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Einundvierzigstes Kapitel.

Tagelang nur Gewitter mit Blitz, Donner und Sturmesbrausen, nach wochenlang vorhergegangenen Aufregungen, Leiden und Mühen! Kein Wunder, daß Gertrud, als der Wagen mit den Exzellenzen und der glücklichen Lise kaum zum Bahnhof weggerollt war, zunächst nur das Bedürfnis nach absoluter Ruhe fühlt. Herrlich denkt sie sich, eine lange, lange Zeit im Dunkeln liegen zu können, ohne einen Laut hören zu müssen. So sehr sie sich auch auf ihren Jungen freut, so willkommen ist ihr unter diesen Umständen, daß er zuerst noch einige Tage vor der Ferienreise bei Onkel Medizinalrat in Berlin verbringen will. Jede Minute des Sichselbstüberlassenseins hätte sie ohne weiteres mit Gold ausgewogen. Sie ist so nervös, so schreckhaft geworden, daß sie beinahe bei jedem Ton der Hausglocke oder dem bloßen Aufspringen einer Türe zusammenfährt und mit Sicherheit erwartet, daß nun abermals Neues käme, sie zu ängstigen, zu quälen und zu hetzen. Mit der Wollust einer krankhaften Selbstquälerei zählt sie sich wieder und wieder auf, was alles für traurige und aufregende Ereignisse über sie gekommen seit Rolands Tod. Wie sehr vermißt sie auch ihre treue Kathi, zumal, wenn sie sich körperlich so elend fühlt wie jetzt! Auch wenn Gertrud anders als absolut kühl und fremd mit Schwager und Schwester gestanden hätte, würde sie Lise heute nicht zur Bahn begleitet haben können. Sie ist wirklich zu schwach dazu. Onkel Toni aber ist hinaus, der wollte dem Kind noch Lebewohl sagen. Wie froh und blühend hatte das junge Mädchen ausgesehen und wie hübsch auch in dem eleganten Reiseanzug. Heiß war es in Gertruds Mutterherzen aufgestiegen, als sie jüngst auf die Treppe getreten, um die glückliche Examinantin zu empfangen. Zwei Stufen auf einmal hatte Lise genommen, – ganz so kindlich, wie sich die Mutter ihre altkluge Tochter früher immer gewünscht hatte. Auch die helle Stimme dann, als sie, noch im ersten Stockwerk, schon hinaufgerufen: ›Hurra Mutti, – alle beide mit Note eins!‹ Von den seidigen Härchen hatten sich einzelne Strähnen gelöst, der unschöne Hut, der nun auf immer verabschiedet werden würde, war in den Nacken gerutscht. Ein richtiges Schulmädchen war das, durchaus kein großes, entlassenes, keine Erwachsene! O, wie hatte sie ihr Kind an sich gedrückt, immer wieder den zarten Mund geküßt, der vor Monden das Todesurteil über ihre Liebe, über ihr Lebensglück gesprochen. Voller Freude auch war Lise über die bevorstehende Südtiroler Reise und über alles Drum und Dran gewesen. Sie begeisterte sich glühend an dem Soncagewand, als dessen Schöpferin sie das furchtbar geschickte Mutti gar nicht gelten lassen wollte. Mit kindlicher Wonne streifte sie das graue Kleid ab, um sich nun in einen bunten Schmetterling zu verwandeln. Es wurde ein fröhliches Mahl bei Schleich, an dem auch eine niedliche Examengenossin Lises, natürlich nur eine mit Note zwei, die einzige, an die sie sich etwas enger angeschlossen, teilgenommen. Alle, die da um den Tisch saßen, hatten Pläne für die Osterzeit. ›Was tust denn du, Gertrud?‹ hatte Carlo gefragt. ›Ich? Ach ich?! Was soll ich wohl tun? Für To muß ich ja allerdings auf Unterhaltung bedacht sein. Für mich aber wünschte ich wohl zumeist nur möglichste Ruhe und Stille!‹

Bruder Ludl streichelte ihr zärtlich die Wange, und Buchlehner blickte sie mit seinen guten, besorgten Augen tief an. Lise aber! Nein, die hatte nicht mit einem Wort gefragt, wie wohl die Mutter etwa das Osterfest verbringen würde! – –

