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Neunzehntes Kapitel. Von einem Besuch und alten und jungen Gedanken

Diesmal schlug die Nachricht von der Anwesenheit der Kartoffelkrankheit nicht wie ein Blitz ins Volk, sie schlich wegen den Landjägern verstohlen ein und nistete langsam sich ein, weil des ungläubigen Zeitgeistes wegen auch der Unglaube an die Erdäpfelkrankheit von oben her sehr begünstigt und unterstützt ward. Alle Radikalen durch die Bank weg leugneten sie pflichtgemäß, und jeder, der auf sie aufmerksam machte, wurde schlechter Gesinnung wegen sehr verdächtig.

Die Gelehrten mischten sich wieder drein, so wie wenn das Moor aufgeht, die Frösche zu singen beginnen, und gaben wunderliches Zeug an und namentlich, man solle alles kranke Laub über dem Boden weghauen, dann kriege man jedenfalls vortreffliche Kartoffeln. Die guten Kinder wußten nicht, daß, sobald man an den Kartoffeln das Laub oben wegschneidet, unten das Wachstum der Knollen stille steht. Indessen trotz Lumpen, Landjägern, Gelehrten kam die Krankheit doch unter die Leute, man redete davon, jedermann eilte auf sein Feld, aber vom Zeitgeist waren die Meisten angesteckt. Denn wenn sie auch die bekannten schwarzen Flecken an den Blättern sahen, redeten sie doch sich ein, das mache dieses Jahr wenig, die Hitze vertreibe alles wieder, die Stengel schlügen neu aus, und wenn der Herbst gut sei, würde eine Masse wiedergeborner Kartoffeln zu ernten sein.

Auch zu unserer Käthi war die Nachricht geschlichen und hatte sie gröblich erschreckt. Diesmal ging sie tags hin und sah zu ihrem Schrecken ganz frühe Erdäpfel schwarz im Laub. Sie grübelte, wie die Weiber pflegen, und fand zu ihrer großen Freude viele und fast ausgereifte unter einer Staude, freilich mehrere gefleckt. Sie dachte: Gottlob, doch wieder was zu essen! Denn daß man im Juli Erdäpfel graben könne, daran hatte sie nicht gedacht. Ausmachen wird das Beste sein, dachte sie, und gedacht, getan.

Aber nicht manchen Tag ging es, so waren die ausgegrabenen Kartoffeln größtenteils in Fäulnis übergegangen. Als Käthi darübersah, erschrak sie grausam, denn selbst sie wäre geneigt gewesen, diesmal das Bessere zu glauben.

»Gott grüß Euch«, erscholl eine Stimme hinter ihr, daß sie erschrak und herumsah. »Habt Ihr einen Sohn im Bade und heißet Käthi?« frug ein Mädchen, sehr schlicht angezogen, mit einem großen Säcklein in der Hand. »Ist er etwa gestorben?« frug Käthi und fuhr hochauf. »Weiß nichts davon«, sagte das Mädchen, »aber ich habe einen Gruß für Euch und sonst noch was von Eures Bubs alter Meisterfrau.« »So«, sagte Käthi gedehnt, »sinnet die noch an ihn und hat ihn doch so schnöde zum Hause hinausgejagt; ists ihr etwa übers Gewissen gekommen?« »Glaub nicht, daß sie Ursache dazu hätte«, sagte das Mädchen, »soviel ich weiß. Aber man kann eine Sache auf mehr als eine Art erzählen.« »Bist du bei ihr?« frug Käthi. »Sollte Jungfrau sein dort«, sagte das Mädchen. »Sie hat letztlich vernommen, es gehe deinem Sohne bös, und das hat sie erbarmet; sie kann wohl scharf auftreten, ist daneben aber eine Gute und hat ein lind Herz. Ich hatte sonst noch was zu verrichten, da gab sie mir das Säcklein mit einem freundlichen Gruß, läßt fragen, wie es gehe, und wenn Johannes zurückkomme, so solle er einmal zu ihr kommen.«

