Egon Erwin Kisch
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Egon Erwin Kisch

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Magdalenenheim

An eine Reportage, die ich in meiner Jugend machte oder, besser gesagt, zu machen versuchte, wurde ich dreißig Jahre später auf höchst kuriose Weise erinnert.

Im Jahre 1935 gründeten die deutschen Schriftsteller, die ihre den Nazis zur Beute gewordene Heimat verlassen hatten, in Paris ein kulturelles Zentrum der antifaschistischen Emigration, den Schutzverband deutscher Schriftsteller. An jedem Montag versammelten sich im Gebäude der Société de l'Encouragement de l'Industrie mehrere hundert deutscher Flüchtlinge, um Vorträge und Vorlesungen zu hören. Ausstellungen der in Nazideutschland verbotenen Kunst und Theater- und Kabarettvorstellungen auf großen Pariser Bühnen wurden veranstaltet, eine vieltausendbändige »Bibliothek des verbrannten Buches« und der Heinrich-Heine-Preis geschaffen, der jährlich für ein in der Emigration geschriebenes Erstlingswerk verliehen wurde. Eine Zeitschrift »Der Schriftsteller«, äußerlich dem gleichnamigen Organ der nationalsozialistischen Reichsschrifttumskammer nachgeahmt, ging per Post an alle in Deutschland lebenden Schriftsteller, die teils anonym und zustimmend, teils nichtanonym und ostentativ schimpfend, aber immer aufschlußreich, den Empfang bestätigten.

Die Redaktion dieser Zeitschrift verfolgte genau die Literaturrubriken der Nazipresse – keine ergiebige Arbeit, denn in der Nazipresse spielte alles andere eine beträchtlichere Rolle als die Literatur. Aber plötzlich schien sich eine Schwenkung zur energischen Literaturförderung vorzubereiten: die Stadt Hamburg schrieb einen Preis von tausend Mark für diejenige Kurzgeschichte aus, »die den bodenständigen Humor und Witz der deutschen Wasserkante am besten zum Ausdruck bringt.« Bisher waren fünfzig oder hundert Mark das 224 Maximum gewesen – tausend Mark für eine Kurzgeschichte war für Deutschland eine erstaunlich hohe Summe.

Einige Wochen später las man, daß die gekrönte Geschichte den Titel »Magdalenenheim« trage; der Preisträger war der Humorist des »Hamburger Fremdenblatt«, Hanns ut Hamm.

An sich ist ein Magdalenenheim, eine Anstalt zur Besserung gefallener Mädchen, kaum eine Quelle für bodenständigen Humor und Witz, am allerwenigsten aber für die Nazis, deren Kulturprogramm ganz auf dem Glauben an die Wunderwirkung solcher Heime fußt. Umschulungslager, Erziehungslager, Konzentrationslager. Wie kann ein Heim wenn auch gefallener, so doch deutscher Mädchen Gegenstand einer Satire sein?

Mir hatte allerdings einmal, durch das Zusammentreffen von Umständen, ein solches Heim seine komische Seite enthüllt, aber meine Schilderung dieses Zusammentreffens von Umständen trug mir keine Preiskrönung ein.

Es war so gewesen, daß ich das Prager Heim für gefallene Mädchen anrief und die Oberin fragte, ob ich die Anstalt besichtigen könne, um einen Artikel darüber zu schreiben.

Ein Schreckensschrei war die Antwort: »Einen Artikel? Sagten Sie: einen Artikel?«

Ich konnte der Oberin nur bestätigen, daß sie richtig gehört habe.

»Um Gottes willen!« stöhnte es drüben, »hier ist ja nichts passiert! Warum wollen Sie denn einen Artikel über uns schreiben?«

Ich beruhigte die Oberin, ich wolle bloß die Einrichtungen der Anstalt und die Erziehungsarbeit schildern, ganz allgemein, ohne jeden äußeren Anlaß.

