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Spanische und amerikanische Sagen

Die Sage vom Monte Del Diablo.

Der vorsichtige Leser wird auf den folgenden Seiten einen Mangel an Autenticität entdecken. Ich selbst bin kein vorsichtiger Leser, doch bekenne ich mit einiger Betrübniß, daß sich das eigenthümliche Ereigniß, welches ich zu berichten vorhabe, nicht mit vielen documentarischen Beweisstücken belegen läßt. Einzelne Blätter aus Tagebüchern, die Acten von Ayuntamientos und früheren Departemental-Juntas nebst andern Urkunden eines noch urtümlichen und abergläubischen Volkes sind meine unzureichenden Quellen gewesen. Es ist indeß nur billig, zu bemerken, daß, obwohl diese besondere Geschichte der Bekräftigung ermangelt, ich beim Durchstöbern der spanischen Archive von Obercalifornien vielen überraschenderen und unglaublicheren Geschichten begegnet bin, die in einem Grade belegt und bezeugt sind, der diese Sage über alle Zweifel und Bedenken erhoben haben würde. Ich selbst habe auch niemals den Glauben an die Legende verloren und dabei viel von dem Beispiel verschiedener Leute profitirt, die auf Landstrecken Anspruch geltend machten und mich oft bei ihren praktischeren Nachforschungen bei Seite drängten, und die ich aufrichtig wegen der Zweifelsucht einer modernen hartköpfigen und praktischen Welt beneide.

Viele Jahre lang, nachdem der Pater Junipero Serro zuerst seine Glocke in der Wildniß von Obercalifornien erklingen ließ, nahm der Geist, der diesen unternehmenden Priester beseelte, nicht ab. Die Bekehrung der Heiden machte mit der Einrichtung von Missionen durch das ganze Land reißende Fortschritte. So fleißig gingen die guten Väter an ihr Werk, daß sich bald um ihre vereinzelten Kapellen Adobe-Hütten erhoben, deren schmutzbepflasterte und wilde Insassen regelmäßig sich an den Lebensmittelvorräthen und gelegentlich an dem Sacrament ihrer frommen Wirthe betheiligten. Ja so groß war ihr Fortschritt, daß man von einem eifrigen Padre erzählt, er habe an einem einzigen Sonntagsmorgen »über dreihundert heidnischen Wilden« das heilige Abendmahl gereicht. Es war nicht zu verwundern, daß der Feind der Seelen, sehr ergrimmt und erschrocken über seine abnehmende Popularität, diese heiligen Väter grausam versuchte und in Verlegenheit brachte, wie wir sogleich sehen werden.

Und doch waren es glückliche, friedliche Tage für Californien. Die herumschweifenden Kiele des nach Verdienst spähenden Handels hatten die stolze Würde seiner Buchten noch nicht durchfurcht. Kein zerrissner und zerfetzter Durchstich verrieth, daß jemand auf goldne Schätze muthete. Der wilde Hafer hing träge seine Aehren in der Morgenhitze oder kämpfte mit den Abendwinden. Rehe und Antilopen bedeckten die Ebene. Die Wasserläufe murmelten in ihren altgewohnten Kanälen und träumten nicht davon, ihren regelmäßigen Wasserstand zu wechseln. Die Wunder der Yosemite und von Calaveras waren noch ungeschildert. Die heiligen Väter nahmen über die barbarische Verschwendung hinaus, mit welcher der lebensvolle Boden die Aussaat heimzahlte, wenig Notiz von der Landschaft. Eine neue Bekehrung, der Eintritt des Tages eines Heiligen, die Taufe eines indianischen Säuglings waren die Chronik und zugleich das Wunder des Tages.

In dieser glückseligen Epoche lebte in der Mission von San Pablo der Pater José Antonio Haro, ein würdiges Mitglied der Gesellschaft Jesu. Er war ein langgewachsener Mann von leichenhaftem Aeußern. Eine etwas romantische Geschichte hatte seinem unheimlichen Gesichte ein poetisches Interesse verliehen. Als Jüngling seine Studien im berühmten Salamanca verfolgend, hatte er sich in die Reize der Donna Carmen de Torrencevara verliebt, als diese Dame zur Morgenandacht ging. Unvorhergesehene Umstände, vielleicht durch einen reicheren Freier beschleunigt, brachten diese Liebschaft zu einem unseligen Ausgange, und Vater José trat in ein Kloster und legte das Gelübde der Keuschheit ab. Hier war es, wo sein natürlicher Feuereifer und seine poetische Begeisterung ihren Ausdruck darin fanden, daß er Missionär wurde. Die Sehnsucht, die ungesitteten Heiden zu bekehren, folgte seiner frivolen irdischen Leidenschaft, und der Wunsch, unbekannte Länderstrecken zu durchforschen und zu entwickeln, erfüllte ihn unaufhörlich. In seinem blitzenden Auge und seinem finstern Aeußern entdeckte man eine eigenthümliche Mischung des rücksichtsvollen Las Casas und des ungestümen Balboa.

