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»Gevatter« Reinicke

Mautz hatte sich ein paar Tage schlecht und recht durchgeschlagen, war satt geworden, hatte gehungert, schlief am Tage im Schutze der Scheune und streunte des Nachts durch sein Revier. Es gelang ihm unter anderem, einen starken Kaninchenrammler zu reißen. Der wehrte sich so sehr er konnte und schrie schrill und anhaltend. Als Mautz ihn endlich abgetan hatte, hörte er hinter sich ein Brechen von kleinen Ästen und fast wäre es um ihn geschehen gewesen, denn ein starker Fuchsrüde hatte ihn beinahe am Wickel. Er war dem Schall der Kaninchenklage nachgegangen, und Mautz konnte sich gerade noch auf eine junge Kiefer retten, denn wenn er sich auch verzweifelt gewehrt hätte, schließlich hätte der Fuchs ihn doch gewürgt. Nun saß er oben auf seinem Ast, unheimliche Laute der Wut drangen aus seiner Brust, seine Lunte war gesträubt wie ein Lampenputzer, denn er mußte zusehen, wie sich Reinicke über den Karnickelbock hermachte. Die Knochen krachten, der Fuchs stemmte die Vorderläufe auf die Beute und riß und schlang, denn er war sehr hungrig. Hin und wieder sah er mit seinen goldklaren Augen zu dem Kater empor und knurrte, doch gleich fraß er weiter. Ein paar Fellfetzen und einige größere Knochen ließ der Räuber übrig. Aber wie sah er aus! Alles, was weiß an ihm war, der Fang, die Backen, die Brust – war jetzt rot! Mit umständlicher Gründlichkeit fing er nun an sich sauber zu lecken. Das dauerte lange, doch als er endlich damit fertig war, ging er nicht etwa seiner krummen Wege, sondern offenbar um den Kater auszuhungern, blieb er sitzen. Er legte seine prachtvolle buschige Lunte kokett um seine Vorderläufe, wobei er hin und wieder die Lauscher böse nach hinten legte, die Seher aus engen Schlitzen funkeln ließ und die Zähne fletschte. Mautz aber hatte seine Ruhe wiedergefunden. Mit unergründlichem Katzenblick sah er auf den Feind herab. Schließlich begann es grau zu werden, ein trüber Morgen zog herauf und ein feuchter Märztag trat unlustig seinen Dienst an. Da hatte der Kater das Empfinden, daß es nun an der Zeit sei, die stumme Zwiesprache mit dem roten Burschen da unten abzubrechen. Mochte ihn, wer wollte, für einen Ausbund an Klugheit und Besonderheit halten, er, Mautz, fand nichts Besonderes an ihm. Und der Kater brach die Sitzung ab.

Mit einem eleganten Satz sprang er in den nächsten Wipfel. Der Fuchs auf dem Boden hinterher. Mautz flog über den nächsten Abgrund, und in einen Wipfel nach dem anderen sprang er, um ihn sofort wieder zu verlassen. So ging das eine ganze Weile. Jetzt ruhte sich der Kater aus, und blickte mit dem Ausdruck der Langenweile auf den hartnäckigen Fuchs herab. Dann ging es weiter. Immer fand sich eine Möglichkeit, hinüber auf den nächsten Baum zu springen und damit ein Stückchen weiter zu kommen. Allmählich näherten sich die beiden dem Rande des Bestandes. Schon leuchtete die Helligkeit des freien Feldes durch die Kiefernstämme, und Mautz begann darüber nachzudenken, was nun werden sollte. Auch der Fuchs hatte den Eindruck, daß die Waldkante eine Veränderung bringen würde. Vielleicht glaubte er, der Kater wäre der Situation müde, würde springen und versuchen, über die Lichtung bis zu den nächsten Bäumen zu kommen. Und bei diesem Versuch gedachte ihn Reinicke Rotvoß zu fassen. Aber es stand anders geschrieben! Die letzten Bäume waren erreicht und Mautz war unschlüssig, was jetzt zu tun sei, da sah er von seiner erhöhten Perspektive aus etwas, was ihm panischen Schrecken einjagte. – – Den Jäger! – – Mautz war des Mannes gewahr geworden, als der gerade von einem Stamm zum anderen glitt. Nun stand der Unheimliche mit dem feuer- und schmerzspeienden Stock wieder völlig still.

