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Eine Freundschaft wächst

Der aus dem neugewonnenen Paradiese so schnell Verjagte flog nach Hause. Die Hühner waren schon auf ihre Stangen geklettert. Der kleine Junge stand traurig auf dem Hof und starrte nach dem Himmel, an dem eben der Abendstern aufgegangen war. Er gab seinen Freund verloren und fing an zu weinen. Da plötzlich hörte er ein feines Geräusch, das sich etwa wie Si-si-si-si-si anhörte, es wurde schnell stärker, und die Umrisse eines Vogels tauchten am Abendhimmel auf. Noch ein paar bange Sekunden, und eine Wildente flog klingelnden Fluges über das Gehöft. In einiger Entfernung beschrieb sie einen Bogen, kam zurück, kreiste ein paarmal über dem Hof, wobei sie immer tiefer kam, und landete endlich. Sie wackelte mit dem Bürzel, schlug mit den Schwingen und pakte froh und laut. Als der Junge hinlief, kam ihm der verlorene Erpel entgegen, ließ sich hochnehmen und streicheln, wobei er etwas am Ohr seines Freundes knabberte, wie er immer tat, wenn er zärtlich sein wollte.

Den Erpel unterm Arm ging der Junge nun in die Küche, um Abendbrot zu essen. Er kam gerade zurecht und alle waren froh, daß Erpelchen wieder da war. Der Kleine stellte den Breitschnabel neben sich auf die Bank und gab ihm oft ein Häppchen. Wenn es dem Vogel zu lange dauerte, erschien der feine edle Kopf über der Tischplatte und ließ einen leisen, halb piepsenden – halb pakenden Ton hören. Die Eltern, die Schwestern und der Knecht, alle freuten sich über Erpelchens Zutraulichkeit. Nur Mautz lag auf dem Fensterbrett und tat, als interessiere ihn dieser »alberne Vogel« gar nicht, denn er war neidisch, seit der Junge den Erpel lieber mochte als ihn.

Nachher brachte das Söhnchen seinen gefiederten Freund in den Stall, wo der den Kopf ins Rückengefieber steckte, ein Bein im Bauchgefieder verschwinden ließ und so diesen denkwürdigen Tag abschloß.

Von nun an verschwand der Erpel jeden Abend und zog zu den Gewässern der näheren Umgebung. Auf seinem lustigen Wege traf er viele seiner Art, oft große Schofe bis zu sechzig Stück.

Manche alte Wildentenmutter mag sich gewundert haben, warum eine einzelne Jungente auf dem Zuge war. Daß es gewissermaßen eine zahme Wildente sei, darauf kam wohl niemand von den Artgenossen.

Aber so oft sich der Einzelgänger zu einem der Schofe gesellen wollte, er fand keine Aufnahme. Immer bissen die jungen Erpel ihn weg, er mochte noch so bescheiden sich den auf dem Wasser ihre Nahrung Suchenden genähert haben. Da wurde er traurig und zornig, erhob sich auf klingenden Schwingen und zog, wenn es noch nicht zu dunkel wurde, zu einem anderen Gewässer oder nach Hause. So ging das eine ganze Weile, und der Erpel wurde stark und feist dabei. Seine zutrauliche Art den Menschen gegenüber behielt er bei, und der kleine Junge hatte sich bald daran gewöhnt, seinen Liebling abends unterwegs zu wissen. Doch eines abends kam »Pak« – diesen Namen hatte ihm der Junge seit des Erpels »Stimmwechsel« gegeben – nicht nach Hause.

Bis in die tiefe Nacht wartete das Kind auf seinen kleinen Freund – doch der kam nicht. Tief unglücklich ließ sich der treue Kleine schließlich von seiner Mutter ins Bett bringen, und er weinte still, denn er war überzeugt, seinen Erpel nicht wiederzusehen.

Pak war, wie in letzter Zeit an jedem Abend, ein bißchen »bummeln« geflogen. Die andern Enten mochten ihn nicht – na gut – er hatte ja seinen kleinen Jungen, und die Herrlichkeiten der Gräben und Teiche schmeckten am besten, wenn man sie für sich allein hatte.

Ein Fließ in den Wiesen war es, das er heute beehrte. Die Turteltauben waren gerade dabei, in den Erlen ihre Schlafplätze zu beziehen. Mit ihrem metallisch klingenden Flügelschlag bewegten sie sich in den Baumkronen hin und her und es war, als könnten sie so schnell den Tag nicht beenden, der ihnen so viele gute Körner gebracht hatte.

Pak ließ sich seinerseits nicht in seiner Abendmahlzeit stören, und schnickerte und schnackerte in der Entengrütze herum.

Plötzlich prasselte und knallte es, es klirrte, als wenn Geschirr zur Erde stürzt, und Pak erstarrte entsetzt in aufrechter Haltung. Die Tauben waren davongestoben! Da mußte irgend etwas kommen. Schon wollte der Erpel aufstehen, als er einen Menschen das Fließ entlang kommen sah. Erpelchen dachte gerade »wie dumm doch Tauben sind«, als in Donner und Blitz ein heißer Schmerz seinen Flügel zerriß. Er sprang förmlich aus dem Wasser in die rettende Luft, doch er schlug nur einen Haken, dann war er schon wieder im Wasser. Mit hängendem, schmerzendem Flügel huschte er ins Schilf und verbarg sich unter einer Uferkaupe.

