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Wie Half an Adelstans Hof kam

Was den Eisländern widerfuhr, da sie nach dem Lande kamen, das man Piktland oder Skotland heißt, soll hier noch verschwiegen bleiben. Besser ward es berichtet am Hofe König Adelstans, von einem, dem Honig auf die Lippen gelegt war.

Glum sang das Lied in des Königs Halle, und die Halle war prächtig genug, das verstanden die Halfsmannen nun, da sie des Südens Pracht geschaut hatten!

Da war kein Ruß an den Balken, keine Messerkerben an den Tischplatten und Metbänken. Gelbe Teppiche liefen an den Wänden umher, darin waren des weißen Gottes Abenteuer künstlich gewirkt. Man sah ihn als Kind mit dem Lamm, als Lehrer im Tempel, am Kreuze und wie er steil und weiß aus dem Grabe auffuhr.

Der Boden war mit frischem Gras bestreut, und die Tische prunkten mit den goldenen Bechern, die die Königsmaid aus Gräzia gebracht hatte.

Sie saß nun zur Linken des greisen Königs auf hohem Stuhl, ihm zur Rechten thronte der bleiche Edmund, Adelstans Sohn, der mehr einem der vielen Weißröcke glich, die hier versammelt waren, als Engellands künftigem König. Seine Haare waren lang und licht, und lang und licht waren sein Gesicht und seine Hände.

Die Königsmaid aber hätten die Halfsmannen kaum erkannt, so schön war sie geworden. Sie trug der engelländischen Frauen Gewand, sie sprach der engelländischen Männer Sprache, alles schien ihr hierzulande vertraut – nur nicht Edmund, ihr Gemahl.

Als Half in den Saal trat, stieg König Adelstan vom Thron, ihn zu grüßen. »Bist du der Seekönig, den sie Half das Weib heißen?« fragte er. Und als Half sprach: »Der bin ich!«, da ehrte Adelstan ihn wie seinesgleichen, und der weiße Königssohn dankte ihm für seines Weibes Gyridh Errettung vor den Seeräubern.

Die aber, die nun Gyridh genannt ward, bot Half und Glum die Wange zum Kuß nach Landesbrauch, und diese Wange ward röter als der Seemohn an Engellands Küste, da Halfs Lippen sie ehrfurchtsvoll berührten.

Adelstan lud die Helden zum Mahle und befahl, daß man ihnen Wein reiche. Es war aber unter den edlen Knaben, die das Schenkamt übten, einer, der Half zulachte, und während er seinen Becher füllte, die Frage tat: wo jene gute Frau geblieben sei, mit deren Finnenbogen er einst habe schießen dürfen?

Da faßte Half den Knaben fester ins Auge und erkannte an goldenem Gelock und braunem Aug' Håkon, Harald Hårfagrs Sohn, den Thora, die Königskebse, geboren hatte.

Sogleich trat ein greiser Held hinter Halfs Sitz, und dies war Jarl Sigurd, Thoras einziger Freund, der die Mutter einst durch Eis und Nacht steuerte, da sie ihren Knaben lösen wollte.

Traurig war des Jarls Gesicht, und üble Kunde schien er ihnen zu bringen. Aber so begierig Half war, von Nordland zu vernehmen, er mußte sich erheben, denn des Königssohns Gemahl selber trank ihm zu. Schön war Gyridh, da sie grüßend den Becher hob, und Sighvat ließ kein Auge von ihr. Aber das war sie gewohnt, denn die engelländischen Edlen schworen nicht höher als bei Gyridhs schwarzem Haar und weißer Hand. Es kamen Adelstans Skalden und sangen Lieder, darin ihre Schönheit sich spiegelte wie in Silberschilden. Und während sie sangen, sah Königin Gyridh Half an, mit einem Blick, der Adelstan unwillig die Stirne runzeln machte. Die einzigen beiden, die noch nichts hievon gewahrten, waren Half das Weib und Edmund mit den weißgelben Haaren.

Ungeduldig war Half, Jarl Sigurds Nachrichten zu vernehmen, aber das reiche Mahl nahm kein Ende.

Spät erst erhob sich Adelstan und bat die Gäste, ihn zu entschuldigen, der ein alter Mann sei und morgen, als am Tage des Herrn, vor Hahnenkraht zur Kirche müsse. Sogleich sprangen die Helden ehrfurchtsvoll von den Bänken auf, und es war sonderlich zu sehen, wie des Königs Sohn, des Königs Schnur, die Weißröcke und ein großer Teil der engelländischen Recken sich im langen Zuge aus der Halle bewegten, die andern sich aber erst recht zur Tafel setzten und fröhlicher noch mit den Halfsmannen becherten als vorher. Es sah Jarl Sigurd, der des Knaben Håkon Waffenmeister war, das Staunen der Halfsmannen. Er kam an ihre Tafel und sagte mit tiefem Seufzer: »Wohl dem Lande, dessen König ist wie Adelstan, den sie den Weisen nennen. Die ihr mit ihm gehen saht, hängen dem neuen Glauben an und sie besuchen mit ihm die Frühmette. Die aber hier sitzen, glauben wie wir an die guten Götter, und niemand wehrt es uns, Roßfleisch zu essen und unsern Met zu trinken. Kein Mann mag zu Engelland sagen, daß er um seines Glaubens willen verfolgt werde, wie daheim zu Norge, wo Eirik herrscht, den sie Blutaxt nennen.« –

