Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Zweite Scene.

Gutwitz mit einem Posthorn, und einem Stricke in der Hand, zu den Vorigen.

Gutwitz. Um Verzeihung, mein Herr, ich bin ein Fremder hier; seid Ihr der Herr Morose? – Seid Ihr der Herr Morose? – Fische? – Beide Pythagoräer? das ist seltsam! – Was sagt Ihr, mein Herr? Nichts? Ist Harpocrates mit seiner Keule hier zwischen Euch gewesen? Gut, Sir, ich will für's erste glauben, daß Ihr der Mann sein mögt; ich will meinen Auftrag an Euch richten, Sir. Eure Freunde am Hofe empfehlen sich Euch Sir –

Morose. O Menschen! o Menschlichkeit! hat man je solche Unverschämtheit gesehn?

Gutwitz. Und sind Eurentwegen, Sir, in unendlicher Besorgniß.

Morose. Wessen Schurke seid Ihr?

Gutwitz. Mein eigner und Euer Kamerad.

Morose. Hol' mir meinen Degen –

Gutwitz. Ihr sollt die eine Hälfte meines Dolches, und Ihr, Kerl, die andre Hälfte kosten, wenn Ihr Euch rührt: seid ruhig, im Namen des Königs, und hört mich an, ohne zu rebelliren. Man sagt, Ihr wollt Euch verheirathen! – Verheirathen! hört Ihr, Sir?

Morose. Und was weiter, Du wilder Gesell?

Gutwitz. Warlich, Sir, Eure Freunde wundern sich sehr, da Ihr die Themse so nahe habt, wo Ihr Euch so allerliebst ersäufen könnt; oder die Londner Brücke, von wo ihr Euch mit einem kleinen Sprunge in den Strom hinein werfen mögt; oder solchen angenehmen Kirchthurm, wie Bow, von wo Ihr springen könnt; oder die ansehnlichere Höhe von Pauls. Oder wollt Ihr es zu Hause, und kürzer, verrichten, so habt Ihr ein treffliches Dachfenster auf die Straße hinaus: oder einen Balken in dem nämlichen Fenster, nebst diesem Strick, Er giebt ihm einen Strick. welchen sie Euch mit der Bitte übersenden, Euer ehrwürdiges Haupt lieber diesem Knoten, als der Eheschlinge zu vertrauen, oder ein Bischen Sublimat zu nehmen und wie eine Ratte aus der Welt zu gehn, oder wie eine Fliege wie einer sagte mit einem Strohhalm im Hintern: auf jede Art lieber, als daß Ihr diesem Kobolde, Heirath, nachgeht. Ach, Sir, glaubt Ihr denn in diesen Zeiten ein keusches Weib zu finden? Heut zu Tage? Wo es so viele Masken, Schauspiele, Puritanische Versammlungen, Tollheiten und andere dergleichen seltsame Dinge giebt, die täglich, sowohl geheim wie öffentlich vorgehn? Hättet Ihr zu den Zeiten des Königs Ethelred gelebt, oder Edwards des Bekenners, da hättet Ihr vielleicht in einer kalten Dorfhütte irgend ein dummes frostiges Ding gefunden, das sich mit Einem Manne begnügt hätte: jetzt aber sind sie eben so leicht mit einem Beine oder mit einem Auge zufrieden. Ich will Euch nun, Sir, alle die ungeheuren Gefahren schildern, die Euch mit einem Weibe bevorstehn.

Morose. Lieber Herr, habe ich je Eure Freunde um ihre Ländereien betrogen? Ihre Besitzthümer an mich gebracht? Ihre verpfändeten Grundstücke verwirken lassen? Ihre Nachkommen für Bastarde erklärt? Was habe ich gethan, wodurch ich dieses verdient hätte?

Gutwitz. Nichts, mein Herr, das ich wüßte, außer Eurem Kitzel zu heirathen.

Morose. Wie? Hätte ich Euren Vater hinterlistig ermordet, Eure Mutter geschändet, Eure Schwestern genothzüchtigt – –

Gutwitz. Ich würde Euch umbringen, Sir, ich würde Euch umbringen, wenn Ihr das gethan hättet.

