Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Dritte Scene.

(Zimmer bei Sir Dohle.)

Dohle, Clerimont, Dauphine, Epicoene.

Dohle. Nein, wenn sie nicht will, so mag sie sich weigern, es ist ihr eigner Schaden; mich kann es nicht kümmern. Man wird sie aber nicht alle Tage zu solchen Festen oder Gästen bitten.

Clerimont. O, sie wird sich gewiß nicht weigern: Heimlich zu Epicoene. – nämlich zu Hause zu bleiben, wenn Ihr Eure Ehre liebt. Warlich, Ihr seid nur dort eingeladen, um gesehn zu werden, damit die Damen des Kollegiums und ihre Schatten über Euch lachen können. Dieser Trompeter hat Euch ausgeboten.

Dauphine beiseit zu Epicoene. Ihr sollt nicht hingehn, man soll statt über Euch, über ihn lachen, daß er Euch nicht mitbringt, so daß er dann seine natürlichen Narrenstreiche ex tempore machen und laut schwatzen muß, um die Gesellschaft zufrieden zu stellen.

Clerimont. Er wird Verdacht schöpfen, wir müssen laut reden. – Ich bitte, Mistreß Epicoene, zeigt uns die Verse, wir haben die Erlaubniß des Sir John Dohle; verbergt nicht Eures Dieners Verdienst, so wie Eure eigne Verherrlichung.

Epicoene. Sie werden zur Verherrlichung meines Dieners ausschlagen, wenn er seine Erlaubniß so schnell gegeben hat.

Dauphine. Zur Verherrlichung seiner Eitelkeit.

Dohle. Zeigt sie, zeigt sie nur Mistreß, ich darf mich dazu bekennen.

Epicoene. Nun urtheilt selbst über die Verherrlichung.

Dohle. Ja, ich will sie noch dazu selber vorlesen, ein Autor muß seine eigenen Werke recitiren. Es ist ein Madrigal auf die Bescheidenheit.

        Schön und bescheiden, schön und gut sind nah
                                            Nachbaren ja –

Dauphine. Sehr gut.

Clerimont. Nicht wahr?

Dohle.
        Kein' edle Tugend war jemals allein,
                                            Zwei im Verein.

Dauphine. Unvergleichlich!

Clerimont. Diese Stelle noch einmal, ich bitte Sir John.

Dauphine. Es ist was ungemeines von Witz und Erfindung darin.

Clerimont. Still!

Dohle.
        Kein' edle Tugend war jemals allein,
                                            Zwei im Verein.
        Drum wenn ich will Bescheidenheit erheben,
                                            Muß Schönheit leben.
        Schönheit, Bescheidenheit zusamm erhoben,
                                            Heißt dich nur loben.

Dauphine. Vortrefflich!

Clerimont. Wie es klingt und am Ende zusammen klappt! Himmlisch!

Dauphine. Ja, ja, es ist Seneca.

Clerimont. Nein, ich meine, es ist Plutarch.

Dohle. Schade was um Plutarch und Seneca, ich hasse das; dies sind, bei diesem Lichte, meine eignen Erfindungen. Mich wundert, wie diese Menschen in solchem Ansehn bei gebildeten Leuten stehn.

Clerimont. Sie sind sehr achtungswürdige Schriftsteller.

Dohle. Achtungswürdige Esel! pure Versuche! Etliche unzusammenhängende Sentenzen, das ist alles! Man könnte seine ganze Lebenszeit hindurch so sprechen, in jeder Stunde spreche ich eben so gute Dinge, wie einer von ihnen, wenn man sie nur sammeln und bemerken wollte.

Dauphine. Wahrhaftig, Sir John?

Clerimont. Er muß wohl, da er mit den Witzigen lebt, und außerdem noch mit den Beau's.

Dauphine. Ja, und obenein der Präsident von ihnen ist.

Dohle. Da ist der Aristoteles, ein Bursche, der mit nichts als Gemeinplätzen zu thun hat, Plato, ein Schwätzer, Thucydides und Livius, langweilig und trocken, Tacitus, nichts als Knoten, mitunter der Mühe werth, sie aufzulösen, aber nur selten.

Clerimont. Was haltet Ihr von den Poeten, Sir John?

Dohle. Nicht werth, daß man sie Schriftsteller nennt. Homer, ein alter, langweiliger, umständlicher Esel, spricht von Gerbern und von Ochsenrücken. Virgil, vom Düngen und von Bienen. Horaz, was weiß ich, wovon.

Clerimont. Das denk' ich auch.

