Jeremias Gotthelf
Leiden und Freuden eines Schulmeisters
Jeremias Gotthelf

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Zweiundzwanzigstes Kapitel

Wie man hungrigen Vögeln Lätschen stellt

Diesen Zeitpunkt benutzte ein schlaues Weib gar schlau. Es war eine Witfrau in ihren besten Jahren, wie man zu sagen pflegt, d.h. zwischen 40 und 50, rüstig und appetitlich noch. Ein Mundstück hatte sie, wie eine Schlange, und eine Tochter, die ihr gar wohl glich. Was für Augen diese hatte, weiß ich nicht; aber mit Armen und Beinen und anderen Zuthaten war sie versehen, wie man es gerne hat, und schüch war sie auch nicht. Sie hatten ein Häuschen im Dorfe gemietet, welches ein wenig bei Seite lag, pflanzten da ein wenig und handelten mit Garn und Faden und, wie die Leute sagen wollten, auch mit Strichlizeug. Sie liefen an mehrere Märkte und hatten bei allen Händleren recht gute Bekanntschaft. Mit den Leuten im Dorfe hatten sie scheinbar wenig Gemeinschaft; sie wurden verachtet, und wenn die Buben dem Mädchen etwas zu leid thun konnten, so sparten sie es nicht. Man hatte nie gehört, daß je einer aus dem Dorfe bei ihm zu Kilt gewesen; sie wollten niemand seine Suppe ausfressen, hieß es. Wenn zufällig ein Mann mit der Garnlise redete, oder auf dem Märitweg ein Stück mit ihr ging, und seine Frau vernahm es, so hatte der acht Tage Leidens genug in ordinärer Stimmung. Wurde aber seine Frau böse, so hielt sie es ihm noch Jahre lang vor, denn die Weiber halten viel auf dem Warmen (kein Wunder, daß die Männer dem gewärmten Kraut nichts nachfragen). Allgemein hieß es, sie verfressen und verschlecken ihren Verdienst, und man könne einst sehen, wie das herauskommen werde. Ich hatte, da sie keine Kinder zur Schule schickten, mich ihrer wenig geachtet, und vielleicht kein Dutzend Worte mit beiden geredet. Diese Frau wußte aber doch recht gut, wie die Sachen im Dorfe stunden, wußte aus denselben gar oft ihren Nutzen zu ziehen, wußte insgeheim Männern und Weibern zu dienen, oft Mann und Weib zugleich, und verriet keins dem andern; wo sie Nutzen sah, da konnte sie verschwiegen sein wie keine. Die wußte nun, wie es mir mit Stüdin gegangen war, wußte, daß ich nirgends z'Platz kommen konnte und doch immer heiratsüchtiger wurde, kannte auch meine Schulden; denn was weiß eine solche Frau nicht alles? Sie fing an freundlicher zu werden, wenn sie bei meinem Hause vorbeiging, mir irgend einen Scherz anzuwerfen, oder meine Meyen zu rühmen. Wie zufällig blieb sie einmal stehen und sagte: es käme ihr just z'Sinn, sie könnte mich das auch fragen. Sie möchte ein Stück Ziehen machen lassen, dazu habe sie Kuder und Baumwollengarn: ob das sich nun gut zusammen schicke und welches besser sei für Zetti oder für Eintrag? Die einen Leute sagen ihr dies, die andern das. Weil ich aber so ein geschickter Weber sei, so werde ich ihr am besten aus der Verlegenheit helfen können. Sobald mich jemand rühmte, so roch und schmeckte ich nichts mehr; darum vergaß ich, daß die Garnlise das so gut oder besser wissen mußte als ich. Ganz ehrlich gab ich ihr Bescheid. Und wie ein Wort das andere gab, fragte sie mich endlich: ob ich es ihr nicht etwa weben wollte? Die Weber seien heutzutage schlimme Leute; wenigen sei zu trauen, zu mir hätte sie aber den Glauben. Ich hatte bald ein Wubb ab und kein neues bestellt, fühlte wohl, daß ich etwas verdienen sollte, und die Lise that so manierlich und glatt, daß ich ihr nicht absagen konnte, sondern versprach, ihr Garn anzunehmen, sobald ich mit dem aufgespannten Stück fertig sei.

Lise ließ von ihrer Tochter auch nicht das geringste merken. Sie fragte mehrmals selbst nach, wann sie das Garn bringen solle? Sie brachte das Garn selbst und hatte mich bis dahin noch nie zu ihnen kommen heißen.

