Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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An eine Verlobte

                Des Wiedersehens Tränen, des Wiedersehns
    Umfangen, und dein Auge bei seinem Gruß, –
        Weissagend möcht ich dies und all der
            Zaubrischen Liebe Geschick dir singen.

Zwar jetzt auch, junger Genius! bist du schön,
    Auch einsam, und es freuet sich in sich selbst,
        Es blüht von eignem Geist und liebem
            Herzensgesange die Musentochter.

Doch anders ists in seliger Gegenwart,
    Wenn an des Neugefundnen Blicke dein Geist sich kennt,
        Wenn friedlich du vor seinem Anschaun
            Wieder in goldener Wolke wandelst.

Indessen denk, ihm leuchte das Sonnenlicht,
    Ihn tröst und mahne, wenn er im Felde schläft,
        Der Liebe Stern, und heitre Tage
            Spare zum Ende das Herz sich immer.

Und wenn er da ist und die geflügelten,
    Die Liebesstunden, schneller und schneller sind,
        Dann sich dein Brauttag neigt und trunkner
            Schon die beglückenden Sterne leuchten –

Nein, ihr Geliebten! nein, ich beneid euch nicht!
    Unschädlich, wie vom Lichte die Blume lebt,
        So leben, gern vom schönen Bilde
            Träumend, und selig und arm, die Dichter.

 


 


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