»Ach so!« Ein Quaderstein fiel vom Herzen der Oberin. »Ich darf aber keine Besuchserlaubnis erteilen, ich muß erst Ihre Exzellenz, die Frau Präsidentin, fragen. Morgen nachmittag werde ich Ihnen Bescheid geben.«

Morgen nachmittag erfuhr ich nur, daß für übermorgen eine Ausschuß-Sitzung anberaumt sei, um über meine Besuchserlaubnis zu beraten. Überübermorgen wurde ich davon in 225 Kenntnis gesetzt, daß ich überüberübermorgen um elf Uhr vormittags in der Anstalt erscheinen dürfe.

Pünktlich war ich am Tor, das vom Kaiserbart eines Portiers ausgefüllt war, und wollte eintreten. Von oben herab fragte mich der Kaiserbart: »Haben Sie einen Passierschein?«

Woraufhin ich erwiderte, herbestellt zu sein.

»Sind Sie etwa der Herr von der Zeitung?«

Eben dieser war ich, was ihm zu einem nicht verhohlenen Staunen Anlaß gab. »Ihretwegen steh' ich ja hier«, sagte er, »und auch die Damen erwarten Sie schon.«

Unter den Damen verstand er keineswegs die gefallenen Mädchen, denn weder von Mädchen noch von gefallen konnte die Rede sein bei den Damen, die mich erwarteten, der Ausschuß der Anstalt. Es waren Sprossinnen von Familien, deren Adel bis zum böhmischen Amazonenkrieg zurückreichte. Großgestaltig, großbusig, großhändig und großfüßig erhoben sie sich vor mir, und als wäre ihnen so viel Größe nicht groß genug, hatten sie steile Straußenfedern, sogenannte Pleureusen auf ihre Köpfe gepflanzt.

Im Kreise dieser stattlichen Männlichkeit stand ein verlegenes und verschüchtertes Wesen, gehüllt in ein langes schwarzes Kleid, und war der Seelsorger der Anstalt. En profil schien er dick, denn er trug einen Bauch vor dem Bauche, en face aber mußte man ihn als mager bezeichnen, weil seine Schultern und sein Körper schmal waren. Dieser bäuchig-magere Priester stellte sich mir mit einer Art Knicks vor und mich hernach Ihrer Exzellenz, der Frau Präsidentin, den anderen Vorstandsdamen und der Frau Oberin, die durch mich telefonisch so erschreckt, aber auch eines Quadersteines entbunden worden war.

Wir nahmen an einem runden Tisch Platz. Zum Behufe meiner Begrüßung erhob sich der Pater von dem Sitz, den er eben eingenommen, legte ein beängstigend umfangreiches Manuskript vor sich hin und begann eine Ansprache, für mich geschrieben, an mich gerichtet: »Verehrter Herr Redakteur, lassen Sie mich Ihnen im Namen unserer Anstalt sagen, wie erfreulich wir es finden, daß ein Vertreter der öffentlichen 226 Meinung den Ernst und die Gottgefälligkeit unserer moralischen Betätigung erfaßt hat« (hier nickten sich die Pleureusen Anerkennung zu) »und über unsere Anstalt einen Aufsatz in die Zeitung setzen will, was der Ausschuß in der satzungsmäßig einberufenen Sitzung vom 22. Februar dieses Jahres einstimmig bewilligt hat. Vor der Besichtigung will ich Sie, verehrter Herr Redakteur, über die Ziele und Zwecke unseres Instituts in kurzen Worten unterrichten.«

Die Worte mögen wirklich kurz gewesen sein, die Rede aber war lang. Halb war sie eindringliche Fastenpredigt, halb belehrender Vortrag. Sie begann mit den Begriffen der Versuchung und Verführung. Mitnichten etwa in abschreckender Gestalt – also ward ich belehrt – nahe sich das Laster dem Erdenbürger, kein Pferdefuß und keine Hörner und kein Geruch von Pech und Schwefel verraten den Sendboten Luzifers. Sondern im Gegenteil. In gefälliger Gestalt, schmeichelnd und gleisnerisch trete das Laster auf seine Opfer zu, um sie in seine Fallstricke zu locken.

Nachdem der Seelsorger mit lauter Stimme, als rufe er in ein Kirchenschiff, mir diese Enthüllung gemacht, sah er mich groß an. Sein Blick fragte: hättest du solches für möglich gehalten?

