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Achtzehntes Blatt.

Krakowitz, der Archivar.

Ja, das war eine schlimme Zeit
Zu Linz mit Weh und Ach,
Die Kugeln schlugen weit und breit
In manches fromme Dach.

Graf Herberstorf, der Eisenkopf,
Rief: »Unser Schloß ist fest,
Und hätt' ich Ratten nur im Topf,
Ich will nicht aus dem Nest.

Ich bin ein alter Edelmann,
Der nie nach Gnade ruft.
Und wenn ich mich nicht halten kann,
Ich spreng' mich in die Luft.«

Da jammert manche schöne Dirn:
»Herzliebster, nun ist's aus!«
Da flucht der Wirt »zur goldnen Birn«
»Kein Stammgast kommt ins Haus!«

Da nagt die Gier am letzten Bein
In Schloß und Turm und Stadt,
Da schleicht sogar das Zipperlein
Sich aus dem Magistrat.

Die Ratsherrn sitzen stumm und starr
Auf ihrem Ehrensitz,
»O Teufel!« ruft der Archivar,
Der Doktor Krakowitz.

»Hab' ich des Lands geheim Archiv
Darum so treu gepflegt,
Daß man mir Handfest, Urkund, Brief
Wohl gar zum Teufel trägt?

Hab' ich Majuskeln exzerpiert.
Enträtselt Palimpsest,
Daß Bartel sich die Stiefel schmiert
Mit meines Goldlacks Rest?

Hinab ins tiefste Kellerloch
Mit Schrift und Pergament,
Bevor die heiße Flamme noch
Mein Inventar verbrennt.

Herbei, was Arm und Beine hat.
Zu Hilf' mit Hand und Fuß!« –
Zustimmend nickt der hohe Rat
Zum eiligen Beschluß.

Was rings an Tröstern ohne Zahl
In Kalbsfell und in Schwein
Geordnet stand im Büchersaal,
Das fuhr zum Keller ein.

Zum Landeskeller tief und breit
Und unergründlich gar,
Gewölbt zu Barbarossas Zeit –
Das weiß der Archivar.

Er weiß noch mehr, er ist ein Mann
Von Gründlichkeit und Kraft,
Er hat so manchen Zug getan
Von goldner Weisheit Saft.

Er selber treibt mit langem Stab
Die Träger ab und zu,
Schleppt manches schwere Buch hinab
Und gönnt sich keine Ruh.

Er atmet süßen Wohlgeruch
Uralter Geisteskost
Und schlürft bei jedem Hundert Buch
Ein Tröpfchen alten Most.

Und jedes Buch und jedes Blatt
Wird – dreimal überzählt;
Er schlürft und schlürft und wird nicht satt,
Vergißt die ganze Welt.

Wo vormals »Gumpoldskirchner« stund,
Steht jetzt ein Foliant;
Er prüft den Keller bis zum Grund –
Ein Kelchglas in der Hand.

Ein Kellerschemel lang und breit
Ist sein Gedankensitz,
So sinnt und prüft er lange Zeit,
Der Doktor Krakowitz.

Und wie's nun dunkelt ganz und gar.
Da schließt er fromm sich ein:
Denn niemand, als der Archivar,
Soll bei den Büchern sein.


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