Morose. Ei, Ihr thut hierdurch mehr; es wäre eine hundertfältige Rache für alle möglichen Verbrechen, die nur genannt werden können, das zu thun, was Ihr thut. –

Gutwitz. Lieber Herr, ich bin nichts als ein Bote, ich sage Euch nur, was Ihr hören müßt. Es scheint, Eure Freunde sind für das Wohl Eurer Seele besorgt, und wünschen, daß Ihr die Gefahr kennen lernt; (aber Ihr mögt demohngeachtet thun, was Euch gefällt, Sir, ich überrede zu nichts.) Wenn nun Euer Weib, nachdem Ihr verheirathet seid, mit einem Luftspringer wegläuft, oder mit einem Französischen Seiltänzer, oder einem Possenreißer, oder einem Fechter, wegen der Geschicklichkeit, seine Waffe zu führen; gut, so ist es nicht Ihre Schuld, Sie haben Ihr Gewissen gereinigt, wenn Ihr erfahren habt, was sich zutragen kann. Nein, erduldet es heldenmüthig, Sir, denn ich muß Euch nun alle die Gefahren schildern, die Euch mit einem Weibe bevorstehn. Ist sie schön, jung und gesund, so kann kein Zuckerwerk mehr Fliegen herbeiziehn; alle gelben Wämmser, alle großen Rosen aus der Stadt werden sich bei ihr finden. Ist sie häßlich und verwachsen, so wird sie Ihnen nachgehn und sich diese Wämmser und Rosen kaufen. Ist sie reich und Ihr heirathet ihre Mitgift, nicht sie, so wird sie im Hause mit allem Ungestüm einer Wittwe herrschen. Ist sie von Adel, so wird ihre ganze Verwandtschaft Euch tyrannisiren. Ist sie fruchtbar, so ist sie so stolz wie der Mai, und so launig, wie der April, sie muß ihre Doktors, ihre Wehmütter, ihre Ammen, ihre Gelüste in jeglicher Stunde haben, und wäre es selbst der kostbarste Bissen, ein Mann. Ist sie gelehrt, so hat es noch nie einen solchen Papagai gegeben, Euer ganzes Vermögen reicht nicht zu, alle die Gäste zu bewirthen, die sie müssen Latein und Griechisch sprechen hören, ja ihr müßt noch dazu in diesen Sprachen bei ihr liegen, wenn Ihr ihr gefallen wollt. Ist sie heilig, so müßt Ihr einen Tag um den andern alle stummgemachten Brüder bewirthen, alle Schwestern grüßen, die ganze Familie, die ganze Sippschaft unterhalten, ihre langgesponnenen Andachtsübungen, ihre Gesänge, ihr Katechisiren mit anhören, dem Ihr nicht ergeben seid und doch vieles dafür geben müßt, um der andächtigen Matrone, Eurem Weibe, zu gefallen, die Euch, zum Besten der heiligen Sache, über und über betrügen wird. Ihr fangt an zu schwitzen lieber Herr, aber das ist wahrhaftig noch nicht die Hälfte; demohngeachtet mögt Ihr, wie ich schon sagte, Eurem Vergnügen folgen, ich komme nicht, um Euch zu überreden. Wahrhaftig, Ihr Herr Bedienter, wenn Ihr Euch rührt, so gebe ich Euch eins.

Stumm schleicht sich fort.

Morose. O, was ist mein Verbrechen? Was ist mein Verbrechen?

