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Das Zebra

Weithin erstreckt sich die sandige Steppe. Nur hier und da wird ihr rotschimmernder Grundton durch dunkle Flecken sonnenverbrannten Grases unterbrochen; nur kleine Bestände federblätteriger Mimosen werfen spärliche Schatten. Ganz ferne die scharfumrissenen Linien im klaren Dufte schwimmender Berge. Inmitten der Landschaft erhebt sich eine dichte Staubwolke; wie eine Rauchsäule steigt sie, von keinem Lufthauch beirrt, zum klaren, blauen Himmel auf. Geier kreisen über ihr. Näher und näher wälzt sie sich heran. Von Zeit zu Zeit, auf Augenblicke nur, werden dunkle Wesen darin sichtbar, die zu tanzen scheinen. Und endlich erglänzen, vom Dunkel losgelöst, prachtvoll und seltsam gefärbte und gezeichnete Tiere im Strahlen der Sonne: den Bauch auf der Erde, mit dröhnendem Hufschlag, wie ein galoppierendes Reiterregiment, sprengt ein Trupp Tigerpferde heran, der Vortrab einer geschlossenen, in dichter Reihe anstürmenden Herde. In ungeordneter Hast jagen sie daher, Hals und Schweif erhoben, Nacken an Nacken, die absonderlichen, streifigen Genossen. Jetzt schwenkt der Trupp und macht halt, um zu sichern. Langsamen Schritts, die Nüstern geweitet, die Mähne gesträubt, der Schweif peitscht die Flanken, tritt ein kräftiger Hengst aus der Schar, bemerkt die Jäger, schnaubt heftig und springt zur Herde zurück: dahin eilt diese von neuem, wiehernd und die gestreiften Köpfe schüttelnd. Ein zweiter Halt und neues Sichern. Die kleinen Ohren böswillig nach hinten gelegt, verläßt jetzt eine flüchtige Stute die Reihe, kommt näher, nicht ohne vorher noch ihre behenden Hufe gegen die Rippen eines ihrer Bewunderer zu werfen. Und mit frohlockendem Wiehern, das Haupt gefallsüchtig und siegbewußt emporwerfend, frei und fessellos wie die Windsbraut, sprengt sie weiter, gefolgt von dem keineswegs abgeschreckten Liebhaber, bis der wirbelnde Staub beide umhüllt und den Blicken entzieht.

So schilderte vor rund einem Jahrhundert der englische Sportsmann W. C. Harris die »Tigerpferde«, die in Herden von achtzig bis hundert Stück die Steppe nördlich des Oranjeflusses bevölkerten. Sie sind in Südafrika heut an Zahl sehr erheblich zusammengeschmolzen, diese Tigerpferde, ja, einzelne Arten sind hier völlig erloschen. So haben die Buren das Quagga ( Equus quagga) ein braunes, am Bauch und an den Schenkeln aber weißes, über Kopf und Rumpf grauweiß gebändertes Tigerpferd, das noch im 18. Jahrhundert ein Hauptnahrungsmittel der Hottentotten war, des Fells wegen, aus dem sie Getreidesäcke verfertigten, ausgerottet; in der Kapkolonie wurde das letzte Tier 1870, im Oranjefreistaat 1880 getötet. Von der ganzen Art sind nur wenige Skelette und Felle in den Museen übriggeblieben. Ein zweites südafrikanisches Wildpferd, der Dauw oder Burchells Zebra ( Equus Burchellii), ein isabellfarbenes Tigerpferd mit weißen Beinen und starker, schwarzer Bänderung des ganzen Körpers, ist ein Opfer des Burenkrieges geworden. Selbst das eigentliche Zebra, das Bergzebra, scheint nach Passarge hier im Süden Afrikas völlig vernichtet zu sein. Strenge Jagdgesetze der Kulturvölker in ihren afrikanischen Kolonien hindern die Ausrottung der schönen Tigerpferde in den andern Gebieten des dunklen Erdteils. Wie notwendig solche Maßnahmen sind, mag die Schilderung einer Zebrajagd in Abessinien zeigen, die Hagenbeck mitgeteilt hat.

