Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Vierte Scene.

Gutwitz, die Vorigen.

Clerimont. Wo, in dem Namen der Tollheit bist Du denn gewesen, so mit Deinem Horne ausgerüstet?

Gutwitz. An einem Ort, wo der Ton desselben Eure Sinne mit Entzücken erfüllt hätte, wär't Ihr nahe genug gewesen, zu hören. Dauphine, fall nieder und bete mich an, ich habe Deinen Untergang abgewandt, Bursche, ich bin bei Deinem tugendhaften Onkel gewesen und habe die Parthie in die Luft gesprengt.

Dauphine. Ich hoffe, es ist nicht so.

Gutwitz. Nein warlich, es ist, und wenn Du anders hofftest, so sollte es mich reuen. Dieses Horn verschaffte mir den Eingang, küss' es. Ich wußte keinen andern Weg zu ihm zu kommen, als mich für einen Kourier auszugeben, da ich aber einmal drinn war, zeigte ich mich anders, und nun wäre er gern ein Kourier geworden, denn ich ließ mich in meiner Kur nicht stören, sondern donnerte ihm alle Widerwärtigkeiten eines Weibes und alles Elend einer Heirath in die Ohren. Hat jemals Gorgone die Gestalt eines Weibes gehabt, so hat er sie in meiner Beschreibung gesehn. Dieses Gelüst hab' ich ihm auf immer vertrieben. – Warum freut Ihr Euch nicht, warum verehrt Ihr mich nicht, Freunde? Warum seid Ihr stumm? Seid Ihr blödsinnig? Ihr verdient meine Wohlthaten nicht.

Dauphine. Sagte ich es Euch nicht? O Unglück! –

Clerimont. Ich wollte, Ihr hättet diese Wohlthaten anderswo angebracht.

Gutwitz. Wie so?

Clerimont. Ei was, Ihr habt das unbesonnenste, leichtsinnigste, armseligste Ding gethan, das sich nur jemals ein Mensch gegen seinen Freund erlauben konnte.

Dauphine. Freund! Wenn mein boshaftester Feind darauf gesonnen hätte, mich zu beleidigen, so hätte er nichts schlimmers thun können.

Gutwitz. Aber um Gottes willen, wie das? Kommt doch zu Euch selber!

Dauphine. Nun, ich sagte, daß es so kommen würde.

Clerimont. Wären doch meine Lippen auf einander gekittet gewesen, als ich davon sprach! Sagt uns, was Euch bewog, so unbesonnen zu sein?

Gutwitz. Lieben Herrn, nehmt nicht diese seltsamen Gesichter an, mir meine Freundschaft zu vergelten, nehmt Eure Masken herunter. Wollt Ihr mir meine Bemühung, die Euch glücklich macht, auf diese Art danken?

Dauphine. Beim Himmel! Ihr habt mich unglücklich gemacht. Das, woran ich seit vier Monaten arbeitete, um es nach und nach zur Reife zu bringen, habt Ihr in einer Minute vernichtet. Nun doch alles verloren ist, kann ich sprechen. Diese Dame ward hier auf meine Veranlassung eingemiethet, und um meinen Oheim zu gewinnen, hat sie zu meinem Besten dieses hartnäckige Stillschweigen angenommen, da sie meine aufrichtige Freundin ist; für ein solches Glück ihn zu heirathen, hätte sie mir dann sehr annehmliche Bedingungen ausgemacht, und alle diese meine Hoffnungen sind nun durch diesen unglücklichen Vorfall zu Grunde gegangen.

Clerimont. So geht es, wenn man in der Unwissenheit geschäftig ist, Dienste erzeigen will und es doch nicht anzufangen weiß. Welch ein dienstfertiger Teufel hat Euch denn besessen! Niemals habt Ihr was Abgeschmackteres in Eurem Leben gethan, nie habt Ihr so Freundschaft und Wohlwollen verletzt.

