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XI.

Als der Baron spät in der Nacht seinen Gast auf sein Zimmer begleitete, konnte sich dieser nicht enthalten, ihm zu seiner Wahl Glück zu wünschen. »Wahrhaftig, Franz!« sagte er, indem er ihm feurig die Hand drückte, »ein solches Weib hat dir gefehlt. Du warst ein Glückskind von jeher, aber das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass du bei deinen sonderbaren Maximen und Forderungen ein solch liebenswürdiges, herrliches Kind heimführen werdest.«

»Ja, ja, ich bin mit ihr zufrieden«, erwiderte der Baron trocken, indem er seine Kerze heller aufstörte; »man kann ja nicht alles haben, an diesen Gedanken muss man sich freilich gewöhnen auf dieser unvollkommenen Welt.«

»Mensch! ich will nicht hoffen, dass du undankbar gegen so vieles Schöne bist. Ich habe viele Frauen gesehen, aber weiss Gott, keine von solch untadelhafter Schönheit wie dein Weib. Diese Augen! Welch rührender Ausdruck! Glaubt man nicht liebliche Träume auf ihrer schönen Stirn zu lesen? Und diese zarte, schlanke Gestalt! Und ich weiss nicht, ob ich ihren feinen Takt, ihr richtiges Urteil, ihren gebildeten Geist nicht noch mehr bewundern soll.«

»Du bist ja ganz bezaubert«, lächelte Faldner; »doch von jeher hast du zu viel gelesen und weniger aufs Praktische gesehen; ich sagte es ja immer – mit den Weibern ist es ein eignes Ding«, fuhr er seufzend fort, »glaube mir, in der Wirtschaft ist oft eine, die es versteht und die Sache flink umtreibt, besser als ein sogenannter gebildeter Geist. Gute Nacht; sei froh, dass du noch frei bist, und wähle – nicht zu rasch!«

Unmutig sah ihm Fröben nach, als er das Zimmer verlassen hatte. »Ich glaube, der Unmensch ist auch jetzt nicht mit seinem Lose zufrieden; hat einen Engel gewählt und schafft sich durch seine lächerlichen Prätensionen eine Hölle im Haus. Das arme Weib!«

Es war ihm nicht entgangen, wie ängstlich sie bei allem, was sie that und sagte, an seinen Blicken hing, wie er ihr oft ein grimmiges Auge zeigte, wenn sie nach seinen Begriffen einen Fehler begangen, wie er ihr oft mit der Hand winkte, die Lippen zusammenbiss und stöhnte, wenn er glaubte, von dem Gast nicht gesehen zu werden. Und mit welcher Engelsgeduld trug sie dies alles! Sie hatte tiefen wunderbaren Eindruck auf ihn gemacht. Das reiche blonde Haar, das um eine freie Stirn fiel, liess blaue Augen, rote Wangen, vielleicht auch ein Näschen erwarten, das durch seine zierliche Keckheit Blondinen mehr als Brünetten ziert. Aber von all dem nichts. Unter den blonden Wimpern ruhte wie das Mondlicht hinter dünnen Wolken ein braunes Auge, das nicht durch Glut oder grosse Lebendigkeit, sondern durch ein gewisses Etwas von sinnender Schwermut überraschte, das Fröben bei schönen Frauen, so selten er es fand, so unendlich liebte. Ihre Nase näherte sich dem griechischen Stamm, die Wangen waren gewöhnlich bleich, nur von einem leisen Schatten von Rot unterlaufen, und das einzige, was in ihrem Gesichte blühte, waren statt der Rosen der Wangen die Lippen, bei deren Anblick man sich des Gedankens an zarte, rote Kirschen nicht erwehren konnte.

»Und diese herrliche Gestalt«, fuhr Fröben in seinen Gedanken weiter fort, »so zart, so hoch und, wenn sie über das Zimmer geht, beinahe schwebend! Schwebend? Als ob ich nicht gesehen hätte, dass sie recht schwer zu tragen hat, dass diese Lippen so manches Wort des Grams verschliessen, dass diese Augen nur auf die Einsamkeit warten, um über den rohen Gatten zu weinen! Nein, es ist unmöglich«, fuhr er nach einigem Sinnen fort, »sie kann ihn nicht aus Liebe geheiratet haben. Die Welt, die hinter diesem Auge liegt, ist zu gross für Faldners Verstand, das Herz seines Weibes zu zart für den rohen Druck ihres Haustyrannen. Ich bedaure sie!«

Er war während dieser Worte an einen Schrank getreten, worin die Diener sein Reisegerät niedergelegt hatten. Er schloss ihn auf, sein erster Blick fiel auf die wohlbekannte Rolle und er errötete. »Bin ich dir nicht ungetreu gewesen diesen Abend?« fragte er. »Hat nicht ein andres Bild sich in mein Herz geschlichen? Ja, und ertappe ich mich nicht auf Reflexionen über das Weib meines Freundes, die mir nicht ziemen, die ihr auf jeden Fall nichts nützen können?« Er entrollte das Bild der Geliebten und blieb betroffen stehen. Wie ein Gedanke, der bisher in ihm schlummerte und verworren träumte, erwachte es jetzt mit einemmal in ihm, dass Frau von Faldner wunderbare Aehnlichkeit mit diesem Bilde habe. Zwar waren ihre Haare, ihre Augen, ihre Stirn gänzlich verschieden von denen des Bildes, aber überraschende Aehnlichkeit glaubte er in Nase, Mund und Kinn, ja sogar in der Haltung des zierlichen Halses zu finden. »Und diese Stimme!« rief er. »Klang mir diese Stimme nicht gleich anfangs so bekannt? Wie ist mir denn? Wäre es möglich, dass die Gattin meines Freundes jenes Mädchen wäre, die ich nur einmal, nur halb gesehen und ewig liebe und, von jenem Augenblicke an, vergebens suche? Diese Gestalt – ja auch sie war gross, und als ich ihr den Mantel umschlang, als sie an meinem Herzen ruhte, fühlte ich eine feine, schlanke Taille. Und begegnete ich nicht heute abend so oft ihrem Auge, das prüfend auf mir ruhte? Sollte auch sie mich wiedererkennen? Doch – ich Thor! wie könnte Faldner bei seinem Misstrauen, bei seinen strengen Grundsätzen über Adel und unbescholtenen Ruf eine – unbekannte Bettlerin geheiratet haben?«

Er sah wieder prüfend auf das Bild herab, er glaubte in diesem Augenblicke Gewissheit zu haben, im nächsten zweifelte er wieder. Er klagte sein treuloses Gedächtnis an. Hatte nicht dieses Gemälde sich so ganz mit seinen früheren Erinnerungen vermischt, dass er die Unbekannte sich nie mehr anders dachte als wie dieses Bild? Und nun, da er auf eine neue, auffallende Aehnlichkeit gestossen, stand er nicht vor einem Labyrinth von Zweifeln? Er warf das Gemälde auf die Seite und verbarg seine heisse Stirn in die Kissen seines Bettes. Er wünschte sich tiefen Schlaf herbei, damit er diesen Zweifeln entgehe, dass ihm das wahre Bild mit siegender Kraft in seinen Träumen aufgehe.

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