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XI.

Es war zwei Uhr Nachts und der Verkehr fing selbst hier, wo die Lust zu leben die Menschen um ihren Schlummer bringt, an, spärlicher zu werden. Da stieg Dr. Splittericht mit dem Maler in den Hansenschen Austernkeller hinab.

»Man ißt da ganz vernünftig und Sie werden vielleicht hungrig sein, lieber Freund?«

Wolf Stark nickte:

»Da gibt's hier ein sehr gepflegtes Glas Echtes … Aber ich, Sie müssen schon verzeihen, ich muß natürlich immer an meine Arbeit denken. Ich treff mich also hier mit meinem Wachtmeister. Wir Kommissare haben nämlich jeder einen, als persönlichen Adlatus …«

Sie öffneten die Kellertür – ein behaglich eingerichtetes Lokal, in dem nur die Luft zu schwer war.

Wachtmeister Braun erhob seine Kürassierfigur, als sein Vorgesetzter an den Tisch trat.

»Bitte, bleiben Sie sitzen! Nur nicht zu viel Respekt! In unserm Beruf ist das nicht angebracht, lieber Braun!«

»Verzeihen Herr Kommissar, so als alter Soldat.«

»Ja, ich weiß. Ich bin übrigens neugierig … Der Zettel, den Sie im Bureau hinterlassen haben …«

»Sehr wohl, Herr Kommissar … ich habe …«

»Pardon, darf ich Sie erst mal mit Herrn Wolf Stark de Ruyter bekannt machen … Ich hab' Sie ja schon telephonisch unterrichtet von der Sachlage … der Herr ist also der wirkliche Verwandte des Hauses de Ruyter …«

»Ja, tatsächlich! Nicht der erschossene!« lachte der Maler.

Dr. Splittericht blickte gutmütig. Für Scherz hatte er überhaupt wenig, in seinem Beruf gar keine Empfindung.

»Also wenn ich bitten darf, Braun!«

»Sehr wohl, Herr Kommissar. Ich hatte mir sofort, wie Herr Kommissar telephonierten, die verschiedenen Bekannten von uns durchgesehen, die gerade draußen sind, und da kam ich auf den alten Lenfulski. Herr Kommissar wissen doch: wegen schweren Raubes zehn Jahre … wegen Bandendiebstahl verbunden mit Raubanfall …«

»Weiß, weiß, lieber Braun! – Also den haben Sie aufgesucht?«

»Ja, er wohnt bei seiner Geliebten. Er ist beinahe sechzig, sie achtzehn …«

Der Maler schüttelte den Kopf.

»Ja, er is wirklich ein Deubelskerl! Nich klein zu kriegen! Er arbeitete und feilte gerade an einem Schlüssel, ließ sich auch nicht stören durch mich. Das wäre ein Wohnungs-Drücker, den andern hätt' er verloren. Die Leute hören ja doch nich, was soll man da reden … ›Bis Sie wieder drinsitzen, Lenfulski!‹ sagte ich. Er grinste: ›Hoffentlich lassen Sie mir nich hochjehn, Herr Wachtmeister!‹ – ›Wieso?‹ –

›Na, der Polizeipräsident hat doch den Schießerlaß rausjejeben! Danach muß jeder jleich von seine Waffe Jebrauch machen! Un ik mechte Ihn det doch nich andun, Herr Wachtmeester!‹ – Na, Herr Kommissar, nu machen Sie mal wat mit so 'ne Leute!«

Dr. Splitterichts Nase krauste sich. Er murmelte, mehr für sich selbst, wie zu den andern:

»Druck erzeugt Gegendruck!«

Dann sagte er laut:

»Was wurde denn nun, Braun?«

»Na, wie gewöhnlich, Herr Kommissar. Ich sagte ihm, daß ich'n eigentlich gleich festnehmen müßte; denn die Sache bei Herm. Leinheil & Co., wo für dreizehntausend Mark Trikotagen weg waren, dann die Geschichte bei Cohn & Sohn, wo sie gleich mit 'n Möbelwagen die Schuhe und Stiefel weggeholt haben, und auch der Diebstahl in der Albrechtstraße in Steglitz, für die käme er nach der ganzen Art der Ausführung allein in Betracht. Aber er lachte bloß und sagte: ›Na, denn vahaften Se mir man, Herr Wachtmeester, ick jeh sogar ruhig mit!‹ – Es blieb mir also nichts übrig, ich mußte andre Saiten aufziehn! … Un wie ich da noch so drumrumrede – in de Küche waschte die Kleene ab und sang, daß es man so schallerte – da sagte er, der Lenfulski, plötzlich janz von selber: ›Sie suchen den Breitenberger Mörder?‹ – Wie er das wissen konnte is nur 'n Rätsel!«

