Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Akt.


Erste Scene.

Clerimont tritt auf, indem er sich ankleidet, ein Knabe.

Clerimont. Hast Du, Junge, den Gesang, den ich Dir gab, vollkommen inne?

Knabe. Ja, Sir.

Clerimont. Laß mich ihn hören.

Knabe. Gut, Sir, aber daß niemand weiter zuhört.

Clerimont Wie das?

Knabe. Weil es Euch sonst in der Stadt den gefährlichen Namen eines Poeten zuzieht, mir aber außerdem noch eine üble Begegnung in dem Hause der Dame, auf welche das Lied geht, wo ich jetzt, nächst einem Mann, das willkommenste Ding bin.

Clerimont. Ich glaube auch noch über einen Mann, wenn die Wahrheit aus Dir gefoltert würde.

Knabe. Ich will lieber vorher bekennen. Die Kammermädchen spielen mit mir und werfen mich auf's Bett, dann bringen sie mich zu ihrer Dame, die mich mit ihrem gemahlten Gesichte küßt, und mir eine Perücke aufsetzt: dann fragt sie mich, ob ich ihren Rock anziehn will, und ich sage Nein, und dann giebt sie mir eine Ohrfeige, und nennt mich unschuldig und läßt mich gehn.

Clerimont. Kein Wunder, daß die Thür für Deinen Herrn verschlossen ist, wenn sie Dir so offen steht. – Gut, Du sollst nicht mehr hinzugehn brauchen, sonst trifft es sich wohl noch, daß ich in vierzehn Tagen etwa Deine Stimme auf dem Fußboden in den Binsen meiner Dame suchen muß. Nun singe!

Gutwitz tritt herein.

Gutwitz. Ha! hier ist der Mensch, der seine Zeit verschwendet, und nichts davon fühlt! Außer dem Hause seine Dame, im Hause seinen Liebling, gutes Essen, hübsche Wohnung, schöne Kleider und seine Geige: dabei vergißt er, daß die Stunden beflügelt, die Tage von Pferden gezogen sind. Ei, mein lustiger Herr, würdet Ihr jetzt von der Pest befallen, oder solltet morgen hingerichtet werden, dann würdet Ihr jede Minute Eurer Zeit wägen, sie nach ihrem wahren Werthe schätzen, und alles dafür hingeben.

Clerimont. Nun, was soll man denn thun?

Gutwitz. Freilich, nichts, oder etwas, das, wenn es gethan ist, eben so weit führt. Sich nach dem nächsten Pferderennen, der ersten Jagdparthie erkundigen, Wetten anstellen, den Pfefferkorn, den Weißbein loben, auf die Weißmähne schwören, so laut sprechen, daß es die Lords hören, zu Abend die Lady's besuchen, um ihnen nach der Reihe alle Spieler des Bowlinggreen zu schildern. Das sind die Gegenstände, mit denen sich die Leute nach der Mode beschäftigen, und ich zur Gesellschaft mit.

Clerimont. Nun, wenn ich Deine Autorität für mich habe, so will ich mich auch noch nicht ändern. Komm, das andre wollen wir in Acht nehmen, wenn wir graue Köpfe und schwache Beine, feuchte Augen und eingeschrumpfte Glieder haben. Dann wollen wir darauf denken, dann wollen wir beten und fasten.

Gutwitz. Richtig, und nur die Zeit unsers Lebens dem Guten widmen, die wir aus Schwachheit nicht mehr zum Bösen anwenden können.

Clerimont. Dann ist es noch Zeit genug.

Gutwitz. Das ist, als wenn einer immer schlafen wollte, und meinen, er könnte am letzten Tage noch seine Sachen vor Gericht in Ordnung bringen. O Clerimont, weil diese Zeit ein unkörperliches Wesen ist und uns nicht in die Sinne fällt, so betrügen wir uns recht fein durch Eitelkeit und Armseligkeit selbst darum; es ist nicht unsre Absicht, der Thorheit ein Ende zu machen, sondern wir verändern nur ihren Gegenstand.

Clerimont. Wirst Du noch nicht aufhören –

Gutwitz. Erwäge nur, woran wir alle krank liegen! Mit welchem Rechte können wir uns beklagen, daß die Vornehmen sich nicht um uns kümmern, unsre Gesuche nicht so besorgen, wie wir es wünschen, da wir es selber nicht thun, da wir für uns weder sinnen noch denken?

Clerimont. Pfui! Du hast Plutarchs Moral eben gelesen, oder einen andern langweiligen Kerl, und es kleidet Dich unendlich schlecht. Bei Gott, es wird Deinen ganzen Witz zu Schanden machen; sprich von Nadeln, Federn, Lady's und dergleichen Sachen, und laß diese Stoischen Betrachtungen, bis Du Predigten schreibst.