Dauphine. Ihr mögt ihm nur am ersten verzeihn, denn Ihr seid am meisten Schuld.

Clerimont. Ich weiß es und bereue es genug.

Bartschneider kommt.

Dauphine. Nun, Bartschneider, was giebt es Neues?

Bartschneider. Die beste, die glücklichste Neuigkeit von der Welt. Da ist ein toller Herr heut Morgen bei Eurem Onkel gewesen, (mir däucht, es ist der Herr da) der ihn fast damit von Sinnen brachte, daß er ihm seine Heirath fürchterlich gemacht hat –

Dauphine. Weiter, ich bitte Dich.

Bartschneider. Und Euer Onkel, Sir, steht nun in der Meinung, daß dies auf Eure Veranlassung geschehn sei, deswegen will er sogleich die bewußte Parthie in Augenschein nehmen, und wenn sie ihm gefällt, und sie eine solche Neigung zur Stummheit zeigt, wie ich ihm erzählt habe, so schwört er, daß er sie noch heut heirathen will, noch in dieser Stunde, und keine Minute länger zögern.

Dauphine. Vortrefflich! über alle Erwartung!

Gutwitz. Ueber alle Erwartung? Bei meiner Seele, ich wußte, daß es so kommen mußte.

Dauphine. Nun so vergieb mir, lieber Gutwitz.

Gutwitz. Nein, ich war in der Unwissenheit dienstfertig, das ist nun das unbesonnenste, leichtsinnigste und armseligste Ding.

Clerimont. Willst Du das jetzt Deinem Verdienste zuschreiben, was bloßes Glück ist?

Gutwitz. Glück? meine Klugheit! Glück ist mit keinem Finger in diesem Spiele. Ich sah, daß es nothwendigerweise so ausfallen mußte, in dergleichen Dingen irrt mich mein Genius niemals. Zeigt mir nur, wie es anders hätte kommen können.

Dauphine. Nein, lieben Freunde, zankt nicht, es ist nun alles gut.

Gutwitz. Nun mag er mir nur mit seinem Unbesonnen und Leichtsinnig kommen, und wie er es sonst noch nannte.

Clerimont. Wie heftig Du Dich nun rechtfertigst, da der Ausgang Dich klüger macht, als Du es selber wolltest.

Gutwitz. Ausgang! bei diesem Licht, Du wirst mich nie dahin überreden, ich sah den Ausgang so genau vorher wie die Sterne selbst.

Dauphine. Nun, lieben Freunde, es ist jetzt alles gut, unterhaltet Ihr beiden jetzt Sir John Dohle, indeß ich sie mit meinen Unterweisungen fortschicke.

Gutwitz. Mit Eurer Erlaubniß, ich will ihr erst vorgestellt sein.

Clerimont. Herr Gutwitz, Lady, unser Freund.

Gutwitz. Es thut mir leid, Lady, daß ich Euch nicht eher gekannt habe, um diese seltne Tugend des Schweigens zu preisen. Dauphine, Epicoene und Bartschneider gehen ab.

Clerimont. Wärt Ihr eher gekommen, so hättet Ihr ihren Preis sehen und hören können, in Sir John Dohles Madrigalen.

Gutwitz. Hans Dohle, guten Tag, wann saht Ihr La Foole?

Dohle. Seit gestern Abend nicht, Herr Gutwitz.

Gutwitz. Das ist ein Wunder! Ich dachte Ihr beiden wärt unzertrennlich.

Dohle. Er ist jetzt aus, seine Gäste zu bitten.

Gutwitz. Ei, der Tausend, das ist wahr! Welch ein schlechtes Gedächtniß habe ich gegen den Mann! Ich bin einer davon; er begegnete mir eben auf seinem niedlichen schwarzen Pferde, das ganz heiß geritten war, er sprengte von Ort zu Ort, von Mann zu Mann, um ihnen das Wort zu geben.

Clerimont. Damit sie es nicht vergessen?