Angefeuert von diesem frommen Eifer schritt Vater José in der Vorhut der Bahnbrecher des Christenthums vorwärts. Als er Mexiko erreichte, verschaffte er sich die Erlaubniß, die Mission von San Pablo zu gründen. Wie der gute Junipero nur von einem Altardiener und einem Maulthiertreiber begleitet, sattelte er seine Maulthiere in einem düstern Cañon ab und ließ seine Glocke in der Wildniß erklingen. Die Wilden – ein friedliches, harmloses und untergeordnetes Völkchen – sammelten sich sogleich um ihn. Der nächste Militärposten war weit entfernt, was viel zur Sicherheit dieser frommen Pilgrime beitrug, die ihre offne Zutraulichkeit und Liebenswürdigkeit besser geeignet zur Fernhaltung von Feindseligkeiten fanden, als die Gegenwart einer bewaffneten, argwöhnischen und eisenfresserischen Soldateska.

So hielt der gute Vater José seine Frühmette und seine Morgenmette, so las er Messe und Vesper mitten in Sünde und Heidenthum. Nie dachte er dabei an sich selbst, sondern sah immer auf die Wohlfahrt der heiligen Kirche. Bald erfolgten Bekehrungen, und am 7. Juli 1760 wurde der erste indianische Säugling getauft – ein Ereigniß, welches, wie Vater José fromm berichtet, »über goldne Schätze oder köstliche Steine geht oder über die Auffindung von Salomonis Ophir«. Ich citire dieses Beispiel als am besten angethan, um die geistreiche Mischung von Poesie und Frömmigkeit zu zeigen, welche Vater José's Bericht auszeichnet.

Die Mission von San Pablo wuchs und gedieh, bis der fromme Gründer derselben wie der ungläubige Alexander hätte weinen können, daß es keine heidnischen Welten mehr zu erobern gab. Aber sein glühender und enthusiastischer Geist konnte nicht lange eine Trägheit aushalten, die aus der Sünde geboren zu sein schien, und eines schönen Augustmorgens im Jahre der Gnade 1770 verließ Vater José den äußern Hof der Mission, gerüstet, das Feld für weitere Missionär-Arbeiten zu durchforschen.

Nichts ging über die ruhige Würde und Anspruchslosigkeit der kleinen Cavalcade. Zuerst ritt ein stämmiger Maulthiertreiber, der ein Maulthier, beladen mit den Lebensmitteln der Gesellschaft sowie einigen wohlfeilen Kruzifixen und Habichtschellen führte. Nach ihm kam der gottselige Padre José, der sein Brevier und Kreuz trug und eine schwarze Serapa um seine Schultern geworfen hatte, während auf jeder Seite ein brauner Convertit hintrabte, der eifrig bemüht war, ein gehöriges Gefühl seiner Wiedergeburt zu zeigen, indem er als Führer in die Wildnisse seiner heidnischen Brüder diente. Ihr neues Verhältniß zeigte sich in angenehmer Weise durch das Nichtvorhandensein des gewöhnlichen Kothpflasters, welches sie sich in ihrem unbekehrten Zustande anwachsen ließen, um Ungeziefer und Kälte abzuhalten. Der Morgen war hell und günstig. Vor ihrer Abreise war in der Kapelle Messe gelesen und der Schutz des heiligen Ignatius angerufen worden gegen alle zufälligen Nebel, aber besonders gegen Bären, welche gleich den feurigen Drachen von ehedem eine unüberwindliche Feindseligkeit gegen die heilige Kirche im Busen zu hegen schienen.

Als sie sich durch den Cañon wanden, scherzten allerliebste Vögel auf Büschen und Zweigspitzen, und nüchterne Wachteln pfiffen auf den Erlen, die mit Weiden bewachsenen Wasserläufe murmelten ihre Musik, und das hohe Gras flüsterte am Hügelhange. Als sie in die tieferen Defiléen eintraten, ragten über ihnen die dunkelgrünen Massen des Fichtenwaldes, und gelegentlich schüttelte der Madroño seine hellen Scharlachbeeren. Als sie sich gar manchen steilen Aufgang hinaufquälten, las Vater José bisweilen Bruchstücke von Schlacken auf, welche seiner Einbildungskraft von grausigen Vulkanen und drohenden Erdbeben erzählten. Für das weniger wissenschaftliche Gemüth des Maulthiertreibers Ignacio hatten sie sogar eine noch schrecklichere Bedeutung, und ein oder zwei Mal schnüffelte er mißtrauisch in die Luft und erklärte, daß sie nach Schwefel röche. So verging der erste Tag ihrer Reise, und am Abend lagerten sie sich, ohne einem einzigen Heidengesichte begegnet zu sein.

