Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wie der Handel um Karshügelheide ausgetragen wurde

Björn setzte sich breit auf die Ofenbank, bot und schrie und überbot sich selber. Kjötvi aber lachte nur und strich seinen fuchsroten Bart, der in drei Zöpfe geflochten war.

Die ganze Zeit, während Björn Kjötvi zu überreden suchte, aß Half gewaltig. Er legte das Fleischmesser nur fort, um in den Brotkorb zu langen, daß Kjötvis Hausfrau im Herzen bange wurde, denn sie hatte gemeint, der Backvorrat würde noch bis zur nächsten Woche reichen. Sie ließ darum die Tür offen stehen, als sie hinausging, und schalt draußen laut über müßige Brotfresser.

Es schien, als habe Half auf nichts acht, als wie sein Magen gefüllt werden könne. Da erhob sich Kjötvi und sprach: »Mächtig stört's dich, Björn, daß dein Vater Kar mich nicht in Schrecken zu setzen vermag wie all die andern! Aber solange ich lebe, soll kein anderer Mann das Land erlangen, das mein Vater in Besitz nahm, der von Norge hierher gekommen ist! Und ich lege hier zehn Unzen Silbers auf den Tisch für den, der meine Schafe morgen am Karshügel hüten will bis zum Abend!«

Da war Half mit seinem letzten Bissen fertig und schickte ihm einen guten Schluck nach. Dann stand er auf, ging an den Knechten vorbei, die tuschelten und berieten. »Das bin ich, Kjötvi!« sagte er und strich das Silber ein.

Björn lachte schallend auf, da er Half sah, wie er in seinem vom Wasser verdorbenen Gewand dastand, hohläugig und bleich, in den alten Schuhen. Aukko hatte sein Haar auf dem Scheitel weithin scheren müssen, um der Wunden willen, die rot vernarbt leuchteten.

Lachte Björn: »Reißest du beim Reden ebenso das Maul auf wie beim Fraß? Wahr ist der Spruch, daß Landgänger und Frühhagel nichts mehr hinter sich lassen!«

Und er gab Half zornig einen Stoß, daß er gegen das Langfeuer taumelte, das inmitten der Halle brannte.

Nun hing aber ein großer Kessel mit Grütze an Ketten von der Hakenstange herab, wie es überall Brauch ist. Den Kessel nahm Half ruhig vom Haken und stellte ihn zur Seite.

Lachte Björn: »Grütze tröstet, wenn Hiebe brennen!«

Da aber kam Half zu ihm, Björn trug einen breiten, beschlagenen Gurt, an dem faßte ihn Half und er trug trotz allen Widerstandes den bärenstarken Mann zum Langfeuer und hing ihn in den Rauch an den obersten Haken. Björn warf brüllend die Beine, weil es ihn sengte, und alle Hunde Kjötvis sprangen mit Höllenlärm hoch, nach ihm zu beißen. Kjötvi lachte, bis ihm die Tränen in den Bart rannen. Endlich nahm Half den zeternden Mann vom Haken und warf ihn zur Hallentüre hinaus. Da schüttelte Kjötvi zum erstenmal seine Hand und die Hausfrau kam und sagte, es sei recht, daß endlich einer es gewagt hätte, gegen den Neiding aufzustehen! Aukko sah sie wenig freundlich an und antwortete schnell: »Ich glaube, Half ist noch völlig derselbe Mann als vorhin, da du ihn einen unnützen Brotfresser nanntest!« Da trug die Frau das Beste herbei, was sie hatte.

Sagte Half, er sei es nicht gewöhnt, mit seinen Freunden am Knechtstisch zu sitzen. Als sie aber am Herrentisch saßen, trank Half nur wenig, des morgigen Werkes eingedenk. Er fragte nach Karshügel, und Kjötvi erzählte, was schon berichtet ward, und jeder wußte Furchtbareres von Kar, dem Gespenst, zu sagen.

Sprach Grim: »Du weißt, Half, daß ich mit dir gehe, wohin dein Weg auch führt.« Hliot Hinkefuß aber sprach fast das Gleiche zugleich mit ihm.

Half sagte: »Grim wird ein gutes Seil nehmen und mit mir gehen.

Wehe um das beste Schwert, das ins Meer versank, zugleich mit dem schlechtesten Mann!«

Da boten alle Eisländer wie ein Mann ihre Schwerter, doch er wies sie ab.

