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Die Herren, denen der Diener die Tür öffnete, traten ein, während der Direktor des »Waldfrieden« an der Tür stehen blieb. Er hatte einen Revolver in der Tasche und die Absicht, jeden Fluchtversuch des Verbrechers mit Waffengewalt zu vereiteln! Herr v. Dose trat vor, verbeugte sich, das Einglas starr im Auge, zu der Dame hin und sagte:
»Gnädiges Fräulein verzeihen, mich führt eine wichtige Amtshandlung her. Es handelt sich um den Herrn da!« Er wandte sich Wolf Stark zu. »Ich ersuche Sie um Ihren Namen!«
Die frischen Lippen unter dem blonden Schnurrbart zeigten blitzweiße Zähne:
»Ich heiße Anders, bin amerikanischer Bürger!«
»So, wie lange sind Sie hier?«
»Seit drei Tagen. Aber mit wem hab' ich eigentlich das Vergnügen? Wir Amerikaner lieben nicht zu große Höflichkeit, aber vorstellen tut man sich drüben gegenseitig auch!«
»Ich bin der Amtsvorsteher von Breitenberg, Oberleutnant v. Dose … Sie sind also schon vorgestern abend einmal hier gewesen, haben im Hotel ›Waldfrieden‹ gewohnt?« – »Ganz recht!«
Matthias Claudius an der Tür nickte lebhaft: der Mensch hätte es nur wagen sollen, das in Abrede zu stellen!
»Und zu welchem Zweck sind Sie hierher gekommen?«
»Zu welchem Zweck, wenn ich fragen darf, wollen Sie das wissen?«
Herr v. Dose, bisher noch sehr beherrscht, wurde merklich schärfer:
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie in mir den Vertreter der hiesigen Amts- und Polizeibehörde zu respektieren haben! Als solcher frage ich nun zum wiederholten Male: Was wollten Sie hier in unserer Stadt?«
»Ich wollte meine Verwandten besuchen.«
Jetzt nickte Thekla, die es nicht wagte, sich einzumischen.
»Wer sind Ihre Verwandten?«
»Die leider kranke Frau Amaranth de Ruyter ist meine Tante und Fräulein Thekla de Ruyter« – er nickte dem schönen, schwarzhaarigen Mädchen zu – »ist meine Base.«
Der Amtsvorsteher sah Thekla an.
Diese nickte gleichfalls noch lebhafter.
Da sagte Herr v. Dose, und das große Einglas in seinem rechten Auge blitzte voller Ueberlegenheit in dem Sonnenstrahl, der sich zwischen den Vorhängen ins Zimmer schmuggelte:
»Warum sind Sie denn gestern in aller Frühe wieder zurück nach Berlin gefahren?«
»Obwohl das eine Privatangelegenheit ist, sollen Sie auch das wissen …«
»Es gibt in einem Kriminalverfahren keine Privatangelegenheiten!«
»Das ist Auffassungssache, aber trotzdem. Also ich mußte unbedingt sofort wieder zurück nach Berlin, denn ich hatte in meinem Berliner Hotel meine Brieftasche auf dem Frühstückstisch unten im Speisesaal liegen lassen … und das Portefeuille enthielt meinen amerikanischen Paß … das einzige Ausweispapier, das ich besitze. Meine deutschen Papiere sind mir nämlich seinerzeit von dem erschossenen Dittrich gestohlen worden.«
»Also Sie besitzen einen Paß?«
»Mit Ihrer gütigen Erlaubnis, ja!«
»Den möcht' ich sehen!«
»Bitte!«
Wolf Stark zog lächelnd seine Brieftasche, da sagte der Ortsgewaltige:
»Ihnen scheint die Sache sehr heiter vorzukommen. Aber wissen Sie, Verehrtester, solche Situationen nehmen manchmal einen recht tragischen Verlauf für den Betreffenden!«
»Die meine kaum!«
Der Maler reichte den Paß hin:
»Das ist mein amerikanischer Paß auf meinen amerikanischen Namen. Als geborener Deutscher führe ich noch einen anderen. Da heiße ich Wolf Stark de Ruyter und bin, wie gesagt, der Vetter dieser jungen Dame.«
»Ach so!« Jetzt nickte Herr v. Dose mit ironischem Verständnis und blickte sich dabei nach Herrn Matthias Claudius um, der ebenso ironisch wiedernickte.
