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Die alte Scheune

Der Morgen graute, und Mautz wurde von einem Wispern wach, das ihm wohl bekannt war: Mäuse!

Der Kater riß die Augen auf! Da – über ihm, – auf dem Balken huschten zwei kleine graue Schatten entlang, ließen sich auf das Heu fallen und kamen direkt auf den Kater zu. Ein verliebter Mäuserich jagte hinter dem Weibchen her. Jetzt hatte er sie und wollte sich sein Gattenrecht nehmen. Aber da griffen zwei flinke Pranken zu, zwei spitze Klagelaute erklangen, und Mautz erwischte sie alle beide. Das fing gut an. Es dauerte auch nicht lange, da griff der neue Herr der Scheune wieder eine Maus und ihm wurde klar, daß er hier der rechte Mann am rechten Ort war. Nachdem er also gut gefrühstückt hatte, verließ er die Scheune. Doch als er aus dem Loch im Scheunentor trat, blieb er wie geblendet stehen und mußte die Augen schließen. Eine blitzende, gleißende Helligkeit strahlte ihm entgegen – Der erste Schnee war gefallen. Alles war weiß, wie es Mautz noch nie gesehen hatte. Schrecken erfaßte ihn, und es dauerte eine Weile, bis er sich von der Ungefährlichkeit des Neuen überzeugt hatte. Dann trat er hinaus. Doch entsetzt sprang der Kater wieder zurück, das Fremde, Unheimliche hatte ihn in die Sohlen gebissen! Zaghaft untersuchte er mit einem Vorderpfötchen den Schnee, bis er ihn schließlich als ungefährlich erkannte.

Und doch – das weiße Wetter blieb dem Kater verdächtig. Er – der sonst so gut mit der Umgebung zusammenklang – weil er die für seinen Wildererberuf so wertvolle unauffällige Färbung hatte, in der das bei anderen Katzen so gefährliche Weiß, das dem Auge des Jägers weithin sichtbar ist, ganz fehlte – er war plötzlich weithin sichtbar. Das verdroß ihn. Wenn er sich darüber klar geworden wäre, daß diese »Neue« ihm auch dadurch gefährlich wurde, daß seine Fährte allen, die es interessierte, sichtbar war, er hätte sich noch mehr beunruhigt.

Nachdem er eine Weile herumgewandert war und sich sein neues Revier angesehen hatte, war er ganz zufrieden. Eine große Kiefernschonung voller Kaninchenbaue, viele Dornenhecken, die Deckung boten, und ein Feldweg mit alten, hohen Weiden, das alles hatte ihm recht gut gefallen. So kehrte er denn wieder um und trollte zurück zu seiner Scheune.

In einem Hagebuttenstrauch, der vom frisch gefallenen Schnee überstäubt war, saßen vier Dompfaffen. Die Männchen mit ihren wundervollen roten Brüsten, zartgrau und weißen Rücken und Bürzeln, dazu mit glänzend schwarzen Käppchen, Schwänzen und Flügelenden, boten auf dem Hintergrunde des Schnees ein entzückendes Bild. Ihre Weibchen hatten dieselbe Zeichnung bis auf die Brust, die bei ihnen graubraun mit einer Ahnung von rosigem Anflug war. Mautz empfand dies winterliche Märchen nicht. Er sah nur die feisten rundlichen Vögel und hätte sie wohl gar zu gern ergattert. Aber er wußte – Singvögel kriegt man allenfalls, wenn sie ineinander verbissen, blind für die Umwelt, sich am Boden herumbalgen. Jetzt flogen die zwei Gimpelpaare auf. Der Schnee puderte von den Zweigen, als die Vögel, ihren Feind erkennend, davonstoben.

Dompfaffen im verschneiten Busch

Mautz trennte nur noch freies Feld von der Scheune, die sich groß und grau bis auf das beschneite Dach vom winterlichen Feld abhob, da hörte er hinter sich das schnelle Trommeln jagender Läufe.

Er fuhr herum und sah einen ziemlich großen, rank gebauten Hund auf sich zujagen. Sofort ergriff Mautz die Flucht. Weich und wie eine Welle lief der Kater, was er konnte. Jedoch der Abstand verringerte sich zusehends, und die rettende Scheune war noch ziemlich weit. Mautz keuchte, er rannte um sein Leben! Aber der Köter kam näher und näher, und Mautz, dessen Augen aus dem Kopfe standen und dessen Herz zum Zerspringen klopfte, hörte das Hecheln hinter sich immer gräßlicher. Und jetzt war der Hund heran! Er faßte den in Todesangst kreischenden Kater über den Blättern, aber der wand sich noch einmal heraus. Und da – in der Gewißheit – daß hier keine Flucht mehr helfen konnte, schlug die furchtbare Angst des Gejagten in tollkühnen Mut um. Mit zwanzig Krallen und einem Maul voller spitzer Zähne fuhr er dem Hund an den Kopf. Blitzschnell riß und schlug Mautz, was er konnte und wohin es traf. Der Hund, noch jung, klagte laut und dachte nicht mehr ans Würgen. Er machte kurz kehrt und rannte los. Aber der rasende Kater saß ihm im Genick und biß und schlug immer noch. Der Hund schweißte aus vielen Wunden und heulte erbärmlich. Endlich gelang es ihm, den zornsprühenden Sieger abzuschütteln, und in gewaltigem Tempo entschwand er dem Kater aus den Augen. Der leckte und putzte sich, aber aus seiner kleinen Kehle drang immer noch ein leises Grollen. Dann legte er die Ohren an und trollte nach Hause in seine liebe Scheune. Schon war er am Tor und das Schlupfloch nahm ihn auf.


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