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Dreiundzwanzigstes Blatt.

Herberstorfs Ende.

Im Seeschloß Ort zu Gmunden,
Da zählt mit Müh' und Not
Ein Greis die letzten Stunden,
Es pocht ans Tor der Tod.

Des Kranken Augen blicken
Mit fieberhaftem Glanz,
Und seine Finger drücken
Angstvoll den Rosenkranz.

Die Sucht hat ihn befallen,
Die Blut und Mark verschlingt,
Ein Wimmern nur und Lallen
Von seinem Munde dringt.

Graf Herberstorf der Recke
Vergeht in Todesschmerz,
Er wähnt, des Saales Decke
Senke sich auf sein Herz.

Er glaubt, der Abendhimmel
Sei dunkelrot von Blut,
Im ärgsten Schlachtgetümmel
War ihm nicht so zumut.

Wohl betet eine Nonne
Eintönig fort und fort,
Doch Geistestrost und Wonne
Quillt nicht aus ihrem Wort.

Das Licht geweihter Kerzen
Erhellt ihr Antlitz fahl,
Es dringt zu seinem Herzen
Kein lichter Hoffnungsstrahl.

Von seinem bleichen Munde
Quillt kalter, blutiger Schaum,
Es schickt die letzte Stunde
Ihm einen bösen Traum:

Wohl dreißig greise Männer
Stehn zitternd um ihn her.
Er blickt von seinem Renner,
Als ob er steinern wär'.

Es jammern laut die Alten:
»Wir haben Kind und Weib,
O Herr, laß Gnade walten.
Verschone unsern Leib!«

Er aber läßt sie schreiten
Zum Würfelspiel heran.
Auf Tod und Leben streiten –
Und sterben Mann für Mann.

Wer schwarz wirft, darf umfangen
Sein schaudernd Weib und Kind,
Wer rot wirft, wird gehangen
Und baumelt hoch im Wind.

Stumm von der Linde grüßen
Die Toten Kind und Weib,
Das Kriegsvolk mit den Spießen
Verschändet ihren Leib.

Nun will der alte Degen
Hinweg vom Schreckensbaum,
Da tritt ein Weib verwegen
Vors Roß und faßt den Zaum:

»Du bist es, den ich suche,
Werwolf, ich fürcht' dich nicht!
Du bist's, den ich verfluche
Vor Gottes Angesicht!

Schnöd bist du abgefallen
Von unsers Glaubens Hort,
Laß deine Trommeln schallen,
Nichts übertäubt mein Wort.

Gib nur den Sporn dem Rappen,
Zertritt uns Glück und Recht,
Trotz Adelsbrief und Wappen
Bist du ein Henkersknecht.

Du sollst nicht ruhmvoll sterben,
Nicht in des Schlachtschmucks Zier,
Auf Stroh sollst du verderben
Als wie ein krankes Tier.

Du hast mit blutigem Grimme
Erdrosselt meinen Sohn,
Drum klagt dich meine Stimme
Laut an vor Gottes Thron.

Wenn sie dich einst begraben
Mit Pracht und Weihgeruch,
Wirst du als Denkmal haben
Einer Mutter Haß und Fluch!

Und prangt im Chor zu Münster
Dein Wappen und dein Schild,
So wird das Volk sich finster
Abwenden von dem Bild.

Und keine Hand soll schmücken
Den Marmor deiner Gruft,
Die Erde soll dich drücken,
Bis Gott der Herr dich ruft!« –

Der Traum verweht. Die Sonne
Geht düsterrot zur Ruh',
Und niemand als die Nonne
Drückt ihm die Augen zu.


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