In dieser Nacht geschah es, daß der Feind der Seelen Ignacio in erschrecklicher Gestalt erschien. Er hatte sich nach einem abgelegnen Theile des Lagers zurückgezogen und war in betender Betrachtung auf seine Knie gesunken, als er aufblickte und den Erzfeind in Gestalt eines ungeheuren Bären erblickte. Der Böse saß auf seinen Hintertatzen unmittelbar vor ihm und hatte seine Vorderpfoten gerade unter seiner schwarzen Schnauze zusammengelegt. Indem der würdige Maulthiertreiber klugerweise begriff, daß diese merkwürdige Stellung Spott und Verhöhnung seiner Andachtsübungen sein sollte, gerieth er außer sich vor Wuth. Indem er eine Donnerbüchse ergriff, schloß er auf der Stelle seine Augen und feuerte. Als er sich von den Wirkungen der fürchterlichen Entladung erholt hatte, war die Erscheinung verschwunden. Vater José, aufgeweckt durch den Knall, erreichte den Ort nur noch zu rechter Zeit, um den Maulthiertreiber auszuschelten, daß er Pulver und Blei zur Bekämpfung eines Wesens verschwendet, zu dessen gänzlicher Brachlegung ein einziges Ave genügt haben würde. Wie viel er sonst von Ignacio's Geschichte hielt, ist nicht bekannt, aber eingedenk einer würdigen californischen Sitte nannte man die Stelle La Cañada de la Tentacion del Pio Muletero oder »Die Schlucht der Versuchung des frommen Maulthiertreibers«, ein Name, den sie noch heutigen Tages führt.

Am nächsten Morgen kam die Gesellschaft aus einer engen Schlucht in ein langes, von der schattenlosen Hitze ausgedörrtes und verbranntes Thal. Das tiefere Ende desselben verlor sich in eine verschwimmende Linie niedriger Hügel, welche gegen das obere Ende des Thales hin an Masse und Größe zunahmen und sich zu einem ungeheuren Bollwerk gegen den stürmischen Norden aufthürmten. Der Gipfel dieses gewaltigen Felsstocks war in diesem Augenblicke von einer flockigen Wolke umschwebt, die wie ein Fähnchen hin und her wehte. Vater José betrachtete sie mit einem Gemisch von Schauer und Bewunderung. Durch ein eigenthümliches Zusammentreffen stieß der Maulthiertreiber Ignacio den einfachen Ausruf » Diablo!« aus.

Als sie in das Thal eindrangen, begannen sie bald das angenehme Leben und die gemüthlichen Echos des Cañon zu vermissen, welchen sie verlassen hatten. Gewaltige Risse in dem versengten Boden schienen wie mit durstigen Mäulern sie anzugähnen. Einige Eichhörnchen huschten aus der Erde und verschwanden ebenso geheimnißvoll vor den klingelnden Maulthieren. Ein grauer Wolf trabte gemächlich gerade vor ihnen hin. Aber wohin sich auch Vater José kehrte, überall trat ihm das Gebirge entgegen und gebot seinem wandernden Auge Halt. Aus dem dürren und trocknen Thale schien es sich in ein kühleres und frischeres Leben zu erheben. Tiefe höhlenartige Schatten lagerten an seiner Basis entlang, Felsenwälle traten in seiner halben Höhe hervor, und auf beiden Seiten zweigten sich schwarze Hügel wie massige Wurzeln von einem Mittelstamme ab. Seine lebhafte Phantasie malte ihm diese Hügel als mit einer majestätischen und geistig begabten Race von Wilden bevölkert aus, und indem er in die Zukunft blickte, sah er bereits den kuppelartigen Gipfel mit einem ungeheuren Kreuze gekrönt. Weit verschieden hiervon waren die Empfindungen des Maulthiertreibers, der in diesen schauerlichen Einöden nur feurige Drachen, kolossale Bären und halsbrecherische Pfade sah. Die Convertiten, Concepcion und Incarnacion, die bescheiden neben dem Padre hintrabten, erkannten vielleicht eine gewisse Kundgebung der unheimlichen Mythologie wieder, zu der sie sich früher bekannt hatten.

Als die Nacht hereinbrach, erreichten sie den Fuß des Gebirges. Hier lud Vater José seine Maulthiere ab, las die Vesper und rief, indem er in aller Form seine Glocke erklingen ließ, die Heiden innerhalb Gehörsweite auf, zu kommen und den heiligen Glauben anzunehmen. Die Echos der schwarzen finster blickenden Hügel rings um ihn herum fingen die fromme Einladung auf und wiederholten sie in Intervallen, aber Heiden erschienen in jener Nacht nicht. Auch wurden die Andachtsübungen des Maulthiertreibers nicht wieder gestört, obwohl er hinterher behauptete, daß nach Schluß der Ermahnung des Padres ein spöttisches Lachen von den Bergen her erschallt sei. Nicht eingeschüchtert durch diese Anzeichen, daß die Feindschaft des Bösen in der Nähe lauerte, erklärte Vater José seine Absicht, den Berg beim frühen Morgengrauen zu ersteigen, und bevor die Sonne am nächsten Morgen aufging, war er Allen voran auf dem Wege dahin.