Es war des Erpels Glück, daß der Schütze keinen Hund mit hatte, sonst wäre es aus mit ihm gewesen. So zog der Mann bald ab, da er einsehen mußte, daß sein Suchen vergeblich sei.

Eine Weile drückte sich der Verwundete noch, dann kroch er hervor und trat den beschwerlichen Heimweg an.

Und der war weit!

Der Weg über Kaupen und durch engstehendes Gras war für den verwundeten Vogel schwer. Dann aber kam der arme Kerl darauf, daß er ja eine der Wagenspuren benützen könne, die den Weg durch die Wiesen kennzeichnete. Und wirklich, die Idee war gut – jetzt kam er vorwärts.

Auf dem langen Weg zu seinem heimatlichen Hof beschäftigte ihn allerlei. Wie war es möglich, daß ihn ein Mensch so grausam verwunden konnte in der offenbaren Absicht, ihn umzubringen? Denn es war dem Erpel klar, daß er einfach Glück gehabt hatte, so hart die Schmerzen auch waren, und so bitter der Gedanke, daß er nun nie wieder würde fliegen können.

Bei diesen traurigen Erwägungen empfand er eine große Sehnsucht nach dem Jungen, und er wünschte nur, recht bald bei ihm zu sein. Dann kam er an das Brett, das über dem kleinen Graben lag und das er immer von hoch oben – ganz klein – gesehen hatte. Jetzt, in seinem Elend, diente es ihm als angenehme Erleichterung. Nun erreichte er den Kartoffelacker – und an dessen anderem Ende lag der Hof. Hurtig lief Pak die Furche entlang, immer schnurgeradeaus. Das Kartoffelkraut deckte ihn und machte ihn unsichtbar. Das war sehr angenehm – denn der Mond schien hell. Als der Erpel den Acker hinter sich hatte und den Weg überqueren wollte, um durch den Zaun zu schlüpfen, kam Mautz auf ihn zu.

Ach – um Gottes Willen!!!

Pak erkannte sogleich, daß er nur nötig hätte, seine Bestürzung zu zeigen – – und es wäre um ihn geschehen. So ging er denn – äußerlich vollkommen ruhig – innerlich bebend, an dem gehaßten und gefürchteten Kater vorbei, – und würdigte ihn keines Blickes.

Aber der Kater sah ihn an.

Seine blassen Augen hingen an Pak, und ihm war, als wäre der Erpel anders als sonst. Der Bursche konnte ja seit einiger Zeit fliegen – ärgerlicherweise! Mautz folgte dem Enterich. Der war sich seiner schlimmen Lage voll bewußt. Doch er hatte sich eisern in der Gewalt, ging ruhig und selbstverständlich vor seinem Todfeind her, schlüpfte durch den Zaun und überquerte den Hof. Der Kater immer hinter ihm, und jeden Moment fürchtete Pak, die Zähne und Krallen seines Feindes würden sich in seinen Hals bohren. Der Kater dachte: Ist er krank oder nicht? – Was tut er in der Nacht außerhalb des Stalles? Mautz beschleunigte seinen Schritt und kam dicht an den Erpel heran. Doch da verlor der Enterich die Nerven und stürzte vorwärts. Der Kater machte einen Sprung, erwischte aber nur Federn. Pak sah vor sich die Hundehütte und das schwarz gähnende Loch darin, und er schoß hinein.

Pak schoß in die Hundehütte

Tyras tat ihm nichts, denn der Erpel gehörte ja mit zum Hof, wenn er auch etwas plötzlich zu Besuch kam. Aber schon war auch der Kater, jede Scheu vor dem Hunde in der Aufregung der Jagd vergessend, am Eingang, im Begriff hinein zu kommen.

Da aber kam der alte Tyras heraus! Viel hätte nicht gefehlt und Mautz wäre in den Katzenhimmel hinübergewechselt. Sein geschmeidiger Sprung rettete ihn.

Diese Nacht blieb der ganz erschöpfte Erpel bei Tyras in der Hütte, und lag sicher und warm in die Weiche des Hundes gebettet, der auch mal froh war, nicht allein zu sein.

Am nächsten Morgen, der Junge wollte gerade traurig zur Schule gehen, stand Pak neben dem Hund vor dessen Hütte.

Na, die Freude!!!

Später wickelte die Mutter den Entenvogel in ihre Schürze und ging mit ihm zu einer alten Frau, die im Dorfe wohnte. Sie verstand etwas vom Heilen. Als sie gesehen hatte, daß nur ein Schrotkorn einen Flügelknochen glatt durchschlagen hatte, ohne ein Gelenk verletzt zu haben, schiente sie den Flügel sehr geschickt mit Holzstäbchen, und die Bäuerin trug Pak wieder nach Hause. Und wirklich, nach vierzehn Tagen war er ganz gesund und konnte wieder fliegen.


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