Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Vierter Akt.

(In Morose's Hause.)


Erste Scene.

Gutwitz, Clerimont.

Gutwitz. Ward jemals ein armer Bräutigam, oder irgend ein Mensch so gemartert?

Clerimont. Ich habe von dergleichen noch nie in den Chroniken des Landes gelesen.

Gutwitz. Er muß nothwendig nach allem diesen Fegefeuer in die Wohnung der Ruhe eingehen.

Clerimont. Er hat Anspruch darauf, wie ich glaube.

Gutwitz. Das Schneuzen, Husten, Lachen, Niesen, Tanzen, Lärmen des Musik, und ihr männlicher und gebietender Ton, womit sie seiner ganzen Haushaltung befiehlt, macht ihn glauben, daß er eine Furie geheirathet habe.

Clerimont. Und sie führt es herrlich durch.

Gutwitz. Ja, sie ergreift jede Gelegenheit, um zu sprechen, das ist das Herrlichste dabei.

Clerimont. Und wie treuherzig ihn Dauphine zu überreden sucht, daß es kein angelegter Plan von ihm sei.

Gutwitz. Er hat ihn beinahe zu der Ueberzeugung gebracht. Hier kommt er. Dauphine tritt ein. Wo ist er jetzt? Was ist aus ihm geworden, Dauphine?

Dauphine. O laßt mich einen Augenblick zu Athem kommen, sonst richtet mich der Spaß zu Grunde! Er hat sein ganzes Nest von Schlafmützen aufgesetzt, und sich ganz oben im Hause verschlossen, so hoch er nur immer dem Lärmen entrinnen kann. Ich kuckte durch einen Spalt hinein, und sah ihn oben auf einem Queerbalken des Daches sitzen, wie jener auf des Sattlers Pferde in Fletstreet, grad aufrecht, und so will er dort schlafen.

Clerimont. Wo sind aber die Kollegen-Damen?

Dauphine. Die sind mit der Braut in ein besonderes Zimmer gegangen.

Gutwitz. Sie unterrichten sie in der Kollegiums-Grammatik, wenn sie nun Gnade vor ihnen findet, so wird sie alle ihre Geheimnisse erfahren.

Clerimont. Mir däucht, die Lady Hochmuth sieht heut gut aus, ob ich sie gleich Morgen so verachtete. Ich werde noch zu Deiner Meinung übergehn, Gutwitz.

Gutwitz. Glaube nur, daß ich Recht habe. Weiber müssen die Lücken, die Zeit und Jahre in ihrer Gestalt gemacht haben, durch den Anzug wieder herstellen, und eine verständige Frau, wenn sie nur den allerkleinsten Fehler an sich gewahr wird, wird sogleich die größte Sorgfalt anwenden, ihn zu verbergen, und das ziemt sich auch. Ist sie kurz, so muß sie viel sitzen, daß man nicht glaubt, sie sitze, wenn sie steht. Hat sie einen großen Fuß, so muß ihr Rock um so länger und ihr Schuh um so dünner sein; hat sie eine plumpe Hand und verdorbene Nägel, so muß sie nie vorlegen und immer in Handschuhen handthieren. Hat sie einen unangenehmen Athem, so muß sie niemals nüchtern ein Gespräch führen und immer nur in einer gewissen Entfernung sprechen. Hat sie schwarze und unebne Zähne, so muß sie nur selten lachen, vorzüglich wenn sie aus vollem Halse zu lachen pflegt.

Clerimont. O, es giebt Weiber, die so lachen, daß man glaubt, sie wiehern, so widerwärtig –

Gutwitz. Ja und andere, die wie ein Strauß daher wandeln und ungeheure Schritte nehmen. Dergleichen ist mir unausstehlich. Ich liebe die Zierlichkeit in den Füßen und die Melodie in der Stimme, dies sind Annehmlichkeiten, die oft eben so stark reizen, wie das Gesicht.

