Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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Kanton Schweiz

An meinen lieben Hiller

                    Hier, in ermüdender Ruh, im bittersüßen Verlangen,
Da zu sein, wo mein Herz, und jeder beßre Gedank ist,
Reichet doch Erinnerung mir den zaubrischen Becher
Schäumend und voll, und hoher Genuß der kehrenden Bilder
Weckt die schlummernden Fittiche mir zu trautem Gesange.
Bruder! dir gab ein Gott der Liebe göttlichen Funken,
Zarten geläuterten Sinn, zu erspähn, was herrlich und schön ist;
Stolzer Freiheit glühet dein Herz, und kindlicher Einfalt –
Bruder! komm und koste mit mir des zaubrischen Bechers.
Dort, wo der Abendstrahl die Westgewölke vergüldet,
Dorthin wende den Blick, und weine die Träne der Sehnsucht!
Ach! dort wandelten wir! dort flog und schwelgte das Auge
Unter den Herrlichkeiten umher! – wie dehnte der Busen
Diesen Himmel zu fassen, sich aus! – wie brannte die Wange
Süß von Morgenlüften gekühlt, als unter Gesängen
Zürch den Scheidenden schwand im sanfthingleitenden Boote!
Lieber! wie drücktest du mir die heiße, zitternde Rechte,
Sahst so glühend und ernst mich an im donnernden Rheinsturz!
Aber selig, wie du, o Tag am Quelle der Freiheit!
Festlich, wie du, sank keiner auf uns vom rosigen Himmel.
Ahndung schwellte das Herz. Schon war des feiernden Klosters
Ernste Glocke verhallt. Schon schwanden die friedlichen Hütten
Rund an Blumenhügeln umher, am rollenden Gießbach,
Unter Fichten im Tal, wo dem Ahn in heiliger Urzeit
Füglich deuchte der Grund zum Erbe genügsamer Enkel.
Schaurig und kühl empfing uns die Nacht in ewigen Wäldern,
Und wir klommen hinauf am furchtbarlichen Haken.
Nächtlicher immer wards und enger im Riesengebirge.
Jäher herunter hing der Pfad zu den einsamen Wallern.
Dicht zur Rechten donnert hinab der zürnende Waldstrom:
Nur sein Donner berauscht den Sinn. Die schäumenden Wogen
Birgt uns Felsengesträuch, und modernde Tannen am Abhang,
Vom Orkane gestürzt. – Nun tagte die Nacht am Gebirge
Schaurig und wundersam, wie Heldengeister am Lego,
Wälzten sich kämpfende Wolken heran auf schneeiger Heide.
Sturm und Frost entschwebte der Kluft. Vom Sturme getragen
Schrie und stürzte der Aar, die Beut im Tale zu haschen.
Und der Wolken Hülle zerriß, und im ehernen Panzer
Kam die Riesin heran, die majestätische Myten.
Staunend wandelten wir vorüber. – Ihr Väter der Freien!
Heilige Schar! nun schaun wir hinab, hinab, und erfüllt ist
Was der Ahndungen kühnste versprach, was süße Begeistrung
Einst mich lehrt' im Knabengewande, gedacht' ich des hohen
Hirten in Mamres Hain und der schönen Tochter von Laban,
Ach! es kehrt so warm in die Brust;–Arkadiens Friede,
Köstlicher, unerkannter, und du, allheilige Einfalt,
Wie so anders blüht in eurem Strahle die Freude! –
Vor entweihendem Prunk, vor Stolz und knechtischer Sitte
Von den ewigen Wächtern geschirmt, den Riesengebirgen,
Lachte das heilige Tal uns an, die Quelle der Freiheit.
Freundlich winkte der See vom fernen Lager; die Schrecken
Seiner Arme verbarg die schwarze Kluft im Gebirge:
Freundlicher sahn aus der Tiefe herauf, in blühende Zweige
Reizend verhüllt, und kindlichfroh der jauchzenden Herde
Und des tiefen Grases umher, die friedsamen Hütten.
Und wir eilten hinab in Liebe; kosteten lächelnd
Auf dem Pfade des Sauerklees, und erfrischender Ampfer,
Bis der begeisternde Sohn der schwarzen italischen Traube,
Uns mit Lächeln gereicht in der herzerfreuenden Hütte,
Neues Leben in uns gebar, und die schäumenden Gläser
Unter Jubelgesang erklangen, zur Ehre der Freiheit.
Lieber! wie war uns da! – bei solchem Mahle begehret
Nichts auf Erden die Brust, und alle Kräfte gedeihen.
Lieber! er schwand so schnell, der köstliche Tag; in der kühlen
Dämmerung schieden wir; an den Heiligtümern der Freiheit
Wallten wir dann vorbei in frommer seliger Stille,
Faßten sie tief ins Herz, und segneten sie, und schieden!
Lebt dann wohl, ihr Glücklichen dort! im friedsamen Tale
Lebe wohl, du Stätte des Schwurs! dir jauchzten die Sterne,
Als in heiliger Nacht der ernste Bund dich besuchte.
Herrlich Gebirg! wo der bleiche Tyrann den Knechten vergebens,
Zahm und schmeichlerisch Mut gebot – zu gewaltig erhub sich
Wider den Trotz die gerechte, die unerbittliche Rache –
Lebe wohl, du herrlich Gebirg. Dich schmückte der Freien
Opferblut – es wehrte der Träne der einsame Vater.
Schlummre sanft, du Heldengebein! o schliefen auch wir dort
Deinen eisernen Schlaf, dem Vaterlande geopfert,
Walthers Gesellen und Tells, im schönen Kampfe der Freiheit!
Könnt ich dein vergessen, o Land der göttlichen Freiheit!
Froher war ich; zu oft befällt die glühende Scham mich,
Und der Kummer, gedenk ich dein und der heiligen Kämpfer.
Ach! da lächelt Himmel und Erd in fröhlicher Liebe
Mir umsonst, umsonst der Brüder forschendes Auge.
Doch ich vergesse dich nicht! ich hoff und harre des Tages,
Wo in erfreuende Tat sich Scham und Kummer verwandelt.

 


 


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