Rider Haggard
Die heilige Blume
Rider Haggard

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8. Kapitel

Der Zauberspiegel

Ich schlief in der folgenden Nacht nicht gut. Jetzt, nachdem die Gefahr vorüber war, merkte ich, daß sie mich Nerven gekostet hatte.

Doch am meisten störte mich der furchtbare Skandal, der aus dem Sklavenlager herüberdrang. Viele Stämme des tropischen Afrika haben sozusagen die Gewohnheiten von Nachtgeschöpfen angenommen, und bei feierlichen Gelegenheiten macht sich diese Neigung ganz besonders bemerkbar.

Als wir am folgenden Morgen endlich aufbrachen, stand die Sonne hoch über uns. Es war eine ganze Menge zu tun gewesen. Flinten und Munition der toten Araber hatten aufgesammelt werden müssen; das Elfenbein, von dem sie ein ansehnliches Quantum mit sich führten, war vergraben worden. Die Lasten mußten neu eingeteilt werden. Außerdem mußten Tragbahren für die Verwundeten hergestellt werden. Als wir die Sklaven abzählten, fanden wir, daß ein großer Teil von ihnen bei Nacht ausgerissen war. Trotzdem war noch eine Horde von über zweihundert Menschen übrig; ein beträchtlicher Teil davon waren Frauen und Kinder, die scheinbar die Absicht hatten, uns bis ans Ende der Welt zu 121 folgen. Mit diesem unerquicklichen Schwanze hinter uns setzten wir uns schließlich in Marsch.

Unsere eigentlichen Abenteuer begannen erst in Mazituland. Eines Abends nach dreitägigem Marsch durch ein schwieriges Buschland, in dem Löwen eine Sklavin wegschleppten, einen der Esel töteten und einen anderen so schwer verletzten, daß er erschossen werden mußte, erreichten wir ein weit ausgedehntes Steppenhochland, das meinem Höhenmesser nach etwa fünfhundertfünfzig Meter über dem Meeresspiegel lag.

»Wie heißt dieses Land?« fragte ich die beiden Mazituführer; es waren die Leute, die ich von Hassan erhalten hatte.

»Das ist das Land unseres Volkes, Häuptling,« antworteten sie, »auf der einen Seite wird es von dieser Buschwildnis, auf der anderen von dem großen See begrenzt. Dort leben die Pongozauberer.«

»Aber ich sehe doch nichts von euren Leuten oder ihren Kralen«, sagte ich. »Nur Gras sehe ich und wilde Tiere.«

»Unsere Leute werden kommen«, erwiderten sie, wie mir schien, ziemlich aufgeregt. »Sicherlich werden wir eben jetzt von Kundschaftern aus dem Gras oder einem Loch heraus beobachtet.«

»Den Teufel werden sie das tun«, sagte ich.

Eines Morgens, kurz vor Morgengrauen, weckte mich Hans, der niemals länger oder tiefer schlief als ein Hund, mit der bedenklichen Mitteilung, daß er ein Geräusch höre, gerade so, als ob Hunderte von Männern im Marschtritt vorbeizögen. 122

»Wo?« fragte ich, nachdem ich ohne Erfolg gelauscht hatte, – herumzuschauen war nutzlos, denn die Nacht war dunkel wie ein Kohlensack.

Er legte sein Ohr auf den Boden und sagte:

»Da!«

Jetzt preßte auch ich das Ohr auf den Boden, aber trotzdem meine Sinne ziemlich scharf sind, konnte ich nichts hören.

Dann schickte ich zu den Wachen, aber auch diese hatten nichts wahrgenommen. Schließlich gab ich die Sache auf und ging wieder schlafen.

Es erwies sich jedoch, daß Hans ganz recht gehabt hatte; in solchen Dingen hatte er fast stets recht, denn seine Sinne waren so scharf wie die eines wilden Tieres. Bei Tagesgrauen wurde ich wieder aufgeweckt. Diesmal durch Mavovo, der mir meldete, daß wir von einem Regiment oder von einer ganzen Anzahl von Regimentern umzingelt seien. Ich stand auf und spähte durch den Nebel. Wahrhaftig, da standen, unbeweglich und drohend, zahllose Reihen bewaffneter Männer, und das Licht glänzte schwach auf den Blättern ihrer Speere.