Dauphine. Wie kamst Du dazu, diese Geschöpfe so genau zu studiren? Ich wollte, Du nähmst mich zu Deinem Schüler an.

Gutwitz. Ja, aber dann mußt Du nicht einen Monat hintereinander auf Deiner Stube über den Amadis von Gallien, oder dem Don Quixote sitzen, wie Du wohl pflegst; Du mußt hingehen, wo Du Welt findest, an den Hof, die Turniere, Aufzüge, Schauspiele und mitunter die Kirchen besuchen: da kommen sie hin, ihre neuen Kleider zu zeigen, um zu sehn und gesehn zu werden. An diesen Oertern findet ein Mann diejenige, welche er liebt, mit welcher er spielt, die er einmal berührt und die er für immer behält. Die Mannichfaltigkeit beschäftigt hier sein Urtheil. Ein Mädchen kommt einem Mann zu gefallen nicht von der Decke herunter, wenn er sitzt und eine Pfeife Taback raucht: er muß hingehen, wo sie ist.

Dauphine. Ja und ihr doch nie nahe kommen.

Gutwitz. Du Ketzer! Für diesen Unglauben verdientest Du, daß es Dir so schlimm ginge.

Clerimont. Er hat Recht, Dauphine.

Dauphine. Wie so?

Gutwitz. Ein Mann sollte niemals zweifeln, ein Weib zu gewinnen. Glaubt er sie nur zu besiegen, so wird er es auch; denn wenn sie auch Nein sagen, so ist doch ihr Wunsch versucht zu werden. Penelope selbst kann nicht auf lange widerstehn; Ostende, wie Ihr saht, wurde endlich eingenommen.Es geschahe 1604, nach einer dreijährigen Belagerung. Ihr müßt nur ausdauern und Euren Vorsatz nicht fahren lassen. Sie würden um uns werben, wenn sie sich nicht schämten: darum wünschen sie im Herzen, daß wir uns um sie bewerben sollen. Lobe sie, schmeichle ihnen, es wird Dir niemals an Beredtsamkeit oder Glauben fehlen: selbst die Keuscheste fühlt ein Vergnügen, auf diese Weise gekraut zu werden. Mit den Lobeserhebungen mußt Du Küsse vermischen; wenn sie die leiden, so werden sie auch mehr leiden, wenn sie sich auch vertheidigen, so wünschen sie doch überwunden zu werden.

Clerimont. Doch muß sich ein Mann nie der Gewalt bedienen.

Gutwitz. Sie ist ihnen ein willkommener Zwang und vertritt oft die Stelle der größten Höflichkeit. Diejenige, die Ihr hättet bezwingen können und laßt sie gehen, ohne sie zu berühren, wird Euch dem Scheine nach danken, aber Euch zeitlebens hassen; wenn sie auch mit dem Gesichte lacht, so ist sie doch außer allem Zweifel von Herzen betrübt.

Clerimont. Doch können nicht alle Weiber auf Eine Art gefangen werden.

