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Des Räubers Ende

Kurtchen hatte Ferien und durfte sie bei seinem Onkel, dem Pächter, verleben. Er war glücklich, außerdem vierzehn Jahre alt, und wenn möglich, noch passionierter für die Jagd als sein Onkel. Sperlinge, Eichelhäher und auch »Hochwild«, Kaninchen, waren ihm freigegeben. So streifte er denn herum, lebte in einer köstlichen Freiheit, und sein Bayardkarabiner, ein belgisches Tesching, war sein ständiger Begleiter. In den ersten Tagen schoß er meistens daneben.

Doch allmählich wurde es besser mit seiner Schießfertigkeit. Eines Morgens setzte er sich an einen Schonungsrand. Der Onkel hatte ihm gesagt: »Stille sitzen, keine hastige Bewegung, auch wenn plötzlich ein Karnickel dasitzt!« Aber das Stillsitzen war doch schwerer, als Kurt sich das gedacht hatte. Mal juckt es am Kopf – mal an der Sohle, im Schuh – da, wo man sich nicht kratzen kann. Und dann saß wirklich plötzlich so ein kleiner grauer Kerl auf dem Sandweg in der Morgensonne. Trotz aller guten Vorsätze nahm der Junge das Gewehr schnell hoch – und der Laputz verschwand in den Kusseln.

Da war der kleine Jägersmann ganz unglücklich, aber schon wieder kam ein Kaninchen auf den Sandweg. Es hoppelte hin und her, war bald durch einen Kiefernzweig verdeckt, bald in einer Mulde verschwunden, und wollte sich nicht schußrecht hinsetzen. Längst hatte Kurt das Tesching an der Wange, längst zitterten die Arme und der ganze Bengel vor Aufregung. Aber er holte tief Luft, und es wurde wieder etwas besser, und jetzt saß das Karnickel frei. Doch das Korn tanzte, und so versuchte er, das Ziel im Schuß zu fangen. »Petsch ...« sagte die kleine Waffe, und wahrhaftig, das Kaninchen fiel, schnellte hin und her und zeigte Weiß. Aber dann rappelte es sich auf und rutschte doch noch in die Dickung. Der Junge rannte zum Anschuß, warf sich auf den Bauch und starrte in die Schonung. So weit es ihm möglich war, ließ er seine Augen die Reihen der jungen Bäumchen entlangwandern, umsonst. Da plötzlich hörte er schrilles Quieken und noch einmal und zum dritten Male, leiser werdend und verklingend. Er lief der Schallrichtung nach, etwa zehn Meter in die Schonung hinein und stand. Das Kaninchen mußte doch noch einmal klagen? Aber es blieb still. Und wie er sich nun bückte und wieder in das Düster der Kiefernschonung blickte, da lag das schon verendete Kaninchen dicht vor ihm. Er riß es an sich, kroch aus den Kusseln und rannte nach Hause.

Die warme, pelzweiche Beute in der einen, die treue Miniaturbüchse in der andern Hand, so kam er außer Atem zu Hause an. Onkel und Tante saßen beim Frühstück und warteten schon auf ihn. Aber er hatte im Augenblick wenig Sinn für Kakao und Buttersemmel, denn er hatte ja sein erstes Kaninchen geschossen.

Schon am selben Abend zog er wieder los. Oberhalb des Dorfes fingen gleich die Kiefern an. Vorsichtig pürschte er, wie ein Indianer, jede Deckung ausnutzend, dahin. Er sah auch mehrere Kaninchen, wurde aber nicht fertig auf sie. Dann schoß er nach einer Elster, die etwas weit in einer Kiefernkrone saß, doch die Kugel ging fehl. Da er im Augenblick kein Wild entdecken konnte, auf das sich jagen ließ, suchte er sich einen Kiefernstamm aus und schoß fünfmal auf ihn. Drei Kugeln saßen im Holz. Später ging er an dem alten Sandbruch entlang. Steil fiel die Wand zwanzig Meter abwärts und die Kronen der Bäume, die unten gewachsen waren, reichten kaum bis hinauf an den Rand der Grube. Grün verwachsen war da unten der Boden von allerlei Gesträuch. Kurt sah aufmerksam nach unten, ob er nicht irgend etwas entdecken könne, und schritt langsam am Rande des Sandbruches entlang.