Käthi hatte auf der Zunge, zu sagen: »Das wirds kaum geben«; indessen wendete sich das Wort ihr unwillkürlich im Munde, und sie sagte: »He, das kanns wohl geben. Aber sieh doch, wie ich Erdäpfel habe, es geht mir viel zu übel, ich darf gar nicht daran denken, wenn die andern auch so sein sollten. Aber komm hinein und sitz ab, es wird dich nicht wunder nehmen, wie es so einer alten Frau geht; junge, lustige Meitli haben anders zu sinnen.« Das Mädchen tat manierlich, sagte, es sei schrecklich für viele Leute, wenn es so kommen sollte, fragte, was sie da für ein hübsches Bubi habe und ob es auch so gut sei wie schön, und frug das Bubi, ob das seine Hühner seien und ob sie legen täten oder nicht? Vor lauter Fragen und Antworten brachte Käthi das Mädchen fast nicht in die Stube. Käthi entschuldigte sich, es sehe strub aus und gar so armütig, sie werde es anders gewohnt sein, in Bauernhäusern sehe das anders aus. Oh, sagte das Mädchen, das mit hellem Behagen sich umsah, es gebe viele Bauernhäuser, wo es nicht halb so sauber aussähe und wo man nicht halb so gerne absitze als hier.

Während drinnen das Mädchen mit dem Kinde sich abgab, ließ draußen Käthi das Feuer prasseln, Kaffeebohnen springen in der Pfanne, und sogar an drei Eiern vergriff sie sich rasch, denn es war Mittagszeit, und wenn es Käthi gehabt hätte, sie hätte alle Hungrigen und Durstigen in der ganzen Welt gespeiset und getränket. Als Käthi mit dem Kaffee hereinkam, protestierte das Mädchen wohl gegen alle Ungelegenheiten und inKostenBringen, ließ denn doch das Weitere geschehen, besonders da Johannesli, in beiden Händen Lebkuchen, seine Stimme stark geltend machte und als kleiner Hausherr der Großmutter befahl, sie solle Pfannkuchen machen, viel, viel, das Meitschi sei gar ein gutes und müsse auch was haben! Als Käthi mal abgesessen war und Kaffee eingeschenkt hatte, stellte sich das Behagen ein und der trauliche Redefluß, um dessen willen die Weiber den Kaffee so sehr lieben. Käthi erzählte vom Sohne, und das Mädchen hörte freundlich zu, erhielt den Fluß warm und die Rede im gleichen Geleise. Käthi ward nicht müde, zu erzählen, wie er so lieb und gut geworden, ganz ein Anderer, und wenn es nur Gottes Wille wäre, daß er wieder geheilt würde und sie beieinander bleiben könnten. Sie müsse sagen, erst sei sie bitterböse über die Bäurin gewesen, daß sie ihn krank so schnöde aus dem Hause gewiesen; aber jetzt wollte sie um kein Lieb, daß es nicht so gegangen wäre.

Bäbeli meinte, sie könne nicht glauben, daß die Bäurin es böse gemeint; aber hitzig sei sie, und der Johannes werde es auch sein, da ziehe ein Wort das andere nach und man sei uneins, man wisse nicht wie; die Frau meine es sicher gut, sonst solle sie nur sehen. Und nun erst packte Bäbeli das Säcklein aus und zog Brot hervor, ein schwarzes großes und ein kleines weißes, ein Stück Käse, Butter und sonst noch allerlei, und aus dem weiten Sack im Mieder wanderte eine Flasche Wein und ein klein Papier, in welches was gewickelt war. Käthi schlug die Hände über dem Kopf zusammen über die Bescherung, rief in einem fort: »E nein aber, das ist zu viel, das darf ich nicht nehmen! War ich so böse über die gute Frau; wenn sie gewußt hätte, was ich manchmal über sie gedacht habe, gesagt habe ich nichts, keinen Mundvoll hätte sie mir gesandt! Sage es ihr, wie ich mich an ihr versündigt hatte; aber es sei mir von Herzen leid, sie solle mir verzeihen, und ich will den lieben Gott bitten, daß auch er mir vergebe, ihr aber vergelte hunderttausendfältig.«

