Rider Haggard
Die heilige Blume
Rider Haggard

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20. Kapitel

Die Schlacht am Tore

Unterdessen hatte am Nordtore der Stadt eine heftige Schießerei begonnen, begleitet von einem dumpfen, brausenden Lärm. Der Nebel war noch immer zu dicht, um etwas erkennen zu können. Aber kurz nach dem Beginn der Schießerei erhob sich ein heftiger heißer Wind, wie er diesen Nebeln immer folgt; er zersetzte den Nebel, ballte ihn hier und dort zusammen und trieb ihn schließlich in schweren grauen Wolken hinweg. Hans, der einen Baum erklettert hatte, schrie herab, daß die Araber das Nordtor angriffen und die Mazitu, durch eine Palisade gedeckt, das Feuer mit einem Pfeilhagel beantworteten. Eine Weile danach meldete Hans, daß sich die Mazitu zurückzogen.

Ein wenig später trafen die letzten Mazitu ein, alle Nichtkämpfer, die noch in der Stadt gewesen waren, vor sich hertreibend. König Bausi war bei ihnen, und er befand sich in schrecklicher Aufregung.

Auf meinen Rat hin verteilte er die meisten von ihnen auf die Flanken unserer Stellung, um zu verhindern, daß wir umgangen würden. Wir selber teilten alle vorhandenen Gewehre rasch an die dreißig oder vierzig im Schießen ausgebildeten Leute 317 aus; denn wenn sie auch nicht viel wirklichen Schaden anrichten konnten, so konnten sie durch das Geknatter ihrer Schüsse den Feind immerhin in den Glauben versetzen, wir seien gut bewaffnet.

Zehn Minuten später kam Babemba mit den letzten fünfzig Mazitusoldaten, die bis jetzt die Stadt gehalten hatten. Er meldete, die Araber wären dabei, das Nordtor einzurennen. Ich empfahl ihm, Steine aufzuschichten und sich und seine Soldaten hinter diese Deckung zu legen.

Nach kurzer Zeit sahen wir einen großen Trupp Araber über die Hauptstraße auf uns zukommen. Außer Gewehren trugen etliche von ihnen auch Speere, auf die sie etwa ein Dutzend Menschenköpfe gespießt hatten. Sie schwenkten diese Waffen in der Luft herum und brüllten triumphierend. Ich knirschte vor Wut über diesen Anblick mit den Zähnen.

Gerade da vermißte ich zum ersten Male Hans. Ich fragte nach ihm. Jemand sagte, er hätte ihn weglaufen sehen, worauf Mavovo in seiner Kampfeserregung ausrief:

»Ah! Die gefleckte Schlange hat ihr Loch aufgesucht! Schlangen zischen wohl, aber sie beißen nicht.«

»Doch, manchmal beißen sie«, antwortete ich, denn ich konnte nicht glauben, daß Hans ausgerissen war.

Wie wir gehofft hatten, kamen die Sklavenjäger jetzt in kompakter Masse an. Sie scharten sich auf dem offenen Marktplatz zusammen, und im selben 318 Augenblick begannen die Mazitu ohne Befehl und zu meiner Wut und Enttäuschung ein wildes Geböller über dreihundert Meter Entfernung hin. Der ganze Effekt dieser Schießerei war, daß zwei oder drei Araber verwundet oder getötet wurden. Natürlich zogen sie sich in Erkenntnis der Gefahr sofort zurück, und nach einer Pause kamen sie wieder; diesmal aber gingen sie, durch die Hütten am Rande des Platzes gedeckt, vor. Dieser selbst war, da er in Zeiten der Gefahr als Viehhürde diente, mit einem starken Pfahlzaun umgeben. Der ganze Ring innerhalb dieses Markt- und des eigentlichen Stadtzaunes war mit Hütten besetzt.

Die Araber drangen also zwischen den Hütten, sowohl östlich wie westlich des Platzes, vor, und ich konnte konstatieren, daß sie ungefähr vierhundert Mann stark waren, alle mit Gewehren bewaffnet und ohne Zweifel kampfgeübte Leute. Wir hatten alle Ursache, diese Macht zu fürchten. Denn obgleich wir mindestens ebenso stark waren, verfügten wir nur über höchstens fünfzig Gewehre, und die meisten unserer Leute waren miserable Schützen.