Sowie der Morgen graute, füllte ihnen die Hausfrau die Lederflaschen mit Warmbier und gab ihnen Fleisch und Brot im Ranzen mit.

Sie trieben die weißen, langwolligen Schafe aus. Der Himmel war blau, und gelbe Blumen wuchsen überall, wie sie sie zu Eisland nie gesehen hatten. Sie kamen zum Hügel und brachten ruhig den Tag hin, ohne daß ein Übles sich zeigte. Grim lag am Rücken, während die Schafe grasten, und schlief, doch Half ließ kein Auge vom Hügel. Sobald die Sonne versunken war, stieg helle Lohe aus dem Grabe auf, und sie hörten Geheul und Gerassel.

Sagte Half: »Nun gelüstet es mich zu sehen, wer da drunten haust!« – und er lief zum Hügel, während Grim, außer sich, mit dem Seil nachfolgte.

Als sie nahe genug heran kamen, sahen sie, daß der Hügel aufgebrochen war, so daß das Holz zu Tage trat, und es war geschwärzt vom Feuer, das noch immer lohte.

Das Geheul war unmenschlich, und das Gespenst polterte und rasselte.

Half wand sich das lange Seil um den Leib, sich in die Flammen hinabzulassen. Grim bat ihn, davon abzustehen. Half aber sprach: »Anders brannte das Feuer zu Engihlid, an einem Tage, der mich mein Leben wenig achten lehrte!« Half ließ sich herab, und sowie er es tat, verstummte das Lärmen. Er schwang sich mit dem Seil hin und her, bis er zur Seite des Feuers herabsprang. In der Höhle war großer Mißgeruch, und wo Half stand, sah er die Knochen zweier Pferdegerippe wüst durcheinandergeworfen. Daneben aber war ein Haufen trockener Herdscheite geschichtet, das gab Half zu denken. Er tastete sich weiter in den Hügel hinein, wo das Dunkel sich verdichtete, und stieß endlich an die Rückenlehne eines Stuhles, darin ein Gerippe saß.

Halfs Fuß trat auf Dinge, die klingelten. Er bückte sich und griff Armringe und Ketten. Ein Schrein diente dem Gerippe als Fußschemel, den trug Half zum Feuer, und fand ihn mit Silber angefüllt bis zum Rande.

Half ließ ihn stehen und ging nochmals zurück zu dem Manne im Sessel.

»Ich will dir das Wiederkommen verleiden!« sagte er. Er nahm dem Gerippe den Schädel ab, legte ihn auf den Boden und bettete das ganze Gerippe behutsam weiterhin. Zwischen Kopf und Rumpf schob er ein Holzscheit, das verwehrt Gespenstern den Wiedergang. Dann nahm Half seinen Leibrock ab und begann, den Schatz hineinzuhäufen, indem er ihn neben dem Gerippe ausbreitete. Als er nachgetastet hatte, ob nichts vergessen sei, knotete er das schwere Bündel und schleppte es zum Seile hin, daran Grim droben schon lange riß, ihn zur Rückkehr zu mahnen.

Das Feuer war erloschen, und der Gestank benebelte Half fast.

Er bückte sich, um auch den Silberschrein aufzunehmen, da fühlte er einen Schlag über seinen Kopf, daß ihm der Helm zersprang.

Er ward von rückwärts umschlungen, und ungeheures Gewicht riß ihn zu Boden.

Erst verteidigte sich Half nur, denn er sah es ein, daß der Tote ihm übel gesinnt sein mußte, wegen des Scheits, das das Wiederkommen unmöglich machte.

Dann aber fühlte Half brennenden Schmerz an der linken Schulter, und es gelüstete ihn sehr nach dem Schwert, das ihm solche Wunde geschlagen hatte. Er gebrauchte nun alle Kraft, und es erhob sich von dem Ringen solch wildes Getöse im Hügel, daß Grim die Haare zu Berg standen und er nach Half rief, so laut er konnte.

Half entwand der Hand, die es führte, das Schwert und, als er es hielt, stach er zu. Da scholl ein Schrei und Fall. Halfs tastende Finger wurden feucht von klebrigem Naß.

