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3.

Der rote Broz mußte sich denn doch erlaubt haben, dem erhofften Schwiegervater so ein verpöntes Licht anzuzünden; denn eben als die Bauern aus der Schenkstube traten, hörten sie die Kammertür im obern Stockwerk erkrachen, wie wenn ein ganzer Mann dagegen geworfen würde; weil aber niemand mehr neugierig war, den Böswirt in der Nähe zu betrachten, wenn er seine Donnerwetter losließ, so gingen sie gleichgültig und ohne Aufenthalt ihrer Wege.

Droben legte der rote Broz langsam seine beiden flachen Hände an die Stiegenwand, gegen die er, durch die Kammertür geworfen, über fünf Stufen gefallen war, schob sich sachte wieder auf die Beine und rieb sich dann mit den Fäusten das Rückgrat, während der Böswirt hinkend in der Tür erschien, den einen Fuß in des Hachingers Hut schleifend, um ihm diesen sofort nachzuschleudern. Seine Wangen zitterten, und indem er, die Arme von sich gekehrt, alle zehn Finger bald steif ausstreckte, bald in eine krampfhaft geschlossene Faust zusammenballte, schrie er dem sich aufsammelnden Brautwerber zu: »Das laß dir noch g'sagt sein: der Vater, der dir sei(ne) Tochter gibt, muß wenigstens narrisch sein; denn wenn deine Buben net schon von Natur aus als perfekte Spitzbuben auf die Welt kommen, so schwätzst und tust du so lang in sie hinein, bis du mit ihren Köpfen Kegel schieben kannst. Mein Kind aber, und das merk' dir sein, kriegt kein so ein scheckiger Arbeitshäusler, wie du einer warst und noch alleweil gern sein möchtst.«

Der rote Broz war unterdessen bis an die Mauerecke der Stiege vorgegangen. Während er mit der rechten Hand am Geländer auf und ab wischte und dabei den linken Fuß, wie zum Austreten bereit, in der Luft schlenkerte, erwiderte er ruhigen Tones über die Schultern weg: »Weißt was, du hochmütiger Tropf, du? Gib dein Engerl aus der Rüstkammer seinem lieben Florian; der taugt ihr gewiß besser als der Schmidhuber.«

»Warum denn grad net? Der Florian ist ein ehrlicher grader Kerl. Und wenn's mir einmal so einfallt, du wirst net g'fragt, g'scherter Eines der wirksamsten Schimpfwörter des bayrischen Landvolks ist der Vorwurf des Geschorenseins, obwohl alle Landleute, wenigstens am Hinterkopf, kurzes Haar tragen. Es scheint sich dieses Wort der Verachtung aus jener grauen Zeit erhalten zu haben, wo der freie Mann Bart und Haupthaar lang wachsen ließ und nur der Unfreie geschoren ging. Der Stolz auf das Haupthaar lebt in einigen Gegenden auch noch tatsächlich fort. So verhalf er dem Landrichter in E. zur Erfindung einer sehr wirksamen Polizeistrafe, die darin bestand, daß er rückfälligen Raufern, Trunkenbolden u. s. w. (nicht selten mit höchsteigenen Händen) die beiden Seitenlocken von der Stirne schnitt. Die Wirkung dieser Strafe kommt dem auch an einigen Orten noch florierenden Wirtshausverbote gleich, indem die ihres Hauptschmucks Beraubten sich lange Zeit unter ihresgleichen zu erscheinen schämen. (1861.) Rotkopf – « schallte des Böswirts Antwort von oben.

»Ja so!« unterbrach ihn da der andere, »dös hab' i net g'wußt, daß der Herr Korporal mit dein'm Wissen und Willen unterm Gartenzaun durchkriecht. Adies, du Überschlauer, du!« Und mit diesen Worten sprang er wie gehetzt die Treppe hinab.

»Was sagst da?« schrie der Böswirt, der nun auch über die Stufen nachgesetzt kam; aber der rote Broz ließ sich weder von ihm noch von den zurückgebliebenen Zechbrüdern aufhalten, die ihm aus dem Schenkzimmer zuriefen, seine Räubergeschichte zu Ende zu erzählen, und rannte spornstreichs zum Tor hinaus.

Der Böswirt blieb auf der untersten Treppenstufe stehen, holte tief Atem und rief dann mit lauter Stimme: »Urschi, wo bist denn?«


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