Ich veranlaßte Babemba, sofort einige fünfzig Mann nach dem Südtore zu schicken und die Torflügel, die aus Baumstämmen gezimmert und nach außen zu öffnen waren, mit Erde und großen Steinen zu verrammeln. Die Mazitu gingen ans Werk wie die Wilden, und während ich sie beobachtete, bemerkte ich plötzlich rasch nacheinander ein paar dünne Rauchsäulen vom Nordende der Stadt her aus den Hütten aufsteigen. Und sehr bald folgten ihnen 319 Flammen, die bei dem starken Winde in der Richtung auf uns über die Dächer sprangen.

Dort zündete jemand die Stadt Bezar an! In weniger als einer Stunde würden diese Flammen, durch den starken Wind getrieben, aus den ausgedörrten Hütten der Stadt einen rauchenden Aschenhaufen machen. Einen Augenblick lang dachte ich, die Araber könnten den Brand gelegt haben. Als ich aber immer neue Brandherde an allen Ecken und Enden der Stadt aufglimmen sah, begriff ich plötzlich, daß keine Araber, sondern ein Freund oder Freunde am Werke sein mußten, die auf die Idee gekommen waren, die Araber durch Feuer zu vernichten!

Da kam Babemba auf mich zugerannt. Wortlos vor Schrecken deutete er mit dem hocherhobenen Speer auf die Feuersbrunst. Und in diesem Augenblick kam mir die Inspiration.

»Nimm alle deine Leute, mit Ausnahme von denen, die mit Gewehren bewaffnet sind. Teile sie, umgehe die Stadt und halte das Nordtor, obgleich ich nicht glaube, daß jemand durch diese Flammen durchbrechen kann. Kommen die Araber aber doch bis zu eurem Tore, dann tötet sie.«

»Es soll geschehen!« schrie Babemba. »Aber ach! Die Stadt Bezar, in der ich geboren bin! Ach, meine Stadt Bezar!«

Drei Minuten später sahen wir die Mazitu, in zwei Haufen geteilt, wie die Hasen dahinjagen, um die Stadt zu umgehen. Etliche wurden niedergeschossen, als sie den Abhang hinuntersprangen, die meisten aber erreichten unverletzt den Schutz der Palisade. 320

Jetzt waren nur noch vier Weiße, die Zulujäger unter Mavovo und die mit Gewehren bewaffneten Mazitu hier oben, insgesamt ungefähr dreißig Mann.

Eine ganze Weile schienen die Araber nicht zu merken, was eigentlich los war. Sie waren zu beschäftigt, auf die Mazitu zu pfeffern, die, wie sie wahrscheinlich dachten, in voller Flucht davonjagten. Aber auf einmal hörten oder sahen sie, was vorging.

Ein einziger Schrei des Entsetzens gellte auf. Einige rannten an die Palisade und begannen daran hochzuklettern. Aber als ihre Köpfe oben erschienen, wurden sie mit Mazitupfeilen gespickt, und die Fliehenden stürzten rücklings hinunter. Die wenigen, die herüberkamen, verwirrten sich in dem Kaktusfeigengestrüpp, das der Palisade vorgelagert war, und endeten auf den Speeren der Mazitu. Dann gaben sie diesen Versuch auf und rannten zurück, um durch das Nordtor zu entkommen. Aber noch bevor sie den Marktplatz erreichten, hatten ihnen die brüllenden, windgepeitschten Flammen den Weg versperrt.

Jetzt faßten sie einen neuen Entschluß. In wirren Haufen brachen sie über den Marktplatz hervor und stürmten gegen das Südtor. Damit kamen wir an die Reihe. Wie wir sie zusammenschossen, als sie über den offenen Platz rannten! Ich feuerte, so schnell ich nur konnte, und verfluchte dabei Hans, der nicht da war, um für mich zu laden. Stephan war besser daran. Denn als ich einen schnellen Blick auf ihn warf, sah ich zu meinem Erstaunen Hoffnung damit beschäftigt, ihm sein zweites Gewehr zu laden.

Aber auch unser Schnellfeuer vermochte den 321 Ansturm dieser Leute, die aus Furcht vor dem Feuer irrsinnig geworden zu sein schienen, nicht aufzuhalten. Ihr Weg war mit den Körpern von Gefallenen bedeckt. Aber jetzt erreichten die ersten das Südtor.