In Abessinien, schreibt er, wo es auf Menschenmaterial nicht anzukommen scheint, und wo alle in der Wildnis lebenden Tiere als kaiserliches Gut – der Beherrscher Abessiniens führt, nebenbei bemerkt, den stolzen Titel »Negus Negesti«, d. h. »König der Könige« – angesehen werden, pflegt man die Jagd in großem Stile zu betreiben. Mit ihren Führern waren so nicht weniger als etwa 2000 Soldaten zur Stelle, die als Treiber dienten. Ein ungeheures Gebiet, dessen Mitte ein ausgetrocknetes Flußbett bildete, wurde zuerst umstellt und immer enger eingeschlossen, so daß die Tiere gezwungen waren, sich dem Flußbette zu nähern. Von den hohen felsigen Ufern sprangen sie ohne Besinnen in den sandigen Flußlauf hinab, aus dem es kein Entrinnen gab; denn die jenseitigen Ufer bestanden aus steilen Felsen, während rechts und links am Lauf des Flusses Wachen aufgestellt waren. Nachdem die Tiere derart abgeschlossen waren, entwickelte sich ein wahrhaft barbarisches Schauspiel. Auf einen Wink der Führer stürzten sich die mit Stricken bewaffneten Soldaten, weit über lausend Mann, mitten unter die wütend um sich schlagenden Zebras, die nach einigen Stunden von der Übermacht bewältigt wurden – allerdings erst, nachdem dreiunddreißig Menschen totgeschlagen und schwer verletzt worden waren. Die Tiere wurden gefesselt und mit Stricken an allen vier Beinen fortgeführt. Als kaiserliches Gut wurden die Zebras dann einfach in die Hütten der Eingeborenen eingestellt. Man pflöckte sie hier an allen Vieren an, und in wenigen Tagen hatten sie sich soweit beruhigt, daß man sie ohne große Sicherheitsmaßregeln forttransportieren konnte. Es handelte sich hier um das wundervolle Grevyzebra, das einen vorzüglichen Charakter besitzt und bei richtiger Behandlung leicht zum Haustier gemacht werden kann.

Das Zebra ( Equus zçbra) hat in seinem Körperbau mehr Ähnlichkeit mit dem Wildesel als mit dem Pferde. Die Kopfbildung, die längeren Ohren, der nur gegen das Ende hin lang, sonst aber kurz behaarte Schwanz, die dichte, kurze, wie eine Bürste oder die Raupe des alten bayrischen Helms starrende Mähne sind Annäherungen an den Esel. Der Leib ist kräftig und voll, der kurze, kräftige, gebogene Hals wird durch eine Art von Wammenbildung unter der Kehle etwas verunziert. Der Kopf erscheint gedrungen, die Schnauze ist wulstig. Von allen sogenannten Tigerpferden ist das Zebra das am reichsten und lebhaftesten gefärbte. Auf einem weißlichen bis hellgelben Grunde verläuft die schwarze oder dunkelrotbraune Streifung bis zur Schnauzenspitze, die Bänderung bis herab zu den Hufen; nur der Unterbauch und die Innenseite der Oberbeine sind davon frei. Man sollte meinen, diese so auffällige Färbung müsse für das Zebra nachteilig sein, es seinen Feinden, den großen Raubtieren, leicht und weithin verraten. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Ganz erstaunlich, sagt ein so ausgezeichneter Naturbeobachter wie Schillings, ist die Tatsache, daß die so auffallende, schwarz-weiß gestreifte Färbung der Zebras ihre Träger in keiner Weise von der sie umgebenden Landschaft abhebt. Je nach der Beleuchtung sehen Zebras ganz verschieden gefärbt aus, bis zum einfarbigen Grau; selbst da, wo ihre schwarz-weiße Färbung auf nächste Entfernung zur Geltung kommen könnte, verschwimmen die Tiere in ganz außerordentlichem Maße mit der Färbung der Steppe. Aber auch dann wird uns ein höchst bemerkenswertes Beispiel von Schutzfärbung geboten, wenn Zebras um die Mittagsstunde unter schattenspendenden Bäumen und Sträuchern Rast halten: die zitternden Streifen der Schatten, die durch Baumzweige verursacht werden, mischen sich dann aufs Überraschendste mit der Streifung der Zebras.

