Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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Der Abschied

      Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
    Da wirs taten, warum schreckte, wie Mord, die Tat?
        Ach! wir kennen uns wenig,
            Denn es waltet ein Gott in uns.

Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
    Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
        Schutzgott unserer Liebe,
            Dies, dies Eine vermag ich nicht.

Aber anderen Fehl denket der Weltsinn sich,
    Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
        Und es listet die Seele
            Tag für Tag der Gebrauch uns ab.

Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit die gewurzelte
    Ungestalte die Furcht Götter und Menschen trennt,
        Muß, mit Blut sie zu sühnen,
            Muß der Liebenden Herz vergehn.

Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
    Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
        Hin ins Einsame ziehe,
            Und noch unser der Abschied sei!

Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
    Heilgen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
        Mit dir trinke, daß alles
            Haß und Liebe vergessen sei!

Hingehn will ich. Vielleicht seh' ich in langer Zeit
    Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
        Dann das Wünschen und friedlich
            Gleich den Seligen, fremde gehn

Wir umher, ein Gespräch führet uns ab und auf,
    Sinnend, zögernd, doch itzt mahnt die Vergessenen
        Hier die Stelle des Abschieds,
            Es erwarmet ein Herz in uns,

Staunend seh' ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
    Wie aus voriger Zeit hör' ich und Saitenspiel,
        Und die Lilie duftet
            Golden über dem Bach uns auf.

 


 


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