»Mein Vater,« sagte mir Mavovo ins Ohr, »jetzt erst beginnt der richtige Kampf. Das Tor wird bald auf dem Boden liegen. Dann müssen wir das Tor sein!«

Ich nickte. Waren die Araber einmal durch, dann waren von ihnen noch immer genug übrig, um uns fünfmal über den Haufen zu rennen. Sie hatten bis zu diesem Augenblick wahrscheinlich nicht mehr als vierzig Mann verloren. Mit ein paar Worten erklärte ich Stephan und Bruder John die Situation, befahl den Mazitu, die Gewehre niederzulegen – denn wären sie in ihren Händen geblieben, hätten sie sicher einige von uns über den Haufen geschossen – und nur mit ihren Speeren bewaffnet mitzukommen.

Dann rasten wir den Hang hinunter und warfen uns in unsere Stellung. Sie lag direkt vor dem Tore, das unter den Schlägen der Araber schon hin und her schwankte.

Wir schlossen uns vor dem Tore zusammen, die Zulu mit Stephan und mir selbst in der Front, und dahinter, unter dem persönlichen Kommando Bausis, die dreißig ausgesuchten Mazitu. Lange brauchten wir nicht zu warten. Plötzlich brach das Tor zusammen, und über seine Trümmer und über den Wall von Erde und Steinen hinweg ergoß sich eine wahre Flut von weißgekleideten und beturbanten Männern.

Auf mein Kommando hin feuerten wir in diese 322 gedrängte Masse. Der Effekt war furchtbar. Ich glaube, jede Kugel riß zwei oder drei von ihnen nieder. Auf einen Zuruf Mavovos warfen die Zulus die Gewehre weg und stürzten sich mit ihren breiten Speeren auf den Haufen. Stephan, der einen Assagai aufgerafft hatte, mitten unter ihnen, feuerte noch beim Rennen einen Revolver in das Getümmel, und ihm nach sprangen wie schwarze Panther die großen dunklen Mazitu.

Ich will bemerken, daß ich keinen Anteil an dieser schrecklichen Schlächterei nahm. Ich dachte, ich könnte außerhalb des Getümmels von größerem Nutzen sein. Oder aber – ich hatte einfach Angst. Ich bin niemals ein besonders tapferer Mensch gewesen. So blieb ich außerhalb und brachte, wenn immer sich Gelegenheit bot, einen guten Schuß an.

Die Schlacht an sich war großartig. Wie diese Zulus draufgingen! Lange Zeit hindurch hielten sie den engen Torweg und den Wall gegen die heulend anstürmende Meute. Donnernd stieg der Zuluschlachtruf: »Laba! Laba!« zum Himmel empor.

Ich sah Mavovo einen Araber niederstechen und selbst niederfallen. Er stand wieder auf und rannte einem anderen den Speer in die Brust, dann fiel er selbst wieder nieder, anscheinend schwer verwundet. Zwei Araber stürzten sich auf ihn. Ich schoß beide nieder, glücklicherweise hatte ich gerade frisch geladen. Und noch einmal richtete sich dieser stahlharte Zulukrieger auf und packte mit der Linken die Kehle eines Feindes, rannte ihm sein Messer durch den Hals, fiel wieder zurück und stand diesmal nicht 323 mehr auf. Stephan kam ihm zu Hilfe, faßte einen Feind am Kopfe und stieß ihn gegen den Torpfosten. Durch die Wucht des Anpralles stürzten beide zu Boden. Der alte Bausi, schnaubend wie ein Flußpferd, sprang mit den übriggebliebenen Mazitu mitten ins Getümmel, und die Kämpfenden wurden jetzt von der düster niederhängenden Rauchwolke so eingehüllt, daß ich nichts mehr unterscheiden konnte. Aber doch gewannen die verzweifelten Araber die Partie, sie mußten sie gewinnen, denn wie konnte unser kleiner und immer kleiner werdender Haufen dieser Überzahl standhalten?

Da, ein willkommener Anblick bot sich mir! Hans kam uns zu Hilfe, jawohl, der verloren geglaubte Hans, er selbst mit seinem dreckigen Hut, den ich an der zerzausten Straußenfeder sofort erkannte! Er kam in langen Sprüngen daher, den Mund weit offen, und hinter ihm ungefähr hundertfünfzig Mazitu, die er durch Fingerwinke dirigierte.

