und schlugen an die Schwerter. Dann kam die Königsmaid, und sie ging aufrecht und stolz unter ihren Frauen. Sie gab Half ein Gürtelmesser, das Edmund zum Angebind bestimmt gewesen war, dessen Griff war bunt von Steinen und die Klinge so schmal, daß Half wähnte, sie müsse ihm in der Hand zerbrechen. Aber sie brach nicht, sie bog sich wie eine Weidenrute, und Half schoß die Röte in die Schläfen vor Freude über solche Waffe.

Er grüßte die Königsmaid und wandte sich, zu gehen. Aber er kehrte sich nochmals um, trat ihr so nahe, daß ihre Lider niederzuckten und ritzte in ihren Gürtel zwei Runen. Es war die erste Rune ein »H« für Half und die zweite das umgekehrte Zeichen des Thorrhammers. Mit dem Thorrhammer Miölnir aber wurden die Bräute zur Ehe geweiht. Und als Half das Zeichen verkehrt ritzte, da meinte er damit, daß der Königsmaid kein Mann zu nahe getreten sei und setzte seinen Namen davor, zum Zeichen, daß seine Ehre dies verbürge. Die Maid aber mußte ahnen, worum es ging, denn sie ward röter als ihres Kleides Purpur. Dann gingen die Halfsmannen auf Skidbladnir zurück, dem an Seilen Muhmad Alis Schiff gefügig folgte. Es ward hin und wieder gewinkt und der Vogel kreischte noch lange sein »Carpe diem«, daß es allen in den Ohren haften blieb.

Da alle Halfsmannen an Bord waren, sahen sie mit Staunen, daß Sighvats Antlitz arg von Bärenkrallen gezeichnet war und daß er seinen goldenen Reif wieder am Arme trug.

Half hob erstaunt die Brauen, aber er schwieg. – Da wagte keiner zu fragen, wann Sighvat Sugandi sein Gelübde erfüllt habe.

Nur Hliot ward bitterböse bei dem Gedanken, daß es einem andern so bald gelungen sein solle, des Weinschwures ledig zu werden.

 


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