Gutwitz. Gut, wenn es nichts verfangen will, so will ich auch von meiner Güte so wenig als möglich verlieren. Wahrhaftig, ich will keinem Menschen, wider seinen Willen, Gutes thun. Wann bist Du im Kollegium gewesen?

Clerimont. Was für ein Kollegium?

Gutwitz. Als wenn Du das nicht wüßtest!

Clerimont. Warlich nicht, ich bin erst gestern vom Hofe gekommen.

Gutwitz. Ist denn die Neuigkeit noch nicht dahin gelangt? Es ist eine neue Stiftung von Lady's hier in der Stadt errichtet, die sich die Collegiaten nennen, sie stehn zwischen den Hofleuten und Land-Damen und leben von ihren Männern, sie verstatten allen Willigen, oder allen Beau's, wie sie sie nennen, den Zutritt, erheben oder verwerfen, was ihnen in Erfindung oder Mode gefällt oder mißfällt, mit rechter Mannsartiger, oder vielmehr Hermaphroditischer Autorität, und jeden Tag gewinnen sie für ihr Kollegium einen andern Novizen.

Clerimont. Wer ist der Präsident?

Gutwitz. Die ehrwürdige und jugendliche Matrone, Lady Hochmuth.

Clerimont. Hol' der Henker ihr Herbstgesicht, ihre gestickte Schönheit! Kein Mensch wird zu ihr gelassen, bis sie fertig ist, bis sie sich gemahlt, geräuchert, gewaschen und gescheuert hat, der Junge hier ausgenommen, und an ihm wischt sie ihre geöhlten Lippen ab, wie an einem Schwamm. Ich habe ein Lied darauf gemacht, ich bitte Dich, hör' es an.

Page singt.
            So stets geputzt, schmuck überall,
        Als ginget ihr zu Fest und Ball,
        Gepudert stets, und parfumirt,
        Das, Lady, auf die Meinung führt,
        Daß, bleibt verborgen auch der Grund,
        Nicht schön ist alles, noch gesund.

            Gebt mir das Auge, das Gesicht,
        Das Anmuth strahlt, einfach und schlicht,
        Die Haare frei, fliegend das Kleid,
        Nachläßger Reiz mich mehr erfreut,
        Als Schmeichelei der Kunst je kann,
        Sie geht das Aug', das Herz nie an.

Gutwitz. Ich bin gerade der entgegengesetzten Meinung, ich liebe einen guten Anzug mehr als alle Schönheit in der Welt. O, dann ist ein Weib, wie ein lieblicher Garten; und es giebt darin nicht bloß eine Art; in jeder Stunde mag sie wechseln, sie mag oft ihren Spiegel um Rath fragen, und das Schicklichste auswählen. Hat sie schöne Ohren, sie zeige sie; schönes Haar, sie flecht' es auf; schöne Beine, sie trage kurze Kleider; eine schöne Hand, sie gebrauche sie oft; mag sie doch alle Kunst anwenden, den Athem zu verbessern, die Zähne rein zu machen, und die Augbraunen herzustellen, mag sie sich schminken und es kund geben.

Clerimont. Wie? öffentlich?

Gutwitz. Daß sie es thut, nicht wie sie es thut, denn das muß geheim bleiben. Viele Dinge, die sich im Thun häßlich ausnehmen, gefallen, wenn sie gethan sind. Eine Dame sollte wahrlich ihr Gesicht studiren, wenn wir in der Meinung sind, sie schläft; wenn die Thüren verschlossen sind, muß kein Mann hineindringen, denn dann ist alles drinne heilig. Kömmt es uns zu, zu sehn, wie sie ihre Perücken, ihre falschen Zähne, ihre Farbe, ihre Augenbraunen, ihre Nägel befestigen? Du siehst ja, wie die Vergolder auch nur eingeschlossen arbeiten. Es muß nie entdeckt werden, wie weniges, mit Kunst, zur Verschönerung von vielem hinreicht. Wie lange war nicht ein Vorhang vor Aldgate? wurde es wohl gelitten, daß das Volk die Liebe und die Barmherzigkeit der Stadt sahn, so lange sie noch aus rohem Stein bestanden, ehe sie angemahlt und polirt waren? Nein. Eben so wenig sollten die Liebhaber ihren Geliebten anders nahe kommen, als wenn sie fertig und vollendet sind.

Clerimont. Brav, Gutwitz!