Da riefen die Eisländer in Überraschung durcheinander und Half fragte: »So ist Harald Hårfagr Strohtodes gestorben?«

Sprach Jarl Sigurd:

»Es hat der Riese Dofvre, der Harald unverwundbar machte, es nicht vermocht, sein Herz gegen die tödlichste Wunde zu feien, die ihm Eirik, sein eigener Sohn, an dem Tage zufügte, da er den dreiundachtzigjährigen Mann nach Augwaldnäs verbannte und ihm die Krone entriß. Arg ist herbstliches Ungewitter, ärger aber noch der Winterfrost, der nach ihm kommt. Hatten die an Odhin glaubten harte Zeit unter König Harald, so liegt härter noch auf ihnen König Eiriks Hand. Achtzehn edle Jarle hat er ums Leben gebracht, da sie nicht zum neuen Glauben schworen!«

Sprach Half Seekönig: »Mit Staunen hör ich deine Rede, – gibt es keine Männer zu Norge? Oder wachsen die Schwerter dort in der Scheide fest?«

Der Alte aber sprach dawider mit Trauer:

»Wohl sind die Schwerter zu Norge so scharf wie anderswo, und die sie zogen waren Björn Farmand, Gydhas Sohn, und seine Mannen. Es lockte Eirik Björn in einen Hinterhalt und erschlug mit eigener Hand den Bruder. Zu Säeheim floß sein edles Blut. Als aber Thora, meines jungen Herren Mutter, den Brudermord erfuhr, da bewältigte sie Angst um Håkons Leben, daß sie mich unter Tränen beschwor, mit ihm nach Engelland zu fliehen. Und wohl erkannte ihr Mutterherz Eiriks mörderischen Sinn, der Sigröd von Hlade und Olaf von Wikväring, seine beiden andern Brüder, ums Leben brachte. Es kam aber jüngst die Kunde an Adelstans Hof, daß Eirik seine besten Mannen rüstet, nach Eisland zu segeln, und sie sagen, er habe den Schwur getan, dies Land seinem Gotte zu unterwerfen und seiner eigenen Macht.«

Half hatte stumm des Jarls Rede gelauscht, nun aber warf er Jökulsnaut vor sich hin auf den Tisch und sprach: »Von solchen Pfählen ist rings um Eisland her ein Zaun gebaut, über den Diebe nicht so leicht steigen können.«

Da sagte Jarl Sigurd:

»Wären der Helden mehr, Half, wie du einer bist, es gäbe einen König zu Norge, der nicht Eirik Blödöx hieße«, und er legte die Hand auf des Knaben Håkon hellen Scheitel.

Im gleichen Augenblick erhoben sich die Männer in Überraschung von allen Sitzen, denn Gyridh war in den Saal getreten, begleitet von ihren Frauen.

Es suchten alle, die mit ihr waren, gesenkten Blickes am Boden nach einem verlorenen Ding und es ward gefragt, ob keiner eine goldene Spange gefunden habe.

Nur Gyridh sah stolz erhobenen Blicks über die Männer hin, die sie ehrfürchtig grüßten. Sie schritt langsam durch die Halle. Ein rotes Gewand trug sie, das war so weitfaltig, daß sie mit der weißen Hand den Saum raffen mußte, um schreiten zu können. In ihre Zöpfe waren Perlen mitverflochten, und ein blinkender Reif lag um ihre Stirn. Vor Half blieb die Königin stehen und fragte laut:

»Entsinnst du dich noch meines schönen Vogels, Half Seekönig?«

Sprach Half: »Sicherlich, Frau Königin.« Sie kräuselte die schwarzen Augenbrauen in Betrübnis, doch lachte sie dabei: »Er hat seine bunten Federn verloren, Half! Es ist schwer für fremde Vögel, in Engelland zu leben!« Dann schloß sie die Augen halb und frug:

»Weißt du noch, was der Vogel in meinem Zelte rief?« Half sah auf die Frau hinab in stummem Staunen. Da sprang Sighvat Sugandi vor und sprach leuchtenden Blicks: »›Carpe diem!‹ rief der Vogel in eurem Zelt, Frau Königin.«

Der Knabe Håkon kam mit Jauchzen gelaufen; er war so stolz, daß er der Königin verlorene Spange gefunden hatte. Aber der erhoffte Dank blieb aus. Die Königin riß das Geschmeide aus Håkons Hand, umfing beide Männer mit einem verwirrten Blick und ging hinaus, zwischen den sich neigenden Engelländern.

 


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