Dr. Splittericht nahm ein Mittagsblatt vom vergangenen Tage aus der Tasche und zeigte seinem Untergebenen die Notiz, die ihn, den Kommissar, als mit der Aufhellung der neuen Mordtat betraut, erwähnte.

»Da er weiß, daß wir zusammenarbeiten, lieber Braun, war die Kombination nicht so schwierig.«

Der Kellner brachte die bestellten Speisen. Und Wolf Stark sagte:

»Die Herren haben wohl nichts dagegen, daß ich mich inzwischen mit meinem Beefsteak beschäftige …«

Dr. Splittericht nickte freundlich, der Wachtmeister bewegte sich respektvoll zustimmend etwas vorwärts. Dann sagte er:

»Nu war ich ja sehr jespannt, Herr Kommissar, aber was er mir denn jesagt hat, der Lenfulski, da bin ich doch platt jewesen … Der kennt 'n den Mörder! Ja, wirklich, der kennt 'n ganz jenau!«

»Wieso?«

Dr. Splitterichts Gesicht veränderte sich um keine Linie. Der Maler hielt im Essen inne.

»Ja, sonst könnt' er das doch nicht wissen! … Von mir hat er doch nichts erfahren! … Und wußte jenau Bescheid, daß da ein paar Freunde waren, der Kerl selber und der, den er erschossen hat …«

»Daß der Mörder den andern erschossen hat?«

»Nee, das konnt' er ja nich … Das steht ja heute mittag erst in der Zeitung, und ich war gestern nachmittag doch schon bei ihm, bei Lenfulski … Aber daß er schwindsüchtig is und der Amerikaner genannt wird, der andere … Na, ich hab 'n ja herbestellt, den Lenfulski, vielleicht kommt er, denn wird er Ihnen das alles selber sagen, Herr Kommissar!«

Der Kommissar, der so saß, daß er den Eingang des Lokals, das voller Gäste war, im Auge behielt, meinte leise:

»Er ist schon da!«

Nur der Maler blickte überrascht auf: Da stand, mit den Augen suchend, ein ergrauter Mann, gut angezogen, den spiegelnden Zylinder auf dem Kopf, den hellen Sommerüberzieher über dem Arm, seine Hand hielt einen eleganten goldknopfigen Spazierstock. Ein Mann mit einem furchtbaren Gesicht, das wie aus verwittertem Stein geschnitten, funkelnde Augen, eine durch Hiebwunden verunstaltete Nase und wahre Negerlippen unter dem dünnen, graumelierten Schnurrbart zeigte. Was aber diese Züge, die man nicht leicht wieder aus dem Gedächtnis verlor, so schrecklich machte, war die einem Höhlenmenschen der Vorzeit entlehnte Kinnbackenpartie. Keine Spur von Güte oder Nachsicht thronte auf diesem Angesicht, auf dem sich der ererbte Hang zum Verbrechen mit den Merkmalen eines wilden, von Leidenschaften gepeitschten und erbarmungslos mißhandelten Lebens ineinander verlor.

»Den möcht' ich zeichnen«, flüsterte der Maler.

»Aber nur unter polizeilicher Bewachung!« sagte der Kommissar leise und sah hin zu dem Ankömmling. »Er ist beim geringsten Anlaß von einer fast tierischen Wildheit!«

Indem hatte der alte Kriminelle, die er suchte, erkannt und trat grüßend an den Tisch.

»Der Herr da ist Maler, Lenfulski,« scherzte der Kommissar, dem an einer unverfänglichen Einleitung des Gespräches lag, »er möchte Sie malen!«

Der Mann, der seinen Zylinder nicht abnahm, kniff das linke Auge ein und starrte einen Moment zu Wolf Stark hin. Dann sagte er wegwerfend:

»Hö! … Künstler!«

Der Maler lachte:

»Sie halten nichts von der Kunst?«

»Von der nich! Hat mir schon mal einer anjeboten, so 'n Professor … draußen in de Lehrterstraße hat er die Kirche ausjemalt … da hat' ich ooch nischt weiter zu tun, als stille zu sitzen …«

»Wie hieß der Herr?« wollte Wolf Stark wissen.