Grete ist mit Hanserl in die Stadt gegangen, Marie auf den Markt. So ruhig, – so ruhig ist's um die müde Frau. Bei Majors ist auch nur die Hälfte der Familienmitglieder zu Haus, da die übrigen zu einer Hochzeitsfeier gereist sind. Ganz oben da ist's erst recht leer. Frau Camilla Sonca war von Hubmair, der mit einer Krankenschwester anrückte, einfach erst energisch zurecht gepflegt, dann aufgepackt und an den Comersee gebracht worden. Sie hatten von dort aus glückatmende Zeilen voll Dankbarkeit und tiefster Verehrung an: ›Allergnädigste Frau Professor Halliger‹ geschrieben. Der eine Mieter von oben ist ein junger Photograph, ein ruhiger, bescheidener Mensch, und der zweite Jüngling ist so wie so nie lange daheim. So dringt wirklich kein störender Laut in das halb verdunkelte Zimmer, in das nur ein Lichtstrahl fällt. Er stiehlt sich zwischen den Vorhängen hindurch und trifft gerade das Porträt Rolands, das seltsam lebendig und plastisch aus dem tiefen Schwarz der Umgebung herauswächst. Die einsame Frau kann ihre weit offenen Augen nicht davon wenden. Sie meint jenen Blick zu fühlen wie etwas unendlich Liebes, Tröstendes und Beschirmendes, und als sie allmählich todmüde einschlummert, geschieht es mit dem wohligen Bewußtsein, in treuester Hut zu stehen. – –

In der Bahnhofshalle hält indessen schon der Zug zur Abfahrt bereit; jeden Augenblick kann das Signal gegeben werden. Das Ehepaar Eckeberg ist ganz erstaunt über Lises veränderte Art; leise tauschen sie darüber miteinander Bemerkungen aus, während das junge Mädchen, ans offene Fenster gelehnt, mit dem außenstehenden Professor Buchlehner scherzt, der ihr eine Bonbonniere mitgebracht hat. Nein, wie seltsam ähnlich scheint Lise plötzlich ihrer Mutter zu sein! Frau Hela empfindet das mit einem gewissen Unbehagen. Vielleicht macht es auch der Anzug. Sie hätte gar zu gern, – denn sie ärgert sich über ihn, – daran herumkritisiert. Läßt er doch sichtlich Gertruds Geschmack erkennen. Aber da ist auch rein nichts zu bemäkeln.

»Nun aber, Onkel Toni, Passe mir während dieser Wochen ja recht gut auf Mutter und diesen Schlingel, den To, auf, damit die einstweilen keine Streiche machen. Oder unterstützt du sie vielleicht gar noch dabei?«

Lises Augen glänzen in hellem Übermut, und sie lacht über das ganze Gesicht.

»I wollt' nur, dein Mutter war aufg'legt zu irgend einem fidelen Streich! I täts noch dazu animieren. Ihre Nerven aber sind leider so herunter; i glaub wirklich noch von der verfluchten Influenza von Neujahr her –! I hab mir schon vorg'nommen alles zu tun, um sie zu überreden, für ein paar Wochen nach Seedland zu gehen. Wenn's mir gelingt, depeschier ich heut noch dem To; wenn der doch g'rad in Berlin is, hat er dann nur ein kleines Stückerl zu reisen statt bis hieher kutschieren zu müssen.«

»Nach, – nach S-Seedland?«

Lise ist ganz blaß geworden. Plötzlich versinkt alle erträumte Schönheit des ihr unbekannten Landes, das sie nun bereisen soll, vor ihr hinter einer dunklen Wand ins Nichts. Sie zuckt mit dem Fuß, als wolle sie, von einer starken Macht getrieben, aus dem Coupé springen, und Seedland dünkt ihr mit einem Schlag der paradiesischste Platz der Welt, wirklich einzig und allein ihre ureigentliche Heimat. Namenlos erstaunt sieht Buchlehner ihre erblichenen Wangen, den wie zum Weinen verzogenen Mund und das verräterische Blinken in den grauen Augen.