siehe Bildunterschrift

Zebraherde

Das Zebra, von dessen allgemeiner Verbreitung zwar, wie Fonck launig erinnert, der alte Fibelvers gilt: »Das Zebra trifft man stellenweise«, das also großen Gebieten Mittelafrikas fehlt, findet sich stets in Rudeln und ganzen Herden vereint. Sehr häufig weidet es mit Gnurudeln oder mit Straußen zusammen, die letztere, wie schon Lichtenstein erkannte, durch ihre Fernsichtigkeit Gefahr und Nahrung früher entdecken als das Tigerpferd, während dem Strauß die großen Käfer willkommene Nahrung sind, die der – Mist des Zebras anlockt. Das ist also ein Verhältnis ähnlich etwa wie in Gellerts Fabel »Der Blinde und der Lahme«, ein auf gegenseitigem Nutzen beruhendes Gesellschaftsverhältnis, wie wir es auch bei andern Tierarten beobachten können, z. B. zwischen Elefanten und Giraffen, die letztere in dieser Interessengemeinschaft sozusagen das Gesicht, erstere Gehör und Geruch darstellen. Die Warnungslaute der einen Art werden von der andern ihrer Bedeutung nach richtig gewürdigt (s. a. S. 282).

»Reine Steppe, lichter Busch, offenes Stangenholz und Parklandschaft«, schildert Fonck aus Ostafrika, »sind die bevorzugten Gebiete, in denen die Zebras, die Futterplätze wechselnd, weite Strecken zurücklegen und ihrem Hauptfeinde, dem Löwen, schnell entfliehen können. Gewisse Gräser, Pflanzen und Baumarten müssen vorhanden, Wasser darf nicht allzu weit sein, und einzelne oder in Gruppen stehende Schattenbäume dürfen nicht fehlen, unter denen sich Zebras und Gnus oft in großer Zahl am Tage zusammenzudrängen pflegen, um der glühenden Sonnenbestrahlung zu entgehen. Hier stehen sie still, nur mit den unermüdlich tätigen Schwänzen die Fliegen abwehrend, zu gleichem Zweck ab und zu mit einem Lauf aufstampfend, oder prustend einen schnaubenden Ton aus den Nüstern stoßend. Gelegentlich der Annäherung an einen erlegten Zebrahengst konnte ich beobachten, wie ein andres Zebra an fünfzig Schritt von seinem verwundet an der Erde liegenden Genossen im Busch nach ihm ausspähte und ihn durch ein eigentümliches, leichtes, wie unterdrückt klingendes, ängstliches, heiseres Wiehern zu rufen schien.«

Schon seit langem hat man versucht, das Zebra zu zähmen. Wirklichen Erfolg scheint jedoch nur die Zähmung ganz jung eingefangener Tiere zu versprechen. Der alte schwedische Arzt und Naturforscher Andreas Sparrmann, der 1772 bis 1776 Südafrika bereiste, erzählt uns von einem reichen Kapkolonisten, der einmal einige Zebras aufziehen und bändigen ließ. Er hatte »den ungereimten Einfall, sie alle vor seine Halbkutsche zu spannen, so wenig sie auch bisher ans Ziehen gewöhnt gewesen; welches dann zur Folge hatte, daß sie mit ihrem Herrn und dem ganzen Fuhrwerk in den Stall hinein durchgingen und dadurch ihm und jedem andern die Lust zu weiteren Versuchen benahmen! (Sparrmann erzählt uns, nebenbei bemerkt, auch, daß die schwedischen Kürschner jener Zeit das Fell des Zebras als »Seepferdfell« zum Kauf ausstellten.) Ein Versuch, ein erwachsenes wild eingefangenes ostafrikanisches Zebra zu zähmen, gelang nach Foncks Angaben nach dreimonatiger strenger Dressur verhältnismäßig gut; auch spätere Versuche hatten Erfolg, obschon das Zebra, wie Schillings urteilt, ein »wildes, wehrflüchtiges und böses Tier« ist. Junge Zebras, die mit untugendfreien Pferden zusammen aufwuchsen, fügt Fonck hinzu, wurden völlig zahm und verloren jede Scheu. Sie wurden sogar zutraulich, ließen sich willig anfassen und – größer geworden – satteln und reiten. Vor fünfundzwanzig Jahren erregte in London ein Zebra-Viererzug außerordentliches Aufsehen, der dem Baron Walter Rothschild gehörte. Es waren Grevyzebras, die ja auch nach Hagenbecks Meinung leichter zu zähmen sind. Wenn übrigens das Zebra im Stall gehalten und ihm damit die Gelegenheit genommen wird, die Hufe am harten Steppenboden genügend abzuwehen, wachsen diese zu schnabelartigen, ganz seltsamen Gebilden in die Länge.


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