Gutwitz. Wenn Ihr nun Eure Frau liebt, oder sie wohl gar anbetet, o wie wird sie Euch da peinigen! welch Vergnügen wird sie in Euren Martern finden! Dann dürft Ihr nur bei ihr liegen, wenn es ihr gefällt; sie will ihre Schönheit, ihre Farben nicht verderben, oder sie muß dieses Juweel, jene Perle dafür haben, wenn sie es thun soll, und das Vergnügen jeder halben Stunde muß wieder von neuem erkauft werden, und wieder mit derselben Mühe und Last, womit Ihr sie zum erstenmale gewannet. Dann müßt Ihr nur Gesinde halten, das ihr gefällt, Gesellschaft, die sie will, der Freund darf Euch nicht ohne ihre Erlaubniß besuchen, und wen sie am meisten liebt, den wird sie scheinen am giftigsten zu hassen, um Eure Eifersucht abzulenken, oder sie wird sich stellen, als wäre sie auf Euch eifersüchtig, deswegen wird sie zu einer Freundin ziehn, zu einer Muhme, im Kollegium, die unterrichtet sie dann in den Geheimnissen Briefe zu schreiben, das Gesinde zu verderben, Spione abzurichten; auch muß sie ein reiches Kleid für diesen Festtag haben, ein anders für den nächsten, noch ein reicheres für den dritten, sie muß von Silber speisen, ihr Zimmer muß mit Vorreitern, Läufern, Bedienten und andern Aufwärtern angefüllt sein, außerdem mit Stickern, Juwelierern, Putzmacherinnen, Nähterinnen, Federhändlern, Parfümverkäufern, indeß sie nicht fühlt, wie die Ländereien fortfließen, wie die Aecker schmelzen; sie bemerkt den Tausch nicht, wenn der Kaufmann Eure Wälder für ihre Sammtkleider hat, sie erwägt nicht, was ihr Stolz kostet, wenn sie nur einen Pagen küssen kann, oder eine weiche Haut, die noch keinen Bart fühlt, wenn sie nur eine Staatsdame ist und alle Neuigkeiten weiß, was zu Salisbury vorfiel, was zu Bath, am Hofe, auf der Reise des Königs; oder wenn sie nur Dichter, Autoren und Schreibarten beurtheilen und mit einander vergleichen kann, Daniel mit Spenser, Jonson mit den andern Menschen,Dem unbefangenen Leser werden mehr wie einmal Stellen in Ben. Jonsons Schauspielen aufstoßen, die er auf Shakspeare deuten muß. Dies thaten seit Rowe alle Kommentatoren Shakspears, am meisten, und zu oft Malone und Steevens, denn sie fanden Anspielungen, bittre und hämische, selbst in den harmlosesten Ausdrücken oder Einfällen. Sie verwandelten ihre Erläuterung in eine Anklage des Ben. Jonson; und Gifford, der neuste und gelehrte Herausgeber des letzten Dichters, nimmt nun wieder die Sache des Jonson nicht nur als Advokat, sondern selbst als Sophist auf, und läugnet jeden Zwiespalt zwischen diesen Autoren, ja ist, aus Vorliebe eines Editors, eher geneigt, dem Shakspeare die Schuld zuzuwälzen. So meinte denn Malone, hier sei wieder Shakspeare gemeint, worüber Gifford in seinem Jonson auf seine gewöhnliche Art zürnt. Daß Jonson den Daniel lächerlich macht, läßt sich in seinen Werken nachweisen, er findet ihn flach und seicht. Die Stelle lautet im Original: or, so she may censure poets, and authors, and styles, and compare them; Daniel with Spenser, Jonson with the other youth, and so forth. – Im Jahre 1609, in welchem das stille Frauenzimmer gespielt wurde, war Jonson im 36sten und Shakspeare in seinem 46sten Jahre: mit welchem Sinne, sagt Gifford, kann man einen Mann dieses Alters youth, Jüngling, jungen Mann, nennen? Er nimmt daher an, Jonson habe etwa den Marston hier im Sinne gehabt. Hätte youth hier die gewöhnliche Bedeutung, so könnte weder Streit noch Argwohn statt finden, und es könnte nur sonderbar scheinen, daß Jonson, der das reife Alter schon erlangt hatte, sich selber youth nennt. Da aber alle Lexica und Glossare bisher höchst unvollständig sind, so hat weder Dr. Johnson noch Nares bemerkt, daß youth auch eine Zeitlang eine Nebenbedeutung hatte, um Geringschätzung, Verachtung auszudrücken. Diese Nuance des Wortes entstand wohl aus jener Zeit und erlosch bald wieder. In Rollo, von Fletcher, als der Koch, Kellermeister, und andre, die nicht mehr jung sind, zur Hinrichtung geführt werden, (A. III. Sc. II.) sagen die Jungen, die zuschauen: Are these the youths? Und der Koch (der in einer früheren Scene father genannt wird) antwortet: These are the youths you look for. – Am deutlichsten aber ergiebt sich diese Bedeutung aus Ben. Jonson selber, und es ist zu verwundern, daß sie Gifford dort, im Bartholomäus-Jahrmarkt, übersehen hat. Dieses vortreffliche Stück (1614 gespielt) hat eine satyrische Einleitung, wie sie Jonson liebte. Ein alter Bühnen-Unternehmer, der schon 1588 und früher, zu Tarltons Zeiten, hat Schauspiele aufführen lassen, tadelt den Dichter im Voraus, und nimmt die Possen und Seltsamkeit der alten Zeit in Schutz: der Souffleur tritt unwillig auf, und verjagt den alten Schwätzer, indem er sagt: Away, rogue, it's come to fine degree in these spectacles, when such a youth as you pretend to a judgment. – In unserm Text geht der Ausdruck darum auch wohl auf Daniel zurück (the other youth), und soll nicht Jonson bezeichnen. – Uebrigens verglichen die kritischen Kämpfer jener Tage häufig Jonson und Shakspeare, und in den Schulen, die sie bildeten, war der Streit, wer der vorzüglichere sei. und so weiter; oder in Kontroversen ihre Gelehrsamkeit zeigen, in den verwickeltsten Knoten der Theologie, wenn sie nur oft genug sagen kann: dies ist der Streitpunkt; und dann zur Mathematik übergehn, zu Demonstrationen und Antworten, mit diesem Religion, mit dem Zweiten Staatssachen, mit dem Dritten Liederlichkeit sprechen.