Eine solche Dankbarkeit hatte Bäbeli noch nie gesehen, und einen guten Teil davon konnte sie auf ihre Rechnung nehmen. Der Johannesli vergaß seine Kuchen, schrie nach weißem Brot, nach Käse und Wein. Da Käthi bemerkte, sie wollte einschenken, wenn sie ein Glas hätte, so sagte Johannesli, Andrese Anne Bäbi hätte zwei, er wolle sie holen. Nun mußte Bäbeli mittrinken, trotz allem Protestieren. Da ging der Käthi das Herz erst auf, sie erzählte von alten Zeiten, was Johannes für eine Frau gehabt und wie er doch gut gewesen sei gegen sie bis zuletzt und jeden Kreuzer, den er hätte aufbringen mögen, an sie gewandt hätte, und wie er erst gegen eine Frau sein würde, die anders täte und auch gut gegen ihn wäre. Sie hätte schon manchmal gedacht, wenn es doch Gottes Wille wäre, daß Johannes wieder eine fände, aber nicht wie er eine gehabt, sondern eine Gute und mit etwas Mittel, daß er was anfangen könnte, ein klein Händeli mit irgend etwas, was er am besten verstehe, wenn es mit dem Arm nicht bessern sollte. »Das Kind sollte sie nicht plagen, das lasse ich nicht von mir, oder wenn sie zu mir kommen wollte, so brauchte sie nicht zu fürchten, daß sie das Wüstest alles machen müßte, für das wäre ich immer da. Wenn man einander treulich helfen würde, wir könnten die besten Geschäfte haben, wenn Gott uns. gesund ließe. Wäret ihr wohl für einander?« Bäbeli frug: »Wie meinst?« »He, ob du und er, als er noch bei euch war, wohl für einander gewesen seiet? Du weißt, man kann einander viel helfen oder aber einander viel plagen, wenn man am nämlichen Orte dient.« Das Mädchen ward sehr rot und sagte, es sei damals noch nicht dort gewesen, sondern erst seither hingezogen. »Selb ist schade«, meinte Käthi, »ich glaube, ihr hättet euch gut vertragen.«

Nun frug Käthi hin und her, und das Mädchen mußte ein förmlich Examen bestehen über seinen Lebenslauf. »Du wirst Mitteli haben, oder noch zu erwarten?« meinte endlich Käthi. Das Mädchen ward sehr rot und sagte endlich: »Etwas wenigs, aber nicht viel, und obs noch was gibt, weiß ich nicht, allweg auch nicht viel.« »He nun, wenn es nur etwas ist, dann kann man es leicht weit bringen. Wieviel ists, was du hast?« »Fünfzig Taler«, sagte mit einigem Stottern das Meitschi, »und nur ein Bett.« »Bhüetis, du meine Kraft, fünfzig Taler«, sagte Käthi, »nein aber, fünfzig Taler sind ein Geld, habe mein Lebtag so viel nie beisammen gesehen! Wie du bei einem solchen Vermögen so brav daherkömmst, nichts Überflüssiges und alles währschaft, nicht so Hudelzeug, welches in Fetzen fährt, wenn man es von weitem angrännet! Ja, so ists recht, so gefiels mir; wenn alle Mädchen so wären, es würde weniger arme Leute geben. Ja, wenn mein Johannes so eine bekommen könnte, dann wollte ich mit Freuden unter die Erde, wüßte ich doch, daß das arme Bubi da eine Mutter hätte, welche zu ihm sehen würde. Johannesli, möchtest ein solches Müetti?« »Wolltest du mir dann noch mehr Lebkuchen geben und so schönes Brot?« frug Johannesli. Dem Mädchen ward es eng ums Herz vor lauter Traulichkeit; Abbrechen sei das Beste, dachte es. »Muß fort«, sagte sie, »du mein Gott, was wird die Frau für ein Gesicht machen, wenn ich so spät heimkomme, die wird mir was sagen!«

Umsonst suchte Käthi das Mädchen wieder zum Sitzen zu bringen, es wollte fort und ging doch nicht, ein Wort zog immer das andere nach, und wirklich schien die Sonne schon tief durch das niedere Fensterchen, als das Mädchen endlich ging, mit unendlichem Danke beladen und vielen Wünschen. Als es endlich fortging, sah Käthi ihm so lange nach, als es zu sehen war. So eins, das einen so schönen Gang hätte, geschwind und doch gut abtrappend, hätte sie lange nicht gesehen, und so ein Manierliches und Ehrbares und doch so reich! Ja, das wäre eins! Wenn das der Johannes gekannt hätte vor seinem Unglück, sie glaube, die wären zusammengekommen, es hätte nicht gefehlt, die schickten sich zusammen wie zwei Tropfen Wasser; aber jetzt! Und Käthi fuhr mit verkehrter Hand über die Augen und ging ins Häuschen.