Dem Kommissar hob sich ein wenig der kleine Schnurrbart, der Wachtmeister versuchte vergeblich ernst zu bleiben.

»Nummer zweehundertunddreizehn,« feixte der im Zylinder »is ooch druffgegangen draußen … sieben Jahre wejen Meineid! Det hält manch eener nich aus!«

Nun begriff Wolf Stark. Betreten sagte er:

»Ach so …«

»Ja, ach so!« höhnte sein Gegenüber, »ach so! … Nu is 't natierlich aus mit de Wertschätzung von den Herrn Kollegen! … Aber so seid Ihr eben alle! Wenn erscht mal eener sein Dings wech hat, denn klappt Eire sogenannte Jesellschaft de Diere hinter ihn zu! … Denn heeßt et: ›ach so!‹ Det is eire Moral … hahaha!«

Der Maler überlegte kurz und sagte:

»Sie haben nicht ganz Unrecht …«

Aber der Kommissar mochte wohl nicht die Zeit mit Philosophie verlieren. Er klopfte dem alten Verbrecher, der an seiner Seite saß, leicht auf die Schulter:

»Wie ist es nun also mit unserer Sache? … Wachtmeister Braun hat mich ordentlich neugierig gemacht?«

Der im Zylinder kniff wieder sein linkes Funkelauge:

»Das jlaub' ich! … Bloß, wissen Se, Herr Kommissar, ick kann jetzt ofte die Nacht nich schlafen un denn denkt man doch so über allerhand nach … Sehen Se mal … bei mir da is det so: wat ihr so Anständigkeit un Nächstenliebe nennt, un so, det is aus mein Lexikon een for alle Mal ausjestrichen! Det kenn ick schon längst nich mehr! … Ihr ja ooch nich, aber ihr tut doch wenigstens so! … Bei mir da – ick bin eben, wat man so sagt, 'n hartgesottner Verbrecher! … Ick habe for keenen Menschen wat übrig! … Die ja for mir ooch nich! … hechstens Kittchen … Na, also Se brauchen nu nich zu denken, det ick det, wat ick jetzt sagen will, det sag' ick aus'n besonderes Anständigkeitsjefiehl raus oder aus Moral! … Ih, keene Ida! … Aber wenn ick'n Vajleich ziehe zwischen eenen der uff meine Seite steht, un zwischen die andre Seite, wo de Polizei is, denn zieh ick mir doch meine vor, un denn seh ick nich in, warum ick den Mann, der mir doch direkt janich mal wat jetan hat, warum ick den verraten soll …«

»Es ist aber ein Mörder, Lenfulski!«

»Na ja … is er! … Aber dafor kann ick doch nischt! Soll ick etwa uff'n uffpassen? Dafor sind doch andere da!«

Der Kommissar schwieg. Der Wachtmeister kaute wütend an seinem Schnauzer. Und der Maler hörte und sah voller Interesse, ohne selbst innerlich irgendwie Partei zu nehmen, dieses menschliche Ungeheuer, das alles in sich überwunden zu haben schien, was Gesetze, Erziehung, Verantwortlichkeits- und Gemeinsinn in den Geist der bürgerlichen Menschen einpflanzen.

»Na hören Se mal Lenfulski«, wollte eben der Wachtmeister anfangen, doch ein Blick seines Vorgesetzten hemmte seine Zunge.

Dr. Splittericht wußte, wie er seinen Mann zu nehmen hatte. Alle diese Amoralischen können dem Alkohol nicht widerstehen und unterliegen in Folge ihrer, auch physischen Minderwertigkeit bald seiner Einwirkung. Das Gift, das in ihren Adern kreiste, ehe sie noch geboren waren, das Gift der Blutverderbnis, macht sie zu willenslosen Sklaven dessen, dem schon ihre Erzeuger blind gehorchen mußten. Denn ohne ihn sind sie nichts, sind tatenunlustig, schlaff und können ihrer stieren Depression nicht die Lebensfreude abgewinnen die jedes Geschöpf braucht, wenn es den Mut zum Dasein bewahren will. Ein fürchterlicher Kreislauf treibt sie; in ihnen wird ein Teil des Wortes von der Erbsünde wahr, freilich ohne daß die Menschen begreifen, welch ein gigantischer Zwang seine schwarzen Flügel über den Gezeichneten schlägt!

