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I.

Wer im Jahre 1824 abends hier und da in den Gasthof zum König von England in Stuttgart kam, oder nachmittags zwischen zwei und drei Uhr in den Anlagen auf dem breiten Wege promenierte, muss sich, wenn anders sein Gedächtnis nicht zu kurz ist, noch einiger Gestalten erinnern, die damals jedes Auge auf sich zogen. Es waren nämlich zwei Männer, die ganz und gar nicht unter die gewöhnlichen Stuttgarter Trinkgäste oder Anlagenspaziergänger passten, sondern eher auf den Prado zu Madrid, oder in ein Café zu Lissabon oder Sevilla zu gehören schienen. Denkt euch einen ältlichen, grossen, hagern Mann mit schwärzlichgrauen Haaren, tiefen, brennenden Augen von dunkelbrauner Farbe, mit einer kühn gebogenen Nase und feinem, eingepressten Mund. Er geht langsam, stolz und aufrecht. Zu seinen schwarzseidenen Beinkleidern und Strümpfen, zu den grossen Rosen auf den Schuhen und den breiten Schnallen am Kniegürtel, zu dem langen, dünnen Degen an der Seite, zu dem hohen, etwas zugespitzten Hut mit breitem Rande, schief auf die Stirne gedrückt, wünscht ihr, wenn euch nur einigermassen Phantasie innewohnt, ein kurzes, geschlitztes Wams und einen spanischen Mantel statt des schwarzen Frackes, den der Alte umgelegt hat.

Und der Diener, der ihm ebenso stolzen Schrittes folgt, erinnert er nicht durch das spitzbübische, dummdreiste Gesicht, durch die fremdartige, grelle Kleidung, durch das ungenierte Wesen, womit er um sich schaut, alles angafft und doch nichts bewundert, an jene Diener im spanischen Lustspiel, die ihrem Herrn wie ein Schatten treu, an Bildung tief unter ihm, an Stolz neben ihm, an List und Schlauheit über ihm stehen? Unter dem Arm trägt er seines Gebieters Sonnenschirm und Regenmantel, in der Hand eine silberne Büchse mit Zigarren und eine Lunte.

Wer blieb nicht stehen, wenn diese beiden langsam durch die Promenade wandelten, um ihnen nachzusehen? Es war aber bekanntlich niemand anders, als Don Pedro de San Montanjo Ligez, der Haushofmeister des Prinzen von P., der sich zu jener Zeit in Stuttgart aufhielt, und Diego, sein Diener.

Wie es oft zu gehen pflegt, dass nur ein kleines, geringes Ereignis dazu gehört, einen Menschen berühmt und auffallend zu machen, so geschah dies auch mit dem jungen Fröben, der schon seit einem halben Jahr (so lange mochte er sich wohl in Stuttgart aufhalten) alle Tage Schlag zwei Uhr durch das Schlossportal in die Anlagen trat, dreimal um den See und fünfmal den breiten Weg auf und nieder ging, an allen den glänzenden Equipagen, schönen Fräulein, an einer Masse von Direktoren, Räten und Leutnants vorüber kam und von niemand beachtet wurde, denn er sah aus wie ein ganz gewöhnlicher Mensch von etwa achtundzwanzig bis dreissig Jahren. Seitdem er aber eines Nachmittags im breiten Weg auf Don Pedro gestossen, solcher ihn gar freundlich gegrüsst, seinen Arm traulich in den seinigen geschoben hatte und mit ihm einigemal, eifrig sprechend, auf und ab spaziert war, seitdem betrachtete man ihn neugierig, sogar mit einer gewissen Achtung; denn der stolze Spanier, der sonst mit niemand sprach, hatte ihn mit auffallender Aestimation behandelt.

Die schönsten Fräulein fanden jetzt, dass er gar kein übles Gesicht habe, ja es liege sogar etwas Interessantes, überaus Anziehendes darin, was man in den Anlagen eben nicht häufig sehe; die Direktoren und allerlei Räte fragten: »Wer der junge Mann wohl sein könnte?« und nur einige Leutnants konnten Auskunft geben, dass er hier und da im Museum Beefsteak speise, seit einem halben Jahre in der Schlossstrasse wohne, und einen schönen Mecklenburger reite, so ihm eigen angehörig. Sie setzten noch vieles über die Vortrefflichkeit dieses Pferdes hinzu, wie es gebaut, von welcher Farbe, wie alt es sei, was es wohl kosten könnte, und kamen so auf die Pferde überhaupt zu sprechen, was sehr lehrreich zu hören gewesen sein soll.

Den jungen Fröben aber sah man zu dieser Zeit öfters in Gesellschaft Don Pedros, und gewöhnlich fand er sich abends im König von England ein, wo er, etwas entfernt von andern Gästen, bei dem Sennor sass und mit ihm sprach. Diego aber stand hinter dem Stuhl seines Herrn und bediente beide fleissig mit Jeres und Zigarren. Niemand konnte eigentlich begreifen, wie die beiden Herren zusammengekommen, oder welches Interesse sie aneinander fanden. Man riet hin und her, machte kühne Konjekturen, und am Ende hätte doch der junge Mann selbst den besten Aufschluss darüber geben können, wenn ihn nur einer gefragt hätte.

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