Nachdem ich einige Zeit an ihrem Stück gearbeitet hatte, kam Lisi einmal zu mir in den Webkeller unter dem Vorwand: sie müsse doch sehen, wie das Ding herauskomme. Sie verwunderte sich, wie viel ich schon gemacht, und wie schön. Sie setzte sich zu mir und plauderte ohne alle scheinbare Absichtlichkeit mir vor, wie es sie wunder nehme, daß ich nicht für mich webe, statt um den Lohn, und das Tuch verkaufe; gerade mit solchem Zeug wäre viel zu machen. Sie hätte schon lange daran gedacht; aber es sei gar bös so für ein Weibervolk, dem niemand an die Hand gehe. Sie verstünde die Sache wohl; um den Absatz wäre sie nicht bange und auch nicht ums Geld; deren hätte sie mehr, als in manchem Baurenhaus sei, man sehe es ihr nicht an; aber die meisten Bäuerinnen lache sie nur aus. Nur mit den Webern hätte sie nicht gerne zu thun; wenn man sie nicht könne zu fürchten machen, so machten sie mit einem, was sie wollten. Wenn sie einen Gemeiner fände, der ihr dieses abnehmen würde, so wollten sie Geld verdienen, wie Mist, und er brauche keinen Kreuzer zu setzen. Sie sei dann nicht die, für welche man sie ansehe, fuhr sie fort; sie würde sich schämen, wenn sie nicht besser wäre als die meisten andern Weiber. Sie wolle nicht sagen, daß sie die beste sei und keine Fehler habe, aber mit den Dorfweibern vergleiche sie sich nadisch nicht. Aber sie wisse es wohl, warum die Leute so über sie zu räsonnieren hätten. Sie möge mit dem Klapperzeug nichts zu thun haben. Sie habe im Anfang auch gemeint, mit den Leuten Gemeinschaft zu machen; allein sie sei bald froh gewesen, für seye selber z'sy. Das hätte die Leute böse gemacht. Dann möchten sie es ihnen auch nicht gönnen, daß sie so gut könnten verdienen, nicht immer an Wind und Wetter sein müßten und es doch besser hätten, als in den meisten Baurenhäusern; daß sie zum z'Morgenessen Kaffee vermöchten und nicht so langes, zähes, ungeschmalzet Kraut fressen müßten, an dem eine Ländersau erworgen müßte, geschweige denn ein Christenmensch. Wenn sie aber sehe, wie die Leute es mir machten, so nehme es sie nur Wunder, daß sie es ihr nicht noch ärger gemacht hätten. Das hätte doch nadisch kei Gattig, wie es mir Stüdi gemacht hatte, und der Vater hatte sich aufgeführt, er sollte sich sein Lebtag schämen. So ein Bauer, und wenn er auch kaum fünfe zählen könne, habe einen Hochmut, wie eine Kothahne, oder wie ein Affe, dem man ein rotes Kütteli angezogen und eine Laus hinter das Ohr gesetzt. Er verachte alle, welche weniger Land hätten, als er; ja er würde unseren Herrgott verachten, wenn er nicht glauben müßte, der Himmel desselben sei größer, als sein gesch... Höflein, das nicht einmal bezahlt sei. »Ihr, Schulmeister werdet es noch erfahren; ihr trauet den Leuten viel zu wohl; ihr meinet, sie seien alle wie ihr seid; aber im ganzen Dorf meint es kein Mensch mit einem andern gut, und wäre es der leibliche Bruder, geschweige denn mit einem Fremden.« Und Garnlise brach hier ab mit einer Entschuldigung, daß sie mich sturm geschwatzt habe, aber es habe sie schon lange gedünkt, sie möchte es mir einmal zeigen, wie sie es eigentlich meine, und mir einige Winke geben. Ich solle es nicht für ungut halten. Weiter sagte sie mir nichts und ließ nun alles, was sie mir an den Kopf geworfen, ordentlich mutten in demselben.

Die Lise war nicht dumm; sie wußte, daß man die einen Köpfe überrumpeln, die andern unterholzen muß. Weiber und Diplomaten verstehen sich am besten darauf, welche Methode jedesmal mit Erfolg anzuwenden sei.

