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Achtes Blatt.

Steff und Christoph.

Lang und lange sitzen beide
Männer in dem Oberstübel,
Während in der großen Stube
Unten das Gesinde tanzt.

Christoph steht in reicher Fülle
Jungen Alters; stolz und feurig
Hört er seines Freundes Worte,
Der dem klaren Herbsttag gleicht.

Schwer erkämpft ward diese Klarheit,
Früh gereift hat ihn das Leben,
Herb gereift das Schicksal, das ihn
Hart in seine Fäuste nahm.
Aus dem Elternhaus vertrieb ihn
Frühe Not und junges Wagnis,
Bei der alten Muhme ließ er
Gretel nach der Eltern Tod,
Schlug sich durch die Welt als Kriegsmann,
Focht im Reich und focht in Welschland,
Sah das Meer, das blaue Wunder,
Und sah Rom, die ewige Stadt.
Staunend stand er vor St. Peter
Und las hoch am Obelisk:
Christus vincit, Christus regnat!
Aber Christi Macht und Ehre
Fand er auf der Erde nicht.

Rom war üppig, Welschland schamlos,
Und das Reich des deutschen Kaisers
War der Raub von hundert Herrn.

Nirgends Treue, nirgends Wahrheit!
Ja, das allerschlimmste Handwerk,
Wie ihm dünkte, trieb er selbst.
Mut und Tapferkeit und Ehre
Sind des Mannes höchste Zierden,
Aber wer um Sold das Schwert zieht,
Ist kein Held aus eigner Kraft.

Darum zog er wieder heimwärts.
Färbte Filz mit schwarzer Farbe,
Stülpt' ihn auf den Pfahl und formt' ihn
Meisterhaft zum Jodelhut.
Und so trieb er durch fünf Jahre
Tag für Tag sein friedlich Handwerk,
Saß zu Aschach als ein Hutrer,
Wo er seine Eva fand.

Brav gedieh des Hauses Wirtschaft,
Reicher durch zwei blonde Kindlein;
Blühend wuchs die Schwester Gretel,
Die betagte Muhme starb. –

Damals war er nicht so schweigsam.
Sprach mit freiem Mund die Wahrheit,
Sprach zu viel von Volk und Wirtschaft,
Pflicht und Freiheit, Macht und Recht.
Stefan Fadinger sprach ehrlich,
Gab sich sorglos wie er war. –

Niemals stirbt auf dieser Erde
Das Geschlecht der Mückenspalter,
Augendiener, Wortverderber,
Jener, die der saure Abfall
Sind vom Teig der guten Menschheit.
Niemals stirbt die Brut der Heuchler,
Die Verleumder sind von Handwerk,
Die in Amt und Würde wachsen,
Weil man ihrer sich bedient;
Die zum schlimmsten Worte lächeln,
Die beim besten Wort erstaunen,
Die des Nächsten Ehre töten,
Weil sie selber ehrlos sind.

Wie die Pilze in den Wäldern
Schießen sie empor im Dunkeln,
Fette Bissen zu erschnappen,
Töten sie den besten Freund.
Feig nach oben, frech nach unten
Dreh'n sie nach dem Wind den Mantel,
Sind das böse Ohr im Hause,
Sind das falsche Aug' im Amte,
Weh dir, wenn du ein Genosse
Dieser feigen Schurken bist! –

Solche Schleicher und Verleumder
Hat der stolze Steff gefunden.
Warnung war zu spät gekommen,
Arglos ging er in die Netze,
Bis er eines Morgens plötzlich
Sich von Häschern sieht umstellt.
Dem Verbrecher gleich in Eisen
Wird er abgeführt zum Fronhof,
Trotz der Klage seines Weibes,
Trotz der Kinder Wehgeschrei.

Und nun wächst ein langer Bandwurm
Amtlich sachlicher Begründung,
Raums- und Worts- und Tatbeschreibung,
Zeugenaussag' Hilfsergänzung,
Replik, Duplik, Triplik endlos
Fort und fort wie eine Krankheit,
Die den unheilvoll Betroffnen
Tötet, weil kein Arzt ihm hilft.

Mancher brave Mann erbot sich.
Mit dem Eide zu erhärten,
Daß der Anwurf ein Gespinst nur
Von gedungnen Schurken sei.
Unerbittlich sind die Richter,
Schlau und pfiffig sind die Schurken,
Und der Weichselzopf verwächst sich,
Daß die Welt das Dümmste glaubt.
Todkrank liegt das Weib darnieder.
Und im Elend sind die Kinder;
Tieferschüttert, halb im Wahnsinn,
Eisenfesseln an den Händen,
Sitzt der Fadinger gefangen
Auf dem Fronhof sieben Jahr. –
Gott ist stärker als die Menschen,
Und sein Arm trifft die Verleumder:
Zitternd in der Sterbestunde
Widerrief ein Schurk' sein Wort.

