Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Vierte Scene.

Die Vorigen, Morose, Dauphine.

Morose. O mein böser Engel ist es, der mir dies Schicksal zubereitet hat.

Dauphine. Wie so, Sir?

Morose. Sonst hätte ich mich nicht durch einen so armseligen Teufel, wie ein Barbier ist, verführen lassen.

Dauphine. Ich wollte, Ihr hättet mich würdig geachtet, mir Eure Gedanken mitzutheilen; dann hättet Ihr nie einem solchen Rathgeber vertrauen sollen.

Morose. Ich wollte, Neffe, ich könnte es mit dem Verlust eines Auges, einer Hand, oder eines andern Gliedes wieder gut machen.

Dauphine. Verhüte Gott, Sir, daß Ihr Euch nicht selbst verstümmelt, um Euer Weib zu kränken.

Morose. Wenn ich nur dadurch von ihr los käme! Ja ich wollte noch dazu eine unermeßliche Buße thun, auf einem Glockenthurm, zu Westminsterhall, im Cockpit beim Fall eines Hirsches, auf dem Towerwerfte, – was ist denn sonst noch für ein Ort? – auf der London-Brücke, Parisgarten, Billings-Gate, wenn Lärmen und Tumult in ihrer höchsten Verwirrung sind, ja ich wollte ein ganzes Schauspiel aushalten, das aus nichts als Seegefechten, Trommeln, Trompeten und Schilderschlagen bestände!Kurz vorher war Shakspears Antonius und Cleopatra aufgeführt worden. Gifford leugnet wieder, wie immer, daß die Stelle auf diese Tragödie anspiele. Immer ward die Bosheit, der Neid und die vorsetzliche bittre Satire, die so viele in dergleichen Angriffen haben finden wollen, von dem geliebten Dichter abzulösen. Der Standpunkt selbst ist ein falscher. Als so viele Bühnendichter sich auszeichneten, als Kritik und Schule entstand, und die Forderung, daß man die Alten nachahmen müsse, konnte Shakspear seiner Zeit nicht als das gelten, was er der Nachwelt und seinem Vaterlande geworden ist. Man muß nicht vergessen, daß Jonson sein mächtiges Talent in seiner Manier nicht ausbilden konnte, wenn er nicht von seinen Planen begeistert und überzeugt war, daß sein Weg der richtige zum Ziele sei. Konnte er nun so sicher, und als Künstler bestehn, so müßte ihm ganz natürlich die Weise seines größern Zeitgenossen als unzulässig und willkührlich erscheinen, da er von jedem Worte in seinen eignen Werken kritisch und verständig Rechenschaft geben konnte. Er mag also an Mangel ächt kritischer Einsicht gelitten haben, und nicht an Neid, und es ist sein Verdienst vorzüglich, wenn seine Gegner für ihren Liebling eben nichts Erkleckliches sagen konnten. Denn was die Zeitgenossen, und auch Spätere für diesen vorbrachten, konnte den für seine Manier, oder für die Alten begeisterten unmöglich überzeugen. Und, genau genommen, werden Jonsons Klagen ja auch heut zu Tage noch, selbst von manchem Bewunderer Shakspears, wiederholt.

Dauphine. Ich hoffe, das alles soll nicht nöthig sein, faßt Euch nur in Geduld, lieber Onkel, es ist nur ein Tag und der geht bald vorüber.

Morose. Das währt ewig, Neffe; ich sehe es schon, ewig währt es, Zank und Tumult sind die Mitgift, die man mit einem Weibe erhält.

Gutwitz. Das sagte ich Euch, Sir, und Ihr wolltet mir nicht glauben.

Morose. Ach, reibt nicht diese Wunden, Herr Gutwitz, daß sie von neuem bluten: es war meine Nachlässigkeit; häuft nicht Betrübniß auf Betrübniß. Ich habe die Wahrheit davon nur zu spät in Madam Otter gesehn.

Epicoene. Wie geht es Euch, Sir?

Morose. Habt Ihr jemals eine überflüssigere Frage gehört? Als wenn sie es nicht sähe! Es geht mir so, wie Ihr seht, Kaiserin! Kaiserin!

