Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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An die Deutschen

        Spottet nimmer des Kinds, wenn noch das alberne
    Auf dem Rosse von Holz herrlich und viel sich dünkt,
        O ihr Guten! auch wir sind
            Tatenarm und gedankenvoll!

Aber kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke kommt,
    Aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat?
        Folgt die Frucht, wie des Haines
            Dunklem Blatte, der stillen Schrift?

Und das Schweigen im Volk, ist es die Feier schon
    Vor dem Feste? die Furcht, welche den Gott ansagt?
        O dann nehmt mich, ihr Lieben!
            Daß ich büße die Lästerung.

Schon zu lange, zu lang irr ich, dem Laien gleich,
    In des bildenden Geists werdender Werkstatt hier,
        Nur was blühet, erkenn ich,
            Was er sinnet, erkenn ich nicht.

Und zu ahnen ist süß, aber ein Leiden auch,
    Und schon Jahre genug leb ich in sterblicher
        Unverständiger Liebe
            Zweifelnd, immer bewegt vor ihm,

Der das stetige Werk immer aus liebender
    Seele näher mir bringt, lächelnd dem Sterblichen,
        Wo ich zage, des Lebens
            Reine Tiefe zu Reife bringt.

Schöpferischer, o wann, Genius unsers Volks,
    Wann erscheinest du ganz, Seele des Vaterlands,
        Daß ich tiefer mich beuge,
            Daß die leiseste Saite selbst

Mir verstumme vor dir, daß ich beschämt
    Eine Blume der Nacht, himmlischer Tag, vor dir
        Enden möge mit Freuden,
            Wenn sie alle, mit denen ich

Vormals trauerte, wenn unsere Städte nun
    Hell und offen und wach, reineren Feuers voll
        Und die Berge des deutschen
            Landes Berge der Musen sind,

Wie die herrlichen einst, Pindos und Helikon,
    Und Parnasses, und rings unter des Vaterlands
        Goldnem Himmel die freie,
            Klare, geistige Freude glänzt.

Wohl ist enge begrenzt unsere Lebenszeit,
    Unserer Jahre Zahl sehen und zählen wir,
        Doch die Jahre der Völker,
            Sah ein sterbliches Auge sie?

Wenn die Seele dir auch über die eigne Zeit
    Sich, die sehnende, schwingt, trauernd verweilest du
        Dann am kalten Gestade
            Bei den Deinen und kennst sie nie,

Und die Künftigen auch, sie, die Verheißenen,
    Wo, wo siehest du sie, daß du an Freundeshand
        Einmal wieder erwärmest,
            Einer Seele vernehmlich seist?

Klanglos, . . . ists in der Halle längst,
    Armer Seher! bei dir, sehnend verlischt dein Aug
        Und du schlummerst hinunter
            Ohne Namen und unbeweint.

 


 


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