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Pak wird Vater

Nun begann ein herrliches Leben. Der alte Wiesenteich, auf dem das junge Entenpaar niedergegangen war, erwies sich als sehr geeignet zur Zuflucht für ein junges Paar, das nicht gestört sein wollte. Hier war ein solcher Wald von Schilf und Rohr, den gelben Mummeln und Wasserrosen, außerdem Wasserpest und Entengrütze, daß das Pärchen ganz im Verborgenen leben konnte. Hier wurde auch niemals Rohr geschnitten, so daß ein undurchdringliches Dickicht entstanden war, in dem selbst der passionierteste Wasserhund nur äußerst langsam voran kam, und eine Ente es gar nicht nötig hatte, aufzustehen, weil sie zu gute Gelegenheit fand, sich zu drücken. Als der April noch schlimme Tage brachte, stürmische Tage mit Regen und Schnee, da gewährte die verfilzte Wirrnis auch davor Schutz.

Zur Mitte des Monats wurden die Tage schöner, und so mußte Pak oft allein sein, wenn er seiner Nahrung nachgehen wollte, oder sich aus anderem Grunde auf dem blanken Wasser aufhielt. Seine Frau hatte in der Nähe des Ufers, auf dem Trocknen, aber zwischen Weidenknorren gut gedeckt und von dürrem und jungem aufsprießendem Schilf verborgen, ein Nest gebaut und war nun mit dem Legen beschäftigt. Hier saß sie eines Tages im Dämmer ihres Versteckes und ihre Schutzfärbung ließ sie mit ihrer Umgebung eins werden. Da plötzlich hörte sie vom Lande her ein Rascheln. Sie rührte sich nicht und lauschte. Wieder vernahm sie ein ganz feines Geräusch, so als ob eine weiche behutsame Pfote unendlich vorsichtig in dürren Pflanzenwuchs gesetzt wird.

Jetzt ein leichtes Rauschen, als wenn ein Körper sich durch Röhricht schiebt. Doch die Ente blieb schützend auf ihrem Gelege. Sie vertraute auf die gute Deckung und die Mimikry ihres Gefieders. Aber nun sah sie ein graues Etwas, das sich langsam auf sie zuschob. Das Tier war nur noch einen Meter von der brütenden Ente entfernt, und sie konnte ab und zu durch spärliche Lücken einen massigen Kopf oder eine gestreckte Rückenlinie sehen.

Brütende Wildente

Der Pürschende aber war Mautz.

Er ahnte nichts von der Ente auf ihrem Nest, es war nur seine Gewohnheit, im Unterwuchs leise wie ein Schatten auf Raub auszugehen. Jetzt änderte er seine Richtung und war im Begriff, die Ente hinter sich zu lassen, als er einen tiefschwarzen, kreisrunden Fleck gewahrte, der merkwürdig hart in den weich ineinander gehenden Tönungen der Umgebung stand.

Mautz wußte, das war ein Auge!

Wessen Auge, das wußte er nicht. Wollte es vorerst auch gar nicht wissen. Herankommen wollte er!

Tiefgeduckt umschlug er, jedes Geräusch vermeidend, das Nest, bis er den runden schwarzen Punkt nicht mehr sehen konnte. Er nahm nun an, im Rücken des Tieres, dem das verräterische Auge gehörte, zu sein. Er spannte alle Muskeln zum Sprunge. Als die Ente den Feind nicht mehr sah, wohl aber, wenn auch noch so leise, hörte, da wurde ihr die Sache unheimlich. Sie saß jetzt locker auf dem Nest, jeden Augenblick bereit, aufzustehen.

Und da kam der Kater!

Ganz plötzlich brach er mit einem einzigen Sprunge durch das Röhricht und schlug der Ente die Krallen auf die Flügeldecken. Doch in demselben Moment flog die Ente auf, und die Pranken des Katers glitten ab. Ein paar Federn flogen, und die Ente stieg mit ängstlichem »Brät – brät –« über das Röhricht.

Da schlüpfte etwas durch das Gewirr auf das Nest zu. Schnell und geschickt, wie eine Schlange, wand sich Pak zum Nest und prallte mit dem Kater zusammen.

Mautz erholte sich sofort und sprang auf den Erpel los und hatte ihn auch beinahe unter den Griffen.

»Der ist ja krank!« dachte Mautz. Und wahrhaftig, der Erpel ließ einen Flügel hängen. Wieder sprang der Kater. Zwei Schwanzfedern blieben in seinen Krallen hängen.

Immer wieder entging ihm der prächtige Entenvogel und ständig humpelte und schlüpfte er vor ihm her.

Draußen, außerhalb des Rohrdickichts, zwischen den jungen Weidentrieben, war auf einmal die Ente wieder da. Sie zog gleichfalls den Flügel nach und hielt sich dicht vor dem Kater.

Der folgte jetzt wieder der Ente, und der Erpel nahm sich auf und flog zum Nest. Als er dort alles in Ordnung fand, flog er zu seiner bedrängten Frau zurück. Weit fort vom Nest hatte die kleine Ente den Kater durch ihre List gelockt. Durch die List, mit der sich alle Wildenten helfen, wenn sie einen Feind von ihrer Brut oder ihrem Gelege fortziehen wollen.

Als Pak sah, in wie gefährlicher Nähe der Räuber hinter seiner Frau war, vergaß er, daß die Ente ja nur eine List anwandte, und ihn packten Angst und Wut. Er flog den Kater von hinten an und klatsch, klatsch, schlug er ihm die harten Schwingen um die Ohren. Giftig fauchte Mautz und starrte mit grünen Augen böse nach oben.

