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Wie die Eislandmannen nach Norge kamen

Am neunten Tage erst – denn sie hatten üble Fahrt durchs Eis gehabt – landeten sie zu Hafursfjördr. Die Eislandmänner sahen viele Schiffe im Hafen, stolze Drachen und Handelsboote, die hier überwintern wollten, und Schiffe mit silbernem Häring und schwarzem Klippfisch, die der frühe Frost hier überrascht hatte.

Aber ob Half auch bis zur sinkenden Nacht fragte und forschte, »Skidbladnir« konnten sie nirgends erspähen.

Half ging auf dem mit Fischschuppen übersäten, gefrornen Strand hin und her und starrte jedem Mann unter Helm oder Hut. Vor Müdigkeit und Ingrimm schwankte er wie ein Trunkener, und die Weiber erschraken, wenn sie ihm ins Gesicht sahen.

Es ward dunkel, und Half konnte noch immer nicht glauben, daß Atli entkommen sein könne. Kjartan hieß ein Mann, und man sah seinem geflickten Friesrock keine allzu große Wohlhabenheit an, der kam zu den Eislandmannen. Er wies ihnen sein Häuschen, das sich unweit vom Strande erhob, und lud sie zu Gast, wenn es nicht unbillig sei, daß solche Helden in seiner alten Scheune schlafen müßten.

Sagte Half schnell:

»Guter Mann, du siehst wohl von deinem Hause her alle Schiffe, die im Hafen anlegen?« – »Wohl sehe ich sie!« antwortete der Fischhändler.

Und als sie fragten, da traf es sich, daß der Alte sich gut des Schiffes »Skidbladnir«, mit der züngelnden Schlange am Bug und dem weißen Flicken im gelben Hauptsegel, entsann. Und nicht nur dies; er hatte vor drei Tagen an Bord seine Rauchfische verkauft und beschrieb die Männer und Mönche so genau, daß man sie wohl erkannte.

Ja, er entsann sich sogar dessen, daß ein Mönch ihn gefragt habe, ob dies wohl nun genug des Mundvorrats sei für fünfundzwanzig Männer, die bis Hlade segeln wollten.

Es sei aber Hlade der Ort, an dem König Harald Hårfagr winters Hof halte. Als Half dies hörte, war er außer sich, daß Atli ihnen entkommen war, und er schrie: »Zu Schiff, zu Schiff!«

Kjartan hielt ihn am Mantel zurück und warnte, es sei des Nachts unmöglich, die Küste hinauszufahren, der Klippen und Schären Norges wegen, die ein Fremder nicht kenne. Er warnte so dringlich und lud so herzlich zu Gast, daß Glum mit ihm stimmte.

Auch sehnten sich die Männer nach Schlaf und Kjartan versprach, seine jungen Söhne zur Schiffswache zu bestellen.

So ging Half zögernd mit zu der Hütte, als letzter hinter den andern.

Kjartan tat die Türe auf, da sah Half drinnen hell das Herdfeuer flammen, das er verschworen hatte.

Er ließ alle hineingehen, kehrte schweigend auf sein Schiff zurück und setzte sich auf die letzte der Ruderbänke.

Kjartans junge Söhne fragten bestürzt, ob sie etwas versehen hätten oder ob er ihrer Sorgfalt für das Schiff nicht traue. Half dankte ihnen freundlich und bat sie, heimzugehen.

Kaum aber waren jene gegangen, da kam Hliot schon über den Strand gehinkt und er trug einen mächtigen Strohbund.

Schweigend breitete er ihn zu Halfs Füßen aus und kauerte sich zusammen, so zu schlafen.

Aber Grim kam so eilig nachgerannt, daß er vor Hast stürzte, und schrie schon von der Schiffsbrücke her: »Wahr wie keiner erweist sich der Spruch, Hliot, daß späte Liebe am heißesten brennt!«

Und er legte sich trotzig Half zur anderen Seite. Half sah die eifernden Beiden an, und sein Antlitz erhellte sich. Er streckte die Hände zugleich nach beiden Seiten. »Eine Rechte nur habe ich,« sagte er, »doch im Herzen ist Raum für beide!«

Als sie am nächsten Morgen erwachten, waren ihre Glieder steif wie Holz, und Eis hing in Grims und Hliots Barten. Das Deck war weiß, sie selbst waren weiß verschneit, und als sie den Schnee sahen und den Sturm hörten, da bangte in ihrer Brust das Erkennen auf, daß es unmöglich sei, übers Meer zu fahren.

Der Strand, der gestern erfüllt gewesen war vom Treiben der fremden Seefahrer, der Händler, der Fischweiber, der Kuchenverkäufer und der Neugierigen, lag leer, und das Schneegestöber kam so dicht, daß Half kaum Kjartans Hütte fand, die einen Pfeilschuß vom Ufer lag.

Es war Halfs ganzes Hoffen, daß Glum ihm Rat wissen würde, er, der soviele gute Langschiffe schon über graue Flut gelenkt hatte.

Glum aber wußte keinen Rat, als den der Geduld. Das Schneetreiben ließ nicht nach, und es half auch nichts, daß Aukko Runenstäbe ins Meer warf, den Winterriesen zu bannen, – denn wie sollte ein Weib den besiegen können, der Baidur tötete.

 


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