Der Fuchs hält Mautz in Schach

Der Fuchs, ganz mit der Katze beschäftigt, die er nun bald zu haben hoffte, ahnte nichts von der Gefahr. Und wieder rückte der Grünrock ein Stück näher. Da, wo die Zweige am dichtesten waren, drückte sich Mautz, dem wieder einmal seine Färbung blendend zustatten kam, an den Stamm, als wollte er mit ihm verschmelzen. Als nun der Fuchs sah, daß Mautz nicht springen wollte, sprang er am Stamm hoch, um so dem Kater Angst einzujagen, und ihn vielleicht auf diesem Wege doch zu veranlassen, den Baum preiszugeben. Jedoch Mautz sah den Fuchs gar nicht mehr, was er sah, war dieser unheimliche Mann, der nun nahe genug herangekommen war, und plötzlich hinter dem Baum hervortrat und das Gewehr zum Gesicht emporriß. Aber das war auch dem Fuchs nicht entgangen. Er verwünschte seine Happigkeit nach dem zähen Kater, wirbelte herum, und im selben Augenblick krachte der Schuß! Er ging aber vorbei, die Schrote schlugen ins Holz! Der Jäger sah den Fuchs rot durch die Stämme flimmern, größtenteils verdeckt, huschte das Ziel dicht am Boden hinweg. Da riß sich der Mann zusammen, mit äußerster Konzentration sammelte er alle Kräfte in Auge und Hand, ließ Bäume – Bäume sein, ging mit, warf den Schuß vor und ließ fliegen! Der Fuchs rutschte im Schuß zusammen, wurde gleich darauf kürzer, hatte aber noch die Kraft, über einen kleinen Hügel dem Mann aus den Augen zu schwinden. Der ärgerte sich, daß er seinen Hund zu Hause gelassen hatte, und stürmte auf den Hügel zu. Sein Ärger verflog, als er gleich dahinter den stärksten Fuchs verendet fand, den er je gesehen hatte. Der rote Balg sah aus, als wäre Mehl fein darüber gestäubt. Die Lunte wunderbar dick und voll. Der Jäger drückte den Fuchs aus und hing ihn an den Rucksack. Aber dann ging er zu dem Baum, an dem der Fuchs hochgesprungen war. Es fand nichts, so sehr er auch emporstarrte. Schon wollte er nach Hause gehen, da fiel sein Blick auf eine ganz frische Katzenfährte, die direkt vom Baum weg über die Blöße führte. Jetzt wußte er genug! Das war die graue Katze, die er vor einer Woche vorbeigeschossen hatte, und deren Fährte und Risse er schon seit längerer Zeit im Revier fand.

Und der Jäger, der sein Revier nicht für wildernde Katzen hegen wollte, sann darüber nach, wie er der Bestie beikommen könne.

Nun war es langsam April geworden. Mautz war eines Nachts weit von Hause an einem See gelandet, den er noch nie gesehen hatte. Es war ein kleiner stiller Waldsee. Lohfarben umstand ihn das vorjährige Rohr. Kahle Erlen und Haselnußsträucher warteten ungeduldig auf den Frühling, denn sie waren allzulange nackt und bloß gewesen. Die Birken auf der anderen Seite des Sees, die vor dem Hintergrund dunkler Kiefern standen, waren schön, trotz des Mangels an Blättern. Silbern schimmerten ihre Stämme und Äste, ihre Zweige aber waren so fein und hingen so dicht, daß man sie im Duft des Frühjahres für zartviolette Schleier halten konnte. Der See selbst spiegelte die seinen und doch so kräftigen Farben wieder. Auf seiner seidigen Glätte erschien das schöne Bild ein wenig verschwommen, wodurch sein Reiz noch erhöht wurde. Durch Brombeerranken, an denen das modernde Laub der Erlen und der Haselbüsche hing, suchte sich der Kater seinen Weg. Der Morgen war schon längst gekommen, und die Scheune war weit. Aber hier am See war Deckung genug, und so beunruhigte sich Mautz nicht sehr. Jetzt wurde er in der Wanderung um den See aufgehalten, denn ein Bach hatte hier seine Mündung. Schon wollte der Kater weiterschleichen, da hörte er das Klingeln von Entenflügeln in der Luft. Eine einzelne Ente strich dicht über seinen Kopf und fiel keine zwei Meter von ihm auf dem Wasserspiegel ein. Das Wasser rauschte und schäumte, als Pak mit leisem brät-brät aufsetzte. Mautz sprang bis hart an das Ufer, aber es hatte ja keinen Zweck – der Breitschnabel war wieder mal nicht zu kriegen.