»Was ist zu machen, Macumazana?« fragte Mavovo.

»Ich denke, wir frühstücken zunächst«, antwortete ich. »Wenn wir umgebracht werden, kann das ebensogut nach dem Frühstück wie vorher geschehen.« Dann rief ich dem schlotternden Sammy zu, Kaffee zu machen, weckte Stephan und setzte ihm die Situation auseinander.

»Ausgezeichnet!« antwortete er. »Ohne Zweifel 123 sind es die Mazitu, und wir haben sie viel leichter aufgefunden als wir erwarteten. Sonst muß man den Leuten in diesem verdammt großen Lande immer endlos nachrennen, bis man sie findet.«

»Das ist gar kein so übler Standpunkt«, antwortete ich. »Aber würden Sie so freundlich sein und durch das Lager gehen und jedem einzelnen klarmachen, daß unter keinen Umständen jemand ohne Befehl einen Schuß abfeuern darf! Warten Sie, nehmen Sie sämtlichen Sklaven die Gewehre weg, denn der Himmel mag wissen, was sie damit tun, wenn ihnen die Furcht die Besinnung nimmt.«

Stephan nickte und machte sich mit drei oder vier der Jäger an die Ausführung seines Auftrages. Während er fort war, traf ich nach einer Unterredung mit Mavovo ein paar kleine Vorbereitungen persönlicher Natur, die ich hier nicht näher beschreiben will. Sie waren dazu bestimmt, uns instandzusetzen, unser Leben so teuer als möglich zu verkaufen, wenn es zum schlimmsten kam. Man soll immer versuchen, auf die Wilden Afrikas Eindruck zu machen, schon um zukünftiger Reisenden willen.

Stephan und die Jäger kamen mit fast sämtlichen Gewehren zurück und berichteten, daß die Sklaven vor Furcht fast kopflos wären, und daß sie wahrscheinlich auf und davon gehen würden.

»Mögen sie gehen,« sagte ich, »sie würden uns bei einem Kampfe doch nichts nützen und nur Verwirrung stiften. Rufen Sie die Zulus, die auf Wache stehen, sofort her.« 124

Er nickte, und ein paar Minuten später hörte ich – denn der Nebel, der noch auf den Büschen lag, war zu dicht, als daß ich etwas hätte erkennen können – ein wirres Durcheinander von Stimmen und den Lärm fliehender Menschen. Die Sklaven mitsamt unseren Trägern waren ausgebrochen. Sie hatten dabei sogar die Verwundeten mitgenommen. Gerade als die uns umzingelnden Krieger den Kreis um uns schließen wollten, war der ganze Haufen zwischen den beiden Enden durchgeschlüpft und Hals über Kopf in das Buschland hineingestürzt, das wir abends vorher passiert hatten.

Jetzt waren wir also noch eine Gesellschaft von siebzehn Mann, nämlich elf Zulujäger, zwei Weiße, Hans und Sammy, und zwei Mazitu, die es vorgezogen hatten, bei uns zu bleiben. Als das Tageslicht heller wurde und der Nebel hochstieg, betrachtete ich die langsam anrückenden wilden Kriegerscharen der Mazitu, gab mir jedoch den Anschein, als ob ich keine besondere Notiz von ihnen nähme.

Sie rückten in tiefem Schweigen und ganz langsam näher. Ich bemerkte übrigens keine einzige Feuerwaffe.

»Ja,« sagte ich zu Stephan, »wenn wir schießen und ein paar von diesen Burschen umlegen, könnte es sein, daß sie vor Schreck die Flucht ergreifen; vielleicht laufen sie aber auch nicht davon, oder wenn sie laufen, kommen sie zurück.«

»Nun, was sie auch immer tun,« bemerkte er, »wir würden daraufhin in ihrem Lande kaum besonders herzlich willkommen geheißen werden. Also 125 denke ich, wir unternehmen besser gar nichts, bis wir dazu gezwungen werden.«

Der Kaffee und ein bißchen Wildpret wurden auf unserem kleinen Lagertisch vor dem Zelte aufgetischt, und wir begannen zu essen. Die Zulujäger aßen aus einem Topf ebenfalls ihren Maisbrei, den sie in der vorhergehenden Nacht gekocht hatten. Jeder von ihnen hatte sein geladenes Gewehr auf den Knien. Unsere Tätigkeit schien die Mazitu im höchsten Grade zu interessieren. Sie kamen noch näher, bis auf etwa dreißig Meter, heran und standen dann unbeweglich wie Ölgötzen und starrten uns mit ihren großen, runden Augen an.