Der Aufstieg war an vielen Stellen schwierig und gefahrvoll. Gewaltige Felsbrocken lagen oft quer über dem Pfade, und nachdem sie einige Stunden geklettert, sahen sie sich genöthigt, ihre Maulthiere in einer kleinen Rinne zurückzulassen und ihren Weg zu Fuße fortzusetzen. Solcher Anstrengung ungewohnt, blieb Vater José häufig stehen, um sich den Schweiß von seinen hagern Wangen zu wischen. Als der Tag sich neigte, bedrückte sie eine seltsame Stille. Ausgenommen, daß gelegentlich ein Eichhörnchen vorüberhuschte oder es in den Chimisal-Büschen rauschte, gab es keinerlei Zeichen von Leben. Manchmal erschien vor ihnen der halbmenschliche Abdruck eines Bärenfußes, vor dem sich Ignacio jedesmal fromm bekreuzte. Das Auge wurde bisweilen durch ein Tröpfeln von den Felsen getäuscht, welches sich bei näherer Untersuchung als eine harzige, ölige Flüssigkeit von abscheulichem Schwefelgeruche erwies. Als sie noch eine kurze Strecke vom Gipfel waren, wählte sich der vorsichtige Ignacio ein geschütztes Winkelchen aus, schlüpfte bei Seite, machte sich mit Vorbereitungen für den Abend zu schaffen, und überließ es dem frommen Vater, allein weiter zu steigen. Nie gab es eine unbedachtere Handlung der Vorsicht, nie ein unklügeres Stück Behutsamkeit. Ohne das Entwischen zu bemerken, begraben in frommes Sinnen, arbeitete sich Vater José mechanisch weiter hinauf und warf sich, als er den Gipfel erreichte, zu Boden und blickte auf die Aussicht.

Unter ihm lag eine Reihenfolge von Thälern, die sich wie sanfte Landseen in einander öffneten, bis sie sich nach Süden hin verloren. Im Westen verbarg der ferne Bergzug die buschige Cañada, welche die Mission von San Pablo vor dem Winde schützte. In der weiteren Ferne streckte sich das Stille Meer aus, das auf seinem Busen eine Wolke von Nebel trug, die durch den Eingang der Bucht wallte und sich dick zwischen ihm und dem Nordosten hinwälzte. Derselbe Dunst verbarg den Fuß des Gebirges und die Aussicht darüber hinaus. Doch ging von Zeit zu Zeit der stockige Schleier auseinander und erschloß zögernd zauberhafte Blicke auf mächtige Ströme, Gebirgsdurchgänge und wellige Ebenen, gelblich von gereiftem Hafer und gebadet in der Gluth der untergehenden Sonne. Als Vater José dies überschaute, durchdrang ihn ein frommes Sehnen. Schon sah seine Einbildungskraft, erfüllt von begeisternden Vorstellungen, diese ganze ungeheure Strecke unter die milde Herrschaft des heiligen Glaubens gesammelt und von eifrigen Bekehrten bevölkert. Jede kleine Bergkuppe wurde in seiner Phantasie mit einer Kapelle gekrönt, aus jedem dunkeln Cañon glänzten die weißen Mauern eines Missionsgebäudes. Indem er in seinem Enthusiasmus kühner wurde und weiter in die Zukunft blickte, sah er an diesen wilden Gestaden ein neues Spanien erstehen. Er erblickte bereits die Thürme stattlicher Kathedralen, die Kuppeln von Palästen, Weinberge, Gärten und Haine. Klöster, halb versteckt zwischen den Hügeln, schauten aus Anpflanzungen breitwipfeliger Linden, und lange Processionen psalmodirender Nonnen wanden sich durch die Gründe. Die Vorstellung des guten Vaters von der Zukunft war so vermischt mit der Vergangenheit, daß selbst in ihrem Chorgesang die wohlerinnerlichen Laute Carmens an sein Ohr schlugen.

Er war noch mit diesen phantastischen Bildern beschäftigt, als plötzlich über jene ausgedehnte Aussicht herüber der leise, ferne Schall einer Glocke schwermüthig ausklang und erstarb. Es war das Angelus. Vater José lauschte mit abergläubischer Aufgeregtheit. Die Mission von San Pablo war in weiter Ferne, und der Schall mußte ein miraculöses Omen gewesen sein. Aber nie vorher kam seinem schwärmerischen Sinn der holde Ernst dieses Symbols der Nähe von Engeln mit so seltsamer Bedeutsamkeit zu. Mit dem letzten leisen Glockenhall schien seine glühende Phantasie sich abzukühlen, der Nebel unter ihm schloß sich wieder zusammen, und der gute Vater entsann sich, daß er sein Abendbrot noch nicht gehabt hatte. Er war aufgestanden und wickelte seine Serapa um sich, als er zum ersten Male bemerkte, daß er nicht allein war.