Der Erpel sah seinen Widersacher an, als hätte er ihn nie gesehen. Doch war ihm die Nachbarschaft des Katers zuwider, er stand auf, flog gerade auf ihn zu, als wäre er gar nicht da, und dicht über Mautz hin sauste Pak davon. Der Kater hatte sich zum Sprunge geduckt, aber schon war der Wildenterich hinter Busch und Baum verschwunden. Da setzte Mautz verdrießlich seinen Weg fort. Nachdem er ein Stück an dem Bach entlang gepürscht war, wobei er Seher und Lauscher überall hatte, hielt er am Fuße einer alten starken Erle an. Ihre Wurzeln ragten allenthalben aus dem weichen Boden heraus und wanden sich tote Schlangen, die in Holz verwandelt wurden, ins Wasser. Hier war ein geschützter heimlicher Ort, und Mautz drückte sich, müde vom langen Wandern, zwischen zwei der Wurzeln an den Stamm. Er knickte seine Vorderpfoten nach innen ein, legte die Lunte um sein Hinterteil, und kniff die Seher bis auf einen schmalen Spalt zusammen. Bald fiel er in einen halben Schlummer. Seine Schnurrhaare zuckten, er träumte wirr und zusammenhanglos. Ein zartes schmiegsames Kätzchen umstrich ihn zärtlich. Doch als er die Zärtlichkeiten erwidern wollte, da wurde das liebebedürftige Katzenweib zu Griff, dem schrecklichen Kater. Ein heftiger Kampf entbrannte, aber Mautz schlug den Verhaßten in die Flucht. Er jagte ihn, holte ihn ein und packte ihn im Genick. Aber jetzt war es gar nicht mehr Griff, sondern eine fette Ratte. Sie biß wild um sich, riß sich los und sprang in den Bach. Mautz wollte sie packen und dabei erwachte er – denn er wäre beinahe ins Wasser gefallen. Am ersten Augenblick glaubte er die Ratte immer noch schwimmen zu sehen, aber es war ein Fisch, der infolge der Bewegung des Katers davonhuschte. Fische hatte Mautz noch nicht gesehen, aber sie waren flüchtig und scheu und reizten daher seine Jagdpassion. Unwillkürlich ließ er die rechte Pfote locker hängen und wartete bewegungslos. Nicht lange und der Fisch, ein Schlei, kam zurück und nahm seinen alten Stand wieder ein, indem er die Flossen spielen ließ, damit ihn die leichte Strömung nicht abtrieb. Mautz straffte sich, und plitsch! – fuhr seine flinke Krallenpfote ins Wasser, den etwa halbpfündigen Schlei emporschleudernd. Doch der Erfolg war nur ein halber, denn der Schlei fiel wieder zurück in sein Element, kam aber diesmal nicht wieder.

Mautz wartete. – Kleine flinke Fischchen huschten vorbei. Sie waren aber zu schnell und boten ein zu geringes Ziel. Dann kam ein Hecht. Da wäre Mautz beinahe vom Ufer zurückgesprungen, denn der Raubfisch mochte gut seine fünf Pfund wiegen. Sein Rachen mit dem bösartigen, überstehenden Unterkiefer und seine gelben Augen, die hart und gierig waren, flößten dem Kater Respekt ein. Doch er bezwang sich und blieb, ohne einen Muskel zu bewegen, sitzen. In mäßiger Eile zog der Raubfisch vorüber, ohne den anderen Räuber, dessen grüne Lichter ihn keinen Augenblick außer acht ließen, wahrzunehmen. Der Kater aber blieb auf der Lauer. Und dann kamen drei Rotfedern. Golden und rot schimmerten sie. Ihre hübschen Lippen naschten bald hier, bald da. Dann blieben sie behaglich direkt vor Mautz stehen. Aber augenblicklich flog die Stärkste durch die Luft. Sie landete auf dem Trocknen und schnellte ziellos hin und her, wobei ihre glitzernde Pracht bald von der ihr anhaftenden Erde verdeckt wurde. Beinahe wäre sie doch noch ins Wasser zurückgeglitten, doch Mautz erhaschte sie und biß ihr das Genick durch. Und der Kater leckte und knabberte an seinem ersten Fisch. Er schien ihm delikat und angenehm verschieden von seiner sonstigen Kost. Von jetzt an hatte Mautz eine neue Möglichkeit, sich zu ernähren.

Der Hecht zieht an Mautz vorüber


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