Schließlich fiel mir die Situation auf die Nerven. Ich rief einen der beiden Mazitu, die wir Tom und Jerry genannt hatten, und gab ihm eine Blechtasse mit Kaffee.

»Bringe das dem Hauptmann dort mit meinen besten Wünschen und frage ihn, ob er mit uns trinken will«, sagte ich, indem ich auf ihren General, einen großen, einäugigen alten Kerl deutete.

Jerry, ein beherzter Bursche, gehorchte. Er ging mit dem dampfenden Kaffee vorwärts und hielt ihn dem alten Herrn unter die Nase. Er schien seinen Namen zu kennen, denn ich hörte ihn sagen:

»Oh, Babemba, die weißen Herren, Macumazana und Wazela, fragen dich, ob du ihren heiligen Trank mit ihnen teilen willst?«

»Ihren heiligen Trank?!« rief der alte Bursche aus und prallte einen Schritt zurück. »Mann, es ist 126 Mwavi! (Rotwasser.) Wollen diese weißen Zauberer mich mit Mwavi vergiften?«

Hier muß ich erklären, daß Mwavi oder Mkasa aus der inneren Rinde einer bestimmten Mimosenart, manchmal auch aus der Wurzel einer Strychnosart, destilliert und Personen, die eines Verbrechens angeklagt sind, von den Zauberdoktoren eingegeben wird.

»Dies ist kein Mwavi, o Babemba,« sagte Jerry, »es ist der heilige Likör, der den weißen Herren die Kraft gibt, mit ihren wunderbaren Feuerrohren einen Mann auf tausend Schritt Entfernung zu töten. Sieh her, ich werde ein bißchen davon trinken.«

Er tat es, trotzdem das heiße Getränk ihm die Zunge verbrannt haben muß.

Darauf schnüffelte der alte Babemba an dem Kaffee herum und fand zunächst den Geruch lieblich. Dann rief er einen Mann herbei, den ich nach seinem Aufputz für einen Zauberer hielt, veranlaßte ihn, etwas zu trinken und beobachtete die Wirkung: sie war derartig, daß der Doktor die ganze Blechtasse auszutrinken versuchte. Babemba riß sie ihm ärgerlich aus der Hand und trank nun selbst, und da ich die Tasse halb mit Zucker angefüllt hatte, fand er die Mischung gut.

»Es ist in der Tat ein heiliger Trank,« sagte er und leckte sich die Lippen, »habt ihr noch mehr davon?«

»Die weißen Herren haben mehr«, sagte Jerry. »Sie laden dich ein, mit ihnen zu essen.«

Babemba steckte seinen Finger in die Tasse, 127 erwischte Zucker, schleckte den Finger ab und dachte nach.

»Es geht alles gut«, flüsterte ich Stephan zu. »Ich glaube nicht, daß er uns töten wird, nachdem er unseren Kaffee angenommen hat, und was noch wertvoller ist, ich glaube, er wird zum Frühstück kommen.«

»Das könnte eine Falle sein«, sagte Babemba jetzt, der begonnen hatte, den flüssigen Zucker aufzulecken.

»Nein,« antwortete Jerry und nahm den Mund voll, »trotzdem sie euch alle miteinander ganz leicht töten könnten, tun die weißen Herren niemand ein Leid, mit dem sie ihren heiligen Trank geteilt haben, das heißt, wenn nicht jemand versucht, ihnen ein Leid zu tun.«

»Kannst du mir nicht noch ein bißchen von dem heiligen Trank herbringen?« fragte Babemba und gab der Tasse mit der Zunge die letzte Politur.

»Nein,« sagte Jerry, »wenn du welchen haben willst, mußt du schon selbst hingehen. Fürchte nichts. Würde ich, einer von deinem eigenen Volke, dich verraten?«

»Es ist wahr,« rief Babemba aus, »deiner Sprache und deinem Gesicht nach bist du ein Mazitu, wie kamst du – nun gut, darüber werden wir später reden. Ich bin sehr durstig. Ich werde kommen. Soldaten, setzt euch nieder, und paßt auf, und wenn mir ein Leid geschieht, rächt es und bringt dem König Meldung.«

Ich hatte unterdessen Hans und Sammy einen Wink gegeben, eine der Kisten zu öffnen und einen 128 ziemlich großen Spiegel auszupacken. Diesen Spiegel putzte ich hastig blank und stellte ihn auf den Tisch.