Ihm fast gerade gegenüber und da, wo der treulose Ignacio hätte sein sollen, saß eine ernste und würdevolle Gestalt. Sein Aeußeres war das eines ältlichen Hidalgo. Er war in Trauer gekleidet und trug einen eisengrauen Schnurrbart, der sorgfältig gewichst und über ein Paar Backen, dürr zum Durchblasen, gedreht war. Der ungeheure Hut mit der riesengroßen Feder, die maßlos große Halskrause und die übertrieben geschwellte Pumphose, die im starken Contrast mit seinem zusammengeschrumpften und verwitterten Leibe stand, gehörten alle einem früheren Jahrhunderte an. Und doch war Vater José nicht erstaunt. Sein abenteuerliches Leben und seine dichterisch rege Einbildungskraft, die stets auf der Ausschau nach wunderbaren Dingen waren, gaben ihm einen gewissen Vortheil über die praktisch und materiell denkenden Gemüther. Er entdeckte sofort die diabolische Natur seines Besuchs und war vorbereitet. Er begegnete dem höflichen Gruße des Fremden mit gleicher kühler Artigkeit.

»Ich bitte um Verzeihung, Herr Priester,« sagte der Fremde, »wenn ich Ihre Betrachtungen störe. Sie müssen angenehmer Art gewesen sein und recht phantasiereich, stelle ich mir vor, wo sie durch eine so schöne Aussicht hervorgerufen werden.«

»Weltlich vielleicht, Herr Teufel – denn für den halte ich Sie,« sagte der heilige Mann, als der Fremde sich so tief verbeugte, daß seine schwarzen Hutfedern den Boden berührten, »weltlich vielleicht; denn es hat dem Himmel gefallen, uns selbst im Stande der Wiedergeburt viel zu belassen, das zum Fleische gehört, aber doch, wie ich hoffe, nicht ohne einigen Hinblick auf die Wohlfahrt der heiligen Kirche. Indem ich meinen Blick auf jener schönen Aussicht ruhen ließ, sind meine Augen gnadenvoll geöffnet worden in prophetischer Eingebung, und die Verheißung der Heiden als eines Erbes ist mir wunderbar wieder in den Sinn gekommen. Denn es kann solchem Fleiß im wahren Glauben nicht fehlen, sondern man wird sehen, daß auch die Bekehrung dieser armen Wilden ihre Bedeutung hat. Wie der gesegnete St. Ignatius weise bemerkt,« fuhr Vater José fort, indem er sich räusperte und seine Stimme ein wenig erhob: »der Heide ist den Kriegern Christi überantwortet, gleichwie die selten entdeckten Perlen, welche die Herzen der Schiffer erfreuen. Ja, ich möchte sagen –«

Aber hier machte sich der Fremde, der mit wohlerzogner Geduld seine Brauen zusammengezogen und seinen Schnurrbart gedreht hatte, eine oratorische Pause zu Nutze:

»Es thut mir leid, Herr Priester, den Strom Ihrer Beredsamkeit ebenso unhöflich unterbrechen zu müssen, wie ich bereits Ihre Betrachtungen gestört habe. Aber der Tag neigt sich schon, und es will Nacht werden. Ich habe eine Sache von ernster Bedeutung mit Ihnen abzumachen, könnte ich mir wohl auf ein paar Augenblicke Ihre vorsichtige Aufmerksamkeit erbitten?«

Vater José zögerte. Die Versuchung war groß, und die Aussicht auf Erwerbung einiger Kenntniß von den Plänen des großen Feindes nichts weniger als eine Kleinigkeit. Und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so hatte der Fremde ein gewisses feierliches Wesen an sich, welches den Padre interessirte. Obgleich wohlbekannt mit den proteischen Gestalten, die der Erzfeind annehmen konnte, und obgleich frei von den Schwachheiten des Fleisches, war Vater José nicht erhaben über die Versuchungen des Geistes. Wäre ihm der Teufel, wie in dem Falle des frommen St. Antonius, in Gestalt eines saubern Mädels erschienen, so würde der gute Vater, bei seiner sichern Erfahrung in Betreff des falschen Geschlechts, sie durch Hersagen eines Paternosters weggeblasen haben. Aber außer der Sicherheit, die im Alter des Fremden lag, hatte derselbe eine ernste Schwermuth, ein nachdenkliches Bewußtsein, daß er moralisch sehr im Nachtheil stand, an sich, die ihn sofort zu dem Entschlusse brachten, sich großmüthig gegen ihn zu verhalten. Der Fremde ging dann daran, ihn zu benachrichtigen, daß er die Triumphe des frommen Vaters im Thale fleißig beobachtet habe, daß er, weit entfernt, darüber sehr erbost zu sein, nur betrübt gewesen sei, sehen zu müssen, wie ein so begeisterter und ritterlicher Gegner seinen Eifer an ein hoffnungsloses Werk verschwende. Denn, so bemerkte er, der Ausgang des großen Kampfes zwischen Gut und Böse sei in andrer Weise geordnet, wie er ihm sogleich zeigen werde. »Es fehlen nur noch ein paar Augenblicke, so wird es Nacht,« fuhr er fort, »und über diese Zwischenzeit der Dämmerung ist mir, wie Sie wissen, vollständige Gewalt gegeben. Blicken Sie nach Westen!«