Gutwitz. Das ist gewiß, so wenig wie alle Vögel, oder alle Fische. Erscheint Ihr einer Unwissenden gelehrt, oder einer Traurigen fröhlich, einer Einfältigen witzig, so kommen diese sogleich darauf, sich selber nicht zu trauen. Ihr müßt in ihrer eignen Höhe, in ihrer Linie die Approchen machen, denn das Gegentheil bringt viele dahin, Nichtswürdigen in die Arme zu laufen, weil sie sich edlen und würdigen Leuten zu vertrauen fürchten. Liebt sie den Witz, so gebt ihr Verse, wenn Ihr sie auch von einem Freunde borgen, oder sie bezahlen solltet, um gute zu haben. Liebt sie Tapferkeit, so sprecht von Eurem Degen und erzählt häufig von Händeln, wenn Ihr auch nie gefochten habt. Will sie Berührigkeit, so zeigt Euch oft auf Eurem Barber, oder springt über Stühle weg, um von Eurem Rücken eine gute Meinung zu erwecken. Liebt sie gute Kleider und Putz, so müßt Ihr jeden Morgen eine gelehrte Versammlung um Euch haben, einen französischen Schneider, Barbier, Wäscher: Eure Puderschachtel, Euer Spiegel und Euer Kamm müssen Euer häufigster Umgang sein. Sorgt mehr für den Schmuck als die Sicherheit Eures Kopfes, und seht lieber den Staat als eins Eurer Haare in Verwirrung. Das muß sie gewinnen. Ist sie aber geizig und habsüchtig, so versprecht ihr alles, gebt aber nur sparsam, um ihren Appetit immer wach zu erhalten. Ihr müßt nur so wie ein unfruchtbares Feld zu geben scheinen, das nur wenig einträgt; oder wie ein unglücklicher Würfel den thörichten und hoffnungsvollen Spielern. Schenkt Kirschen, wenn sie die Jahrszeit bringt, oder Aprikosen, und sagt, man hätte sie Euch vom Lande geschickt, wenn Ihr sie auch in Cheapside gekauft habt. Bewundert ihren Anzug, preist sie in allen Trachten, vergleicht sie in jedem Kleide mit irgend einer Göttin, ersinnt liebliche Träume, um ihr zu schmeicheln, oder Räthsel; ist sie aber vornehm, so spielt in ihrer Gegenwart immer nur die zweite Rolle, lobt was sie lobt, seid von dem entzückt, was sie entzückt, und vergeßt nicht ihre Aufwärter und Bedienten, ja die ganze Haushaltung zu den Eurigen zu machen, und nennt sie alle bei ihrem Namen, (das ist ja nur wohlfeil, wenn Ihr sie dafür kaufen könnt) und nehmt ihren Arzt in Euren Sold, so wie ihr erstes Kammermädchen. Es wird auch nicht außer Eurem Vortheile liegen, dieser ebenfalls Eure Liebe zu erklären, nur muß sie den Freuden ihrer Dame folgen, nicht vorangehn; alles Schwatzen ist erstickt, wenn sie selber an dem Fehltritte Theil nimmt.

Dauphine. Auf welchem verliebten Schooß hast Du denn neulich geschlafen, daß Du so plötzlich ein so vollendeter Liebeskenner geworden bist?

Gutwitz. Wahrhaftig, ich sollte Dich lieber examiniren, der Du nach diesen Mysterien so forschest. Dein Eifer, Dauphine, wird mir verdächtig. Sage mir, bist Du wirklich verliebt?

Dauphine. Ich bin es, bei meiner Seele; es wäre thöricht, vor Dir zu heucheln.

Gutwitz. Und in wen? ich bitte Dich.

Dauphine. In alle Kollegen-Damen.

Clerimont. Pfui doch!

Gutwitz. Nein, er gefällt mir. Männer sollten verständig lieben, die eine wegen ihres Angesichts, und an ihr das Auge vergnügen, eine andere wegen ihrer Haut, und die mag das Gefühl vergnügen, eine dritte wegen ihrer Stimme, und die mag das Ohr vergnügen, und wo diese Gegenstände gemischt sind, mögen sich die Sinne ebenfalls vermischen. Es würde Dir vielleicht sonderbar vorkommen, wenn ich sie noch vor Abend alle in Dich verliebt machte.

Dauphine. Ich würde sagen, Du hättest den besten Liebestrank von der Welt und könntest mehr ausrichten, als Madam Medea, oder der Doktor Foreman.Ein Wahrsager, der besonders verlorne und gestohlne Sachen anzeigte, für einen Zauberer galt, und großen Zulauf, von gemeinen Leuten vorzüglich, hatte. Er wird oft erwähnt, von Ben. Jonson selbst in andern Schauspielen.

Gutwitz. Richt' ich es nicht aus, so laßt mich Zeitlebens für mein Essen den Marktschreier spielen, und den Kuppler für mein Getränk.

Dauphine. Dabei bleibt es, es sei so.



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