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Die Blutsbrüder

Grim und Half saßen auf der gleichen Ruderbank, und sie ließen nun nur selten voneinander.

Manchmal, wenn die andern Schlaf überkam, sprachen sie von den Tagen der Jugend, und sie tasteten sich am Faden der Norne zurück bis zu der Zeit, da Half das Weib noch Albrun geheißen hatte.

Aber von jenem Kampf auf Surtursheide sprachen sie nicht und nicht von Engihlids Brand. Nun waren sie so weit nach Norden gekommen, daß sie Stunde um Stunde meinten, Aukkos Hügel vor sich auftauchen zu sehen, und als die Nacht hereinbrach, warfen sie Anker aus, um nicht in der Dunkelheit an der Stätte vorbeizufahren, ohne sie zu grüßen. Als sie nun stumm beisammen saßen, bat einer der Männer Glum, wieder zu singen.

Diesmal sang er ein neues Lied vom Kampf eines Helden mit einer Schildjungfrau. Hart ringt sie wider ihn, er aber hält sie an ihrem Schwertgurt über den Abgrund, bis sie ihm erliegt.

Da zog Half den Mantel übers Haupt und saß noch lange so, als Glum geendet hatte. Da fühlte er seine Hand ergriffen, und es war Grim, der sie ihm drückte, und die beiden Weiblosen hielten sich eine Weile so im Dunkel bei den Händen.

Dann flogen Grims Gedanken vorwärts zu dem Hügel, in dem sein Liebstes lag, und rückwärts zu dem Tage, an dem er sie gewonnen hatte. Und er seufzte: »Sie war das beste Weib auf Erden!«

»Ja!« sagte Half leise, »das war sie wohl, das beste und das stolzeste!«

Staunte Grim: »Wie magst du sagen, daß sie stolz gewesen sei, sie, die demütig war wie das Gras auf den Wegen?«

Da erkannte Half, daß jeder von ihnen nur an seinen eigenen Schmerz gedacht hatte.

Mitleid überkam ihn mit dem Mann, der um sein Weib trauerte, dessen letzter Blick einem andern gegolten hatte.

Er zog langsam die Finger aus des Mannes Hand und empfand es ganz, wie sehr allein wir sind, selbst wenn wir des besten Freundes Rechte in unserer Rechten halten.

 


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