Epicoene. Ihr seid nicht wohl, Sir, Ihr seht recht übel aus, es muß Euch etwas Unangenehmes zugestoßen sein.

Morose. O fürchterliche, ungeheure Unverschämtheit! Wäre nicht eins davon hinreichend gewesen? Was meint Ihr, Sir? Wäre nicht eins hinreichend gewesen?

Gutwitz. Ja, Sir, aber dergleichen ist nur ein Beweis ihrer weiblichen Sorgfalt, eine kleine Probe, daß sie eine Stimme hat.

Morose. So ist es! – Nun mag's sein, da es nicht zu ändern ist. – Was sagt Ihr?

Epicoene. Wie fühlt Ihr Euch denn, Sir?

Morose. Nun wieder das!

Gutwitz. Aber, werther Herr, Ihr wolltet mit Eurer Frau unter gewissenlosen Bedingungen leben, daß sie schweigen solle.

Epicoene. Man sagt, Ihr wärt toll, Sir.

Morose. Nicht aus Liebe zu Euch, das kann ich Euch versichern.

Epicoene. O meine werthe Herren, haltet ihn doch fest, um Gottes willen! Was soll ich anfangen? Wer ist denn sein Doktor, wer kann mir das sagen, der am besten den Zustand seines Körpers kennt, daß ich nach ihm schicken mag? Lieber Herr, so sprecht doch, ich muß sonst einen von meinen Aerzten rufen lassen.

Morose. Um mich zu vergiften, damit ich ohne Testament sterbe und Ihr alles erbt.

Epicoene. Hört nur, wie er fabelt und wie ihm die Augen funkeln! Er ist grün um die Schläfe; seht Ihr wohl die blauen Flecke da?

Clerimont. Alles Zeichen der Melankolie.

Epicoene. O, um Gotteswillen, meine Herren, rathet mir doch; – Lady's! – Diener, Ihr habt ja den Plinius und Paracelsus gelesen; habt Ihr denn nun kein einziges armes Wörtchen, eine unglückliche Gattin zu trösten? Ach! daß mir das Unglück begegnen mußte, einen Mann zu heirathen, der überschnappt ist.

Dohle. Ich will Euch sagen, Gebieterin –

Gutwitz, beiseit zu Clerimont. Wie trefflich sie es durchführt!

Morose. Was meint Ihr dazu, meine Herren?

Epicoene. Was wolltet Ihr denn sagen, Diener?

Dohle. Diese Krankheit wird im Griechischen Mania genannt, im Lateinischen Insania, Furor, vel Ecstasia Melancholica; das heißt: Egressio, wenn ein Mann ex Melancholico evadit fanaticus.

Morose. Muß ich bei lebendigem Leibe eine Vorlesung über mich halten lassen?

Dohle. Doch ist er vielleicht nur noch Phreneticus, und Phrenetis ist bloß Delirium, oder dergleichen.

Epicoene. Ja, das betrifft die Krankheit, Diener, aber was geht das die Kur an? Von der Krankheit sind wir überzeugt genug.

Morose. Laßt mich gehn!

Gutwitz. Wir wollen sie bewegen, Sir, still zu sein.

Morose. Nein, nein, gebt Euch keine Mühe, sie zu verstopfen, sie ist wie eine Wasserröhre, die nur um so heftiger strömt, wenn sie wieder geöffnet wird.

Hochmuth. Ich sage Dir, Morose, Du mußt durchaus Religion mit ihm sprechen, oder Moral-Philosophie.

Amor. La Foole. Ja, und da hat man ein herrliches Buch voller Moral-Philosophie, von Reineke dem Fuchs und allen übrigen Bestien, welches man Doni's Philosophie nennt.Die Fabeln des Pilpay kamen schon im eilften Jahrhundert nach Europa. Aus dem Lateinischen übersetzte oder bearbeitete sie der bekannte Italiäner Doni, ein seltsamer, oft humoristischer, eigensinniger Autor, und nach diesem hatte T. North das Werk 1605 in das Englische übertragen, indem er es Doni's Moral-Philosophie nannte. Diese Fabeln werden hier mit dem Volksbuch von Sir Amorous verwechselt.