Da lachte Half: »Seit wann bluten Tote warmes Menschenblut? So bist doch du es, Björn, wie ich es dachte!«

Droben schrie Grim Halfs Namen, und Half antwortete, er möge nur das Seil aufziehen.

Da zog Grim voll Freude das Seil auf, und es kam richtig ein Kopf zutage, aber Grim entsetzte sich, denn er hielt Björns Leichengesicht für das des Gespenstes Kar und ließ fast das Seil fahren.

Da rief Half, er sei wohl und gesund hier drunten und Grim möge geruhig den andern ans Licht ziehen.

So zog Grim keuchend den schweren Toten ganz empor und meinte, nun käme Half. Es kam aber zuerst das Schatzbündel, das so groß war, daß es fast nicht zum Hügelloch herauskonnte. Zum Schluß kam Half hinauf, und er hielt den Schrein wie ein Kind im Arm. Er war so steif vom Kampf und Blutverlust, daß Grim ihn stützen mußte.

Grim aber sah Jökulsnaut mit neidischen Mannesblicken an, denn so sehr Freunde sich lieben, sie neiden sich trotzdem die Waffen. Er sagte, ihm schiene, als sei dies eine noch bessere Wehr als Sippeknauf, denn sie sei kürzer und von breiterem Blatt. Sie deckten Björns Leichnam mit Gras und Steinen, wie es Heldenehre verlangt, und staunten über des Körpers ungeheure Länge.

Es war spät in der Nacht, als sie heimkamen. Aukko stand vor dem Tore und lief herzu, ihnen die Mäntel abzunehmen.

Als die Männer in die Halle traten, hatten die andern längst zur Nacht gegessen. Man sah Kjötvi an, wie sehr er sich freute, die Helden heil und ungekränkt wiederzusehen. Doch die Hausfrau meinte böse: was wohl für wichtige Geschäfte sie bis nun abgehalten hätten, da die Schafe klüger gewesen und längst schon heimgekommen seien? Sagte Half: »Es gibt manch geringfügige Arbeit, die nur im Dunkel getan werden kann!«

Er schüttete den ganzen Schatz auf den Tisch und stellte den Schrein daneben. Oben darauf legte er Jökulsnaut, das Schwert.

Da ward großes Geschrei erhoben, Kjötvi aber sagte mit Staunen: »Ich kenne die Waffe. Es ist Kars Schwert Jökulsnaut, es gibt nicht viele bessere. Sage uns, wie du zu all dem gekommen bist!« Half schwieg und setzte sich zum Tisch. Er ließ Grim erzählen, was schon von dem Kampfe berichtet worden ist. Da wurde das Staunen nicht kleiner. Die Hausfrau aber begann, das Beste, was die Küche vermochte, herbeizutragen und schenkte Half Mal um Mal Warmbier nach.

»Nun bis du ein reicher Mann, Half,« sagte sie, »da du soviel Gold und Silber gewonnen hast, und auch die Blutbuße wird dich nicht schmerzen, die du Björns Sippe zahlen mußt!«

Sagte Kjötvi: »Schäme dich, Weib, daß du so sprechen magst! Ich selbst will deine Buße beim Thing zahlen, Half, wie groß sie auch sein mag. Denn um meinetwillen stiegst du in den Gespensterhügel hinab!«

Sagte Half: »Ich weiß nicht, warum ihr mich reicher heißet als vorher. Denn ferne sei es von mir, Hand an den Schatz zu legen, den zweier Toter Habgier häufte. Morgen, Kjötvi, sollst du die Männer zusammenrufen, die Björn um ihr Land gebracht hat, und den Schatz an sie verteilen, nach der Größe erlittenen Unrechts. Dir selbst bestimme ich diesen Schrein zum Dank dafür, daß du uns Heimatlose haustest und hoftest!« Das dünkte alle edel getan, und die Kunde verbreitete sich, und die Bauern liefen herbei, Half zu danken.

Kjötvi fragte Half, der abgekehrt saß: »Einen Hort gewannst du und behältst nichts für dich selbst?«

Da fuhr Half aus finsterm Brüten auf, schlug ans Schwert und sprach: »Übergenug der Beute!«

Kjötvi sah ihn lange an und reichte ihm die Hand.