»Ach, – ich wollte – ich könnte bei Mutter und To bleiben!«

»So ein Mäderl! Aber so sind's eben! Völlig verrückt in dene Jahr, alle miteinander!« murmelt der Professor. »I glaub wirklich, Lisl, du spinnst!« setzt er laut hinzu.

Sie hört es gar nicht. Träumerisch blickt sie über ihn weg ins Leere. Wie schön war immer der Frühling in Seedland gewesen. Und erst jetzt, wenn sie dann vielleicht über die Heide gehen könnte mit – –

»Lieblicher kann wohl der Lenz nirgends einziehen als gerade in meiner Heimat, wenn er auch spät dort kommt!«

»No, no, Liserl, in Meran oder Bozen oder so, ist's halt schon auch net bitter, weißt!«

»Lise, Lise!«

Scharf fällt die Stimme der Tante in dieses Zwiegespräch hinein.

»Es zieht doch auch so,« äußert sich der Herr Minister abfällig.

»Einsteigen, – einsteigen, – schließen!« Ein geller, langgezogener Pfiff.

»Ach! Schon?« klagt das junge Mädchen gedehnt und wischt sich heimlich die Tränen von den Wangen. Buchlehner tritt, den Hut in der Hand, höflich näher heran.

»Glückliche Reise, Exzellenz und gnädige Frau!«

»Danke, leben Sie wohl, Herr Professor!«

»B'hüt di Gott, Liserl!«

»Adieu, adieu, Onkel Toni!«

Sie winkt so lange als möglich mit dem Taschentuch.

»Da soll si jetzt einer einen Vers drauf machen,« murmelt Buchlehner und sieht lange und verwundert dem schnaubenden Ungeheuer nach, das fauchend und polternd, dicke Dampfwolken ausstoßend, zur Halle hinausfährt.

Direkt vom Bahnhof geht er dann, – das Wetter ist noch feucht, klärt sich aber schon langsam auf, – zu Frau Halliger. Gertrud hat mehr Farbe und sieht frischer aus als in den letzten Tagen. Hatte sie doch eben am hellen Vormittag so tief geschlafen, wie lange nicht mehr in diesen endlos scheinenden, letzten Nächten. Stimmung und Zeitpunkt scheinen Onkel Toni gleich günstig, seinen Vorschlag anzubringen. Im ersten Augenblick dünkt es Frau Halliger im Hinblick auf Mesting durchaus unausführbar, und sie hat schon ein Nein, das sie freilich noch besonders motivieren müßte, auf den Lippen. Aber, – schließlich ist gerade der Pastor jetzt nicht daheim, und außerdem müßte dieses Wiedersehen doch auf alle Fälle irgend wann eines Tages stattfinden. Ihr ist's ja auch einerlei; und wer weiß, ob es nicht gerade gut für Mesting wäre, nach ein paar weiteren Wochen dieses Unvermeidliche überstehen zu müssen, das zugleich einen Schlußpunkt bedeuten würde. Nett wäre es auch, auf diese Art To die weite Reise zu ersparen. Schon die bloße Vorahnung des ruhigen Friedens, der reinen, schönen Luft Seedlands erquickt sie förmlich. Wie stumpf muß sie geworden sein, daß ihr selbst der Gedanke dorthin zu gehen, nicht gekommen ist!

»Aber du, lieb's Gretl, was wird dann aus dir? Oder kannst und magst du vielleicht mitkommen?«

»Aber gar kein Darandenken! Die eigentlichen Ostertage bilden eine zu kurze Frist, und länger könnte ich jetzt meinen Posten nicht verlassen. Wenn du erlaubst, liebe Gertrud, so hüte ich einstweilen das Hanserl und mit Marie das Haus!« Sie nickt der Kleinen, die tief in ein dick beschmiertes Butterbrot beißt, zärtlich zu: »Nicht wahr, Hanserl, wir zwei vertragen uns ganz vortrefflich?«

Gertrud schaut nun bittend zu Buchlehner hinüber, ohne ein Wort dazu zu bemerken. Er aber blinzelt sofort verständnisvoll und meint nur: »I schon! I mag!«

Ganz lebhaft, neu angeregt, springt Frau Halliger auf.