Diese Mazitu gaben der Sache jetzt bald ein anderes Gesicht. Mit fürchterlichem Gebrüll warfen sie sich in den Haufen und drängten die Araber, die keinen Platz hatten, sich zu entwickeln, buchstäblich in den Rachen der brennenden Hölle hinein. Und gleich darauf kam der Rest der Mazitu unter Babemba an und setzte den Schlußpunkt hinter die Tragödie. Nur ganz wenige Araber kamen durch und wurden, nachdem sie ihre Gewehre weggeworfen hatten, gefangengenommen. Der Rest zog sich in die Mitte des Marktplatzes zurück, wohin unsere Leute ihnen nachdrangen. In dieser 324 Situation wurde in diesen Mazitu das Zulublut lebendig. Sie verbissen sich am Feinde.

Nun war es vorbei! Es war vorbei, und wir begannen unsere Verluste zu zählen. Vier meiner Zulus waren tot und zwei andere schwer verwundet – nein, drei mit Mavovo. Sie brachten ihn zu mir. Er bot einen schrecklichen Anblick. Drei Schüsse und unzählige Hieb- und Stichwunden hatte er im Körper. Eine Weile lang schaute er mich schweigend und schweratmend an. Dann sprach er:

»Es war ein sehr guter Kampf, mein Vater«, sagte er. »Von allen, die ich gekämpft habe, war es der beste, obgleich es an sich viel größere Schlachten waren. Und das ist gut, denn es war mein letzter. Ich wußte es, mein Vater, denn obgleich ich es dir damals nicht gesagt habe, sage ich es dir jetzt: Das erste Todeslos, das ich drunten in Durban zog, war mein eigenes. Nimm das Gewehr, das du mir gabst, nun zurück, mein Vater. Du hast es mir nur für eine Weile geliehen, wie ich dir schon damals sagte.«

Dann hob er den Arm vom Nacken Babembas und gab mir den Königssalut mit dem lauten Ruf »Baba! Inkosi!« und einigen anderen großen Titeln, die ich hier nicht wiedergeben will. Darauf sank er lautlos zu Boden.

Ich sandte einen der Mazitu nach Bruder John, der auch augenblicklich mit Weib und Tochter ankam. Er untersuchte Mavovo und sagte geradeheraus, daß ihm niemand mehr helfen könne außer Gott

»Mache keine Gebete für mich, Dogitah«, sagte 325 der alte Heide und schob Bruder John sanft beiseite. Darauf winkte er Stephan.

»Oh, Wazela!« sagte er. »Du hast dich brav gehalten, und wenn du so weiter machst, wirst du ein Krieger werden, von dem die Tochter der Blume und ihre Kinder Lieder singen werden, wenn du einmal kommen wirst, um bei mir, deinem Freunde, zu bleiben. Unterdessen lebe wohl. Nimm diesen Assagai, aber reinige ihn nicht, damit der rote Rost darauf dich an Mavovo, den alten Zuludoktor und Hauptmann, erinnere, mit dem du Seite an Seite gekämpft hast in der Schlacht am Tore, in der wir diese weißgekleideten Menschendiebe, die nicht an unseren Speeren vorbeikommen konnten, verbrannt haben wie Wintergras.«

Er schob auch Stephan beiseite, der irgend etwas mit erstickter Stimme murmelte, denn er und Mavovo waren dicke Freunde gewesen. Und des alten Zulu brechendes Auge fiel auf Hans, der sich unruhig hin und her wand, ich glaube, weil er eine Gelegenheit finden wollte, dem Sterbenden ebenfalls ein letztes Lebewohl zu sagen.

»Ah! Gefleckte Schlange,« sagte Mavovo, »so bist du nun wieder, nachdem das Feuer weg ist, aus deinem Loch gekrochen und willst die gebratenen Frösche essen. Es ist schade, daß du, der du so gescheit bist, doch ein Feigling bist. Denn unser Herr Macumazana brauchte jemand, um für ihn zu laden, und er würde mehr von diesen Hyänen getötet haben, wenn du dagewesen wärest.«

»Ja, gefleckte Schlange, so ist es!« echote der Chor 326 der anderen Zulu, während Stephan und ich, und sogar der milde Bruder John, ihn vorwurfsvoll ansahen.

Jetzt aber wurde Hans, der Beleidigungen gegenüber im allgemeinen so geduldig war, wie ein Jude, auf einmal wild. Er fuhr in die Höhe, warf seinen Hut auf den Boden, spuckte darauf und tanzte in wilder Wut darauf herum. Er spuckte gegen die Zulujäger, er spuckte sogar den sterbenden Mavovo an.

