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Fünftes Blatt.

Das Frankenburger Würfelspiel.

Es steht ein Baum im Winde
Auf dem Haushammerfeld,
Das ist die alte Linde,
Die hat mir viel erzählt.

Es hat in ihren Zweigen
Gar wunderlich gerauscht,
Es war ein düstrer Reigen,
Horcht auf, was ich erlauscht.

In seiner Knechte Mitten
Auf seinem schwarzen Roß
Kam Herberstorf geritten
Zum Frankenburger Schloß.

Es war kein Abenteuer,
Darauf ihm stund der Mut;
Vor ihm stieg auf das Feuer
Und hinter ihm floß Blut.

Oed war's auf seinen Wegen,
Verwüstet und verwaist.
Er zog dem Volk entgegen
Recht wie der böse Geist.

Die Glocken ließ er klingen
Von jedem Kirchenturm
Und die Trompeten singen
Als wie zu Kampf und Sturm.

Er ließ hochauf im Fluge
Sein flatternd Banner wehn,
Und hinterdrein dem Zuge
Den roten Freimann gehn.

Es war ihm Lust, zu schwächen
Den Freiheitsgeist im Land,
Den Ketzertrotz zu brechen
Mit seiner Eisenhand.

Und er ließ Ordnung schaffen:
Demütig stand im Kreis,
Ganz ohne Wehr und Waffen,
Das Volk auf sein Geheiß.

Zu Rosse saß der Rächer,
Die Alten aus dem Gau,
Gefesselt wie Verbrecher,
Führt man ihm vor zur Schau.

Wohl dreißig greise Männer
Stehn zitternd um ihn her,
Er blickt von seinem Renner,
Als ob er steinern wär'.

»Ihr wißt, daß ich im Lande
Statthalter Bayerns bin,
Ihr tut mir Spott und Schande,
Geduld, so fahr denn hin!

Ich will ein Beispiel geben.
Seht ihr die Linde dort?
Ihr habt verwirkt das Leben.
Führt sie zum Henker fort!«

Da jammern laut die Alten:
»Wir haben Kind und Weib,
O Herr! laß Gnade walten,
Verschone unsern Leib!«

»Ihr sollt zur Sühne schreiten
Paarweis zum Würfelspiel;
Es soll den Mantel breiten
Der Henker euch als Pfühl.

Ich hab' hier achtzehn Schlingen,
Ihr würfelt schwarz und rot.
Ich wünsch' euch gut Gelingen,
Ihr würfelt um den Tod.

Wer schwarz wirft, der mag wandern,
Frei jeden Weg und Steig;
Der Henker faßt den andern
Und hängt ihn an den Zweig.«

Da stoßen rauh die Knechte
Zur Linde zwei um zwei.
Ein jeder hebt die Rechte,
Und ruft: »Gott steh mir bei!«

Wer schwarz wirft, darf umfangen
Sein schaudernd Weib und Kind,
Wer rot wirft, wird gehangen
Und baumelt hoch im Wind.

Der Henker hebt vom Rasen
Sein dunkelschwarzes Tuch,
Und die Trompeten blasen,
Vollzogen ist der Spruch.

Stumm von der Linde grüßen
Die Toten Kind und Weib,
Das Kriegsvolk mit den Spießen
Verschändet ihren Leib.

Graf Herberstorf der Degen
Will fort vom Schreckensbaum,
Da tritt ein Weib verwegen
Vors Roß und faßt den Zaum.

»Du bist es, den ich suche,
Werwolf, ich fürcht' dich nicht;
Du bist's, den ich verfluche
Vor Gottes Angesicht.

Schnöd bist du abgefallen
Von unsers Glaubens Hort,
Laß deine Trommeln schallen!
Nichts übertäubt mein Wort.

Gib nur den Sporn dem Rappen,
Zertritt nur Glück und Recht,
Trotz Adelsbrief und Wappen
Bist du ein Henkersknecht!

Du sollst nicht ruhmvoll sterben,
Nicht in des Schlachtschmucks Zier,
Auf Stroh sollst du verderben
Als wie ein krankes Tier!«

So hat das Weib gerufen,
Ein Schrei, – und sie läßt los.
Zerschmettert von den Hufen
Des Hengsts, zermalmt vom Troß.

Graf Herberstorf der Degen
Fort von der Linde zieht,
Blut fließt auf seinen Wegen,
Das Volk schreit auf und flieht.

Es steht ein Baum im Winde
Auf dem Haushammerfeld,
Es ist die alte Linde,
Die hat mir das erzählt.


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