Als der Padre sich umdrehte, nahm der Fremde seinen ungeheuren Hut vom Kopfe und schwenkte ihn drei Mal vor sich. Bei jedem Schwenken der riesigen Feder wurde der Nebel dünner, bis er unmerklich hinwegschwand und die frühere Landschaft wiederkehrte, noch warm von der glühenden Sonne. Als Vater José hinschaute, klang aus dem Thale eine kriegerische Weise herauf, und der gute Vater sah aus einer tiefen Schlucht eine lange Cavalcade tapfrer Ritter herauskommen, die wie sein Gefährte gekleidet waren. Als sie in die Ebene hinausfegten, schlossen sich ihnen ähnliche Processionen an, die langsam aus jeder Schlucht und Kluft des geheimnißvollen Berges herausdefilirten. Von Zeit zu Zeit schwebte stoßweise der Schall einer Trompete im Winde daher, das Kreuz von Santiago funkelte, und die königlichen Banner von Castilien und Aragonien flatterten über der dahinziehenden Heersäule. So bewegten sie sich in feierlichem Marsche auf die See zu, wo Vater José in der Ferne stattliche Caravellen, die dasselbe wohlbekannte Banner führten, auf sie warten sah. Der gute Padre schaute mit widerstreitenden Empfindungen zu, als die ernste Stimme des Fremden das Schweigen unterbrach.

»Du hast, Priester, die dahinschwindenden Fußtapfen des abenteuerlustigen Castilien geschaut. Du hast den Niedergang der Herrlichkeit der alten Hispania gesehen – welche untergeht wie dort die strahlende Sonne. Das Scepter, das sie den Heiden aus der Hand gerungen, entsinkt rasch ihrem altersschwachen, fleischlosen Griffe. Die Kinder, die sie aufgezogen, werden sie nicht mehr kennen. Der Boden, den sie erworben hat, soll ihr ebenso unwiderruflich verloren gehen, wie sie selbst die Mauren aus ihrem Granada hinausgestoßen hat.«

Der Fremde hielt inne, und seine Stimme schien vor Rührung zu stocken, zu gleicher Zeit rief Vater José, dessen patriotisch fühlendes Herz sich den scheidenden Bannern nachsehnte, in schneidendem Tone:

»Lebt wohl, ihr tapfern Ritter und christlichen Kriegsleute! Lebe wohl, Du, Nuñes de Balboa! Du, Alonzo de Ojeda, und Du, verehrungswürdigster Las Casas! Lebt wohl, und mag der Himmel die Saat, die Ihr hinterlasset, weiter gedeihen lassen!«

Dann sich dem Fremden zukehrend, sah Vater José, wie er mit ernster Miene sein Taschentuch von dem geflochtnen Griff seines Stoßdegens zog und es feierlich an die Augen drückte.

»Verzeihen Sie diese Schwäche, Herr Priester,« sagte der Ritter im Ton der Entschuldigung. »Aber diese würdigen Herren waren alle Freunde von mir und haben mir manchen köstlichen Dienst geleistet – viel mehr vielleicht, als diese armen Trauersachen andeuten mögen,« fügte er mit einer grimmen Geberde nach den Trauerkleidern, die er trug, hinzu.

Vater José war zu sehr vom Nachsinnen in Anspruch genommen, um die zweideutige Natur dieser Dienstleistung zu bemerken, und sagte nach einem Schweigen von einigen Minuten, wie wenn er seinen Gedanken weiter spänne:

»Aber die Saat, die sie gepflanzt haben, wird gedeihen und wachsen auf diesem fruchtbaren Boden.«

Als ob er auf eine hierin liegende Frage antworten wollte, wendete sich der Fremde nach der entgegengesetzten Richtung und sagte, indem er seinen Hut abermals schwenkte, in demselben ernsten Tone:

»Blicke nach Osten!«

Der Padre drehte sich um, und als der Nebel sich vor der winkenden Feder zertheilte, sah er, daß die Sonne aufgehen wollte. Indem sie mit ihren hellen Strahlen durch die Pässe der schneebedeckten Berge in der Ferne heraustrat, erschien eine seltsame und bunte Menge. Statt der dunkeln und romantischen Gesichter des letzten Zuges von Phantomen, den er gesehen, erblickte der Padre mit eigenthümlicher Ergriffenheit die blauen Augen und die Flachshaare eines sächsischen Geschlechts. An der Stelle martialischer Melodien und des Geräusches kriegerischer Musik vernahm das Ohr von drunten her ein seltsames Gewirr von harten Kehllauten und eigenthümlich gezischten Tönen. Statt des feierlichen Trittes und der wichtigen Miene der Rittersleute der früheren Vision, kamen sie stoßweise, eiligen Ganges, keuchend und großthuend heran. Und als sie vorüberzogen, bemerkte der gute Vater, daß riesige Bäume wie vom Hauch eines Tornado niedergestürzt und die Eingeweide der Erde aufgewühlt und zerrissen wurden wie von einem Erdbeben. Und umsonst sah Vater José sich nach dem heiligen Kreuz oder einem andern christlichen Symbol um. Es gab nur ein einziges Ding, das ein Feldzeichen zu sein schien, und er bekreuzte sich in frommem Schauder, als er bemerkte, daß es das Bild eines Bären trug.