Gutwitz. Und eine verständige Dame wird immer an dem Orte eine Wache halten, damit sie in Sicherheit arbeiten kann. Ich folgte einmal einem dummen Kerl in ein Zimmer, wo die arme Dame, übereilt und verwirrt, nach ihrer Perücke griff, um den kahlen Kopf zu bedecken, und sie verkehrt aufsetzte.

Clerimont. O abscheulich!

Gutwitz. Und der gewissenlose Kerl komplimentirte mit ihr in dem verkehrten Gesicht eine volle Stunde, indeß ich immer darauf wartete, sie sollte mit der andern Seite zu sprechen anfangen.

Clerimont. Ei, Du hättest ihr helfen sollen.

Gutwitz. Nein, ich ließ sie, wie wir diese Materie verlassen wollen, wenn es Dir gefällt, und zu einer andern übergehn. Wenn sahst Du Dauphine Eugen?

Clerimont. Seit drei Tagen nicht. Wollen wir diesen Vormittag zu ihm gehn? Er ist, wie ich höre, sehr melankolisch.

Gutwitz. An seinem Onkel krank? Nicht wahr? Ich begegnete diesem steifen Stücke von Förmlichkeit, seinem Onkel, gestern, mit einem dicken Turban von Schlafmützen auf dem Kopfe, über die Ohren geknöpft.

Clerimont. Ja, das ist seine Tracht, wenn er ausgeht. Er kann kein Geräusch vertragen.

Gutwitz. So hat man mir gesagt. Ist denn aber diese Krankheit an ihm wirklich so lächerlich, wie man sich erzählt? Er soll ja Traktaten mit den Fischweibern und Orangehökern abgeschlossen haben; es sollen Artikel zwischen ihnen festgesetzt sein; die Schornsteinfeger wollen sich nicht darein fügen.

Clerimont. Nein, auch nicht die Besenverkäufer. Einen Obsthändler kann er nicht ausstehn, er wird ohnmächtig, wenn er einen hört.

Gutwitz. Ein Schmid muß ihm schrecklich sein.

Clerimont. Wie jeder Eisenarbeiter. Ein Blechschläger darf nicht in dem Kirchspiel wohnen, eben so wenig ein Waffenschmid. Einen Zinngießer-Burschen wollte er an einem Fastendienstag hängen lassen, weil er sein Handwerk trieb, da alle übrigen feierten.

Gutwitz. Eine Trompete müßte ihm ein Entsetzen sein, oder ein Hoboe.

Clerimont. Zum unsinnig werden. Die Nachtwächter haben eine Pension von ihm, nicht in sein Viertel zu kommen. Dieser Junge spielte in einer Nacht die Rolle eines Mannes, der mit der Glocke herumgeht, und ließ nicht eher ab, bis er ihn in der Luft fechtend verließ.

Knabe. Ei werther Herr, er hat sich zur Wohnung eine Straße ausgesucht, die an beiden Seiten so eng ist, daß weder Kutschen, noch Karren, noch etwas ähnliches durch kann, das Geräusch macht: wir, die wir ihn lieben, bringen dann und wann etwas dergleichen hinein, um ihn im Athem zu erhalten. Er würde sonst gar zu starr werden, ohne Uebung würde seine Tugend rosten. Einen Bärenwärter bewog ich einmal, mit den Hunden von vier Kirchsprengeln den Weg zu nehmen, und ich danke ihm, daß er so gut war, er schrie sein Spiel unter des Herrn Morose Fenster aus, bis er heulend fortgeschickt wurde und sein Kopf dem Volke ein sehr blutiges Schauspiel gab. Ein andermal wurde einem Fechter, der nach seinem Verdienste ging, die Trommel sehr kläglich durch und durch gestoßen, der auf meine Veranstaltung den Weg durch diese Straße nahm.

Gutwitz. Brav, Kind! Wie hält er's denn mit den Glocken?

Clerimont. Zur Zeit der Königin ging er jeden Sonnabend um zehn Uhr, oder den Heiligen-Abend aus der Stadt, jetzt aber, bei der Epidemie, hat ihn das unaufhörliche Läuten auf die Erfindung gebracht, sein Zimmer mit doppelten Wänden und dreifachem Boden zu versehn, die Fenster dicht zugeschlossen und verstopft, da lebt er bei Kerzen-Licht. Er schickte in voriger Woche deswegen einen Bedienten fort, weil er neue Schuhe anhatte, die knisterten; sein jetziger wartet ihm nun in Socken auf, oder in Pantoffeln, mit Wolle versohlt, sie sprechen miteinander vermittelst einer Röhre. Sieh, wer da kommt.



 << zurück weiter >>