Seit langem war Mautz zum ersten Male wieder seinem Grundsatz untreu geworden und hatte sich noch bei hellem Lichte auf die Sohlen gemacht. Der Abend war angenehm und der Kater hungrig. So schnürte er seine gewohnten Wege. Er entfernte sich recht weit von seinen sonstigen Jagdgründen. Einen Weg lief er entlang, zu dessen beiden Seiten die Ränder immer höher wurden und schließlich die Bäume überragten. Aber da hatte sich der Weg zu einer ebenen Fläche verbreitert, und Mautz, voll Interesse für das neue Stück Landschaft, das er noch nicht kannte, verschwand im grünen Gebüsch. In guter Deckung schlich er dahin, in der Hoffnung, vielleicht einen Vogel greifen zu können. Als er einmal emporäugte, sah er hoch über sich einen Menschen stehen. Doch das war noch ein unfertiger dieser unangenehmen Zweibeiner, denn er war verhältnismäßig klein. Und Mautz widmete sich weiter seiner Pürsch.

So, wie der Kater den Jungen, hatte der Junge den Kater gesehen. War das nicht die graue Katze, über die der Onkel sich so bitter beklagt hatte? Der Junge hob das Gewehr. Aber da war der Kater im Dickicht verschwunden. Doch nein – – –! Da guckten Kopf und Hals aus dem grünen Blattwerk. Das Silberkorn faßte den grauen Flecken. »Soll ich, oder wird's am Ende Ärger geben?« dachte Kurt. Aber die Versuchung war zu groß. Petsch! Und der graue Fleck verschwand.

Das feine Ohr des Katers, das die Maus hörte, wenn sie aus ihrem Loch kommen wollte, vernahm den Knall nicht. Ein gewaltiger Schlag traf seinen Kopf. In seinem Hirn loderten Flammen auf. Die grüne Welt schwankte und fiel. In seinen Ohren war ein Brausen. Mautz schnellte auf der Erde hin und her. Ziellose gewaltsame Sprünge, die ihn nicht vorwärts brachten, tat der Kater, und seine mutige Seele fiel in Nacht.

Den Sandhang hinunter rutscht und stolpert der Junge. Seine Hände zittern. Vor ihm reckt sich der graue Kater noch immer. Immer noch will sich die zähe Lebenskraft des Körpers nicht besiegt geben, da doch das Bewußtsein schon geschwunden ist. Nur langsam ebbt das Zucken und Strecken ab. Auf einmal strafft und bäumt sich der Kater noch einmal zum Zerreißen, und wird schlaff und bewegungslos. – – –

Der Junge packt ihn in den Rucksack, der ihm bis auf den Hosenboden hängt, und trabt mit seiner Last heimwärts. Als er den Grauen vor dem Onkel aus dem Rucksack holt, denkt der, er sieht nicht recht. Er freut sich unbändig, gibt dem Bengel einen Taler und läßt sich zweimal bis in alle Einzelheiten erzählen, wie die »Bestie«, die er selbst nie hat fassen können, von dem Jungen erlegt worden war.

Um den Dachsbau, der so lange einen Kater beherbergt hatte, wird es langsam wieder lebendig. Meise und Rotkehlchen, der Specht und das so seltene Haselhuhn halten sich wieder dort auf. Wenn aber der alte Waldhase dort vorüber kommt, macht er immer einen kleinen Bogen um den Bau, denn er kann es noch nicht recht glauben, daß der graue Schatten mit den unheimlichen Augen und den lautlosen Sohlen niemals wiederkehrt.

Mautz rolliert verendend im Schuß


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