Das Mädchen aber, Bäbeli, wischte die Augen nicht, obgleich sie glänzten wie zwei flimmernde Sternlein. Leicht wie ein Reh, das im Mondschein der bekannten Waldmatte zutanzt, flog Bäbeli in den schönen Abend hinein, wo die ganze Welt rosenrot ihr entgegenglänzte. Vom erquickenden Wonnegefühl, jemand eine reine Freude, jemand glücklich gemacht zu haben, ward Bäbeli zuerst durchströmt; so war ihr nie gedankt worden, so innig dankbar hatte sie noch keinen Menschen gesehen wie die alte Käthi. Wie gute Leute waren das und wie hatten sie sich so lieb, wie friedlich und sauber sah nicht alles aus, wie wußten sie nicht mit wenigem sich zu begnügen, als ob es viel wäre, und wie sah es dagegen in ihres Bruders Hause aus und was waren da für Gesichter bei allem Reichtum! Da sei es ein gut Weilen, wo Freundlichkeit sei, ein friedlich Wesen, die Leute einander gönnten, was sie brauchten, und jedes gerne dem Andern diente und in Liebe an ihm hinge. So an einem Orte möchte sie leben, dachte Bäbeli und seufzte schwer. Und wenn in ein so armütig Hauswesen eine käme mit einem schönen Sack voll Geld und ohne Stolz und Hochmut, ihr Geld brächte und dagegen ihren Frieden mit ihnen teilen könnte und diesen Frieden noch höher schätzte als das Geld und die andern befreiet wären von allen Kümmernissen, Speise und Trank hätten ohne Sorgen und den alten Frieden, noch neue Liebe dazu: was wäre das für ein Leben, das wäre ja das Paradies!

Was ist wohl mehr, Friede oder Geld? Und wer erheiratete mehr, wer das Geld brachte oder wer den Frieden brachte, und wer wäre der Vornehmere? Was ist mehr: Friede und Liebe oder Geld und Vornehmsein? Und doch dachte Bäbeli: Was wäre es für eine Herrlichkeit, wenn ich mit meinen Gulden in diese Armut käme! Da wäre ich wie die Sonne, wenn sie in die Finsternis kommt. Vornehm ist er nicht, aber was ist das, vornehm, und was hat das zu bedeuten, wenn einer ein Wüster ist! Was nicht ist, kann werden, wenn man sich recht aufführt und Gott und Menschen liebt. In jeder Familie war einer der Erste, der vornehm ward. Ach, wenn ich einen erhielte, der mich so von Herzen lieb hätte, daß ich auch so recht wüßte, ich sei jemandem, was früge ich allem nach; es dünkte mich, der liebe Gott hätte allen genommen und mir alleine gegeben! Aber wehren würden sie es mir! Mein Gott, wie tun, und wie sollte ich es zwingen; sie schlügen mich tot oder bänden mich an, und kein Mensch auf der Welt, der mir beistünde! Die Base vielleicht, aber sie ist auch eine Bäurin und wird meinen, Knecht sei nur Knecht. Und er? Bin ich ihm anständig, und möchte er mich?

Da war Bäbeli an einem eigenen Punkte. Geld hätte ich, hübsch genug wäre ich, arbeiten kann ich, und was Schlechtes kann mir niemand nachreden. Aber gefalle ich ihm, oder hat er eine Andere oder meint, ich würde ihn verachten nachher, oder ich wollte die Dame machen und er sollte der Knecht sein und vermöchte zuletzt mich nicht zu erhalten? Es wäre möglich, daß es ihm so vorkäme, man hat ja Beispiele genug, daß es so ging. Aber bei mir gings nicht so, ich meine ja nicht, daß ich das Glück alleine bringe, im Gegenteil, was er mir bringen sollte, Liebe und Friede, das ästimiere ich ja mehr als Geld und meine nicht, daß ich deswegen mehr sei als er. Aber, und wenn er mich schon wollte, wer sagte ihm, daß ich ihn möchte? Von ihm selbst kommt das ihm nicht in den Sinn, und ihm es selbst sagen, das tue ich doch wahrlich auch nicht. Er sah mich ein einziges Mal und weiß, denk ich, kaum, wie ich heiße.