Nach acht Tagen kam die Tochter in den Webkeller, brachte mir Grüße von der Mutter, die mir blaues Garn schicke, da ich es brauchen werde und sie nicht selbst habe kommen können. Das Mädchen schoß mir ein paar freundliche Blicke in die Augen, warf mir ein paar chutzliche Worte an den Kopf und blieb gerade so lange, daß ich es verdammt ungern gehen sah, und es nachher nicht mehr aus dem Kopf bringen konnte, und der Handel und das Mädchen auf eine wunderliche Weise sich in einander verliefen. Das ist aber auch eine verzweifelt schwere Kunst an jedem Orte, ebenrecht lange, d.h. so lange zu bleiben, daß man einen ungerne gehen sieht, daß man den Leuten im Kopf bleibt, einen angenehmen Eindruck und doch eine gewisse Leere hinterläßt; aber auch lange genug zu bleiben, daß unsere Erscheinung nicht bloß eine lästige Störung an der unterbrochenen Beschäftigung ist. Das ist aber eine so verdammt schwere Kunst, daß ich sie selbst nicht verstehe. Die Hexen ließen mich nun wieder im Stich, und als die Mutter einmal vorbei ging und ich sie anredete, hatte sie nicht Zeit, sich aufzuhalten, sondern lud mich ein, einmal selbst zu ihnen zu kommen und, wenn allfällig das Stück fertig sei, es an einem Abend herauszubringen.

Ich will mich nicht aufhalten, zu erzählen, wie ich nach und nach immer mehr angedreht wurde und wie die Weiber sich lange Zeit sehr vorsichtig und behutsam betrugen.

Es war etwas in mir, das eine große Übereilung hinderte. Ich schämte mich doch mehr oder weniger der Leute und ihres Umganges, weil das ganze Dorf sie mied und verachtete. Ich hatte schon hie und da ein spöttisch Gesicht bemerkt, ein spöttisch Wort gehört, seit ich mit ihnen verkehrte. Das ärgerte mich doch, denn ich war ungern ausgelacht. Der Gedanke, wie die Leute spotten und lachen würden, wenn ich Bäbeli zur Frau nehmen würde, schreckte mich ab, so oft ich daran dachte, und ich brachte es nicht einmal über mich, einmal bei Bäbin über Nacht zu bleiben. Ich fürchtete, die Buben möchten mir auflauren und mir dann einen Lärmen machen im ganzen Lande. So wurde ich angezogen und abgestoßen und flatterte doch immer näher ums Licht herum wie ein Müller, eine Fliege, welche am Ende die Flügel sich verbrennen.

Eines Sonntags hatte ich versprechen müssen, am Abend zu ihnen zu kommen, die Mutter wollte mir Garn zeigen und etwas mit mir abraten. Es war ein rauher, stürmischer Oktobertag. Am Himmel fingen Schneewolken an sich zu bilden, über die Erde wehte es gelbe Blätter, und frostig strich der Wind über die frisch geackerten Felder. Ich hatte die Dunkelheit abgewartet, war auf einem Umweg hingegangen, und schauderte ordentlich, als ich über die Schwelle trat, vor Frost, meinte ich. Im Stübchen war es schön warm, und gar freundlich wurde ich empfangen. Die Mutter hatte in einem Buche gelesen und Bäbeli an seinem Göller die Häftli versetzt, weil es ihm zu enge geworden. Der bloße schlanke Hals stund ihm wohl an und mir auch. Gar traulich beriet mich nun die Mutter und sagte mir vielmals, sie habe zu niemand so Vertrauen als zu mir und auch niemand so lieb wie mich, außer Bäbin; sie könnte mir das Herz aus dem Leibe geben. Unterdessen sandte sie die Tochter in die Küche, ein Kaffee zu machen und neuis darzu, sie hätte Hunger. Während die Tochter draußen hantierte, rühmte die Mutter sie gar sehr, wie Bäbi ganz es angers syg als so n-e Buretotsch, welcher das einte halbe Jahr die Ferseren vor den Schuhen habe und das andere die Stumphosen voll Flöhe, daß man sie beim Pfund verkaufen könnte. So ein Totsch sehe nichts, wisse nichts, schmöcke nichts, nicht einmal wie es stinke in den Hundstagen. Nein, da sei Bäbeli ganz ein anderes, süferlig und arbeitsam und geschickt, und könne nähen trotz einer Herrenfrau und lismen und verstehe alles gar wohl, und mit dem verdiene man am Ende mehr als so mit dem grad ane Furen hacken und Kuder spinnen.