Dabei können manche von ihnen, wie der Volksmund sagt, »viel vertragen«, das heißt: der Rausch tritt nicht so sinnfällig auf, daß der Unerfahrene ihn erkennt. Nur der tiefer Schauende sieht auch bei diesen »Ausgepichten« eine Hemmung nach der andern sich lösen, sieht deutlich das mit jeder Minute krassere Hervortreten der asozialen Instinkte. Der Wissende kann auch den Hebel »Vorsicht, Mißtrauen und Schweigen« in dem Alkoholisierten auslösen, mit dem einfachen Rezept, jenen immer mehr vollzupumpen, selbst aber nüchtern zu bleiben.

Der Kriminalkommissar Dr. Splittericht wußte das alles und sah sein Amt deshalb oft mit so tiefem Haß an, daß es aller realen Ueberlegung und der harten Ueberzeugung von den schlimmen Notwendigkeiten im Daseinskampf für ihn bedurfte, um ihn auf seinem Posten festzuhalten …

Der Kellner hatte alten Burgunder und Sekt gebracht und er wechselte in kurzer Zeit die Flaschen mehrere Male aus im silbernen Kübel. Der Wachtmeister, ein vor allen trinkfester Mann, sorgte, daß des alten Einbrechers und Räubers Glas nicht leer wurde. Und je lästerlichere Reden der führte, desto mehr Durst schien er zu kriegen. Er war sich auch ganz klar darüber, daß man ihn so ausholen wollte; er sagte das mit den Worten:

»Und wenn Se mir volljießen bis an de Halsbinde, rauskriejen tun Se doch nischt!«

Der Kommissar und der Maler tranken langsam und bedächtig; der eine wußte, worauf es ankam, der andere war so beschäftigt mit diesem seltsamen Zerrbild eines geistigen Kampfes, daß er selbst seine heimliche Liebe für Zeiten vergaß.

Auf einmal beugte sich der Verbrecher zu seinem Nachbar und sagte mit nur unmerklich gehemmter Zunge:

»Nu will ick Ihn' mal wat sagen, Herr Kommissar, diesmal sind Sie der Jeneppte! … Denn wat ick wirklich weß, det is so jut, wie janischt! … Und damit Se endlich Ruhe haben, will ick et Ihnen sagen: nämlich woher ick den Mann kenne … Ick war doch ooch mal drieben! Ick wollte da det sojenannte neie Leben bejinnen … haha! Als ob unsaeena det ieberhaupt noch kennte! … Na, ick hab't ja ooch nich lange ausjehalten in's freie Amerika … Se haben mir balde jenug hopps jenommen in Philadelphia … Aber det war nich da, det war in New York … Da kommt eenes scheenen Dages in die Herberje – da sagen se Boarding zu – eener zu mir ran un fragt mir, ob ick nich 'n Dings mit ihm drehn wollte? … Sehn Se, det war der Mann! … Bloß er is nachher nich wiederjekommen … War also nischt …«

Lenfulski schwieg, schielte nach den Flaschen, und, sowie der Wachtmeister ihm eingegossen hatte, fuhr er fort:

»Ja, sehn Se, und den hab ick hier wiederjesehn! Vor acht Dage in's Café ›Täubchen‹ … Sie wissen doch, Herr Kommissar …«

Dr. Splittericht nickte:

»Und da wollte er wieder Ihre Hilfe in Anspruch nehmen, nicht wahr?«

»Ja, er hatte mir ooch sofort wieder erkannt; ick ihm natierlich ooch, denn er hustete in eenen weg … noch ville mehr wie damals drüben … Na, un er, wie ick 'n denn fragte, wat et denn for 'ne Sache wäre, da meente er, se wäre kinderleicht. Ne olle reiche Dame, un wir würden von eenen einjelassen – det wär' der Neffe, der ooch dabei sein müßte … Na, un sehn Se mal, Herr Kommissar, det war schon nischt für meine Person. Sowat mach ick nich! Zwee sind schon zu ville, aber bei drei, da fängt direkt der Schlamassel an! Nee, det mach ick nich mit, sowat!«