Bislang hatte ich noch nie über die Methoden des Lasters nachgedacht und mir demnach auch nicht vorgestellt, daß es durch Hörner und Teufelsschwanz erkennbar und durch Höllengestank ruchbar gemacht sei. Weil ich jedoch den Blick des pausierenden Sprechers so antwortheischend auf mich gerichtet sah, beantwortete ich ihn durch ein ungläubiges Kopfschütteln: ist das auch wirklich wahr, was hier über die Perfidie des Lasters berichtet wird?

Doch, es mußte wahr sein, denn alle Pleureusen ringsumher nickten Bestätigung, und so ließ ich langsam jeden Zweifel aus meiner Miene schwinden.

Befriedigt nahm der Seelsorger seine Rede wieder auf: »Aber diese gefällige Gestalt des Lasters ist nichts als Verstellung, nichts als Verkleidung, nichts als Maske. Wehe den 227 armen Opfern, wehe vor allem den jungen Mädchen, die sich willig davon täuschen lassen und sich hingeben . . .«

Hier erschraken alle Hörerinnen, aber zum Glück meinte der Redner nur, daß sie sich hingeben ». . . der Versuchung. Wehe ihnen«, rief er aus, »dreimal wehe! Denn saget an, was ist ihnen zum Lohne? Es ist ihnen zum Lohne nur Verachtung, und diese Verachtung ist vollauf berechtigt; denn sie wollten der Armut entgehen, die doch wahrhaft keine Schande ist, und sie wollten der Arbeit im Schweiße ihres Angesichts entgehen, die in der Heiligen Schrift anbefohlen ward uns allen.«

An dieser Stelle nickte der Redner sich selbst die Bestätigung zu, und der weibliche Uradel nickte im Schweiße seines Angesichts.

Weiter floß der Rede Strom: es sei das eitle Streben, welches diese Mädchen hinführe zu dem Bösen. Statt sich als Dienstmädchen oder Fabrikarbeiterinnen bei ihren Mitmenschen Ansehen zu erwerben, ziehen sie es vor, sich der Schwelgerei und Wollust zu ergeben, statt das Ehrenkleid der Not mit Stolz zu tragen, schmücken sie sich lieber mit Flitter und Tand. Dafür bleiben ihnen die Enttäuschungen auch nicht erspart, »bittere Enttäuschungen, vornehmlich im Alter!«

Also, ich war starr. Wer hätte das gedacht? Weil aber die Pleureusen abermals bekräftigend nickten, mußte ich das wohl oder übel glauben.

»Noch berechtigter jedoch als die Verachtung für die gefallenen Mädchen ist die Verachtung, die die Versucher verdienen. Wer aber ist da gemeint?«

Mein Blick gab zu verstehen, daß ich nicht wisse, wer da gemeint sei.

»Gemeint sind jene verworfenen Männer, die sich nur um des Vergnügens willen mit Mädchen einlassen, ohne die Absicht, diese Mädchen auch zu ehelichen.«

Diesmal war ich es, der durch lebhaftes Nicken mein volles Einverständnis mit der Verdammung derartiger Männer kundtat. Zum Trost hörte ich nun, daß die Unsittlichkeit ihren Gegner gefunden habe: »Unsere Anstalt erhebt sich« (Redners Stimme erhob sich) »als ein Schanzgraben« (Redners Stimme 228 erhob sich mehr), »als ein Bollwerk« (Redners Stimme erhob sich noch mehr), »als eine Bastion gegen die Verderbnis der heutigen Welt. Freilich«, – hier sank Redners Stimme von der Höhe der Schanzgräben, der Bollwerke und der Bastionen auf den Boden der schlichten Tatsachen herab – »freilich haben wir den Sieg noch nicht errungen. Die Schuld liegt nicht bei uns, die Schuld liegt bei den Mädchen selbst. Die wenigsten nur kommen aus Reue und freiwillig in unsere Mauern; die Polizei und die Jugendgerichte müssen sie mit Gewalt herbringen, – höret an, mit Gewalt an die Stätte ihrer Rettung! Manche, die sich selbst zur Aufnahme melden, geben zwar an, sie täten es aus bußfertigem Herzen, aber die Wahrheit ist eine andere: nur um eine Zeitlang ohne Nahrungssorgen zu leben, oder weil sie krank sind, suchen sie den Weg in unser Heim. Einige kommen auch, weil sie fälschlicherweise glauben, bei uns vor der Polizei sicher zu sein. Was Wunder, daß sie sich nach ihrer Entlassung wieder dem eingangs geschilderten Laster in die Arme werfen, – was sage ich da: ›in die Arme‹, ich sollte besser sagen, in die Fänge, in die Klauen, in die Teufelskrallen.