Und dann sei es nicht, daß Bäbi nichts habe und nichts bekomme; eine schöne Summe habe es schon verdient, und sie selbst hätte dann auch noch etwas, was nicht eine jede sinne und was man bei manchem vornehmen Bauer vergebens suchen würde. Töchterchen war ab- und zugegangen, trug Kaffee auf und einen tüchtigen Eiertätsch, wie ich in der That lange keinen so guten geessen hatte. Ich mußte essen und immer essen, als ich schon lange mehr als satt war. Wollte ich absetzen, so sagte Bäbeli, wenn ich's neuis schätze, so nehme ich noch ein Bitzli, und dazu saß es so nahe bei mir und hatte seine Füße ganz, neben die meinen gestellt, die Knöchel berührten sich, daß ich Bäbelin nichts, gar nichts absagen konnte. Als ich endlich von Ersticken zu reden anfing und von Versprengen, indem ich auftriebne sei wie eine Krot, ließen sie mich zufrieden mit Essen, kamen aber nun mit Trinken; das werde mir wieder wohl machen. Die Alte brachte eine Maß Roten aus ihrem Schäftli, ine Tochter Gläser, schenkte ein und machte Gesundheit.

Der Wein war roter Wein vom stärkeren, und was der kann, weiß ein jeder, der einmal zwei Schoppen dergleichen getrunken. Die ersten Gläser machten mir schon ganz warm, lösten mir die Zunge und gramselten mir bis in die Fingerbeeren. Die Alte war eine Kennerin, kannte die verschiedenen Tempo des Weines und ihre Zeichen beim Menschen auf das genauste und verließ uns daher jetzt unter dem Vorwande, es sei billig, daß sie auch etwas mache; habe ds Meitschi gekocht, so wolle sie jetzt abwaschen; wir sollten nur nicht lange Weile haben, sie komme bald wieder. Wir hatten nicht lange Zeit. Ds Meitschi fing an mit einer Baurentochter mich aufzuziehen, rückte mir aber immer näher; ich floh auch nicht, ließ nichts daraus gehen, nahm Bäbin endlich obenine und wollte es küssen. Es meinte: wenn es die und die sehen würde, was würde sie sagen? »Mira was sie will«, antwortete ich, »dere frage ich ase nichts nach und ich küsse, wen ich will.« Und ich setzte wieder an und Bäbeli sagte: »Lah mi doch! We's dMuetter gsächt!« Und doch saß Bäbeli bald darauf auf meinem Schoße, trank aus meinem Glase, hielt mich über den Hals fest umschlungen, und eben waren wir am besten am Müntschlen, als richtig das Müetti zur Thüre einkam und uns zurief: »So, so! das geyt lustig; cheut Ihr das o, Schumeister?« Bäbeli wollte aufschießen und fort und ich hätte es gehen lassen, denn trotz dem Wein war ich doch verblüfft; aber die Mutter sagte: »Syt ume rüihig, i gange grad wieder, i bi o jungi gsi u weiß, wie's geyt, u das freut mi, daß dr Schumeister o thuet wie-n-e angere Mönsch u si üsere nüt verschämt.« Da blieb Bäbi und sagte: »Muetter, er cha Müntschi gä wie wenn er's aparti glehrt hatt.« Und die Mutter sagte, das nähme sie nicht wunder, so einem Schulmeister komme gar allerlei zu Händen, aber gseh möcht sie es doch auch, und trinke müsse man dazu, sonst werde man gar durstig; denn es mache nichts so durstig als das Müntschle.

Man trank mir zu, Bäbeli lag mir um den Hals und hatte mir schon versprochen, daß ich bei ihm liegen könne. Ob ich es gefragt, weiß ich nicht, aber ich war ganz aufgelöst in Zärtlichkeit und that und schwatzte, ich weiß nicht mehr was; war ganz verzückt und gerade in dem eben rechten Zustande, und die Mutter hatte eben gesagt, sie sei schläferig und wolle zu Bette und es dünke sie, wir würden dort auch bas sein.

Da schlug es draußen an die Fenster wie ein Donnerschlag; klirrend stürzte ein ganzes Fensterkreuz in die Stube, hinten nach polterte ein schwerer Stock und diesem nach sprangen ein paar Buben, Bäbeli war längst aufgesprungen, aber wie vom Donner gelähmt saß ich da und hörte zu, wie sie mich verhöhnten und sagten, das syg e lustige Schumeister, der da gang ga Chilbi ha mit sellige Huere, u so ugschämt da hingerem Tisch schätzeli; mi chönn de denke, was de nache gang; sie heyge nit glaubt, daß ich so-n-e wüeste sei, aber das sei dem ganzen Dorf eine Schande und der Pfarrer müsse das nadisch auch wissen.