»Sagte er nicht, um was es sich da handelte?«

»Ja, Edelsteine. Un darum wart' ooch nischt for mir! … Denn jedesmal, wenn so'n Jeflinker bei war, bin ick 'ringegangen! Da warnt mir direkt 'ne innere Stimme vor! Und sehn Se, Herr Kommissar, des is alles! Da hat Ihn der Herr Wachtmeester wieder 's Maul wässrig jemacht un nu is nischt! Un ick habe morjen 'n Oelkopp un meine kleene Mulle zu Hause macht mir landrechtig!«

Der Kellner kam:

»Herr Dr. Splittericht wird am Telephon verlangt.«

Der Kommissar gab Braun einen Wink. Der erhob sich.

In dem weinseligen Gesicht des Verbrechers erwachte plötzlich die Wut; seine Zähne knirschten, die Hand fuhr in die Beinkleidtasche. Und mit heiserer Stimme, sich im Sitz ein wenig hebend, stieß er hervor:

»Na, nu wollt Ihr mir woll alle wer'n lassen! … Na warte!« …

Der Kommissar sah ihn bloß an, aber in seinen Augen brannte die unwiderstehliche Wahrheit:

»Sie kennen mich doch seit Jahren, Lenfulski! Halten Sie mich einer solchen Gemeinheit für fähig?«

Der Gauner sank zurück in den Stuhl.

»Nee, nee?« murmelte er, »Sie sind ja nich so, Herr Kommissar, aber die andern …«

»Jetzt haben Sie 's aber mit mir zu tun, nicht mit den andern, Lenfulski! Wenn ich was mit Ihnen vorhabe, dann krieg ich Sie so, ohne solche Ueberredungskünste –« er winkte mit dem Kopf nach der Flaschenbatterie, – »nun noch eine Frage: wissen Sie den Namen?«

»Nee, er heißt bloß ›der Amerikaner‹.«

»Aber vielleicht, wo er herstammt?«

»Ja, von 's Land, aus Sachsen.«

»Das haben Sie an seinem Dialekt gehört?«

»Ja …«

»Und wo hat er die Schwindsucht her?«

»Na, aus't Zuchthaus. Wo denn sonst! Da brauchen Se doch nich erst zu fragen!«

»Dann hat er in Waldheim gesessen!«

»Wieso?« Der Verbrecher wurde ganz erregt. »Det heeßt, det hab' ick nich jesagt! … Nee, det is ooch nich wahr! … Wenigstens mit mir hat er davon nich jesprochen … nee, davon is keene Rede nich!«

Der Wachtmeister kam wieder:

»Wir müssen sofort aufbrechen, Herr Kommissar!«

»Ja, ich bin auch fertig …«

»So?« sagte der Verbrecher hohnvoll, »jetzt sind Se uff eenmal fertig! Aber natürlich, der Lenfulski, mit dem kann man ja det mach'n. Wenn man den orntlich vollfillt, denn quatscht er alles aus! … Na, meinswejen, wat jeht mir der an! … Machen Se, wat Se wolln! Aber wenn Se jlauben, ick sage wat aus for die schwarzen Männer mit'n Tintendickel, denn sind Se schief jewickelt!«

»Ich werde Sie nicht in Anspruch nehmen, Lenfulski und … wenn ich Ihnen vielleicht jetzt mit 'ner Kleinigkeit aushelfen kann?«

»Danke. Ick brauch Ihre acht Jroschen nich! Wir leben ooch so … Un im übrijen, wir treffen uns ja mal wieder, Herr Kommissar!«

Mit diesen Worten, die nicht einmal wie eine Drohung klangen, nahm der alte Gesetzbrecher hastig seinen Paletot und Stock und ging, ohne die beiden andern Männer zu beachten, durch das rauchige vom Lärm der Gäste erfüllte Lokal davon.

»Herr Kommissar,« erklärte Braun und der Riese fieberte vor Aufregung, »die Goldelse hat angeklingelt. Sie sagt, sie hat ihn fest! … In der ›Schmetterlingsschlacht‹, Unter'n Linden!«

Wolf Stark de Ruyter, der in dieser ereignisreichen Nacht vor immer neue Sensationen gestellt wurde, wunderte sich über die Gelassenheit, mit der der Kommissar die Nachricht empfing.

»Das wäre ja reichlich viel!« sagte der ruhig. »Immerhin bin ich jetzt einen Schritt weiter …«


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