Nimmermehr aber stehet uns an, durch solche Mißerfolge uns ablenken zu lassen vom Wege der Versittlichung, denn der Herr hat sich erbarmt der Büßerin aus Magdala und sie hinangeführet die Stufen der Heiligkeit.

Wir wollen das gleiche tun, das der Herr getan, und unser Leitspruch lautet: ora et labora. Gebieterisch voran steht ›ora‹. Es wird gebetet zur Morgenstunde und zur Mittagsstunde, es wird gebetet zur Vesperstunde und zur Abendstunde, und es wird gebetet während der Arbeit, zu der unsere Schützlinge unerbittlich angehalten werden. Keine mißverständliche Milde waltet in unserem Haus der Buße, wir strafen mit schärfsten Strafen, denn also stehet es geschrieben: wer seine Kinder liebet, der züchtiget sie. So erziehen wir denn mit Strenge zu Gebet und Arbeit, zu jener Arbeit, deren Erzeugnisse wir verkaufen zu frommen kirchlichen Zwecken. Amen.«

Damit war der Seelsorger zu Ende und sah sich im Kreise um, der ihm aus vollen Pleureusen Beifall spendete. Dann 229 heftete er seine Augen auf mich. Ich tat alles, um ihn feststellen zu lassen, daß ich über seine Enthüllungen tief erschüttert sei.

Ihre Exzellenz, die Frau Präsidentin, ergriff jetzt das Wort, um zu verkünden, daß wir nun einen Rundgang durch die Arbeitsräume, die Wohnräume und die Kapelle unternehmen wollen. »Auch eine Reihe weiblicher Handarbeiten haben wir eigens für unseren verehrten Gast zu einer Ausstellung vereinigt.« Der verehrte Gast war niemand anderer als ich. Ihre Exzellenz, die Frau Präsidentin, sprach die Hoffnung aus, der verehrte Gast werde an diesen Häkel-, Strick- und Stickereiarbeiten die Energie des Aufsichtspersonals erkennen und zu rühmen wissen.

»Gewiß, gewiß«, versprach ich.

Mit diesem meinem Schlußwort war die Empfangszeremonie programmgemäß beendet, und wir schritten, ein aus Ausschußdamen, einem Seelsorger und mir bestehender Zug, durch einen langen Korridor. Unterwegs flüsterte mir der Pater zu, es sei heute zum erstenmal gewesen, daß er vor der Presse gesprochen habe. Er übergab mir das Manuskript und erläuterte mir, wie wichtig es sei, die Rede in extenso zu veröffentlichen und darauf zu achten, daß sein Name richtig gedruckt werde.

Bei unserem Eintritt in den Arbeitsraum erhoben sich etwa dreißig Mädchen sittsam von ihren Sitzen, indem sie in gedehntem Chorus einen frommen Gruß sprachen. »In Ewigkeit, Amen«, antworteten wir.

»Hier sehen Sie zunächst . . .«, begann Ihre Exzellenz, die Frau Präsidentin, mir zu erklären, als mich die Fanny Melker erkannte.

»Servus, Egon«, rief sie.