»Dann gleich morgen am besten! Wie denkt ihr darüber? Natürlich gleich!«

»Natürlich,« rufen Onkel Toni und Grete.

»Also: Zuerst eine Depesche an To absenden, dann aber, – gepackt wird erst am Nachmittag, – muß ich an die Luft. Begleitest du mich, Onkel Toni?«

»Das will i meinen, wohin als d' willst!«– –

Eine Stunde waren sie durch die frische, herbe Luft im englischen Garten gegangen, ohne viel zu sprechen. Gertrud, an Buchlehners Arm, lenke ihre Schritte gegen die Feldherrnhalle, endlich der Liebfrauenkirche zu. Dicht vor dem mächtigen Massiv bleibt sie stehen.

»Ich war so lang nicht mehr drinnen, und mir tut es auch ordentlich leid, um den schönen Anblick kommen zu sollen, den das heilige Grab, das sie stets in der Karwoche errichten, bietet. Ich bin immer ganz zeitig, wenn die vielen Menschen noch fehlten, hingegangen, um's mir anzusehen.«

»Geh zu, Traudl, – traurig macht's doch immer!«

»Was macht mich jetzt nicht traurig! Alles! Selbst der Frühling legt sich mir so schwer aufs Herz, und das junge, strotzende Grün sehe ich nur wie durch einen schwarzen Flor.«

»Das kommt von deinen Nerven! Draußen in Seedland,« – er stößt die schwere Tür auf und hält sie vor ihr fest – »draußen wird's schon besser!«

Aber er muß noch einmal loslassen, denn Gertrud folgt ihm nicht. Sie lehnt sich an die uralte Mauer und murmelt wie ein Kind, das sich fürchtet:

»Onkel Toni, – es kommt so mächtig über mich, – eine ungeheure Angst hält mich wie mit Krallen fest. Mir ist gerade, als erwarte mich in Seedland schon wieder irgend ein neues Unheil, und als wäre es am besten, wenn ich bliebe, wo ich bin!«

»So? Auch noch! Hat dich 's Unglück hier vielleicht gar net g'funden g'habt? I meinet, es hätt' dich g'nug erwischt! Aber weißt, Trauderl, abergläubisch sein ist dumm. Trotzdem schau, – ich hab's grad umgekehrt im G'fühl. Ich seh über der Seedlander Haustür und überm Dach überall nur das Wort ›Tetragamatan‹ stehen!«

Buchlehner weist mit dem Zeigefinger dazu gen Himmel. Zuerst blickt sie ihn verständnislos an, dann aber entsinnt sie sich und erfaßt, was er meint.

»Wäre es doch so!«

Unwillkürlich schaut nun auch sie in die ungeheure Höhe, wo im Stuhl die altehrwürdige Salveglocke schwankt, von der sie freilich nichts erspähen können. Sie treten dann ein und schreiten langsam durch das mächtige Kirchenschiff. Hinter einem der letzten Pfeiler setzt sich Gertrud, ganz eingehüllt in den mit Weihrauch durchwobenen Dämmermantel, der sie schmeichlerisch wie grauer Sammet umgibt, auf eine der Bänke. Onkel Toni, die Hände mit dem Hut auf dem Rücken, schlendert gegen den Hauptaltar und erquickt sein Auge an der Fülle uralter Kunstschätze.