v. Dose wandte sich an Thekla:
»Es tut mir unendlich leid, mein gnädiges Fräulein, aber ich kann Ihnen den Vorwurf einer gewissen Leichtgläubigkeit nicht ersparen! In Ihrem verehrten Hause ist doch wirklich Unglück genug durch diese sogenannte Vetternschaft geschehen! Wollen Sie nun, nachdem der erste aus dem Leben geschieden ist, am Ende dem zweiten zum Opfer fallen?«
Thekla wurde immer verwirrter. So dachte sie gar nicht an das Bild des Onkels. Sie hatte das Gefühl, zu Wolf Stark hinzueilen, ihn zu schützen, doch ihre Weiblichkeit zögerte.
Wolf Stark selbst schien eher alles andere wie Angst zu empfinden. Im Gegenteil, ihm machte dieser tiefe Ernst des Herrn von der Polizei offenbar Vergnügen. Aber er tat ganz furchtsam:
»Sie werden mich doch nicht etwa verhaften wollen, mein Herr?«
»Die Absicht habe ich allerdings!«
Es klopfte, der Geheimrat trat ins Zimmer.
»Ah, guten Morgen, mein verehrter Herr Oberleutnant! Na, was sagen Sie …«
Er hielt inne, sah die ernste Miene des Amtsvorstehers, den Hoteldirektor an der Tür, guckte den an und fragte:
»Nanu, was wollen denn Sie hier, lieber Claudius?«
Der zuckte mit gehaltener Miene die Achseln und deutete mit stummer Gebärde auf den Amtsvorsteher, so als wolle er nicht vorgreifen.
»Ach so,« sagte der Geheimrat, »Sie wollen dem Blonden da ans Leder! Ja, gewiß! Sie lieber Claudius, haben ihn ja gestern schon als den präsumtiven Mörder getippt!«
Mit gerunzelter Stirn, denn der Humor des Professors schien ihm der Situation unangemessen, wandte sich Herr v. Dose jetzt an den Maler.
»In jedem Fall müssen Sie mir aufs Amt folgen und sich dort näher ausweisen. Die Schwere des Falles, der unsere Stadt in die höchste Aufregung versetzt … das heißt, ich meine, es würde sich auf keinen Fall rechtfertigen lassen, wenn ich mich ohne weiteres auf Ihre Angaben verlassen wollte! Wollen Sie mir freiwillig folgen, sonst muß ich meine Beamten rufen!«
Da stand Thekla an des Malers Seite. Da hatte sie das Bild und hielt's dem Amtsvorsteher hin:
»Bitte, Herr Amtsvorsteher, das ist mein verstorbener Onkel Jan Stark de Ruyter, Wolf Starks Vater!«
Herr v. Dose sah flüchtig auf das Bild:
»Das interessiert mich nicht!« wollte er sagen, aber er hielt im Satz an: die Aehnlichkeit sprang ins Auge!
Neugierig kam auch Matthias näher und schielte an v. Dose vorbei auf die Photographie.
»So was kann zufällig sein!« sagte er geringschätzig, denn er wollte seinen Fang nicht auskommen lassen.
»Aehnlichkeit ist immer ein Zufall«, meinte Wolf Stark. »Nur kommt sie meistenteils zwischen Verwandten vor.«
»Na, über alles das können wir uns ja auf dem Amt weiter unterhalten«, entschied Herr v. Dose. »Das Bild werde ich vorläufig mitnehmen!«
»Aber lieber Herr Oberleutnant«, raunte der Geheimrat, an seine Seite tretend. »Sie werden doch den Mann daraufhin nicht verhaften!«
Doch Herr v. Dose wurde stocksteif, drückte das Monokel fester und sagte laut, in entschiedenem Tone:
»Mein hochverehrter Herr Geheimrat, die Amtshandlungen der Polizei regulieren sich nach Gesetzen und Vorschriften. Das heißt, ich meine … ich bin unmöglich in der Lage, in dieser Beziehung Ratschläge entgegenzunehmen!