»O du Sohn von zehntausend Narren!« schrie er, »du prahlst, daß du sehen könntest, was vor anderen Menschen verborgen ist. Ich aber sage dir, daß deine Lippen lügen. Du hast mich einen Feigling genannt, weil ich nicht so groß und stark bin wie du und weil ich nicht einen Ochsen an den Hörnern halten kann. Aber doch ist noch in meinem Bauche viel mehr Verstand als in den Köpfen von euch allen zusammen! Wo wäret ihr alle jetzt, wenn nicht die gefleckte Schlange, ›der Feigling‹, gewesen wäre, der euch heute zweimal gerettet hat, außer jenen, die der Vater unseres Baas, der ehrwürdige Prediger, mit einem Zeichen auf der Stirn versehen hat, daß sie kommen und bei ihm sitzen sollten, an einem Platze, der sogar noch heißer und leuchtender ist als jene brennende Stadt?«

Erstaunt sahen wir alle auf Hans; was meinte er damit, daß er uns zweimal gerettet hätte? Und Mavovo sagte leise:

»Sprich schnell, gefleckte Schlange, denn ich möchte gern noch das Ende deiner Geschichte hören. Wieso hast du uns in deinem Loch gerettet?« 327

Hans begann in allen Taschen seiner Jacke nachzugraben, bis er schließlich eine Zündholzschachtel herausbrachte und aus ihr ein einziges Zündholz, das er hoch emporhielt.

»Damit!« sagte er. »War denn keiner von euch allen imstande, zu sehen, daß die Leute Hassans in eine Falle gegangen waren? Hat auch keiner gewußt, daß Feuer schindelbedeckte Häuser verbrennt, und daß ein starker Wind es schnell und weit forttreibt? Während ihr hier auf dem Hügel saßet und eure Köpfe zusammenstecktet wie Schafe, die auf den Schlächter warten, bin ich zwischen den Büschen fortgekrochen und meinen Geschäften nachgegangen. Ich habe euch nichts gesagt. Nicht einmal dem Baas habe ich etwas gesagt, denn er hätte mir sicher geantwortet: ›Nein, Hans, es könnte eine alte, kranke Frau in einer der Hütten sein, und deshalb darfst du sie nicht anzünden.‹ Wer weiß nicht, daß in solchen Dingen alle Weißen große Narren sind, sogar die Besten von ihnen! Und es waren ja auch wirklich verschiedene alte Frauen drin, ich habe gesehen, wie sie nach dem Tor rannten, als es ihnen zu warm wurde. Nun, ich bin den großen Zaun entlang gegangen, der, wie ich wußte, nicht brennen würde, und ich kam zum Nordtor. Dort stand ein Wachtposten der Araber.

Er hat nach mir geschossen, da, schaut her! Es war gut für Hans, daß seine Mutter ihn klein geboren hat«, und er zeigte auf ein Loch in seinem schmierigen Filzhut. »Aber bevor dieser Araber wieder laden konnte, hat der arme Feigling Hans ihm 328 das Messer von hinten in die Leber getrieben, seht!« Und er brachte ein riesiges Fleischermesser zum Vorschein und zeigte es herum.

»Danach war alles weitere leicht, denn Feuer ist ein wunderbares Ding. Ich suchte mir die dürrsten Hütten aus und zündete sechs an. Das letzte Zündholz habe ich aufbewahrt, denn wir haben nur noch wenige, und dann schlüpfte ich durch das Tor, ehe mein Kind, das Feuer, mich aufgefressen hat, mich, den Sämann der roten Saat!«

Wir starrten den alten Hottentotten bewundernd an, sogar Mavovo hob mühsam den Kopf. Doch Hans, dessen Wut längst wieder verraucht war, fuhr in seiner gewöhnlichen, gleichgültigen, ein wenig blechern klingenden Redeweise fort:

»Als ich zurückkehrte, um den Baas zu suchen, mußte ich wegen der Hitze über die Anhöhe im Westen des Stadtzaunes gehen. Und da sah ich, was am Südtor geschah, und daß die arabischen Männer bald durchbrechen würden; denn ihr waret zu wenig, um sie aufzuhalten. So rannte ich herunter zu Babemba und den anderen Hauptleuten, so schnell ich nur konnte, und sagte ihnen, es wäre nicht mehr nötig, die Palisaden zu bewachen, und sie müßten schnell mit mir nach dem Südtor kommen und euch helfen, sonst würdet ihr alle getötet und sie hinterher auch. Babemba hat gleich Boten geschickt, um die anderen zu holen, und wir sind gerade noch zur rechten Zeit angekommen. Das war das Loch, in das ich mich während der Schlacht am Tore versteckt hatte, Mavovo.« 329

Mavovo sprach noch einmal mit leiser, verlöschender Stimme. Es waren seine letzten Worte.