Angst und Zorn brachen mir endlich den Mund auch auf; ich fing auch an aufzubegehren, warf ihnen vor, sie seien wie Mörder in die Stube gekommen. Wo ich sei und was ich mache, gehe keinen Teufel und keinen Pfarrer, am wenigsten aber sie an; und dann hätte ich übrigens nichts Schlechtes gemacht. Das Weibervolk setzte sein Zungenwerk auch in Bewegung, besonders die Alte. Aber Junge und Alte wurden überschüttet mit Ehrentiteln; es wurden beiden alle Gräben und alle Zäune einige Stunden in der Runde vorgehalten, auch ein gewisses Haus in B., und an diesem allem hätten sie noch nicht genug, sondern machten noch ihr Haus zu einem Hurenhaus. Die Mutter wollte behaupten, es gehe in keinem einzigen Baurenhause im Dorfe braver zu als in ihrem, und wenn das H... tönte wie das Sägefeilen, so würde man im Dorfe Tag und Nacht sein eigen Wort nicht hören. Und jetzt, sagte sie, sollten sie sich packen oder sollten dann sehen, wie es ihnen gehe.

Aber sechs Nachtbuben der damaligen wegen Ordnung so berühmten Zeit ließen sich durch zwei Weiber in einem fremden Hause nicht so leicht erschrecken. Sie stellten sich erst, als wollten sie da bleiben, tranken den Rest des Weines und sagten endlich: »Jetzt, du D. Schumeisterli, chumm, mr wei gah!« Nun ging der Lärm von vornen an; ich hatte nicht Lust zum Gehen, die Weiber erklärten mich nicht gehen zu lassen; sie wüßten nicht, was sellige Unghür mit mir anfingen, und der Schulmeister hatte das Recht so gut da zu bleiben als an einem andern Ort, und Bäbi hätte das Recht, einen über Nacht zu halten so gut als ein ander Meitschi.

Das sei ein schönes Meitschi, das beim Licht einem, und noch dazu einem Schumeister, auf dem Schoße sitze; wir würden noch lange genug bei einander liegen können; man wisse jetzt, warum ich so chrumme und schläfrige in der Schule herum schlirgge.

So räsonierten die Buben, rissen mich auf und stießen mich der Thüre zu. Ich wollte mich wehren, Bäbi hing mir an den Hals, die Alte schlug mit dem Kunkelstecken drein, aber das half alles nichts. Bäbi wurde in eine Ecke geschleudert mehrere Male; denn mit einer Beharrlichkeit, die mich gar sehr rührte, hängte es sich immer wieder an mich, die Alte erhielt einige mit ihrem eigenen Stecken und ich wurde wie ein Strohbündel über die Schwelle gestoßen.

Draußen nahmen mich zwei unter die Arme und führten mich dem Dorfe zu; weit tönte uns das Geschrei der Weiber nach. Meine Begleiter hielten mir schöne Galgenpredigten, frugen mich, ob ich erst Kindbetti oder erst Hochzeit halten wolle, ob ich selbst der Vater oder ob ich ein gekaufter sei. Kein Mensch hätte geglaubt, daß ich so ein Nütwertige sei. Man habe aber doch gemerkt, wie ich mich mit den Leuten anlasse, den Huren nachstreiche; da hätten sie mir abgegugget und nun gesehen, was ich treibe. Sie wollen es aber jetzt dem ganzen Dorfe zeigen, wie sie einen schönen Schulmeister hätten. Von diesem verstund ich nicht alles. Ich wußte nicht, was sie mit dem Kindbettihalten meinten oder dem Gekauften. Sie lachten aber und sagten, Bäbi werde es mir schon gesagt haben, was mit ihr sei; aber daß sie eine sellige Schumeisteri wollen, selb sei denn nicht wahr! Kurz, ich vernahm in Bildern und handgreiflich, daß Bäbi schwanger sei, daß man mich für den rechten oder den gekauften Vater hielt, daß zwischen uns vollständige Verständnis stattgefunden und daß man mich jetzt mit Gesang und Klang durchs Dorf führen wolle. Herrgott, wie schlug das mir in alle Glieder! Also in eine Falle war ich getrappet, oder vielmehr bis an den äußersten Rand nach allen Regeln der Kunst hineingesprengt, und wurde nun behandelt, als wäre ich mit dem ganzen Fuß hineingetreten, und kein Mensch wollte mir glauben, daß dem also nicht sei. Der Wein, die frühere Aufregung, die Angst vor der Schande, der ich entgegen ging, vor den möglichen Folgen, der auf mich einstürmende Hohn brachten mich in einen Zustand, den ich seither das trunkene Elend habe nennen hören.


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