»Wer sind diese großsprecherischen Ismaeliten?« fragte er mit etwas rauhem Tone.

Der Fremde verharrte in ernstem Schweigen.

»Was machen die hier ohne Kreuz und heiliges Zeichen?« fragte er abermals.

»Haben Sie den Muth, es zu sehen, Herr Priester?« antwortete der Fremde ruhig.

Vater José fühlte nach seinem Kruzifix, wie ein einsamer Reisender nach seinem Stoßdegen gefühlt haben würde, und bejahte die Frage.

»Dann treten Sie unter den Schatten meiner Feder,« sagte der Fremde.

Vater José trat hinter ihn, und augenblicklich sanken sie durch die Erde.

Als er seine Augen öffnete, die im Verlauf der reißend geschwinden Hinabfahrt in betender Betrachtung geschlossen verblieben waren, fand er sich in einem ungeheuren Gewölbe, welches oben mit leuchtenden Punkten besät war wie das gestirnte Firmament. Es war ferner durch eine gelbe Gluth erleuchtet, die von einem mächtigen Meer oder See auszuströmen schien, der den Mittelpunkt des Gemachs einnahm. Um dieses unterirdische Meer huschten dunkle Gestalten mit Schöpfkellen voll der gelben Flüssigkeit herum, welche sie aus seinen Tiefen gefüllt hatten. Aus diesem See sich verzweigend durchdrangen Ströme derselben geheimnißvollen Fluth wie gewaltige Flüsse die höhlenartige Ferne. Als sie an den Ufern dieses glitzernden Styx hinwanderten, bemerkte Vater José, wie der flüssige Strom an gewissen Stellen fest wurde. Der Boden war mit glänzenden Flocken bestreut. Eine derselben hob der Padre auf und prüfte sie neugierig. Es war Jungferngold.

Ein Ausdruck der Enttäuschung ging bei dieser Entdeckung über das Antlitz des guten Vaters. Aber in der Miene des Fremden war keine Spur von Bosheit oder Befriedigung zu sehen; sie trug noch immer das Gepräge ernster, schicksalsschwangerer Betrachtung. Als Vater José seinen Gleichmuth wieder gewann, sagte er bitter:

»Das also, Herr Teufel, ist Dein Werk! Das ist Deine trügerische Verlockung für die schwachen Seelen sündiger Völker! So willst Du die christliche Gnade des heiligen Spanien ersetzen?«

»Das ist, was sein muß,« erwiderte der Fremde düster. »Aber hören Sie mich an, Herr Priester. Es steht bei Ihnen, diesen Ausgang auf eine Weile abzuwenden. Lassen Sie mich hier in Frieden schalten. Gehen Sie nach Castilien zurück und nehmen Sie Ihre Glocken, Ihre Bilder und Ihre Missionen mit sich. Bleiben sie hier, um fortzufahren, so werden Sie nur das Ergebniß zeitiger eintreten lassen. Halt! versprechen Sie mir, daß Sie das thun wollen, und es soll Ihnen nicht an dem fehlen, was Ihre alten Tage zu einem Schmuck und einem Segen machen wird,« und der Fremde drängte ihn bedeutsam nach dem See hin.

Hier war es, wie die Sage vorsichtig berichtet, daß der Teufel – wie früher oder später immer – seinen gespaltnen Huf zeigte. Der würdige Padre, gründlich verblüfft über dieses dreifache Gesicht und, wenn ich die Wahrheit gestehen soll, ein wenig verdrießlich über dieses Hinschwinden der Herrlichkeit der Entdeckung des heiligen Spanien, hatte einige Unschlüssigkeit gezeigt. Aber der unglückselige Bestechungsversuch des Feindes der Seelen ging ihm an seinen castilischen Geist. Indem er mit tiefem Abscheu zurückfuhr, schwang er sein Kruzifix vor dem Antlitz des entlarvten bösen Feindes, und mit einer Stimme, von der das düstre Gewölbe widerhallte, schrie er:

»Hebe Dich weg, Satanas! Diabolus, ich trotze Dir! Was, wolltest Du mich bestechen – mich, ein Mitglied der heiligen Gesellschaft Jesu, mich, den Licenziaten von Cordova und Inquisitor von Guadalaxara? Gedenkst Du mich mit Deinem schmutzigen Reichthum zu erkaufen? Hebe Dich weg!«

Was der Ausgang dieses Bruchs und wie vollständig der Triumph des heiligen Mannes über den Erzfeind gewesen sein möchte, der sich entsetzt vor jenen geheiligten Namen und dem geschwungnen Symbol zurückschlängelte, werden wir nie erfahren; denn in diesem Augenblicke schlüpfte ihm das Kruzifix aus den Fingern.