Dohle. Und eben so Pindarus, Lycophron, Anacreon, Catullus, Seneca, der Tragödienschreiber, Lucian, Propertius, Tibullus, Martial, Juvenal, Ausonius, Statius, Politian, Valerius Flaccus, und die übrigen –

Clerimont. Welch ein Sackvoll Namen steht ihm zu Gebote!

Dauphine. Und wie er ihn ausschüttet! Politian mit Valerius Flaccus!

Clerimont. Wurde nicht sein Charakter richtig geschildert?

Dauphine. So sehr es nur möglich war.

Dohle. Und Persius, ein verdrüßlicher Narr, nicht auszustehn!

Dauphine. Welche laßt Ihr denn nun für Schriftsteller gelten, Sir John?

Dohle. Syntagma juris civilis, Corpus juris civilis, Corpus juris canonici, des Königs von Spanien Bibel.

Dauphine. Ist des Königs von Spanien Bibel ein Schriftsteller?

Dohle. Ja und Syntagma.

Dauphine. Was war denn der Syntagma, Sir?

Dohle. Ein Rechtsgelehrter, ein Spanier.

Dauphine. Freilich, und Corpus war ein Holländer.

Clerimont. Ja, beide Corpusse, ich habe sie gekannt, sie waren sehr korpulente Schriftsteller.

Dohle. Und dann ist noch Catablus, Pomponatius, Symancha; die übrigen verdienen nicht, daß ein Gelehrter nur an sie denkt.

Dauphine. Bei Gott, Ihr habt einen sehr gelehrten Diener, Lady, beiseit. in Titeln.

Clerimont. Mich wundert nur, daß ihn die Regierung nicht als Rath beruft.

Dauphine. Er ist ganz außerordentlich.

Clerimont. Aber ordentlich gesprochen, dem Staat fehlt es, die Wahrheit zu sagen, an solchen Leuten.

Dauphine. Es wird sich schon noch finden.

Clerimont. Ich wundre mich, wie sich eine Dame bei den Vorzügen eines solchen Dieners so still verhalten kann.

Dohle. Das ist ihre Tugend, Sir. Ich habe auch etwas über ihr Schweigen geschrieben.

Dauphine. In Versen, Sir John?

Clerimont. Wie anders?

Dauphine. Wie könnt Ihr aber das rechtfertigen, daß Ihr selber ein Poet seid und doch die alten Poeten so verachtet?

Dohle. Nicht jedermann, der Verse schreibt, ist darum ein Poet; Ihr kennt ja Witzige, die in Versen schreiben und darum doch keine Poeten sind; Poeten sind nur, die davon leben, jene armseligen Gesellen, die davon leben.

Dauphine. Wie? möchtet Ihr nicht durch Eure Verse leben, Sir John?

Clerimont. Nein, das wäre Schade um ihn. Ein Ritter durch seine Verse leben! Ich hoffe nicht, daß er sie zu dem Endzweck machte.

Dauphine. Und doch lebt der edle Sidney durch die seinigen, und die edle Familie schämt sich dessen nicht.

Clerimont. Er bekennt sich aber auch dazu, doch Sir John Dohle hat mehr Rücksichten: er wird durch dergleichen nicht seinen Ansprüchen auf das Staatsruder in den Weg treten. Meint Ihr, daß er so unvorsichtig sein sollte? Eure Verse, guter Sir John, sind keine Gedichte.

Dohle.
        Beim Weibe Schweigen ist wie Sprach' am Mann,
                                                    Läugn' es, wer kann!

Dauphine. Ich nicht, warlich nicht. Aber Euren Grund, Sir.

Dohle.
                                              Auch ist es klar,
        Daß weiblich Laster Männer-Tugend war,
        Und männlich Laster Weiber-Tugend sei;
                                              Bald seht Ihr's frei
                                              Sich wachsend zeigen,
        Ich weiß zu sprechen, stille sie zu schweigen.

Habt Ihr mich begriffen?

Dauphine. Nein, warlich nicht, was meint Ihr mit wachsend zeigen, Sir John?

Dohle. Dieses Wachsend ist, wenn ich ihr wegen der gewöhnlichen menschlichen Ursach den Hof mache, und sie nichts sagt, doch consentire videtur, und sich zu ihrer Zeit gravida befindet.

Dauphine. So ist es ja eine Ballade auf die Fortpflanzung.

Clerimont. Nein, Ihr irrt, ein Madrigal auf die Fortpflanzung.

Epicoene. Diener, gebt mir meine Verse wieder.

Dohle. Wenn Ihr sie laut fodert, sollt Ihr sie wieder haben.

Clerimont. Da kommt Gutwitz wieder.



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