Morose. O! o!

Gutwitz. Alles dieses ist sehr wahr, mein Herr. Und dann geht sie verkleidet zu einem Beschwörer, oder einer weisen Frau, wo ihre erste Frage ist: wie bald Ihr sterben werdet? Die nächste, ob ihr Freund sie liebt? Darnach, ob sie einen neuen Freund bekommen werde? Wie viele sie noch haben wird? Welcher aus ihrer Familie am besten zum Kuppler taugt? Die Antworten hierauf notirt sie sich und glaubt mehr daran, als an die Schrift. Oder, sie studirt die Kunst wohl selber.

Morose. Mein sehr werther Herr, seid Ihr fertig? Habt Ihr Eure Lust an mir gebüßt? Ich will mir diese Dinge überlegen.

Gutwitz. Ja, Sir, und hierauf kommt sie von Hitze und Schweiß dampfend nach Hause, weil sie zu Fuß gegangen ist, und kommt dann in Wochen mit einem neuen Gesicht, das ganz aus Oehl und Vogelleim besteht; in Eselsmilch verjüngt sie sich, und ist durch eine neue Schminke endlich vollkommen hergestellt. Nun Gott befohlen. Noch eins, was ich beinahe vergessen hätte: diejenige, mit der Ihr Euch verheirathen wollt, kann vielleicht auch ihre Jungfrauschaft schon in der Vorhand ausgespielt haben, wie kluge Wittwen ihr Vermögen, ehe sie heirathen, irgend einem Freunde anvertrauen; wer kann das wissen? Oder wenn sie es nicht schon gethan hat, so kann sie es noch am Hochzeitstage thun, oder den Abend vorher, und Euch im voraus zum Hahnrei machen. Man hat dergleichen schon in der Welt gehört. Ein solches Ding ist nichts Unmögliches, Sir. Gott befohlen, ich bin so frei, Euch das Seil als ein Andenken hier zu lassen. Lebe wohl, Stumm!

Er geht, das Horn wird wieder geblasen.

Morose. Komm, bringe mich in meine Kammer, aber erst verschließe die Thür. O, verschließ die Thür! verschließ die Thür! Ist er wieder gekommen?

Bartschneider, tritt herein. Ich bin es, Sir, Euer Barbier.

Morose. O Bartschneider, Bartschneider, Bartschneider! Hier ist ein Schneiderhals bei mir gewesen! Hilf mir in mein Bett, und gieb Arznei und Rath. Sie gehn ab.



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