Gutwitz. Ja wohl. Kein armseliger Kapitain gab sich jemals bei einer Musterung so viele Mühe, Soldaten auf den Platz zu bringen, als er sich bei einer Mahlzeit ängstigt, Freunde auf den Platz zu bringen.

Dohle. Es ist sein Quartalfest, Sir.

Clerimont. Sagt Ihr so, Sir John?

Gutwitz. Nun, Hans Dohle wird unter seinen besten Freunden nicht sein Talent des Witzes unterdrücken. Wo ist denn seine Gebieterin, um ihn zu hören und zu bewundern? Ist sie fortgegangen?

Dohle. Ist Mistreß Epicoene fortgegangen?

Clerimont. Mit Sir Dauphine, wie ich wette, nach dem Platze vorangegangen.

Gutwitz. Vorangegangen! Das wäre eine offenbare Beleidigung, eine ausgemachte Kränkung! Ihn bei einer solchen Feierlichkeit auszuschlagen, da er ein Beau ist und ein Witziger oben ein?

Clerimont. Nur ruhig, er wird es wie Rohm hinunterschlucken, er ist zu gut in jure civili belesen, als daß er irgend was für ein Unglück halten sollte, was ihm von seiner Gebieterin widerfährt.

Dohle. Nein, mag sie doch laufen, sie soll allein sitzen und eine ganze Woche hindurch auf ihrem Zimmer stumm sein, John Dohle wird sie nicht hindern, ich steh' ihr dafür. Mich schlägt sie aus?

Clerimont. Nein, Sir, nehmt es nicht so zu Herzen, sie schlägt Euch nicht aus, sondern sie vernachlässigt Euch nur ein wenig. Warlich, Gutwitz, Ihr verdient Tadel, daß Ihr es ihm in den Kopf setzt, als wenn sie ihn ausschlüge.

Gutwitz. Handgreiflich schlägt sie ihn aus, Ihr mögt es auch noch so zärtlich nehmen. Wär' ich an seiner Stelle, ich würde schwören, dafür den ganzen Tag kein Wort mit ihr zu sprechen.

Dohle. Bei diesem Lichte, ich will es nicht.

Gutwitz. Oder mit irgend einem andern Menschen.

Dohle. Nein, dieses Gelübde will ich doch nicht thun.

Clerimont. Es wäre ein außerordentliches Glück für die Gesellschaft gewesen, wenn Ihr ihn so weit gebracht hättet.

Dohle. Ich will recht melankolisch sein, wahrhaftig!

Clerimont. Wie ein Hund, wär' ich an Eurer Stelle, Sir John.

Gutwitz. Oder wie eine Schnecke, oder eine Schweinslaus, wahrhaftig, ich würde mich heut in mich zusammenrollen, daß mich keiner sollte aufwickeln können.

Dohle. Bei diesem Zahnstocher, das will ich.

Clerimont. So ist es recht; er fängt schon an, mit seinen Zähnen böse zu thun.

Dohle. Wollen wir gehn, meine Freunde?

Clerimont. Nein, Ihr müßt allein gehn, Sir John, wenn Ihr recht melankolisch seid.

Gutwitz. Ja, Sir, wir hetzen Euch nach, ich meine, wir gehn wie Hunde hinter Euch. Dohle ab.

Clerimont. Gab es jemals zwei solche Ellen von Ritterschaft, die die Zeit ausmißt, um sie dem Gelächter zu verkaufen?

Gutwitz. Nichts als ein schwatzender Maulwurf, zum Henker mit ihm! Kein Pilz war jemals so frisch aufgeschossen. Ein Narr, der so gar nichts ist, daß er nicht weiß, was er sein möchte.

Clerimont. Wir wollen ihm folgen, aber erst laß uns zu Dauphine gehn, der bei dem Hause lauert und auf Nachricht wartet.

Gutwitz. Komm. Gehn ab.



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