Achselzuckend wandte sich Professor Wildner.
Da sagte Thekla mit stockender, wie verschleierter Stimme:
»Aber Herr Oberleutnant …«
Der Gestrenge hob die Hand:
»Ich bitte, gnädiges Fräulein! … Wenn dieser Mensch sich nicht weiter ausweisen kann …«
Wolf Stark wandte sich mit einem Ruck. Feuer sprühte aus seinen blauen Augen:
»Herr! … Amtsvorsteher oder was Sie sonst sind! Achten Sie gefälligst auf das, was Sie sagen! Ich bin für Sie Mr. Ander! Bin amerikanischer Bürger! Wenn Sie mich auf solchen blödsinnigen Verdacht verhaften wollen, dann tun Sie's! Auf Ihre Gefahr! Unser Konsulat wird Ihnen die Antwort darauf geben!«
Er wandte sich zu Thekla, nahm ihre beiden Hände Und küßte sie:
»Lebewohl, liebe Thekla! … Ich bin bald wieder hier! … So, nun kommen Sie, Herr … Herr Amtsvorsteher!«
Dem war ein bißchen eigen zumute. Die Verhaftung war vielleicht doch etwas übereilt! Aber seine Autorität stand auf dem Spiel! Jetzt hieß es auf alle Fälle durchgreifen! Diese Dreistigkeit, einer königlich preußischen Behörde nicht allein, nein, einem Offizier gegenüber, das konnte er nicht ruhig hinnehmen!
Er stand wie aus Erz:
»Ich erkläre Sie hiermit für verhaftet!«
»Schön«, sagte Wolf trocken, »wie oft noch?«
»Folgen Sie mir!«
Indem klingelte das Telephon.
Thekla nahm den Hörer ab, lauschte und sagte, erlöst aufatmend:
»Herr Amtsvorsteher, Sie werden zu sprechen verlangt!«
Er trat an den kleinen chinesischen Tisch aus schwarzem Teakholz, auf dem der Fernsprecher stand.
»Ach, Sie sind es, Herr Staatsanwalt … ja … jawohl … Wie? … Herr Kommissar Dr. Splittericht ist … gestern? … Gestern abend noch. Und das ist ganz sicher? … Wir haben nämlich – das heißt, ich habe – hier einen dringend Verdächtigen. – Ja … den aus dem Hotel Waldfrieden, der da gewohnt hat, vorgestern nacht … Herr Claudius beobachtete ihn heute morgen wie er in das de Ruytersche Haus hineinging. Hier habe ich ihn eben verhaftet. Sie meinen, Herr Staatsanwalt? So … ja … ist denn der Herr Kommissar auch dort? Ja … ja … wenn Sie das für richtig halten, Herr Staatsanwalt … Ganz recht, ja … Wir könnten Sie dann hier erwarten … ja, bitte!«
Als sich Herr v. Dose wieder den anderen zuwandte, war er womöglich noch ernster, sozusagen undurchdringlich.
»Der Herr Staatsanwaltschaftsrat Dr. Losch wird in wenigen Minuten hier sein. Das heißt … ich meine … dann wird sich das Weitere finden.«
Damit trat er selbst an's Fenster, wandte den übrigen für einen Augenblick den Rücken, überlegte aber doch sofort, daß eine Dame im Zimmer sei, und kehrte sich den Anwesenden mit über der breiten Brust verschränkten Armen wieder zu. Schweigend, ohne eine Miene zu verziehen, nur noch Hüter und Vollzugsorgan des Gesetzes.
Geheimrat Wildner sprach leise mit Herrn Matthias Claudius. Er sagte:
»Mir scheint, Sie haben da eine kapitale Dummheit gemacht, mein Lieber!«
Der zuckte unwillig die Achseln.