»Niemals wieder«, sagte er zu Hans gewendet, »sollst du ›gefleckte Schlange‹ genannt werden, o kleiner gelber Mann, der so groß und weiß von Herzen ist. Gib acht! Ich gebe dir neue Namen, unter denen du mit Ehren bekannt sein sollst von einem Geschlecht zum anderen. Es ist der Name ›Licht im Dunkel‹. Es ist der Name ›Herr des Feuers‹.«

Dann schloß er die Augen, sank zurück, und zwei Minuten später war er tot.

Das Zischen und Knattern der Flammen wurde schwächer, und der Tumult innerhalb ihres feurigen Kreises erstarb langsam. Die Mazitu kamen von dem letzten Kampf auf dem Marktplatz zurück, wenn dieses Abschlachten noch ein Kampf genannt werden konnte. In den Armen trugen sie große Bündel Gewehre, die sie den Toten abgenommen hatten oder die von ihren Besitzern in einer letzten, wilden Hoffnung, sich zu retten, weggeworfen worden waren. Von denen, die aufgebrochen waren, die Mazitu und ihre weißen Freunde zu überfallen, kehrte keiner zurück. Es waren grauenhafte Menschen, Teufel in Menschengestalt, die nicht wert waren, die Erde zu betreten oder von der Sonne beschienen zu werden, Menschen ohne Mitleid und Scham, und doch war ich über ihr furchtbares Ende im tiefsten Herzen entsetzt.

Sie brachten die Gefangenen, und unter ihnen, das weiße Gewand halb verbrannt, erkannte ich das pockennarbige Gesicht Hassan-Ben-Mohammeds. 330

»Ich habe deinen Brief, den du vor langer Zeit schriebst und in dem du uns den Tod durch Feuer angedroht hast, bekommen, und ich habe auch heute morgen deine Botschaft bekommen, Hassan,« sagte ich, »und ich habe dir auf beides Antwort geschickt. Wenn beide Antworten dich nicht erreicht haben sollten, dann sieh dich um. Dort siehst du eine Antwort, geschrieben in einer Sprache, die jeder lesen kann!«

Das Tier in Menschengestalt, nichts anderes war er, warf sich auf den Boden nieder und winselte um Gnade. Als er Frau Eversley sah, kroch er zu ihr hin, ergriff einen Zipfel ihres Kleides und flehte auch sie an, für ihn ein gutes Wort einzulegen.

»Du hast mich zum Sklaven gemacht, nachdem ich dich in deiner Krankheit pflegte,« antwortete sie, »und hast versucht, meinen Gatten zu töten, obgleich er dir nichts zuleide getan hat. Durch dich, Hassan, habe ich die besten Jahre meines Lebens unter Wilden verbringen müssen, allein und Verzweiflung im Herzen. Und doch, ich für meinen Teil vergebe dir! Aber ich hoffe, daß ich dein Gesicht niemals wiedersehen möge.«

Dann riß sie sich von seinem Griffe los und ging mit ihrer Tochter weg.

Dann sprach der alte König Bausi zum Sklavenhändler:

»Ich freue mich, roter Dieb, daß diese weißen Leute dir vergeben haben, denn diese Tat macht ihnen viel Ehre, und ich und mein Volk werden sie von nun an für noch bessere Menschen halten als 331 schon zuvor. Aber, du Mörder von Männern und Frauen und Händler mit Kindern, ich will dir sagen, daß hier ich Richter bin, nicht die Weißen. Schau dein Werk an!« Und er zeigte erst auf die lange Reihe toter Zulu und Mazitu und dann auf seine brennende Stadt. »Schau hin und erinnere dich daran, welches Schicksal du uns zugedacht hattest, uns, die dir niemals ein Leid zufügten. Sieh hin! Sieh hin! Du Hyäne von einem Menschen!«

Hier ging auch ich hinweg. Und ich habe niemals gefragt, was aus Hassan und den anderen Gefangenen geworden ist. Wenn späterhin einer der Eingeborenen oder Hans darauf zu reden kamen, habe ich ihnen stets befohlen, den Mund zu halten.

 


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