Der alte Babemba kam ziemlich vorsichtig heran. Sein einziges Auge rollte über uns und alles, was uns umgab, hinweg. Als er ganz nahe war, fiel sein Blick auf den Spiegel. Er stutzte, er starrte ihn an, er zog sich ein paar Schritte zurück, er blieb stehen, und von Neugierde förmlich magnetisch angezogen kam er wieder näher und hielt dicht vor dem Spiegel.

»Was gibt es?« rief sein Adjutant herüber.

»Hier gibt es eine große Zauberei«, antwortete er. »Ich kann hier sehen, wie ich auf mich selbst zugehe. Es ist kein Zweifel, daß ich es bin, denn auch bei dem anderen fehlt ein Auge.«

»Geh vorwärts, Babemba,« schrie der Doktor herüber, »und gib acht, was geschieht. Halte deinen Speer fertig, und wenn dein Zauber-Ich versucht, dir ein Leid zu tun, so töte es.«

Im innersten Herzen gestärkt, hob Babemba den Speer, ließ ihn aber sofort und mit großer Hast wieder fallen.

»Das ist verkehrt, du Narr von einem Doktor«, schrie er zurück. »Mein anderes Ich hebt auch einen Speer, und außerdem seid ihr alle, die ihr hinter mir sein solltet, jetzt vor mir. Wie kommt das? Der heilige Trank hat mich betrunken gemacht, ich bin bezaubert. Rettet mich!«

Ich sah, daß der Spaß zu weit gegangen war, denn die Soldaten begannen bereits ihre Bogen zu spannen. Zufälligerweise trat in diesem Moment uns gerade gegenüber die Sonne aus den Wolken. 129

»Oh, Babemba,« sagte ich mit ernster Stimme, »es ist wahr, daß dieser Zauberschild, den wir als Geschenk für dich mitgebracht haben, dir ein anderes Ich gibt. Von nun an werden deine Mühen halbiert sein, und deine Freuden werden verdoppelt sein, denn wenn du in diesen Schild siehst, wirst du nicht einer sein, sondern zwei. Es hat aber auch noch andere Vorzüge – schau einmal her«, dabei hob ich den Spiegel, hielt ihn schräg und lenkte das reflektierte Sonnenlicht in die Augen der Soldaten vor uns. Binnen zwei Minuten waren alle außer Sichtweite.

»Wundervoll,« rief der alte Babemba aus, »und kann ich das auch lernen, weißer Herr?«

»Sicherlich«, antwortete ich. »Komm und versuche es. Hier halte ihn, während ich den Zauberspruch sage.« Ich murmelte etwas Hokuspokus vor mich hin und lenkte das Licht dann noch einmal auf ein paar Mazitu, die sich wieder genähert hatten.

»Da! Sieh!« grunzte er. »Du hast ihre Augen getroffen. Du bist ein Meister der Zauberei. Sie laufen. Sie rennen weg!« Und sie rannten wirklich weg.

»Ist dort drüben jemand, den du nicht leiden kannst?«

»Ja, eine ganze Menge«, antwortete Babemba mit Begeisterung. »Hauptsächlich jener Zauberdoktor, der fast den ganzen heiligen Trank weggeschlürft hat.«

»Sehr gut; nach und nach werde ich dir zeigen, wie du mit diesem Zauber ein Loch in ihn brennen kannst. Nein, nicht jetzt, nicht jetzt. Für eine Weile ist dieser Verhöhner der Sonne tot. Sieh,« dabei 130 drehte ich den Spiegel herum, »jetzt kannst du nichts mehr sehen, nicht wahr?«

Ich warf ein Tischtuch darüber. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, bot ich ihm noch eine Tasse des heiligen Trankes und einen Stuhl zum Niedersetzen an.

Der alte Bursche setzte sich bedächtig auf den Faltstuhl nieder, stieß den in einer Eisenspitze endenden Schaft seines Speeres zwischen seinen Knien in den Boden und packte mit beiden Händen eine Tasse.

