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Neuntes Blatt.

Die Einquartierung.

Hundert Preunersche Dragoner
Liegen auf den nächsten Dörfern,
Liegen in den Einödshöfen
Um den Maierhoferberg.

Hauptquartier ist Feste Schaumburg,
Wo der Amtmann fünfunddreißig
Schwere Reiter wohl verpflegt.

Harte Lasten trägt der Bauer,
Und sie werden täglich härter,
Heimgesucht wird auch der Aermste,
Niemand fragt, ob's ihn erdrückt.

Auch der junge Gastwirt Zeller,
Auch der blonden Gretel Bruder
Trägt sein Teil, und Roß und Reiter
Legt man jedem in das Haus.
Hei! da wird vom Fleisch gefressen,
Hei! da wird vom Speck geschnitten,
Hei! da wird vom Faß gesoffen
Und im langen Stroh geschnarcht.
»Warum ist die Gans im Hofe?
Warum ist die Taub' im Kobel?
Warum ist im Teich die Ente?
Warum ist im Stall das Schwein?
Warum ist die Milch im Euter?
Warum ist das Mehl im Kasten?
Warum ist der Wein im Keller?
Warum ist das Ei im Huhn?

Daß wir leben – denkt der Bauer,
Doch er übersieht, der Dummkopf,
Daß kein Nährstand ohne Wehrstand,
Ohne uns kein Bauernglück.
Wir versichern ihm die Felder,
Wir beschützen ihm den Hausstand,
Sein und seiner Kinder Leben
Liegt allein in unsrer Hand.

Darum ist's auch recht und billig,
Daß er sich als Knecht betrachte,
Daß er uns den besten Bissen
Und den feinsten Tropfen gönnt.
Denn wir brauchen Kraft zum Handwerk,
Riesenkraft und gute Laune;
Bringt er uns in schlechte Stimmung,
Geht's ihm selber an den Hals.
Was vermag sein Käsemesser
Gegen unsern Schädelspalter?
Was vermag die Sichelsense
Gegen unsern Eisenspieß?
Hat er Feuerstein und Pulver,
Arkebus' und Hakenbüchse?
Teufel auch! und wenn er's hätte,
Feldkartaunen hat er nicht.

Sieh, das ist was andres, Bauer!
Einsicht fehlt dir, such zu lernen;
Lernst du, dann begreifst du auch.
Holla! gib uns Wein vom Keller,
Speck und Milch und Schwein und Vogel,
Und in deine schönste Kammer
Schick uns deine schönste Dirn!«

Also spotten die Soldaten,
Reizen auf dem Hof die Knechte,
Schleichen frech sich an die Dirnen,
Daß die Mägde schamrot glühn.
Mancher dummen Dirn gefällt's auch.
Wenn das doppelt Tuch ihr schmeichelt
Läßt sich locken, läßt sich fangen.
Sitzt den falschen Vögeln auf.

Heimlich gärt es bei den Knechten,
Eifersucht und Zorn und Rache
Halten nur mit Müh die starke
Faust im Zaume, die schon zuckt.

Fadinger winkt seinen Altknecht
Jeden Tag geheim beiseite,
Flüstert ihm geheime Worte
Scharf und leise in das Ohr:
»Halte deine Augen offen,
Trinke nicht, laß andere zechen,
Halte reinen Mund vor Weibern,
Hüte Riegel, Tür und Schloß.
Insbesonders acht' aufs Feuer,
Laß kein offnes Licht mir brennen,
Bleib du meines Auges Apfel.
Gott vergilt dir, was du tust.«
Statt der Antwort nickt der Altknecht,
Drückt geheim die Hand dem Bauer,
Blickt um sich mit scharfen Augen,
Trinkt nicht, wenn die andern zechen
Und bewacht des Feuers Glut.
Mehr noch! Was der Herr nicht sagte,
Was der Altknecht nur erraten
Aus des Bauers Wort und Blick,
Das vollzieht er ohne Auftrag,
Denn er ist im Hof erwachsen,
Ist im Hofe Mann geworden,
Hat das Ingesind behütet
Bis auf diesen schlimmen Tag.

Darum schleicht er, wenn es dämmert,
Abends durch den weiten Hof sich,
Läßt den Haushund von der Kette,
Streichelt ihn und spricht: »Hab acht.
Laß du niemand vor die Kammer,
Laß du niemand vor die Stiege,
Tritt dir in den Weg ein Fremder,
Sultan, pack ihn an der Brust.«

Sultan hat den Wink verstanden,
Wedelt mit dem Schwanze freundlich,
Knurrt zur Antwort, bis der Knecht ihn
Einmal, zweimal streichelnd stillt.

Mit dem Hunde wacht der Altknecht,
Setzt sich nächtlich auf die Treppe
Vor die Tür der kleinen Kammer,
Drin die blonde Gretel schläft.

Eines Nachts vernimmt der Altknecht
Unten zwei Soldatenstimmen:
»Schleich dich du zur stolzen Gretel,
Einer löst den andern ab.« –
Blitzschnell springt empor der Altknecht,
Stellt sich mit dem Beil als Schildwacht
Vor die Tür von Gretels Kammer,
Unsichtbar in dunkler Nacht.

Und ein Landsknecht kommt geschlichen,
Aber wie er vor die Tür tritt.
Trifft das Beil ihn, daß er lautlos
Vor der Schwelle niederstürzt
Und der zweite kommt geschlichen.
Aber wie er vor die Tür tritt.
Trifft das Beil ihn, daß er lautlos
Vor der Schwelle niederstürzt.


Lautlos bringt der Knecht die Toten
Seitwärts und verbirgt die Tat. –
Es gelingt, er trägt die Leichen
Nach des Hauses Bodenkammer,
Sperrt sie hinter Schloß und Riegel,
Eh' das Morgenrot erscheint.

Ahnungslos erwacht die Gretel.
Warum ist so bleich der Altknecht,
Warum ist so ernst ihr Bruder,
Warum flüstern sie so heimlich,
Warum ist kein lustiger Zecher,
Warum ist kein gieriger Prasser,
Warum ist kein kecker Prahlhans,
Warum kein Soldat im Hof?


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