Centaur. Da habt Ihr Recht, Sir Amorous.

Morose. O Jammer!

Amor. La Foole. Ich habe das Buch, Mylady Centaur, meiner Muhme hier von Anfang bis zu Ende vorgelesen.

Mstrs. Otter. Ja, es ist ein so herrliches Buch, als unter den Modernen nur irgend eins sein kann.

Dohle. Still doch, den Seneka muß man ihm vorlesen, und den Plutarch, und die Alten, die Modernen passen sich nicht für diese Krankheit.

Clerimont. Ihr habt sie aber heute ebenfalls verachtet, Sir John.

Dohle. Ja, für manche Fälle, aber in dergleichen sind sie die besten, so wie auch Aristotheles Ethik.

Amsel. Wirklich, Sir John? Ich denke, Ihr irrt, Ihr habt das nur auf Glauben angenommen.

Hochmuth. Wo ist die Gläubig, meine Kammerfrau? Ich will dem Streite gleich ein Ende machen. Ich bitte Dich, Otter, rufe sie her; ihr Vater und ihre Mutter waren beide toll, als sie sie zu mir brachten.

Morose. Das denk' ich. Nun, meine Herren, ich bin zahm. Ich weiß ja, das ist nichts weiter als eine Feierlichkeit, eine Hochzeits-Ceremonie, und ich muß es überstehn.

Hochmuth. Und einer von beiden (ich weiß aber nicht wer) wurde mit des kranken Mannes Salbe kurirt und der andre mit Green's für einen Groschen Witz.Des kranken Mannes Salbe, von einem kalvinischen Theologen 1591 herausgegeben. Ein sehr beliebtes Erbauungsbuch.

Oefter erscheint R. Green, der schon 1592 gestorben war, in Ben. Jonsons Schriften. Ein Beweis, wie lange dieser unglückliche und talentvolle Autor populär war. Die Schrift heißt: »Ein Groschen werth Witz gekauft durch eine Million Reue,« die der Arme noch auf seinem Todbette vollendete; ein kurzer Abriß seines Lebens, moralische Betrachtungen und tiefe Reue über ein verlornes Dasein. Das Büchelchen ist nicht groß, aber gut geschrieben. Wenn man es kennt, macht es einen unangenehmen Eindruck, daß Jonson es hier so unbedingt der Verachtung Preis geben will.

Gutwitz. Eine wohlfeile Kur, Madam.

Hochmuth. Ja und leicht auszuführen.

Mistreß Otter, die mit Mistreß Gläubig hereinkommt.

Mstrs. Otter. Mylady hat Euch gerufen, Mistreß Gläubig, Ihr sollt einen Streit entscheiden.

Hochmuth. O Gläubig, wer war es doch, Euer Vater oder Eure Mutter, die mit des kranken Mannes Salbe kurirt wurde?

Gläubig. Meine Mutter, Madam, mit der Salbe.

Gutwitz. So war sie ja der kranken Frau Salbe.

Gläubig. Und mein Vater mit »für einen Groschen Witz.« Es wurden auch noch andre Mittel gebraucht; wir hatten einen Prediger, der alle Leute in den Schlaf predigte, so wurde ihnen denn von einer alten Frau, die ihr Doktor war, vorgeschrieben, dreimal wöchentlich in die Kirche zu gehn –

Epicoene. Um zu schlafen?

Gläubig. Allerdings, und jeden Abend lasen sie sich denn mit diesen Büchern in den Schlaf.

Epicoene. Warlich, das läßt sich mit der Vernunft begreifen. Wüßt' ich doch, wie ich diese Bücher bekommen könnte!

Morose. O!

Amor. La Foole. Mit dem einen kann ich Euch aushelfen, Mistreß Morose, mit für einen Groschen Witz.

Epicoene. Aber so werde ich Euch berauben, Sir Amorous, könnt Ihr es entbehren?

Amor. La Foole. O ja, für eine Woche oder so recht gut; ich will es ihm selber vorlesen.

Epicoene. Nein, das muß ich thun, Sir, das ist meine Pflicht.

Morose. O! O!

Epicoene. Es würde ihm gewiß gut bekommen, wenn er schlafen könnte.