»Der Egon ist da«, tönte es jetzt von allen Seiten, und Mädchen kamen auf mich zugelaufen. Die Handschuhbetty aus dem Café Montmartre umarmte mich und küßte mich in der Freude des Wiedersehens. Über sie hinweg streckte mir die lange Mizzi Mohnkuchen ihre Handfläche hin: »Gib mir eine Zigarette, wir kriegen hier keine.« – »Was macht mein 230 Feuerwerker?« rief die Artillerie-Liesel, »ist der Schweinekerl schon ausgeheilt?« Eine andere gab mir den Auftrag: »Grüß mir die Bengels in der Bar Brasilia und sag' ihnen, in längstens vierzehn Tagen ist Hansi Waschblau wieder bei ihnen.«

So peinlich ich von diesen Begrüßungen berührt war, die Ausschußdamen waren es weit mehr, sie hätten direkt in einem Heim für aus den Wolken gefallene Mädchen Aufnahme finden können.

Die erste, die Worte fand, war Ihre Exzellenz, die Frau Präsidentin. In einem Ton, in dem grönländische Kälte, gaurisankarhohe Empörung und tiefseetiefe Verachtung lagen, wandte sie sich an mich: »Sie brauchen sich nicht weiter zu bemühen, mein Herr, so ähnlich ist es in allen unseren Räumen.«

Damit war ich entlassen, aber ich schrieb alles nieder, wie ich es erlebt. Mein Bericht machte böses Blut, böses blaues Blut. Einige Adelsfamilien bestellten unsere Zeitung ab. Anderen aber gefiel der Spaß, und ein Berliner Verlag nahm ihn in eine Anthologie des Welthumors auf.

Dieser Besuch im Prager Magdalenenheim war es, an den mich ein Menschenalter später der in allen deutschen Zeitungen veröffentlichte Titel der preisgekrönten Hamburger Kurzgeschichte erinnerte. Einen Augenblick lang dachte ich, Hanns ut Hamms Schöpfung könnte in irgendeiner Weise von meinem Erlebnis beeinflußt sein, aber sofort wies ich den Gedanken zurück, denn was auch immer man aus meiner seinerzeitigen Schilderung herauslesen konnte, keinesfalls den bodenständigen Humor und Witz der deutschen Wasserkante.

Nachdem dem Preisträger im Festsaal des Hamburger Senats das Diplom der Nazi-Jury und die tausend Mark mit vielen schönen Reden überreicht und die Meisterhumoreske unter dröhnender Heiterkeit verlesen worden war, erschien »diese köstliche, an Fritz Reuter erinnernde und noch etwas derbere Probe unverfälschtesten Volkshumors von der Wasserkante« in den Zeitungen Hitlerdeutschlands.

Freunde, ich traute meinen Augen nicht. Es war wörtlich mein Prager Magdalenenheim. Hanns ut Hamm hatte es nur 231 nach Hamburg und ins Plattdeutsche verlegt und eine kleine, allerdings effektvolle Änderung meines Textes vorgenommen: statt mit »Egon« läßt er sich nämlich von den gefallenen Engeln mit »Hanns« begrüßen.

Ich wollte diese meine Preiskrönung durch die Nazis in unserer Zeitschrift »Schriftsteller« den in Deutschland verbliebenen Kollegen zum Nachdenken empfehlen. Aber das »Schwarze Korps«, Organ der SS, kam mir mit der Enthüllung zuvor. Es hatte die Quelle entdeckt und tobte. Beileibe nicht die Tatsache des literarischen Diebstahls war es, was das Blut des »Schwarzen Korps« am 6. Mai 1939 in Wallung brachte, sondern die »schamlose Einschmuggelung von typisch volksfremden Gedankengängen in das nationalsozialistische Volks- und Brauchtum«.

Die Vorstellung, daß sich nationalsozialistische Führer feierlich versammeln, »um das Produkt eines Asphaltliteraten zu krönen, dessen Bücher mit Recht schon auf unserem ersten Scheiterhaufen verbrannt wurden«, erfüllte das Blatt mit dem eingestandenen Gefühl tiefster Beschämung. Es verlangte, daß der neue Verfasser meines alten Berichts sofort verhaftet werde, »damit Hanns ut Hamm ein für allemal erfährt, was es kostet, wenn man in Egon Erwin Kischs ausgelatschte Stiefel schlüpft und beginnt, auf Plattdeutsch zu jüdeln . . .«

Nach diesem Ergebnis des Preisausschreibens sind die Bemühungen um Schaffung einer Nazi-Literatur wieder aufgegeben worden. 232

 


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