»… jawohl, Sie und Ihr Herr Skatbruder, alle beide! Das wird Ihnen schnell genug klar werden!«
Er wandte sich Thekla zu:
»Kommen Sie, mein liebes Fräulein, Sie sind ja, soviel ich weiß, nicht mit verhaftet.«
Und er nahm des Mädchens Hand, legte sie auf seinen Arm und führte die leicht Widerstrebende hinaus. An der Tür warf Thekla einen Blick zurück auf ihren Vetter. Der lachte sie an, und da wich auch ihre Besorgnis. Draußen auf dem Flur sagte der Professor:
»Wissen Sie, eigentlich kann einem der Mann leid tun …«
»Wolf Stark, Herr Professor?«
»Nee«, sagte er, »ich meine, der gute Herr v. Dose! Er ist gewiß ein braver, rechtlicher und tüchtiger Mann. Bloß für den Posten, an den ihn die Regierungsweisheit gestellt hat, paßt er absolut nicht. Diese Leute, die früher den Offiziersdegen getragen haben, betrachten manchmal die ganze Welt als Kasernenhof … Ich fürchte oder vielmehr, ich sehe es deutlich, daß er sich hier mit seiner ganzen Breite in die Nesseln gesetzt hat. Freilich, das wird ihn auch noch nicht ändern. Denn es gibt gar keinen Mißgriff, der so groß wäre, daß ihn die sogenannte Autorität nicht zudecken könnte. Aber im übrigen, was für uns weit wichtiger ist; der Zustand Ihrer Tante, liebes Kind, nimmt einen fast beängstigend … ja … mir ist so etwas einfach noch nicht vorgekommen!«
Und da Thekla voll Schrecken zu ihm aufsah:
»Nein … nein … nicht zum Schlimmen! Im Gegenteil! Da ist beinahe zu wenig Komplikation! Ist doch immerhin eine schwere Fraktur, die vorliegt … und fast gar kein Fieber. Heute nacht, wie mir Schwester Adelheid eben sagte, 38,3 und jetzt schläft sie schon seit vielen Stunden. Schläft so ruhig. Wenn das so fortgeht.«
Der Professor hatte mehr zu sich selber als zu Thekla gesprochen. Er schritt ein wenig vor ihr her die Rundtreppe hinauf. Plötzlich blieb er stehen, sah sich um und sagte:
»Der Doktor Splittericht, den ich übrigens für einen ganz ungewöhnlichen Menschen halte … denn das ist gar kein Kommissar wie die anderen und ebensowenig der Detektiv nach amerikanischem Muster, die bekanntlich aus einem gefundenen Zahnstocher die ganze Psychologie des noch gar nicht gefundenen Verbrechers diagnostizieren – … Ja, was wollt' ich denn sagen? … Ach so! Ja! der Doktor scheint in der vergangenen Nacht noch recht bedeutsame Feststellungen gemacht zu haben.«
Nun erzählte Thekla ihm ein bißchen verlegen – denn sie wußte nicht, was der Geheimrat dazu sagen werde – von dem nächtlichen Besuch des Kommissars im Krankenzimmer. Doch Geheimrat Wildner fand nichts zu bemerken; er nickte nur eifrig, als Thekla anfügte:
»Fast möchte ich glauben, wenn ich mir Herrn Dr. Splitterichts Fragen von gestern abend überlege, er hat es schon geahnt oder vermutet, was mir erst heute durch Wolf Starks Heimkehr aufgegangen ist.«
»Daß der andere sich nur fälschlich als Ihr Vetter ausgegeben hat?«
»Ja, Herr Geheimrat, bei dem Scharfsinn des Herrn Doktor …«
»Wahrhaftig, der Mensch sieht durch eichene Bohlen.«
Professor Wildner ging weiter die Treppe hinauf. Dann trat er vor Thekla, denn er war das bei seinen Krankenbesuchen so gewohnt, ins Zimmer seiner Patientin.
Frau de Ruyter lag noch immer in festem Schlaf. Nur hin und wieder atmete sie, wie in Schmerzen. Dann zitterte die Wimper über dem Auge, es schien für Augenblicke, als wolle die Kranke wach werden, aber der Schlummer hielt sie weiter in seinen heilenden Armen.
»Merkwürdig! … merkwürdig! …« sagte der Professor Wildner. »Ich habe doch schon genug Leute mit zerbrochenen Köpfen unter den Fingern gehabt!«
Schwester Adelheid stand in ihrer bescheidenen Haltung zu Füßen des Bettes.