Morose. Nein, es würde mir gut bekommen, wenn Ihr schlafen könntet. Habe ich denn keinen Freund, der sie betrunken machen will, oder ihr etwas Laudanum oder Opium geben?

Gutwitz. Ach, Sir, im Schlafe spricht sie noch zehnmal ärger.

Morose. Wie?

Clerimont. Habt Ihr das nicht gewußt, Sir? die ganze Nacht hindurch.

Gutwitz. Und schnarcht wie ein Igel.

Morose. O erlöse mich, Schicksal! Schicksal, erlöse mich! Auf wie mancherlei Ursachen kann ein Mann geschieden werden, Neffe?

Dauphine. Das weiß ich in Wahrheit nicht, Sir.

Gutwitz. Das muß Euch ein Theologe sagen können, oder ein Rechtsgelehrter.

Morose. Ich will nicht ruhen, ich will auf keine Hoffnung, auf keinen Trost denken, bis ich das weiß.

Clerimont. Der arme Mann!

Gutwitz. Ihr werdet ihn wirklich toll machen, Lady's, wenn Ihr so fortfahrt.

Hochmuth. Nein, jetzt wollen wir ihn zu Athem kommen lassen, etwa auf eine Viertelstunde.

Clerimont. Bei meiner Seele, eine gewaltige Pause!

Hochmuth. Ist das sein Verwalter, der mit ihm ging?

Dohle. Sein Neffe, Madam.

Amor. La Foole. Sir Dauphine Eugen.

Centaur. Er sieht recht aus, wie ein armseliger Ritter –

Dohle. Was er auch wohl sein mag, diese Heirath hat ihn um alles gebracht.

Amor. La Foole. Er hat keinen Pfennig in der Tasche, Madam –

Dohle. Das Heulen ist ihm den ganzen Tag über nah.

Amor. La Foole. Ein rechter Lump. Neulich Abend setzte er mich beim Primero in Kontribution.

Gutwitz. Wie die Elstern schwatzen!

Clerimont. Ja, Otters Wein hat ihre Verwegenheit zur äußersten Höhe getrieben.

Hochmuth. Liebe Morose, laß uns wieder hineingehn, Deine Sofa's gefallen mir außerordentlich, wir wollen uns hinlegen und schwatzen.

Es gehen ab Hochmuth, Centaur, Amsel, Gläubig, Amourous und Dohle.

Epicoene. Ich folge Euch, Madam. Geht ihnen nach.

Gutwitz, indem er sie zurück hält. Bei meiner Seele, sie sollen so stumm wie die Thürpfosten werden! Hört doch, Lady Braut! Ich bitte Dich jetzt, wenn Du eine edle Frau sein willst, so setze doch drinnen das Gespräch über Dauphine fort, aber lobe ihn ganz außerordentlich, mahle seine Verdienste so glänzend, als es Deine Liebe nur immer kann; ich habe einen Plan darauf gebaut, und so treibe diese beiden Gimpel, Hans Dohle und seinen Kameraden mißvergnügt hieher und ich will Dich beständig verehren.

Epicoene. Ich hatte es mir schon vorgenommen, denn es verdroß mich in der Seele, als sie anfingen, so lästerlich über ihn zu sprechen.

Gutwitz. Ich bitte Dich, setz' es in's Werk, und Du gewinnst mich dadurch auf ewig zu Deinem Bewunderer.

Epicoene. Wollt Ihr mit hinein kommen und mir zuhören?

Gutwitz. Nein, ich will hier bleiben, treibe sie nur aus der Gesellschaft fort, das ist alles, was ich verlange, und das kann nicht besser geschehn, als wenn Du Dauphine sehr lobst, den sie so gelästert haben.

Epicoene. Ich steh' Euch dafür, den einen von ihnen sollt Ihr sogleich hier haben. Geht ab.

Clerimont. Wie dürfen die beiden unbefiederten Dinger so hinter die Lady's herjagen?

Gutwitz. Ja und auf solchen Adler wie Dauphine schießen.

Clerimont. Er wird unsinnig werden, wenn wir es ihm erzählen. Hier kommt er.



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