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XXX.

Auch jetzt kam Fröben zu keinem andern Resultat, als dass das Betragen jenes Mädchens, das er so innig liebte, unbegreiflich sei, und dieses rätselhafte Spiel mit seinem Schmerz, mit seiner Sehnsucht beschäftigte ihn so ganz ausschliesslich, dass ihm vieles entging, was ihm sonst wohl hätte auffallen müssen. Josephe kam mit verweinten Augen zu Tische; der Baron war verstimmt und einsilbig und schien seinem innern Unmut, der ihm um die Stirn lag und deutlich aus den Augen sprach, hier und da durch einen Fluch über die schlechte Küche und die noch schlechtere Haushaltung Luft machen zu müssen. Die unglückliche Frau liess alles still und geduldig über sich ergehen, sie schickte zuweilen, als wolle sie Hilfe und Trost suchen, einen flüchtigen Blick nach Fröben hinüber; ach, sie bemerkte nicht, wie ihr Gatte diese Blicke belauerte, wie seine Stirn sich röter färbte, wenn er ihre Augen auf diesem Wege traf.

An Fröbens Auge und Ohr ging dies vorüber, als etwas, an das er sich schon gewöhnt hatte; er gab sich nicht einmal die Mühe, Josephe um die Ursache dieses Aufbrausens zu befragen. Es fiel ihm nicht auf, dass sie zurückhaltender gegen ihn war im Beisein Faldners; er schrieb es der gewöhnlichen Geschäftigkeit seines Freundes zu, dass ihn dieser in den nächsten Tagen nötigte, mit ihm da und dorthin auf das Gut zu gehen und in Wald und Feld oft einen grossen Teil des Tages mit Messungen und Berechnungen hinzubringen. Als er aber eines Morgens, als ihn Faldner schon gestiefelt und gespornt erwartete, eine kleine Unpässlichkeit vorschützte, um diesen unangenehmen Feldbesuchen zu entgehen, als er arglos hinwarf, dass er doch Josephe auch einmal wieder vorlesen müsse, da wollte es ihm doch auffallend dünken, dass der Baron unmutig rief: »Nein, sie soll mir nichts lesen, gar nichts mehr. Es geht ohnedies seit einiger Zeit alles konträr. Das könnte ich vollends brauchen, wenn sie den ganzen Morgen mit Lesen zubrächte, und solche Romanideen im Kopfe trüge, wie ich schon welche habe spuken sehen. Lies dir in Gottes Namen selbst vor, lieber Fröben, und nimm mir nicht übel, wenn ich mein Weib anders placiere. Du gehst in den Garten nach dem Frühstück, Josephe, es soll heute Gemüse ausgestochen werden, nachher bist du so gütig und gehst zu Pastors, du bist dort seit langem einen Besuch schuldig.« Mit diesen Worten nahm er seine Reitpeitsche vom Tische und schritt davon.

»Was soll denn das? Was hat er denn heute?« fragte Fröben staunend die junge Frau, die kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermochte.

»O er ist so ziemlich wie sonst«, erwiderte sie, ohne aufzublicken. »Ihre Anwesenheit hat ihn einige Zeitlang aus dem gewöhnlichen Geleise gebracht; Sie sehen, er ist jetzt wieder wie zuvor.«

»Aber mein Gott«, rief er unmutig, »so schicken Sie eine Magd in den Garten!«

»Ich darf nicht«, sagte sie bestimmt, »ich muss selbst zusehen; er will es ja haben.«

»Und den Besuch bei Pastors –?«

»Muss ich machen, Sie haben es ja gehört, dass ich ihn machen muss; lassen wir das; es ist einmal so. Aber Sie«, fuhr Josephe fort, »Sie, mein Freund, scheinen mir seit einigen Tagen verändert, gar nicht mehr so munter, so zutraulich wie früher. Sollten Sie sich vielleicht nicht mehr hier gefallen? Sollte mein Mann, sollte vielleicht ich Ursache Ihrer Verstimmung sein?

Fröben fühlte sich verlegen; er war auf dem Punkte, der Freundin jene sonderbaren Vorfälle im Garten zu gestehen, aber der Gedanke, sich vor der klugen, jungen Frau eine Blösse zu geben, hielt ihn zurück. »Sie wissen«, sagte er ausweichend, »dass ich in den letzten Tagen Briefe aus S. bekam. Und wenn ich verstimmt erscheine, so tragen diese Briefe allein die Schuld.« Sie sah ihn zweifelhaft an; eine Antwort schien auf ihren Lippen zu schweben, aber wie wenn sie den Mangel an Vertrauen in dem Blicke des jungen Mannes gelesen und sich dadurch gekränkt gefühlt hätte, zuckten ihre schönen Lippen und drängten die Antwort zurück; sie zog schweigend die Glocke, befahl ihrer Zofe, ihr Hut und Schirm zu bringen, und ging dann, ohne ihn zu diesem Gange einzuladen, in den Garten an die Arbeit.

Als der junge Mann einige Stunden nachher ebenfalls in den Garten hinabstieg und nach Josephe fragte, hiess es, sie sei zu Pastors gegangen. Er eilte der Laube zu, er setzte sich mit pochendem Herzen nieder. Heute hatte er sich vorgenommen, nicht einzuschlafen. »Ich will doch sehen«, sagte er zu sich, »ob dieses Wesen, das mich so geheimnisvoll umschwebt, noch ein drittes Zeichen für mich hat? Ich will mich wie zum Schlummer niederlegen, und so wahr ich lebe, wenn es wieder erscheint, will ich es haschen und schauen, welcher Natur es sei.« Er las, bis der Mittag herangekommen war; dann legte er sich nieder und schloss die Augen. Oft wollte sich der Schlummer wirklich über ihn herabsenken, aber Erwartung, Unruhe und sein fester Wille, der die Mohnkörner von ihm fern hielt, liessen ihn wach bleiben. Er mochte wohl eine halbe Stunde so gelegen haben, als die Zweige der Laube rauschten. Er öffnete die Augen kaum ein wenig und sah, wie zwei weisse Hände die Zweige behutsam teilten, vermutlich, um eine Aussicht auf den Schlummernden zu öffnen. Dann knisterten leise, leise Schritte im Sand. Er blickte verstohlen nach dem Eingang der Laube, und sein Herz wollte zerspringen voll freudiger Ungeduld, als er sein Mädchen sah im schwarzen Mantel und Hut, den grünen Schleier zurückgeschlagen, die schwarzen Maskenaugen vor den obern Teil des schönen Gesichtes gebunden.

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