»General Babemba,« fragte ich nun, »sage mir, warum kommst du mit fünfhundert bewaffneten Männern hierher?«

»Um dich zu töten, weißer Herr. Oh, wie heiß ist dieser heilige Trank, aber doch angenehm.«

»Und warum willst du uns töten? Sei so gut und sage mir die Wahrheit oder ich werde sie in dem Zauberschild lesen, der das Innere eines Menschen ebenso wiedergibt wie das Äußere.« Dabei hob ich das Tischtuch hoch und starrte ernsthaft in den Spiegel.

»Wenn du meine Gedanken in deinem Zauberschild sehen kannst, weißer Herr, warum soll ich mich dann damit plagen, sie dir zu sagen?« fragte der alte Babemba nicht ohne Diplomatie und kaute mit vollem Munde an einem Biskuit. »Doch da das glänzende Ding da lügen könnte, will ich sie dir sagen. Bausi, der König unseres Volkes, hat mich ausgesandt, dich zu töten. Denn es sind ihm 131 Nachrichten überbracht worden, daß ihr große Sklavenhändler seid.«

Jetzt starrte ich noch viel intensiver in den Spiegel und antwortete kühl:

»Dieser Zauberspiegel erzählt mir eine ganz andere Geschichte. Er sagt, daß dein König Bausi, für den wir übrigens eine Menge Dinge als Geschenke mitgebracht haben, dir befohlen hat, uns mit allen Ehren zu ihm zu führen, damit wir alles mit ihm besprechen können.«

Der Schuß saß. Babemba wurde verwirrt.

»Es ist wahr,« stammelte er, »daß – ich meine, daß es der König mir überlassen hat. Ich werde den Zauberdoktor fragen.«

So wurde Jerry nach Imbozwi geschickt. Er kam augenblicklich. Es war ein schuftig aussehender Kerl von unbestimmtem Alter, bucklig, runzlig und schieläugig. Er trug den gewöhnlichen Zauberdoktoraufputz mit Schlangenhäuten, Fischgräten, Pavianszähnen und kleinen Säckchen, gefüllt mit klappernden Steinen und Medizinen. Um seine Schönheit zu erhöhen, hatte er sich einen breiten Streifen ockerfarbiger Erde über Stirn, Nase, Lippen und Kinn gemalt, der in einem runden Klecks am Halsansatz endete. Sein wolliges Haar, in das er einen schmalen schwarzen Ring geflochten hatte, war fettgetränkt und blaugepudert. Seine Frisur bildete eine Art Horn, das mitten auf dem Kopfe in die Höhe ragte. Alles zusammengenommen sah er also genau so aus wie der Teufel. Und wie sich später 132 herausstellte, war er auch, was Charakter und Gemüt betraf, ein Teufel.

Babemba setzte ihm den Fall auseinander, und zwar ziemlich stockend, denn augenscheinlich schien er sich vor diesem alten Zauberer zu fürchten. Der hörte in völligem Schweigen zu. Als Babemba sagte, daß es ungerecht und töricht wäre, solche großen Zauberer ohne ausdrücklichen Befehl des Königs zu töten, tat Imbozwi zum erstenmal den Mund auf, indem er fragte, wieso Babemba dazu käme, uns Zauberer zu nennen.

Der Alte schilderte ihm darauf die Wunder des glänzenden Schildes, auf dem man Bilder sähe.

»Puh!« sagte Imbozwi, »zeigt ruhiges Wasser oder poliertes Eisen nicht auch Bilder?«

»Aber dieser Schild macht Feuer«, sagte Babemba. »Die weißen Herren sagen, er kann einen Mann verbrennen.«

»Dann soll er mich verbrennen,« versetzte Imbozwi prompt, »und ich will glauben, daß diese weißen Männer Zauberer und wert sind, am Leben zu bleiben, und nicht gewöhnliche Sklavenhändler, die wir schon zur Genüge kennen.«

»Verbrennt ihn, weiße Herren, und zeigt ihm, daß ich recht habe«, rief Babemba empört aus, und darauf begannen sie sich mächtig zu zanken. Offenbar waren sie Rivalen.