»Tetragamatan,« murmelt Frau Halliger und faltet die Hände wie zum Gebet; über sich selber muß sie lächeln, wenn ihr einfällt, wie sie vor kurzem so entrüstet gewesen, als sie der Zeitung die Nachricht entnommen, daß die berühmte Salveglocke Unserer lieben Frau, die vier Jahrhunderte lang die größte und schwerste Münchens gewesen war, eine Konkurrentin bekommen solle. Für die St. Pauls-Kirche hatte man eine Großglocke gießen lassen, die das Gewicht der ehrwürdigen Schwester noch um vieles übertreffen sollte. Einstmals hatte die kleine Traudl nicht geruht, bis sie vollkommen in der Geschichte und sämtlichen Besitztümern ihres Domes Bescheid gewußt. Wohl wenige Menschen der Stadt hatten es ihr darin gleich getan. Einen ungeheuren Spaß hatte es ihr gemacht, als sie, weiß Gott wie und durch wen, die Inschrift der Salveglocke des nördlichen Turmes erfahren. Dann machte sie sich daran, sie auswendig zu lernen, genau so gewissenhaft wie diejenige des Denkmals Ludwigs des Bayern, um dann durch das Herunterschnurren des Gelernten oft nicht wenig zu imponieren. Jetzt denkt sie nach, ob auch diese Kindheitserinnerung so treu in ihrem Gedächtnis geblieben, daß all die altertümlichen Worte jener Inschrift ihr wieder einfallen könnten; und siehe, sie kommen wieder, eines an das andere gereiht, wenn sie sich auch dazwischen lange besinnen muß; und zum Schlüsse: Tetragamatan.

Wie viele, viele Leute hatte Traudl damals um Aufklärung dieses rätselhaften Wortes gebeten! Niemand aber konnte sie dem Kind erteilen. Eines Tages dann, zwei Jahrzehnte später, kurz nach ihrer Übersiedelung hieher, hatte ihr Buchlehner einen Artikel gebracht, der anläßlich der neuen St. Paulsglocke entstanden war. Darin wurden verschiedene Deutungen des mysteriösen Wortes erörtert und als die wahrscheinlichste war man nach dem Ausspruch eines namhaften Kulturhistorikers anzunehmen geneigt, daß Tetragamatan eine Beschwörungsformel gegen schlimme Ungewitter mit ihren Schäden sein könne. Sowohl dieselbe wie ganz ähnliche rätselhafte Inschriften hatte man auf sogenannten Wetterkreuzen und auf Dachfirsten einzelner Hausdächer versunkener Zeiten finden können, ja, sie hatten sich sogar bis zu den Pfosten uralter Türen und Torwege herabgefunden, so daß die Vermutung nahe lag, sie schlössen überhaupt eine Beschwörung gegen Unheil jeglicher Art ein.

Vor der still, mit etwas vorgebeugten Schultern, in einer fast rührenden Stellung dasitzenden Frau tanzen inmitten eines breiten milchweißen Lichtstreifens Milliarden von Sonnenstäubchen. In ungeheuren Mengen scheinen sie aus Winkeln und Ecken heranzufliegen; von den Steinfliesen des Bodens empor sowohl wie von der enormen Höhe der besternten Kuppelwölbung herab. Sie werden größer und größer, zu goldenen Klümpchen anwachsend, wie von mutwilligen Kindern durcheinander geworfen; endlich aber wachsen sie zu ganzen Quadern heran. Buchstaben formen sich, riesengroß. Weithin kann man sie deutlich lesen. Sie leuchten und funkeln im Sonnenlicht oder auch durch die finsterste Nacht, bis zur Seedlander Heide hin. Winzige Teile lösen sich dort von ihm ab, fliegen durch die Luft und lassen sich dann nieder auf das Dach des Herrenhauses. Über dessen Giebel aber steht nun wirklich: Tetragamatan. Die Osterglocken läuten; aber tiefer, klangvoller wie sie alle tönt eine ganz, ganz ferne. Keines kann ergründen, wo die Kirche steht, der sie angehört. Nur Gertrud weiß es. Das ist der Gruß aus der Heimat, der eines alten, treuen Freundes, der ihr wohlgeraten und sie wohlgeführt in stürmischen Drang- und Kampfeszeiten. Sie breitet die Arme aus, als wolle sie jeden der Töne einzeln auffangen und ans Herz Pressen, das ihr weit werden will, wie durch eine frohe Hoffnung. Und die Salveglocke läutet weiter: Tet-ra-ga-ma-tan!

Die Träumende – nein, sie muß etwas eingeschlummert sein – erwacht und blickt erstaunt um sich. Onkel Toni sitzt dicht neben ihr und hält ihre Hand in der seinen. – – – – – – – –


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