Dem Mädchen kamen Tränen in die Augen; es hatte sich so in Heiraten und Liebesglück hineingedacht, als ob morgen schon geheiratet werden sollte, daß der Gedanke, es könnte am Ende gar nichts daraus geben, niemand zwischen ihnen berichten wollen, ihm Stiche durchs Herz gab, daß es hätte laut aufschreien mögen und sich setzen mußte. Mädchen werden am besten begreifen, wie ein Mädchen sich so tief in der Liebe Lust und Weh hineinreden und -denken kann, daß es alles wirklich zu erleben glaubt und bald das Jauchzen ihm zuvorderst ist, dann es des Weinens sich nicht erwehren mag. Es ist ein gar wunderliches Spiel, das Gedankenspiel; alle Menschen treiben es, die meisten, wie sie meinen, nur zur Kurzweil, die wenigsten erkennen es in seiner Bedeutsamkeit, machen es zur Quelle, die Gold führt, Diamanten sprudelt.

Spät kam Bäbeli zur Bäurin heim. »Du hast lange gemacht, wirst kurze Zeit gehabt haben, war er vielleicht schon heim?« frug die Bäurin in einem Atemzuge. Bäbeli stattete Bericht ab, und zwar einen sehr ausführlichen. Wie die Frau gedankt, wie sie so arm seien, kein Glas hätten sie gehabt im Hause, und sie glaube, keinen Kreuzer Geld. Die Frau habe lange gesucht, sie glaube, sie hätte ihr ein Trinkgeld anbieten wollen, aber nichts gefunden. Und doch sei alles so sauber gewesen und in Ordnung, daß man im ersten Augenblick an diese Armut gar nicht gedacht hätte; noch nirgends hätte sie es so gesehen. Dann kam alles durcheinander vom Bubi und vom Frieden und Liebe und vom Sohn im Bade, und wie es ihm nach erhaltenem Bescheid nicht sonderlich gebessert, aber wie er sich geändert hätte, so lieb und gut geworden sei, damit konnte Bäbeli gar nicht fertig werden. Aber vom andern, den fünfzig Talern, und wie Käthi an eine Sohnsfrau denke und wie sie ihr gefallen und daß das Bubi sie zum Müetti möchte, davon sagte Bäbeli kein Wörtchen. Und doch hätte Bäbeli es so gerne gehabt, wenn die Base alles gewußt hätte, für ihr Leben gerne gesehen, was sie für ein Gesicht dazu gemacht, und gehört, was sie dazu meine.

Aber die Frau war eine kluge Frau, brachte Bäbeli nicht zum Plaudern, stichelte nicht, machte keine absonderlichen Mienen. Sie merkte Bäbeli wohl, aber sie wollte nicht wehren, nicht fördern. Wir glauben nicht, daß sie ihre Tochter ihrem Knechte gegeben hätte, doch wissen wir es nicht. Auch bei Bäbeli stieß sie sich anfangs an diesem Gedanken, dachte aber, das werde ihr schon erleiden. Als sie aber sah, daß das Ding ihr im Kopf blieb, dachte sie: Geschehe am Ende nichts Böseres, und leicht zehnmal schlimmer als so könnte es ihr gehen, wenn man auch anfangs meinte, wie gut man es mache.

So übel würde Bäbeli allerdings nicht mit dem Johannes fahren, das wußte die Base. Indessen, daß es gut gehe, verbürgte ihr niemand, und daß Bäbeli später nicht reuig würde und ihr Vorwürfe mache, sie hätte weiser sein sollen, ebenfalls nicht. Jedenfalls gebe es ein mächtig Gerede, dachte sie, und da wolle sie lieber, es heiße nicht, sie hätte da gekuppelt und die Sache gemacht.

Am folgenden Morgen redete die Base weder was von Käthi noch von den gestrigen Erlebnissen, und als Bäbeli fort wollte, hieß sie sie bloß bald wieder kommen. Da konnte Bäbeli sich nicht mehr halten und sagte: »Wenn du was vernimmst, so machst du mir doch Bescheid?« »Wenn du willst«, sagte die Base. »Aber man weiß nie, wie so was verrichtet wird und wann. Das Beste ist, du kommest bald zu mir. Zeit hast du wohl, und willkommen bist du immer.« »Danke, Base, du bist allweg immer mein Trost; ich sehe, du meinst es gut mit mir. Wenn ich dich nicht hätte, keinen Menschen hätte ich auf der Welt«, sagte Bäbeli, und bitteres Weinen quoll ihr herauf, daß sie lange nichts sagen konnte. »Lebe wohl und erhalte dich Gott gesund!«