Die Sonne war heiß genug, um Herrn Imbozwi eine Probe unserer Zauberei zu geben. Da ich mir nicht ganz sicher war, ob ein gewöhnlicher Spiegel genügend Hitze zum Versengen ausstrahlen würde, 133 zog ich eine sehr starke Lupe aus der Tasche, die ich manchmal dazu gebrauchte, um beim Feueranmachen Streichhölzer zu sparen; dann nahm ich beide Gegenstände in die Hand und fand alsbald die richtige Stellung. Babemba und der Zauberdoktor waren einander derart in die Haare geraten, daß keiner auf mich achtete. Jetzt richtete ich den Brennpunkt auf Imbozwis geöltes Haarhorn. Ich wollte ihm ein Loch hineinbrennen. Aber unglücklicherweise hatte dieses Horn einen Kern von einer Art Kampferholz. Jedenfalls flammte nach ungefähr dreißig Sekunden das Teufelshorn auf wie eine Pechfackel.

»Ow!« riefen die zusehenden Kaffern aus. »Bei meiner Tante!« schrie Stephan. »Oh, schaut, schaut!« grölte Babemba im Tone hellsten Entzückens. »Jetzt wirst du glauben, du ausgespuckte Fischgräte von einem Mann, daß es noch größere Zauberer auf der Welt gibt, als du einer bist!«

»Was soll das heißen, du Sohn einer Hündin, daß du hier einen Narren aus mir machen willst?« kreischte der wütende Imbozwi, der allein noch immer nichts gemerkt hatte.

Aber noch während er sprach, kam ihm ein Verdacht. Er griff nach seinem Teufelshorn und zog die Hand aufheulend zurück. Dann sprang er auf und fing an, wie ein Irrsinniger herumzutanzen. Hierdurch wurde das Feuer auf seinem Kopfe natürlich zu einem nur noch lustigeren Brennen ermuntert. Die Zulus heulten und applaudierten; auch der alte Babemba klatschte in die Hände, und Stephan brach in einen seiner idiotischen Lachanfälle aus, der ihn 134 fast erstickte. Mir selbst aber wurde die Sache bedenklich. Dicht am Zelt stand ein großer hölzerner Topf mit Wasser, aus dem gewöhnlich der Kaffeekessel gefüllt wurde. Ich packte ihn und rannte zu dem brennenden Imbozwi hin.

»Rette mich, weißer Herr,« heulte er, »du bist der größte aller Zauberer, und ich bin dein Sklave.«

Ich schnitt ihm das Wort ab, indem ich ihm den Topf über den Kopf stülpte, so daß er darin verschwand wie eine Kerze in einem Auslöscher.

»Es ist weg«, sagte er erstaunt, nachdem er seinen Skalp betastet hatte.

»Ja,« antwortete ich, »ganz weg. Der Zauberspiegel arbeitet sehr gut, nicht wahr?«

»Nun setze mir das Horn wieder auf, weißer Herr!« forderte er.

»Das hängt davon ab, wie du dich beträgst«, erwiderte ich.

Ohne ein einziges Wort weiter zu verlieren, drehte er sich auf den Hacken um und ging zu den Soldaten zurück, die ihn mit den reinsten Lachsalven empfingen. Offenbar war Imbozwi nicht gerade beliebt, und sein Mißgeschick freute sie.

Der alte Babemba war ebenfalls äußerst vergnügt. Er konnte unsere Zauberkunst nicht genug preisen und begann sofort, Vorbereitungen zu treffen, um uns in die Hauptstadt zu führen, die Bezar hieß. Die einzige Person, die unsere schwarze Kunst nicht bewunderte, war Imbozwi. Ich sah an dem Ausdruck seiner Augen, daß er uns bitterlich haßte, und ich bedachte zu spät, daß es vielleicht töricht gewesen 135 war, das Kunststück mit dem Brennglas gerade an ihm auszuprobieren.

»Mein Vater,« sagte Mavovo ein wenig später zu mir, »es wäre besser gewesen, wenn du jene Schlange totgebrannt hättest, denn dann würdest du auch ihr Gift mitverbrannt haben. Ich bin selbst ein Zauberdoktor, und ich kann dir sagen, daß es nichts gibt, was unsere saubere Zunft so sehr haßt und niemals vergibt, als ausgelacht zu werden. Du hast einen Narren aus ihm gemacht vor all seinem Volk, und das wird er dir nie vergessen.« 136

 


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