Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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Das Ahnenbild

Ne virtus ulla pereat!

        Alter Vater! Du blickst immer, wie ehmals, noch,
    Da du gerne gelebt unter den Sterblichen,
        Aber ruhiger nur, und
            Wie die Seligen, heiterer

In die Wohnung, wo dich, Vater! das Söhnlein nennt,
    Wo es lächelnd vor dir spielt und den Mutwill übt,
        Wie die Lämmer im Feld, auf
            Grünem Teppiche, den zur Lust

Ihm die Mutter gegönnt. Ferne sich haltend, sieht
    Ihm die Liebende zu, wundert der Sprache sich
        Und des jungen Verstandes
            Und des blühenden Auges schon.

Und an andere Zeit mahnt sie der Mann, dein Sohn;
    An die Lüfte des Mais, da er geseufzt um sie,
        An die Bräutigamstage,
            Da der Stolze die Demut lernt.

Doch es wandte sich bald: Sicherer, denn er war,
    Ist er, herrlicher ist unter den Seinigen
        Nun der Zweifachgeliebte,
            Und ihm gehet sein Tagewerk.

Stiller Vater! auch du lebtest und liebtest so;
    Darum wohnest du nun, als ein Unsterblicher,
        Bei den Kindern, und Leben,
            Wie vom schweigenden Äther, kommt

Öfters über das Haus, ruhiger Mann! von dir,
    Und es mehrt sich, es reift, edler von Jahr zu Jahr,
        In bescheidenem Glücke,
            Was mit Hoffnungen du gepflanzt.

Die du liebend erzogst, siehe! sie grünen dir,
    Deine Bäume, wie sonst, breiten ums Haus den Arm,
        Voll von dankenden Gaben;
            Sichrer stehen die Stämme schon;

Und am Hügel hinab, wo du den sonnigen
    Boden ihnen gebaut, neigen und schwingen sich
        Deine freudigen Reben,
            Trunken, purpurner Trauben voll.

Aber unten im Haus ruhet, besorgt von dir,
    Der gekelterte Wein. Teuer ist der dem Sohn,
        Und er sparet zum Fest das
            Alte, lautere Feuer sich.

Dann beim nächtlichen Mahl, wenn er, in Lust und Ernst,
    Von Vergangenem viel, vieles von Künftigem
        Mit den Freunden gesprochen
            Und der letzte Gesang noch hallt,

Hält er höher den Kelch, siehet dein Bild und spricht:
    Deiner denken wir nun, dein, und so werd' und bleib'
        Ihre Ehre des Hauses
            Guten Genien, hier und sonst!

Und es tönen zum Dank hell die Kristalle dir;
    Und die Mutter, sie reicht, heute zum erstenmal,
        Daß es wisse vom Feste,
            Auch dem Kinde von deinem Trank.

 


 


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