»Es reut mich, daß dir hier der Empfang nicht ward, der dir wohl gebührte! Ehren sollen dir nun werden, willst du ferner mein Gast sein. Aber sage mir, was hält dich fest zu Eireann, daß du nicht heimziehst, deinen neuen Ruhm zu künden?«

Sprach Half: »Frage den Mann, dem des Liedes Honig auf den Lippen liegt!« Und er wies auf Glum, der lange still in der Ecke gesessen. Sagte der Skalde halblaut: »Da Half mich zum Sprecher macht, will ich mit seinem Herzen reden, nicht mit meiner Zunge. Und es sagt Halfs Herz: Es gelüstet nicht nach Beute den Mann, der keinen Sohn zeugen will, sie zu vererben. Es gelüstet nicht nach Ehren den Mann, der um der Mordrache willen in die Fremde fuhr. Es gelüstet nicht nach Ruhm den, der ein Heimatloser ward, in der Heimat!« Und Half nickte düster, da Glum geendet hatte.

Sprach Kjötvi: »Nicht aus Neugier frage ich, der Sitte entgegen, sondern ich bitte euch, mich nicht zurückzuweisen, wenn ich Freundschaft biete. Es ward gesagt, daß ihr nach Rache ausfuhrt. Wenig sieht Half mir aus, als ließe er sie lange unbeglichen. So sage mir, schlugst du deinen Mann?«

Da sprang Half auf, daß der schwere Tisch zurückflog, und stöhnte: »Hätte ich ihn doch noch nicht getötet oder käme er wieder in zwölffacher Gestalt, daß ich ihn zwölffach noch töten könnte! Süß war das Leben, da ich noch davon träumen konnte, daß er unverscharrt faulen würde mit gebrochenen Augen! Nun ist auch dies letzte getan, das für sie zu tun blieb, die mein Weib war, und unwert ist es zu leben!«

Lange war es still, eh Kjötvi sprach.

»Ich weiß, es gibt Weiber, die sind wie ein Skaldenlied, das man nur einmal gehört hat und doch nie vergißt sein ganzes Leben.

Mein Weib, diese alte Bettlade, ist wie Rabengekrächz im Frühjahr, doch man kann nichts gegen der Nornen Gespinnst. Sage mir aber eins, Half, ob du an dein Leid gedacht hast, als du mit Björn rangst und ihn für Kar hieltst, den Wiedergänger.«

Da mußte Half »nein!« sagen und er staunte über sich selber.

Kjötvi lachte: »Es ist Mannestat das einzige Kraut, mein Sohn, das Mannesleid heilt, dies hab ich an mir selbst erfahren. Sicherlich stauntet ihr oft, daß ich mein Haupt schere nach Knechtesart und den Bart flechte. Der Sinn davon ist, daß als Knecht lebt, wem daheim zu leben nicht gegönnt ist! Grün ist der Iren Land und weit und reich, ich aber konnte Norges blaue Fjorde nicht vergessen, als mein Vater hierher floh vor Harald Hårfagr. Und als wir das Land hier mit dem Feuerbrand umschritten und zu unsrem Eigen gemacht hatten, da stieg ich von neuem auf Vaters Schiff. Drei Jahre brauchte ich, zu vergessen, und drei Jahre fuhr ich durch fremde Meere, bis hinab zu der Insel Sikilei, die schöner ist als Asgard, der Sitz der seligen Götter. Dies aber ist, was ich dir rate, daß du auf Wiking ausziehen mögest wie ich!«

Da stand Glum auf, und seine Augen flammten: »Groß sind die Götter und gnädig denen, die ihnen dienen! So soll ich noch einmal den Brand sehen, geworfen in Steinhäuser mit flachem Dach. Einmal noch den Himmel, – blau, wie bei uns nur der Frauen Augen blau sind. Soll einmal noch den Duft spüren, der im Halbschlaf meine Nüstern anfüllt, den Duft von Teer und Meer und von Schiffholz, daran man die Hand verbrennt, wie an Herdsteinen!«

Fragte Aukko leise:

»Was ist es, Vater, davon das Holz so heiß brennt?«

Sagte Glum: »Die Sonne, Kind, die Sonne, – die Südsonne!«

Da fuhr es in aller Männer Herz, daß sie aufsprangen. Und Half stand auf und nahm Kjötvis Hand.

Da ward es beschlossen und abgetan, daß Half mit den zwei Schiffen, »Meerschwan« und »Skidbladnir«, nach Süden fahren sollte.

 


 << zurück weiter >>