»Wenn Herr Professor meinen, möchte ich versuchen, der Kranken nachher ein bißchen Nahrung einzuflößen?«
»Ja, das tun Sie, Schwester! Am besten Bouillon … oder Milch … nur Flüssiges … Bei einer so günstigen Entwicklung darf man der Natur so wenig wie möglich Aufgaben stellen … und Essen und Trinken ist eine Aufgabe … eine große sogar … Ist denn jetzt Fieber vorhanden?«
Die Schwester zuckte die Achseln:
»Ich habe heute noch nicht gewagt zu messen.«
»Sehr gut, sehr richtig, Schwester! … Solchen Schlaf um alles in der Welt nicht stören … Da erneuern wir auch den Verband vorläufig nicht …«
Er wandte sich zu Thekla. Er sprach so leise, wie ihm das bei seinen, zumeist an der Grenzscheide des Lebens stehenden Kranken Gewohnheit war:
»Ich glaube, Sie haben einen besonderen Fürsprecher da oben, liebes Fräulein … Jetzt kann ich Ihnen sagen: Gestern früh hätte ich nicht gedacht, daß die Frau da heute noch atmen würde!«
Erschrocken faltete Thekla die schlanken, weißen Hände. Sie sprach nicht. Ihre dunklen Augen nur baten um Gewißheit, daß die, die sie so sehr liebte, erhalten bliebe …
Und dann mitten in ihr bangendes Herz hinein flutete ein anderes, das ihr Blut klopfen ließ in einer neuen noch nie empfundenen und kaum gekannten Melodie … Sie sah ein Gesicht, das ihr bekannt und vertraut däuchte, als hätte es von Anfang her in ihr eigenes Sein hineingeblickt; zwei Augen, die so gut, so kindlich gut und froh herübersahen – und ein Lachen hörte sie, das alle Sorge, alle Angst aus ihrer Seele scheuchte …
»Weinen Sie nicht, liebes Fräulein,« hörte sie den Geheimrat sagen, »Sie dürfen wirklich hoffen, Ihre Tante bald wieder gesund und munter zu sehen!«
So heiß und tief errötete sie, daß sie sich, abwenden mußte. Rasch schritt sie aus dem Zimmer.
Der Geheimrat folgte ihr:
»Bei Ihrer großen Erregbarkeit, mein liebes Fräulein, ist es besser, wir überlassen vorläufig die Pflege Ihrer Frau Tante, Schwester Adelheid … Sie können ja die Schwester des Nachts hin und wieder ablösen, damit sie bei Kräften bleibt.«
»Ach!« Theklas Augen waren lauter Glück und Freude. »Ich bin sonst gar nicht so weichlich, Herr Professor … Das ist nur jetzt … es kommt so viel auf einmal …«
Er nickte eifrig.
»Aber ja! Ganz gewiß! … Wenn ich denke, wie jung Sie noch sind! … Das ist ja eine völlige Lebensumwälzung! … Uebrigens, der neue Vetter … ich glaube, das ist kein schlechter Tausch, den Sie da machen, gnädiges Fräulein!«
Thekla lachte. Sie hoffte, sie würde dann nicht so leicht rot werden! … Indem horchte sie in den Korridor. Ihr war, als höre sie dahinten Stimmen und Schritte …
»Was ist denn, liebes Fräulein?«
Thekla deutete nach rechts:
Jetzt vernahm es der Professor ebenfalls: da sprachen mehrere Leute durcheinander!
»Ist Ihr Diener vielleicht da und die Mädchen?«
»Nein, Herr Geheimrat, es ist niemand von uns oben!«
»Aengstigen Sie sich nicht, liebes Kind, ich gehe nachsehen!«
»Und ich begleite Sie, Herr Geheimrat!«
Er lachte:
»Was soll denn da auch sein …! Jetzt am hellen Tage!«
Sie gingen den Gang entlang, blieben vor der Ateliertür stehen und lauschten.
»Das ist ja …« sagte der Professor, »das ist ja Herrn Doktor Splitterichts Stimme!«
Er klopfte an die Tür und trat auf das von drinnen schallende »Herein!« ins große Atelierzimmer. Hinter ihm schüchtern das schöne Mädchen.