Aber nicht bloß Bäbelis Herz war so angeschwollen, Käthis Herz war es nicht minder. Käthis altes Herz, von dem man glauben sollte, es gliche dem Geldseckel eines verarmten Batzenklemmers, Käthis Herz war angeschwollen, glich akkurat einer alten Blumenzwiebel, die neu treiben will, Grünes und Schönes. Vor allem aus war dasselbe mit dem innigsten Danke erfüllt über die erhaltene Gabe; im Papier waren zwei Fünffrankenstücke gewesen, eine große Summe für die arme Frau, ein Reichtum, welcher ihr vom Himmel gefallen, an welchem sie wenigstens drei oder vier Wochen zu verdienen gehabt hätte. Die beiden Stücke wanderten alsbald in den Hochzeitstrumpf, denn wenn Käthi Geld kriegte, dachte sie nicht an Wünsche und Bedürfnisse, sondern an ihre Schuldigkeiten, diese waren ihr heilig. Und zu was jetzt Geld brauchen, wo man so viel zu essen hätte und so Gutes! Dann war das Herz voll Reue wegen des Urteils über die Bäurin. Schon hundertmal habe sie sich vorgenommen, sagte Käthi, nicht leichtlich und ungehört verdammen zu helfen und nicht alles zu glauben, selbst wenn es der Johannes sage, und immer wieder fehle sie und glaube das Böse lieber als das Gute.

Aber am allervollsten, daß es gar keine Art hatte, war sie von dem Mädchen; das hatte ihr gefallen, sie wußte nicht wie, fast als ob sie selbst ein junger, heiratslustiger Bursche wäre. Sie sei alt, aber so ein anständig und gescheut Mädchen habe sie nicht angetroffen, und so ein hübsches, mit solchem Vermögen. Wenn der Johannes so eins kriegen könnte oder gerade dieses, er wäre der glücklichste Mensch unter der Sonne, und wenn sie ihm dazu verhelfen könnte, sie wollte mit aller Freude am Tage nach der Hochzeit unter die Erde, sie wüßte dann doch, daß der Johannes und das Bubi versorget wären.

Den allergrößten Kampf hatte Käthi auszustehen, wenn die Beselise beim Häuschen vorüberging. Ungeheuer gerne hätte sie Erkundigungen eingezogen bei derselben über die liebliche Magd, obs wahr sei, was sie gesagt, und wie sie daneben sei und was die Leute sagten von ihr, und Käthi wagte es doch nicht. Die Beselise war eine abgefeimte Person, handelte nicht bloß um Besen, sondern um Witwen und Mädchen, wenn was dabei zu verdienen war. Derselben Aufmerksamkeit auf das Meitschi lenken wollte Käthi nicht; sie wußte, sie waren beide eben nicht wohl für einander, und wenn die Hexe etwas von weitem riechen würde, so rührte ihr dieselbe Schmutz in die Suppe. Aber die Hexe, die von allem Möglichen redete, könnte wohl einmal ihr zu Gefallen von der Bäurin Magd reden, meinte Käthi, und das wollte die Täsche nie. Alles Mögliche brachte sie auf die Trommel, nur das Meitschi nie. Absonderlich verhandelte sie die Erdäpfel und verketzerte alle, welche nichts aus der Sache machen wollten, und meinte von ihnen, das seien Kühe mit Brettern vor den Augen, welche meinten, weil es ihren Köpfen nach ginge im Kanton Bern, so dürfe der Herrgott nicht anders als nach ihrer Geige tanzen, sagte die Beselise. Aber Käthi, obgleich ihre Stauden alle Tage schwärzer wurden, frug den Erdäpfeln wenig nach, glaubte auch, sie würden alle Tage besser, schlügen aus, wüchsen nach und der Teufel weiß was alles, was die Gelehrten gegen alle Grundsätze in der Pflanzenwelt verbreiteten und das gläubige Volk gerne glaubte, dieweil es ihm gefiel. Je mehr die Beselise schimpfte über die Verblendung, desto kühler ward Käthi, je mehr die Beselise zu verstehen gab, wenn die armen Leute Hungers krepierten, desto mehr täte es die Bauern und die Herren an der Regierung lächern, desto eifriger gab Käthi zu verstehen, es gäbe Leute, denen nie was recht sei und die immer die Leute aufzureizen suchten. So redete unsere gute Käthi, dieweil sie Bäbeli im Kopf hatte und böse war, daß die Beselise ihr nicht von dem redete, was sie so gerne gehört hätte.


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