Jetzt, kraft mangelnden Beweises,
Jetzt, kraft Hoheit des Gerichtes,
Jener Weisheit die das Schicksal
Armer Untertanen lenkt,
Gibt man dem Entehrten Freiheit,
Streift man von ihm ab die Fesseln,
Schickt ihn heim zu seiner Wirtschaft,
Aber eins gibt ihm kein Gott:
Eva, seine treue Gattin
Rief der Tod mit beiden Kindern,
Und sie schläft mit beiden Kindern
Ihren ewigen Schlaf im Sarg.

Einsam baut er neu sein Nest sich
Draußen auf dem Berg beim Walde;
Segen senkt sich dreifach nieder,
Denn sein ungeheures Schicksal
Macht das Volk zu seinem Freund.
Willig bricht man ihm die Steine,
Brennt ihm Ziegel, fällt ihm Bäume,
Baut ihm Haus und Hof und alles,
Daß er wieder aufrecht steht.
Statt der toten alten Muhme
Nimmt er seine Schwester Gretel
Auf den Hof. Er ist nun schweigsam,
Spricht kein überflüssig Wort.

Einer nur, sein Nachbar Christoph,
Dessen Haus er kennt seit Jahren,
Der für ihn zum Eid bereit war,
Einer nur weiß, was er denkt.

Und so sitzen denn die beiden
Traulich in dem Oberstübel,
Während in der großen Stube
Unten das Gesinde tanzt.
Fadinger spricht ernst und leise
Von der Herzensnot des Landes,
Von der Stände zweifelhafter,
Unverläßlich feiger Haltung,
Von der Raubsucht der Soldaten
Herberstorfs und von der Kriegsnot,
Von dem Elend und dem Jammer
Dieser gottverlaßnen Zeit.
Zornig funkeln seine Augen,
Und der Christoph greift unwillig
Manchmal nach dem derben Stecken,
Der an seiner Seite lehnt.

Fadinger spricht warm und wärmer,
Seine stolzen Augen leuchten
In der Nacht wie's blaue Irrlicht,
Das bei Efferding im Tale
Wandelt durch das wilde Moos.

Von der heiligen Gemeinschaft
Gleichgesinnter spricht er feurig,
Zeigt dem Christoph Brief und Siegel
Einer fremden Königshand.

Rasch erhebt sich Christoph Zeller:
»Das ist Hochverrat, Unseliger,
Und in dieser hoffnungslosen
Sache geh' ich nicht mit dir.«

Fadinger ergreift die Briefschaft
Und zerreißt sie, ruhig lächelnd:
»Einen Zeugen wollt' ich haben,
Daß ich kein Verräter bin.
Nicht mit Dänemark und Schweden
Kämpf' ich wider meinen Kaiser,
Aber gegen unsern Blutsfeind
Herberstorf schütz' ich das Land.
Mit der Mannskraft meines Armes,
Mit dem Adlerblick des Auges,
Mit dem Donnerwort des Mundes,
Mit dem Geist, den Gott mir gab,
Steh' ich ein für unsere Sache.
Meinen Glauben will ich retten,
Will den armen Mann befreien,
Will des Kaisers Fahne pflanzen
Auf den höchsten Turm zu Linz.
Will es Gott, so wird's gelingen.

Aber dazu brauch' ich Männer,
Wie die Schweizer, die ihr alles
Freudig in die Schanze schlugen,
Die als treue Brüder fochten
Bis zum letzten Atemzug.

Dahin, Christoph, soll es kommen,
Und in dieser großen Sache
Bau' ich fest auf deinen Mut.
Es ist reif. Kein fremder König
Soll des Landes Retter sein.«

»Jetzt gehör' ich dir auf ewig!«
Ruft der andere. »Sei mein Leitstern,
Weih mich ein in dein Geheimnis,
Nimm mich auf in deinen Bund!«

Draußen tritt hervor das Mondlicht,
Strahlend blickt es in die Kammer,
Ein geheimnisvolles Wunder
Schaut es an und stiehlt sich fort.

Schweigend, Hand in Hand geschlossen.
Stehn die zwei im Oberstübchen,
Ihre Augen schau'n zum Himmel,
Aber keiner spricht ein Wort.


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