Da erkannten sich beide!

Pak war doppelt froh, daß er dem verhaßten Feind früherer Tage eins auswischen konnte, und Mautz um so wütender, da er bedachte, daß ihm dieser Enterich nun zum dritten Male entging. Und er wandte sich wieder der Ente zu. Aber die war nicht mehr da. Nun suchte der angeführte Kater mit Geduld und Umsicht das Nest, aber er fand es nicht mehr.

Resigniert zog er ab, auf ein Wiedersehen mit Pak hoffend, bei dem er dann möglicherweise doch Gelegenheit finden würde, diesen Erpel dahin zu befördern, wohin er seiner Meinung nach gehörte – in Mautzens Magen.

Nicht lange, und das Gelege war vollzählig. Neun helle, ganz leicht grünlich getönte Eier lagen im Nest, und die Ente begann mit der Brut. Wenn sie für kurze Zeit das Gelege verließ, um Nahrung zu suchen, dann legte sie ein paar trockene Halme so geschickt über das Nest, daß es völlig unsichtbar wurde. Nicht etwa, daß sie die Eier zudeckte, nein, drei bis vier trockne Halme waren alles. Aber die waren mit so viel Gefühl angebracht, daß sie das Nest in der Umgebung verschwinden ließen. Wollte ein Mensch, der durch Zufall auf so ein Wildentennest stieße, versuchen, diese geordnete Unordnung der Halme wieder genau so unauffällig herzustellen, nachdem er sie, um die Eier zu zählen, weggeräumt hätte, es gelänge ihm nicht.

Treu und brav saß die Jungente auf ihrem ersten Gelege, und voller Wachsamkeit hielt sich Pak in ihrer Nähe.

Doch mit dem Ende der Brutzeit wurden die Ausflüge des Erpels länger, und als dann endlich der große Tag kam, an dem es unter der glücklichen Mutter anfing zu wuseln und zu krabbeln, da war Pak verschwunden!

Die Ente trauerte ihm nicht nach. Erpel, und seien sie auch so nett, wie der verflossene Pak, waren etwas für das Frühjahr, jetzt hatte sie neun winzige, gelb-schwarze süße Puderquästchen, die hatten Schnäbelchen und Äuglein, einfach allerliebst. Und flink waren die Dinger! Das huschte durch das Dickicht, rannte hinter Insekten her, und war bald hier, bald da. Schon am zweiten Tage fingen sie an, zu Wasser zu gehen; sie flitzten hinter den Wasserinsekten her, halb schwimmend, halb auf dem Wasserspiegel laufend. Doch die Mama hatte nur nötig, ihr leises »Päk – päk« hören zu lassen, schon waren alle neun bei ihr und drängten sich unter sie. Und doch, die Wasserratte riß eines, und eines holte in der Morgenstunde die Ohreule, als sie lautlos über das Rohr geschwebt kam. Aber die sieben anderen blieben munter und kregel, gehorchten der Mutter, fraßen reichlich und gut und wuchsen schnell.

Sie waren schon vier Wochen alt, da schwamm eines Morgens auf der andern Seite des Teiches eine Ente aus dem Röhricht. Um sie herum aber schwammen drei kleine, höchstens einen Tag alte Entlein.

Die beiden Entenmütter vertrugen sich, und die älteren Jungenten taten den kleineren auch nichts. Daß aber diese Ente nur drei und so späte Junge hatte, hatte mehrere Ursachen.

Die Ente, die schon mehrere Jahre alt war, hatte in der zweiten Hälfte des März ihr Gelege von zehn Eiern abgelegt. Es wurde aber von Krähen gefunden, während die Alte fort war, und von diesen Räubern vertilgt. Nun machte die Ente ein zweites Gelege von nur sechs Eiern. Weil sie aber mehrfach beunruhigt wurde, bereitete sie ihr Nest oben in einer ziemlich hohen Kopfweide. Dann kam der Tag des Schlüpfens. Alle sechs Entlein schlüpften aus und mußten nun zur Erde transportiert werden. Die Mutter stupste sie, eins nach dem andern herunter und die kleinen Dinger fielen hart. Eins war sofort tot und zwei brachen Beinchen und Flügel. Die drei übrigen blieben unversehrt und wurden von der Mutter zum Teich geführt. Die beiden verletzten Entchen holte noch am selben Morgen ein vorbeistreunender Iltis und machte den Leiden der armen Kleinen ein schnelles Ende.

Die beiden Entenmütter

So kam es, daß die alte Mutterente in diesem Jahre nur drei späte Junge führte. Diese drei wuchsen aber tapfer heran und es ging keines mehr verloren. Die Mutter, die alle Aufmerksamkeit nur diesen Dreien zu widmen brauchte, führte sie mit der Sorgfalt der alten weisen Ente überall dahin, wo das Futter reichlich und besonders gut war, und so holten die drei Spätlinge gegenüber den älteren Jungenten rascher auf, als man hätte glauben sollen, wenn sie sie auch erst im Herbst im Wachstum einholten. Die junge Mutter sah der alten manches ab in der Führung der Kleinen und darin, wie man Leckerbissen ergattert, die nicht immer offenbar liegen. So gediehen die beiden Familien und oft, wenn der Weih oder sonst ein Räuber kam, warnte die eine Mutter die andere, denn vier Augen sehen mehr als zwei.


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