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Wie Hjörleifs Kind geboren ward

Gjöld war ein stolzes und kühnes Weib, aber als sie vernahm, daß sie zu den Spinnerinnen übers Moor solle, erbleichte sie. »Sollen Krötenfinger Hjörleifs Sohn ans Licht heben?« fragte sie. Doch als sie in seinen Augen sah, daß er keinen Rat wußte, ging sie still, das kleine Linnenzeug zu holen und ihren Mantel. Sie ritten schweigend, und Gjöld war es wohl hundertmal, als müsse sie auf dem Wege umkehren, auf dem die bebenden Rosse ängstlich Huf um Huf setzten. Einmal, als Gjöld schon am Zügel zog, ihr Pferd zu wenden, sah Hjörleif sich um und sprach: »Du tust es für ihn!« Und Gjöld ritt weiter. Als sie zur Hütte kamen, die erbärmlich genug aussah, standen alle drei Spinnerinnen vor der Schwelle, Mutter, Tochter und Magd.

Hängelippig war die Mutter, plattfüßig die Tochter, triefäugig und krumm die alte Magd.

Gjöld mußte alle Kraft zusammennehmen, als sie über die Schwelle schritt. Es war warm drinnen in der Stube, und es roch gut nach Wacholderbränden. Das Feuer und der heiße Trank taten ihr wohl.

Gjöld sank auf das weiche Fellager, und ihr war, als würde sie krank von der Alten Geschwätz und der Tochter törichtem Gekicher.

Schwer war der Abschied für Hjörleif, und Gjölds Arme wollten sich nicht von seinem Nacken lösen.

Als er gegangen war, weinte Gjöld. Da trat Mutter Hängelippe zu ihrem Lager und strich ihr über die Stirn und Brust und abwärts über ihre Glieder. Die Wehen setzten so jäh und schmerzlich ein, daß Gjöld nichts wußte als ihren Leib und Hilfe hinnahm, ohne dess' zu achten, wer sie brachte. Endlich hörte sie in den Händen der drei, die sich um sie mühten, ihr Kind wimmern, und sie raffte alle Kraft zusammen, um sich ein wenig aufzurichten und es zu sehen. Die Frauen schrieen erschreckt auf und betteten sie wieder; Gjöld aber ließ es lächelnd geschehen, denn sie hatte mit einem Blick gesehen, daß es ein schönes Kind war, ein starkes Kind und ein Erbe von Hjörleifs Geschlecht. Ermattung überkam sie, sie hörte sich von den Frauen liebreich gescholten und sah, wie die Jüngste immer neue Wacholderzweige ins Feuer warf.

Gjöld meinte zu ersticken in dem weißen Rauch, sie griff an ihre Kehle, ihr schwindelte, sie rang nach Atem.

Plötzlich sah sie den Qualm sich teilen und schöpfte Luft. Zugleich erfaßte sie, daß die Spinnerinnen sich verwandelt hatten. Ohne jedes Staunen, als habe sie es geahnt, sah sie die Drei hoch und glänzend über ihr Kind gebeugt, das ruhig schlief.

Und die älteste der Spinnerinnen, die sie im Magdkleide gekannt hatte, stand nun groß und ragend im Licht, sie warf den Faden ihrer goldenen Spindel über das Kind und sprach mit voller und klarer Stimme:

»Es waren die Gaben bei deinem Geschlecht von Half her, den Odhin geliebt hat!«

Sprach die zweite Spinnerin und sie hatte keine Hängelippe mehr: »Es sind die Gaben nun dir gesponnen, denn der dreizehnte Sproß aus Halfs Stamm bist du!«

Sprach die jüngste Spinnerin, die schöner war, als Gjöld je ein Weib geschaut hatte: »Was du jetzt bist, wirst du wieder sein. Was du scheinen wirst, wirst du nicht bleiben! Kraft webe ich dir, Ruhm webe ich dir, doch das Ende ist Schmerz und Nacht!« – – Da sah Gjöld ihr Kind nicht mehr, und sie wußte nicht, ob es der weißschwelende Wacholderrauch hüllte oder die Fäden, die sich dicht über ihm gekreuzt hatten. Angst überkam sie, und sie schrie. Da beugte sich ein scheußliches, hängelippiges Antlitz über sie, und eine alte Stimme fragte: »Willst du nicht deinem Töchterlein, deinem hübschen, kleinen Mädchen die Brust geben?« Gjöld starrte die Mutter Spinnerin an, riß mit all ihrer Kraft ihr Kind an sich und zerrte die sorgsam gewickelten, frischen Laken auseinander. Und sie sah, daß das Kind so groß und stark und schön war, wie sie es vorhin mit eigenen Augen geschaut hatte. Aber es war ein Mädchen.

 


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