Kaum hatte es den Erdboden berührt, so stürzten Teufel und heiliger Mann gleichzeitig auf dasselbe los. Im Kampfe darum packten sie einander, und der fromme José, der seinem Gegner ebenso an körperlicher wie an geistiger Kraft überlegen war, war im Begriffe, den großen Menschenfeind einen Purzelbaum von rückwärts machen zu lassen, als er plötzlich fühlte, wie ihm die langen Nägel des Fremden durch das Fleisch drangen. Eine neue Furcht ergriff sein Herz, ein betäubendes Frösteln schlich ihm durch seinen Körper, und er versuchte sich loszuwinden, aber vergebens. Ein seltsames Brüllen klang ihm in die Ohren, der See und die Höhle tanzten ihm vor den Augen und verschwanden, und mit einem lauten Aufschrei sank er besinnungslos zu Boden.

Als er wieder zu Bewußtsein kam, bemerkte er, daß sein Körper sich in sanft schaukelnder Bewegung befand. Er öffnete seine Augen und sah, daß es Hochmittag war, und daß man ihn auf einer Tragbahre durch das Thal trug. Er fühlte, daß er steif war, und als er niederblickte, bemerkte er, daß sein Arm verbunden und ihm dicht an die Seite gelegt war.

Er schloß seine Augen und dachte nach einigen Worten dankbaren Gebetes, wie wunderbarlich er doch bewahrt worden sei, worauf er dem seligen St. José einige Leuchter zu verehren gelobte. Dann rief er mit schwacher Stimme, und sogleich stand der reuige Ignacio neben ihm.

Die Freude, die der arme Kerl über das wiederkehrende Bewußtsein seines Gönners empfand, erstickte für einige Zeit seine Aeußerungen. Er vermochte nur hervorzustoßen: »Ein Wunder! Seliger St. José, er lebt!« und die verbundene Hand des Padre zu küssen. Vater José, mehr bedacht auf sein Erlebniß von vergangner Nacht, wartete, bis seine Aufregung sich gelegt hatte, und fragte dann, wo man ihn gefunden hätte.

»Auf dem Berge, Euer Hochwürden, nur ein paar Varas von der Stelle, wo er Sie angefallen hatte.«

»Wie? – Du hast ihn also gesehen?« fragte der Padre in ungeheucheltem Erstaunen.

»Ihn gesehen, Hochwürden! Mutter Gottes, ich sollte meinen, daß ich ihn gesehen habe! Und Euer Hochwürden sollen ihn ebenfalls zu sehen kriegen, wenn er jemals wieder in Schußweite der Donnerbüchse Ignacio's kommt.«

»Was meinst Du, Ignacio?« sagte der Padre, indem er sich in seiner Tragbahre kerzengerade aufsetzte.

»Je nun, den Bären, Euer Hochwürden, – den Bären, heiliger Vater, der Ihre ehrwürdige Person anfiel, als Sie auf dem Gipfel jenes Berges in Betrachtung versunken waren.«

»Ach!« sagte der heilige Mann, indem er sich wieder hinlegte. »Bst, Kind! Ich möchte Ruhe haben.«

Als er die Mission erreichte, wurde er zärtlich gepflegt, und nach einigen Wochen war er in den Stand gesetzt, jene Pflichten wieder aufzunehmen, denen ihn, wie man gesehen haben wird, selbst die Ränke des Bösen nicht abwendig zu machen vermochten. Die Nachricht von seinem physischen Unfall verbreitete sich über das Land, und ein Brief an den Bischof von Guadalaxara enthielt einen vertraulichen und ins Einzelne gehenden Bericht über die geistliche Anfechtung des guten Vaters. Aber irgendwie drang die Geschichte ins Publikum, und noch lange Jahre, nachdem José zu seinen Vätern versammelt worden, bildete sein geheimnißvolles Zusammentreffen das Thema haarsträubender, nur flüsternd mitgetheilter Erzählungen. Alle Welt hielt sich scheu von dem Berge fern. Es ist wahr, daß Señor Joaquin Pedrillo später einen Landantheil nahe am Fuße des Berges in Besitz nahm, da man aber von Señora Pedrillo wußte, daß sie ein zanksüchtiges Weib von Halbblut war, so nahm man nicht an, daß der Señor allzu dreist wäre.

Dies ist die Sage vom Monte Del Diablo. Wie ich vorher sagte, sie mag in wesentlichen Dingen der Bestätigung bedürfen. Die Unvereinbarkeit der Erzählung des Padre mit der Stelle, wo die Geschichte den Gipfel erreicht, ist der Anlaß zu Zweifeln auf Seiten schlauer Diftler geworden. Alle diese möchte ich einfach auf eine Stelle in dem Berichte Señor Julio Serro's, des Subpräfecten von San Pablo, verweisen, vor dem in Betreff des Obigen Zeugen abgehört wurden. Indem er diese Angelegenheit berührt, bemerkt der würdige Präfect:

»Wiewohlen der Leichnamb des Vaters José Zeugnuß ableget, daß er im Fleische schmerzhafft verwundet worden, so ist das doch kein Beweis, daß der Feind der Seelen, welcher die Figura eines würdigen alten Caballero annehmen konnte, nicht zu derselbigen Zeit sich zur Förderung seiner besundern erschröcklichen Absichten auch in einen Bären zu verwandeln im Stande gewesen.«


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