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III.

Und es traf ein; kaum war die Galerie am folgenden Vormittag geöffnet worden, trat auch schon Don Pedro de San Montanjo Ligez festen erhabenen Schrittes ein und strich an der langen Bilderreihe vorüber nach jenem Zimmer hin, wo die Dame mit dem Federhute aufgestellt war. Es verdross ihn, dass der Platz vor dem Bilde schon besetzt war, dass er es nicht allein und einsam, Zug für Zug mustern konnte, wie er so gern gethan hätte. Ein junger Mann stand davor, blickte es lange an, trat an ein Fenster, sah hinaus nach dem Fluge der Wolken und trat dann wieder zu dem Bilde. Es verdross den alten Herrn etwas; doch – er musste sich gedulden.

Er machte sich an andern Bildern zu schaffen, aber erfüllt von dem Gedanken an die Dame, drehte er alle Augenblicke den Kopf um, um zu sehen, ob der junge Herr noch immer nicht gewichen sei, aber er stand wie eine Mauer, er schien in Betrachtung versunken. Der Spanier hustete, um ihn aus den langen Träumen zu wecken, jener träumte fort; er scharrte etwas weniges mit dem Fuss auf dem Boden, der junge Mann sah sich um, aber sein schönes Auge streifte flüchtig an dem alten Herrn vorüber und haftete dann von neuem auf dem Gemälde.

»San Pedro! Santiago di Compostella!« murmelte der Alte, »welch langweiliger, alberner Dilettant!« Unmutig verliess er das Zimmer und die Galerie, denn er fühlte, heute sei ihm schon aller Genuss benommen durch Verdruss und Aerger. Hätte er doch lieber gewartet! Den Tag nachher war die Galerie geschlossen, und so musste er sich achtundvierzig lange Stunden gedulden, bis er wieder zu dem Gemälde gehen konnte, das ihn in so hohem Grade interessierte. Noch ehe die Glocken der Stiftskirche völlig zwölf Uhr geschlagen, stieg er mit anständiger Eile die Treppe hinan, hinein in die Galerie, dem wohlbekannten Zimmer zu, und getroffen! er war der erste, war allein, konnte einsam betrachten.

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Er schaute die Dame lange mit unverwandten Blicken an, sein Auge füllte nach und nach eine Thräne, er fuhr mit der Hand über die grauen Wimpern: » O Laura!« flüsterte er leise. Da tönte ganz vernehmlich ein Seufzer an seine Ohren, er wandte sich erschrocken um, der junge Mann von vorgestern stand wieder hier und blickte auf das Bild. Verdriesslich, sich unterbrochen zu sehen, nickte er mit dem Haupte ein flüchtiges Kompliment, der junge Mann dankte etwas freundlicher, aber nicht minder stolz als der Spanier. Auch diesmal wollte der letztere den überflüssigen Nachbar abwarten; aber vergeblich, er sah zu seinem Schrecken, wie jener sogar einen Stuhl nahm, sich einige Schritte vor dem Gemälde niedersetzte, um es mit gehöriger Musse und Bequemlichkeit zu betrachten.

»Der Geck«, murmelte Don Pedro, »ich glaube gar, er will mein graues Haar verhöhnen«. Er verliess, noch unmutiger als ehegestern, das Gemach.

Im Vorsaale stiess er auf einen der Eigentümer der Galerie; er sagte ihm herzlichen Dank für den Genuss, den ihm die Sammlung bereitete, konnte sich aber nicht enthalten, über den jungen Ruhestörer sich etwas zu beklagen. »Herr B.«, sagte er, »Sie haben vielleicht bemerkt, dass vorzüglich eins Ihrer Bilder mich anzog; es interessiert mich unendlich, es hat eine Bedeutung für mich, die – ich Ihnen nicht ausdrücken kann. Ich kam, so oft Sie es vergönnten, um das Bild zu sehen, freute mich recht, es ungestört zu sehen, weil doch gewöhnlich die Menge nicht lange dort verweilt, und – denken Sie sich, da hat es mir ein junger, böser Mensch abgelauscht, und kommt, so oft ich komme, und bleibt, mir zum Trotze bleibt er stundenlang vor diesem Bilde, das ihn doch gar nichts angeht!«

Herr B. lächelte, denn recht wohl konnte er denken, wer den alten Herrn gestört haben mochte. »Das letztere möchte ich denn doch nicht behaupten«, antwortete er, »das Bild scheint den jungen Mann ebenfalls nahe anzugehen, denn es ist nicht das erste Mal, dass er es so lange betrachtet«.

»Wieso? Wer ist der Mensch?«

»Es ist ein Herr von Fröben«, fuhr jener fort, »der sich seit fünf, sechs Monaten hier aufhält, und seit er das erste Mal jenes Bild gesehen, eben jene Dame mit dem Federhut, das auch Sie besuchen, kommt er alle Tage regelmässig zu dieser Stunde, um das Bild zu betrachten. Sie sehen also zum wenigsten, dass er Interesse an dem Bilde nehmen muss, da er es schon so lange besucht«.

»Herr! Sechs Monate?« rief der Alte. »Nein, dem habe ich bitter Unrecht gethan in meinem Herzen, Gott mag es mir verzeihen! Ich glaube gar, ich habe ihn unhöflich behandelt im Unmut. Und ist ein Kavalier, sagen Sie? Nein, man soll von Pedro de Ligez nicht sagen können, dass er einen fremden Mann unhöflich behandelte. Ich bitte, sagen Sie ihm – doch lassen Sie das, ich werde ihn wieder treffen und mit ihm sprechen«.

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